Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. XII ZB 157/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5418

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2017:130917BXII[X.]157.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 157/17
vom
13. September 2017
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1903 Abs. 1
Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein [X.] nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermö-gensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeu-tet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein ein-zelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (im [X.] an Senatsbeschluss vom 28.
Juli 2015

XII
[X.]
92/15

FamRZ 2015, 1793).
BGH, Beschluss vom 13. September 2017 -
XII [X.] 157/17 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 13.
September 2017 durch [X.] und [X.]
Dr.
[X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 1.
Zivilkammer des
[X.]s [X.] vom 9.
März 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Bestellung
eines Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge sowie gegen die Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts.
Die im Jahr 1925 geborene Betroffene leidet an einer organischen Per-sönlichkeitsstörung und einem beginnenden demenziellen Syndrom. Sie lebt derzeit in einem Pflegeheim. Am 24.
Dezember 2011 erteilte die Betroffene ih-rem Neffen, dem Beteiligten zu
1, und dessen Ehefrau, der Beteiligten zu
2, 1
2
-
3
-
eine Vorsorgevollmacht, die sich auf alle Angelegenheiten bezieht. Am 14.
Sep-tember erteilte die Betroffene den Beteiligten zu
1 und
2 zudem eine General-vollmacht.
Auf eine erste Anregung der Beteiligten zu
1 und 2, eine Betreuung an-zuordnen, lehnte das Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers im Hinblick auf die bestehenden Vollmachten ab.
Nachdem die [X.] im Dezember 2016 beim [X.] einen "Antrag auf Überprüfung der Geschäfts-
und Testierfähigkeit"
der Betroffenen gestellt hatten, hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachver-ständigengutachtens und Anhörung der Betroffenen die Beteiligten zu
1 und
2 zu Betreuern für den Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt und einen auf diesen Aufgabenkreis bezogenen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
Das [X.] hat die Beschwerde (nicht: "sofortige Beschwerde") der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der Rechtsbe-schwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegrif-fenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde-gericht.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Aus dem Sachverständigengutachten vom 27.
Dezember 2016 ergebe sich, dass die Betroffene aufgrund einer organischen Persönlichkeitsstörung und einer beginnenden senilen Demenz ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst 3
4
5
6
7
8
-
4
-
besorgen könne. Die Betroffene verfüge über erhebliche Vermögenswerte mit einem Gesamtwert von ca. 1,7
Millionen

dass die Betroffene neben mehreren Immobilien auch Konten und Wertpapiere fortlaufend zu verwalten habe. Auf Grund der Beeinträchtigungen ihres [X.] sei die Betroffene zu der hierfür erforderlichen Marktbeobachtung
nicht mehr in der Lage. Hinzu komme, dass die Betroffene aufgrund ihres [X.] in der Seniorenunterkunft und ihrer massiv eingeschränkten Mobilität zur Verwaltung ihrer Vermögenswerte nicht in der Lage sei. Deshalb bestehe für den Bereich der Vermögenssorge konkreter Betreuungsbedarf, weil ohne die Einrichtung einer Betreuung die mit der Verwaltung des [X.] zu treffenden Entscheidungen nicht gewährleistet seien.
Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts seien ebenfalls gegeben. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass die Betroffene vor dem Hintergrund ihres Wunsches, in die eigene Wohnung zurückzukehren, unvernünftige und nicht nachvollziehbare Entscheidungen mit [X.] treffe. Nach Angaben der [X.] sei zudem eine Frau
P. mit dem Wunsch an die Betroffene herangetreten, von ihr eine Eigentumswohnung zu erwerben. Krankheitsbedingt sei die Betroffene jedoch nicht in der Lage, das Geschehen rund um einen etwaigen Immobilienverkauf sachgerecht zu [X.]. Zudem stehe zu befürchten, dass die Betroffene, wenn auch nur unter Zu-hilfenahme dritter Personen, Verfügungen über ihr Barvermögen treffe, ohne dass hierfür ein begründeter Anlass bestehe. Dies ergebe sich aus der Bekun-dung der [X.], wonach die Betroffene den Wunsch geäu-ßert habe,
Geldbeträge in Höhe von 10.000

um sich Bekleidung kaufen oder sich sonstige Annehmlichkeiten verschaffen zu können.

9
-
5
-
Da ein Einwilligungsvorbehalt erforderlich sei, dieser aber nicht losgelöst von einer Betreuung angeordnet werden könne, stünden die von der [X.] erteilten Vorsorgevollmachten der Anordnung einer Betreuung nicht entge-gen. An der Eignung der [X.] als Betreuer bestünden [X.] Zweifel.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die getroffenen [X.] nicht den Schluss tragen, eine Betreuung sei trotz der zugunsten der Beteiligten zu
1 und
2 bestehenden Vorsorgevollmachten erforderlich.
aa) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, so-weit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten [X.] gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Anders kann es zum einen liegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der [X.], die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit
die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den [X.] zu beeinträchtigen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 3.
Februar 2016

XII
[X.]
425/14

FamRZ 2016, 701
Rn.
12 mwN). Zum anderen kann trotz wirksam erteilter Vorsorgevollmacht eine Betreuung erforderlich sein, wenn
der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu be-sorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen
des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen
begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet 10
11
12
13
-
6
-
erscheint (Senatsbeschluss vom 17.
Februar 2016

