Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2016, Az. X ZR 41/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9601

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:210616UXZR41.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
41/15
Verkündet am:
21.
Juni
2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]
ZPO § 110 Abs. 1, § 97 Abs. 2
a)
Hat eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats der [X.] oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den [X.] errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesem Mitglied-
oder Vertragsstaat, ist sie jedenfalls dann nicht verpflichtet, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, wenn sämtli-che Orte, an die zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ange-knüpft werden könnte, ebenfalls in der [X.] oder dem Euro-päischen Wirtschaftsraum liegen.
b)
Der aufgrund neuer, in ihrem Einflussbereich eingetretener tatsächlicher Um-stände obsiegenden [X.] können Kosten des Rechtsmittelverfahrens nur dann auferlegt werden, wenn sie dadurch gegen ihre Prozessförderungs-pflicht verstoßen hat, dass sie diese Umstände nicht bereits in einem frühe-ren Rechtszug herbeigeführt hat.
[X.], Urteil vom 21. Juni 2016 -
X [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Juni 2016 durch [X.] Dr. Meier-Beck, den
Richter Dr.
[X.],
die Richterin Schuster, [X.]
Deichfuß sowie die Richterin Dr.
Kober-Dehm
für
Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2.
Zivilsenats
des Oberlandes-gerichts Düsseldorf vom 25.
Februar
2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die [X.]en streiten darüber, ob die Klägerin, die die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch nimmt, Sicherheit wegen
der Prozesskosten zu leisten hat.
Die Klägerin ist Tochter einer [X.] Muttergesellschaft mit Sitz in [X.]
([X.]) und im [X.] Handelsregister als Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung nach [X.] Recht eingetragen. [X.] verkaufte die Muttergesellschaft das operative Geschäft der Klägerin. [X.] darauf er-warb sie ein etwa 1000 Schutzrechte umfassendes [X.], das sie im Februar 2014 auf die Klägerin übertrug. Diese ist seither mit der Verwaltung, Lizenzierung und

soweit erforderlich

klageweisen Durchsetzung des [X.], zu dem auch das Klagepatent gehört, in [X.] und [X.] betraut.
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3
-
Als satzungsmäßiger Sitz der Klägerin ist die Adresse einer Rechtsan-waltskanzlei in [X.] registriert. Als Geschäftssitz hat die Klägerin vor dem [X.] eine hiervon abweichende Adresse in [X.] angegeben, wo sie ein Büro bei einem Office-Dienstleister angemietet hatte, der für die Mieter Lie-ferungen und Postsendungen annimmt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin einen Mietvertrag über Geschäftsräume unter der im Urteilsrubrum angegebenen Adresse in [X.] abgeschlossen.
Das vertretungsberechtigte Organ
der Klägerin (board of
directors) [X.] aus den Geschäftsführern S.

S.

und P.

[X.]

. Der Geschäfts-
führer S.

arbeitet hauptsächlich in einem in seiner Privatwohnung
in [X.]
([X.])
eingerichteten Büro. Er ist gleichzeitig Vizepräsident der [X.] und bei dieser für den Bereich Lizenzen und Standards zuständig. Der Geschäftsführer [X.]

, der seinen Wohnsitz in [X.] hat und
seit dem 24.
Juni
2014 bei der Klägerin beschäftigt ist, war für diese zunächst als unternehmensinterner Rechtsberater (legal counsel) tätig. Ende 2014 wurde er anstelle des bisherigen
zweiten
Geschäftsführers
der Klägerin E.

V.

,

der als
in [X.] ansässiges Mitglied des Vorstands
der Muttergesellschaft bei der Klägerin tatsächlich keine Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen
hat-te, zum Geschäftsführer (director) der Klägerin bestellt.
Seit August 2014 be-schäftigt die Klägerin in [X.] außerdem eine Buchhalterin.
Das [X.] hat den Antrag der Beklagten, der Klägerin die Leistung einer [X.] aufzugeben, mit Zwischenurteil zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter. Die Klä-gerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
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-
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Klägerin, Sicherheit we-gen der Prozesskosten zu leisten, seien nicht gegeben. Nachdem die gesetzli-che Regelung hierfür an den gewöhnlichen Aufenthalt des [X.] anknüpfe, komme es dementsprechend bei einer juristischen Person wie der Klägerin auf den Sitz des Unternehmens an. [X.] sei danach nur zu leis-ten, wenn sich der Sitz des klagenden Unternehmens nicht in einem [X.] der [X.] oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] ([X.]) befinde, wobei nicht der sat-zungsmäßige, sondern der tatsächliche Verwaltungssitz maßgebend sei. Dieser sei an dem Ort anzunehmen, an dem zum einen
die Möglichkeit für Zustellun-gen an den Kläger gegeben sei und zum anderen der geschäftsführende [X.] tätig werde. Die Existenz einer zustellungsfähi-gen Anschrift in einem Mitgliedstaat der [X.]
oder in einem Ver-tragsstaat des [X.]-Abkommens sei eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Annahme eines Verwaltungssitzes in einem dieser [X.]. Auch wenn die [X.] nicht davor schütze, dass der Voll-streckungszugriff mangels werthaltiger Vollstreckungsobjekte des [X.] scheitere, verknüpfe das Gesetz

in einer rein typisierenden Betrachtung

mit dem tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung doch die angenommene [X.] von Vermögenswerten, die dem obsiegenden Beklagten bei der Reali-sierung seines [X.] als Vollstreckungsobjekt dienen könnten. Ließe man bereits eine Zustellmöglichkeit für die Annahme eines Ver-6
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waltungssitzes ausreichen, wäre nicht einmal die theoretische Aussicht auf ein Zugriffsobjekt für eine Zwangsvollstreckung in der [X.]
oder im [X.] gegeben und der Beklagte wäre von [X.] auf eine Zwangsvollstreckung außerhalb [X.]s angewiesen. Umgekehrt könne ein Verwaltungssitz auch nicht an der Wirkungsstätte des [X.] angenommen werden, wenn dort keine Zustellmöglichkeit bestehe, so wenn der Geschäftsführer beispielsweise in seiner privaten Unterkunft ein Büro unterhalte. Fielen der Ort der Zustellmöglichkeit und der Tätigkeitsort des ge-schäftsführenden [X.] auseinander, lasse sich kein tatsächli-cher Verwaltungssitz ausmachen. In diesem Fall sei der Kläger, auch wenn sich beide Orte in der [X.] oder im [X.]
befänden, ebenso zur Leistung von [X.] verpflichtet, wie wenn er seinen Verwaltungssitz in einem Drittstaat
hätte. Seien mehrere [X.] vorhanden, die das operative Geschäft gemeinschaftlich oder ar-beitsteilig erledigten, genüge es, wenn der Tätigkeitsort nur eines von
ihnen mit dem [X.] zusammenfalle. Dadurch sei dem Zweck der [X.] gedient, weil zu erwarten sei, dass sich dort, wo auch nur einer von mehreren Geschäftsführern residiere und die Voraussetzungen für eine Zustellmöglichkeit gegeben seien, typischerweise Vermögenswerte befänden, die als Vollstreckungsobjekte für den Beklagten taugten. Unerheblich sei, wel-ches Gewicht die Beiträge des am [X.] residierenden [X.] im Vergleich zu denen eines oder mehrerer weiterer Mitgeschäftsführer hätten; es genüge, dass
der Geschäftsführer am [X.] überhaupt in das operative Geschäft des [X.]
verantwortlich eingebunden sei.
Die Klägerin habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in [X.], weil dort Zustellungen an die Klägerin wirksam vorgenommen werden könnten und

nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme -
der Mitgeschäftsführer [X.]

an
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-
diesem Ort das operative Geschäft der Klägerin verantwortlich und weisungsfrei betreibe.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Vor-aussetzungen des §
110 Abs.
1 ZPO für eine Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von [X.] nicht vorliegen.
1.
Nach dieser Bestimmung
müssen Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der [X.] oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] haben, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit
leisten.
Bei einer juristischen Person wie der Klägerin richtet sich