XII
[X.]
498/15

FamRZ 2016, 704 Rn.
12 mwN). Aber auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebe-vollmächtigten
außer Zweifel steht, kann die Anordnung einer Betreuung erforderlich
sein, wenn der Bevollmächtigte

etwa wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen ihm und dem Betroffenen

nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen
zu handeln (vgl. Senatsbeschluss vom 7.
August 2013

XII
[X.]
671/12

FamRZ 2013, 1724 Rn.
8
f.).
bb) Anhaltspunkte dafür, dass die im Jahr 2011 erstellten Vorsorgevoll-machten wegen fehlender Geschäftsfähigkeit der Betroffenen oder aus anderen Gründen unwirksam sind oder die Akzeptanz dieser Vollmachten im Rechtsver-kehr fraglich ist, ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Ebenso wenig sind der angegriffenen Entscheidung tragfähige Umstände zu entneh-men, die den Schluss zulassen, die Beteiligten zu
1 und
2 seien ungeeignet, die Vollmachten im Interesse und zum Wohl der Betroffenen auszuüben. Das Be-schwerdegericht hat bei der Prüfung der [X.] sogar ausgeführt, an der Redlichkeit
und Eignung der Beteiligten zu
1 und
2 als Betreuer der Be-troffenen bestünden keine Zweifel.
b) Die Einrichtung einer Betreuung kann im vorliegenden Fall auch nicht damit begründet werden, dass diese als Voraussetzung für die Anordnung ei-nes Einwilligungsvorbehalts erforderlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 27.
Juli 2011

XII
[X.]
118/11

FamRZ 2011, 1577 Rn.
11).
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsge-richt nach §
1903 Abs.
1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im 14
15
16
-
7
-
Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.
Januar 2016

XII
[X.]
519/15

FamRZ 2016, 627 Rn.
18, 22). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem [X.] um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen han-delt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbe-schluss vom 7.
Dezember 2016

XII
[X.]
458/15

FamRZ 2017, 474 Rn.
25 und 31).
Eine Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich auch daraus er-geben, dass er sein umfangreiches Vermögen nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten nur dann angeordnet werden, wenn konkrete [X.] für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der [X.] je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften
beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 28.
Juli 2015

XII
[X.]
92/15

FamRZ 2015, 1793 Rn.
8
ff. mwN).
bb) Nach diesen Maßstäben tragen die bislang getroffenen Feststellun-gen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der [X.] nicht.
Soweit das Beschwerdegericht zur Begründung darauf abstellt, dass die Betroffene aufgrund ihres Wunsches, wieder in ihre frühere Wohnung zurück-zukehren, unvernünftige und nicht nachvollziehbare Entscheidungen mit [X.] treffen könnte, rechtfertigt dies die Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts nicht. Denn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensge-fährdung von erheblicher Art hat das Beschwerdegericht insoweit nicht festge-stellt.
17
18
19
-
8
-
Auch die vom Beschwerdegericht angeführte Möglichkeit, die Betroffene könne eine ihrer beiden Eigentumswohnungen veräußern, begründet keine aus-reichende Gefahr für das Vermögen der Betroffenen, der nur mit der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts begegnet werden könnte. Eigene Aktivitäten, um eine ihrer Wohnungen zu verkaufen, hat die Betroffene bislang nicht entfaltet. Allein die Tatsache, dass sich eine frühere Bekannte der Betroffenen für den Erwerb einer der Wohnungen interessiert und hierzu mehrfach Kontakt zu der Betroffenen aufgenommen hat, begründet noch nicht die konkrete Gefahr, dass es tatsächlich zum Verkauf einer Wohnung kommt und die Betroffene sich [X.] selbst schädigen würde.
Soweit das Beschwerdegericht schließlich darauf abstellt, es stehe zu befürchten, dass die Betroffene ohne begründeten Anlass Verfügungen über ihr Barvermögen treffe, trägt diese Erwägung ebenfalls nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Auch insoweit fehlt es an den erforderlichen konkreten Feststellungen dafür, dass die Betroffene sich ohne Einwilligungsvorbehalt selbst schädigen könnte. Die Betroffene ist aufgrund ihrer körperlichen Beein-trächtigungen nicht in der Lage, eigenständig das Pflegeheim zu verlassen. In der Vergangenheit hat die Betroffene stets nur von den beiden [X.] die Aushändigung von Bargeldbeträgen verlangt. Dass die Betroffe-ne Kontakt zu anderen Person pflegt, die für sie Abhebungen und Überweisun-gen von ihren Konten vornehmen könnten, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.
20
21
-
9
-
3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht ab-schließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zu-rückzuverweisen.

Dose

[X.]

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 17.01.2017 -
XVII 1395/16 -

LG
[X.], Entscheidung vom 09.03.2017 -
13 [X.] -

22

Meta

XII ZB 157/17

13.09.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2017, Az. XII ZB 157/17 (REWIS RS 2017, 5418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5418

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 157/17 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts bei umfangreichem Vermögen des Betreuten


XII ZB 301/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 416/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 136/16 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 544/21 (Bundesgerichtshof)

Zulässigkeit der Bestellung eines Berufsbetreuers bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 157/17

13 T 27/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.