wovon auch das [X.] zutreffend ausgegangen ist

die Verpflichtung zur Leistung von [X.] dementsprechend danach, ob sich der Sitz des [X.] in einem Mitgliedstaat der [X.]
oder
in einem Ver-tragsstaat des [X.]-Abkommens befindet.
2.
Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob es für
die Verpflich-tung zur [X.], wie das Berufungsgericht angenommen
hat, nicht auf den satzungsmäßigen, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Denn sowohl als satzungsmäßiger wie auch als tatsächlicher Verwal-tungssitz der Klägerin kommt nur ein Ort in einem Mitgliedstaat der [X.] in Betracht.
a)
Ob im Rahmen des §
110 Abs.
1 ZPO
auf den satzungsmäßigen Sitz oder auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, ist vom Bundesge-richtshof bisher offen gelassen worden. In den zu beurteilenden Fällen war die Frage nicht entscheidungserheblich, weil sich entweder sowohl der satzungs-mäßige Sitz als auch der Verwaltungssitz des [X.] in einem Mitgliedstaat 10
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-
der [X.]
befanden ([X.], Urteil vom 1.
Juli
2002 -
II
ZR
380/00, [X.]Z
151, 204, 208
f.) oder die als Unternehmenssitz in Betracht kommenden Orte sämtlich in Drittstaaten
belegen waren ([X.], Zwischenurteil vom 30.
Juni
2004 -
VIII
ZR
273/03, NJW-RR
2005, 148, 149).
b)
Auch im Streitfall kann
diese Frage
offen bleiben, da die
Klägerin
in keinem denkbaren Fall zur Leistung von [X.] verpflichtet ist.
Stellt man auf den satzungsmäßigen Sitz ab, kann von der Klägerin Pro-zesskostensicherheit nicht verlangt werden, weil dieser in [X.] und damit in einem [X.]smitgliedstaat liegt.
Sieht man den Verwaltungssitz als maßgeblich an, ist eine Pflicht der Klägerin zur Leistung von [X.] eben-falls zu verneinen, da ein Verwaltungssitz außerhalb der [X.]
im Streitfall nicht in Betracht kommt.
aa)
Maßgebend dafür, wo eine Gesellschaft
ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen [X.], also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der [X.] effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden ([X.], Urteil vom 21.
März
1986

V
ZR
10/85, [X.]Z
97, 269, 272; Beschluss vom 10.
März
2009

VIII
ZB
105/07, NJW
2009, 1610).
bb)
Im Streitfall liegen alle entscheidenden Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verwaltungssitzes im Bereich der [X.].
(1)
Die Klägerin
hat die Führung ihrer Geschäfte zwei Geschäftsführern
übertragen, wobei der Geschäftsführer S.

seine Tätigkeit vornehmlich in Tur-
ku ausübt und der Geschäftsführer [X.]

in [X.] tätig ist. Die
Geschäftsführer-
tätigkeit für die Klägerin wird danach ausschließlich in [X.] und [X.] und damit in Mitgliedstaaten der [X.]
wahrgenommen,
so dass
un-abhängig davon, wie das Verhältnis und die Beiträge der Geschäftsführer S.

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8
-
und [X.]

zueinander zu
bewerten sind, die Klägerin jedenfalls keinen Verwal-
tungssitz außerhalb der [X.] hat.
(2)
Zustellungen an die Klägerin können zumindest
in ihren
Büroräumen
in [X.] und damit ebenfalls in einem Mitgliedstaat der [X.] vorgenommen werden.
cc)
Unter diesen Umständen
ist es weder

wie die Revision meint
-
er-forderlich, zunächst den Schwerpunkt der Geschäftsführertätigkeit festzustellen und danach
den effektiven Verwaltungssitz der Klägerin zu bestimmen, noch kommt es

wie das Berufungsgericht angenommen hat

darauf an, ob
die Zu-stellungsmöglichkeit gerade an dem Ort besteht, an dem ein geschäftsführen-der
Entscheidungsträger der Klägerin seine Tätigkeit ausübt.
Dementsprechend spielt auch weder eine Rolle, wie die Beiträge der beiden Geschäftsführer der Klägerin im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, noch, ob am Tätigkeitsort des Geschäftsführers S.

in [X.] die Möglichkeit besteht, der Klägerin
Schriftstücke zuzustellen.
(1)
Sinn und Zweck der [X.] ist es, den obsiegen-den Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstat-tungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung au-ßerhalb der [X.]
oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den [X.] und damit außerhalb der
Anwendungsbereiche
der
Verordnung ([X.]) Nr.
1215/2012 des [X.] Parlaments und des Rats vom 12.
Dezember
2012 über die gerichtliche [X.] und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zi-vil-
und Handelssachen ([X.])
bzw. der
für vor dem 10.
Januar
2015 eingeleitete
Verfahren noch maßgeblichen
Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 ([X.]) und des
Luganer Übereinkommens
auftreten
(vgl. BT-Drucks.
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-
13/10871 S.
17).
Dieser Zweck wird nicht gefährdet, wenn Unternehmenssitz und Zustellmöglichkeit nicht an einem Ort zusammenkommen, sondern sich an unterschiedlichen Orten innerhalb der [X.] oder des [X.] befinden, sei es in unterschiedlichen Mitglied-
oder Vertragsstaaten oder an unterschiedlichen Orten innerhalb desselben Staates.
Dementsprechend kommt es auch dann, wenn

wie im Streitfall -
die Ge-schäftsführung von mehreren Geschäftsführern an unterschiedlichen Orten wahrgenommen wird, nicht darauf an, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen, solange sich sämtliche Tätigkeitsorte der Geschäftsführer in der [X.] oder innerhalb des [X.]s befinden.
(2)
Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert der Wortlaut des §
110 Abs.
1 ZPO keine andere Beurteilung. Zwar ist dort vom gewöhnlichen Aufenthalt in einem
Mitgliedstaat der [X.] die Rede. Angesichts des Zwecks des §
110 Abs.
1 ZPO, den Beklagten vor den Schwierigkeiten [X.] in einem Drittstaat
zu bewahren,
ist dies jedoch nicht dahin zu verstehen, dass alle relevanten Anknüpfungspunkte in einem einzigen [X.] gegeben sein müssten.
Entscheidend ist vielmehr, dass sich [X.] und Zustellmöglichkeit auf dem Gebiet der [X.] oder des [X.]s befinden und kein Ort in einem Drittstaat
als möglicher Unternehmenssitz in Betracht kommt.
III.
Als in den [X.] unterlegene [X.] hat die Beklagte nach §
97 Abs.
1 ZPO die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht davon abgese-hen hat, die Kosten des Berufungsverfahrens in entsprechender Anwendung von §
97 Abs.
2 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
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10
-
1.
Nach §
97 Abs.
2 ZPO hat die obsiegende [X.] die Kosten der Be-rufungsinstanz zu tragen, wenn sie aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, das sie schon in der ersten Instanz hätte geltend machen können. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt

wie auch die Revision nicht in Frage stellt

nicht in Betracht, da die Veränderung in der Geschäftsleitung
der Klägerin, die dieser nach der Begründung des Berufungsurteils zum Erfolg verholfen hat, erst im Berufungsverfahren eingetreten ist und daher im erstin-stanzlichen Verfahren noch nicht vorgetragen werden konnte.
2.
Aber auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet entgegen der Auffassung der Revision aus.
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.] bringt §
97 Abs.
2 ZPO einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck und ist daher entsprechend anwendbar, wenn eine [X.] erst in der Rechtsmittelinstanz infolge eines in der Rechtsmittelinstanz eingetretenen Umstands obsiegt, der nicht dem Bereich der Gegenpartei, sondern ihrem Bereich zuzurechnen ist ([X.], Urteil
vom 16.
Dezember 1959

IV
ZR
103/59, [X.]Z
31, 342, 350).
b)
Für einen Umstand in diesem Sinne genügt jedoch nicht jedes tat-sächliche Geschehen, das sich im Einflussbereich einer [X.] ereignet. §
97 Abs.
2 ZPO liegt vielmehr der Gedanke zugrunde, dass derjenige mit den Kos-ten des Rechtsmittelverfahrens belastet werden soll, der ein Angriffs-
oder Ver-teidigungsmittel unter Verstoß gegen seine Prozessförderungspflicht verspätet geltend macht und damit den Prozess nachlässig führt (vgl. [X.], Urteil
vom 2.
März
2005

VIII
ZR
174/04,
NJW-RR
2005, 866, 867). In dem Fall, der dem Urteil des [X.] vom 16.
Dezember 1959 ([X.]Z
31, 342) zu-grunde lag, konnte
der Umstand, der zum Obsiegen des [X.] in der Rechtsmittelinstanz führte
(Beitritt des Staatsanwalts als Streitgenosse), nur 23
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-
eintreten, weil der Kläger zuvor die Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes seiner Frau versäumt hatte und nach der damaligen Rechtslage dadurch erst die Voraussetzung dafür entstanden
war, dass der Staatsanwalt dem Verfahren beitreten und seinerseits das Anfechtungsrecht ausüben konnte.

c)
Im Streitfall kann der Klägerin nicht vorgehalten werden, den Prozess nachlässig geführt zu haben. Aus der Prozessförderungspflicht einer [X.] las-sen sich keine Anforderungen an die personelle
Besetzung ihres [X.] ableiten. Im Übrigen wäre es der Beklagten unbenommen gewesen, nach dem Wechsel in der Geschäftsführung der Klägerin
den Zwischenstreit über die [X.] für erledigt zu erklären.
Meier-Beck
[X.]
Schuster

Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.07.2014 -
4b O 54/14 -

O[X.], Entscheidung vom 25.02.2015 -
I-2 [X.] -

27

Meta

X ZR 41/15

21.06.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2016, Az. X ZR 41/15 (REWIS RS 2016, 9601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9601

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 41/15

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