Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. 2 StR 261/02

2. Strafsenat | REWIS RS 2002, 728

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Nachschlagewerk: [X.]: ja[X.]St: ja_______________StGB § 66 Abs. 3 Satz 1Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB setzt nichtnotwendig eine Vorverurteilung zu einer Einzelstrafe von mindestens drei Jahrenvoraus. Als Vorverurteilung im Sinne dieser Vorschrift genügt eine entsprechendhohe Gesamtfreiheitsstrafe jedenfalls dann, wenn dieser ausschließlich Katalogtatenzugrundeliegen.[X.], Urteil vom 13. November 2002 - 2 StR 261/02 - [X.] [X.] NAMEN [X.]/02[X.]in der [X.] [X.] 3 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung [X.], an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. [X.],Richterin am [X.]. [X.],Richter am [X.],Richterin am [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt ,Rechtsanwalt , beide in der Verhandlung, als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. April 2002 aufgehoben, soweit das [X.] es unterlassen hat, eine Gesamtstrafe mit der Strafeaus der Verurteilung des [X.] vom [X.] zu bilden.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere Strafkammer des [X.].Die weitergehende Revision wird verworfen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einerFreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Sicherungsverwahrung angeord-net. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten, die der [X.] in der Revisionshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch be-schränkt hat.[X.] -Nach den Feststellungen hat der Angeklagte bei einem Besuch in [X.] des 14-jährigen Tatopfers unter einem Vorwand die Geschädigte inihrem Zimmer aufgesucht, die Zimmertür abgeschlossen und trotz [X.] Geschädigten an deren entblößtem Geschlechtsteil manipuliert und an-schließend den Analverkehr ausgeübt. [X.] war u. a. durch [X.] [X.]s Heilbronn vom 30. Mai 1995 wegen sexuellen Mißbrauchsvon Kindern in zehn Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit einem weiteren se-xuellen Mißbrauch von Kindern und wegen eines versuchten sexuellenMißbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren unddrei Monaten verurteilt worden, die er voll verbüßt hat. Durch Urteil des Amts-gerichts [X.] vom 3. April 2001 wurde er wegen Verstoßes gegen [X.] der Führungsaufsicht zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafevon sechs Monaten verurteilt, die er zum Zeitpunkt der Entscheidung in [X.] nach [X.] verbüßte.[X.] Rechtsmittel hat nur insoweit Erfolg, als die Strafkammer - wie inden Urteilsgründen auch dargelegt - die Bildung einer Gesamtstrafe mit derdurch Urteil des [X.] verhängten Freiheitsstrafe versehentlichunterlassen hat, wodurch der Angeklagte hier beschwert ist. Im übrigen erweistsich die Revision als unbegründet. Auch die Anordnung der Sicherungsverwah-rung, die das [X.] auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützt hat, hält rechtli-cher Nachprüfung stand.1. [X.] hat eine Vergewaltigung und damit eine Katalogtat [X.] von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB begangen, die zur Verhängung einer [X.] 6 -heitsstrafe von vier Jahren geführt hat. Auch die weiteren formellen Vorausset-zungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB sind erfüllt. Danach muß der Täter [X.] oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat,zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sein undmindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer frei-heitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden haben.Zu Recht hat das [X.] für die Vorverurteilung auf die [X.] des Angeklagten durch das [X.] Heilbronn vom 30. Mai 1995 [X.]. Dieser lagen in allen Fällen Taten im Sinne von § 66 Abs. 3 Satz 1StGB zugrunde. In der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monatenist eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr enthalten, für die übrigen zehnTaten wurden Einzelstrafen von unter einem Jahr verhängt. Für keine derzugrunde liegenden Taten ist [X.] nach § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4StGB eingetreten. Dies gilt - entgegen der Auffassung der Revision - auch hin-sichtlich des Falls 2 der im Urteil des [X.]s Heilbronn festgestelltenEinzelfälle. Soweit dort als Tatzeit Mai/Juni 1990 statt 1993 angegeben wordenist, handelt es sich ersichtlich um ein Schreibversehen. Abgesehen davon, daßdie Taten chronologisch dargestellt sind, Fall 2 zwischen einer im [X.] und im Juni 1993 begangenen Tat eingeordnet ist, wird das Alter des ge-schädigten Kindes in allen Fällen mit acht Jahren angegeben. Schließlich läßtsich dem Urteil auch entnehmen, daß der Angeklagte im Mai/Juni 1990 eineJugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten aus einer Verurteilung vom5. Dezember 1989 verbüßt hat.2. Ob die Vorverurteilung wegen mehrerer Katalogtaten zu einer Ge-samtstrafe von drei Jahren ausreicht oder eine entsprechend hohe Einzelfrei-- 7 -heitsstrafe zu verlangen ist, ist allerdings streitig. Daß bei der Verurteilung zueiner Gesamtstrafe darin eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren enthaltensein muß, wird insbesondere von [X.] in [X.], Nachtrag zur 11. Aufl., § 66Rdn. 8 unter Hinweis auf die Auslegung zu § 66 Abs. 1 StGB verlangt (a. [X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 66 Rdn. 61; [X.]/Kühl, [X.] Aufl. § 66 Rdn. 10e).Der [X.] hat diese Frage bisher nicht entschieden. Für[X.] NStZ-RR 2002, 230, 231 war sie nicht entscheidungserheblich und istoffengelassen worden. Soweit in [X.] NStZ 1999, 473 f. für die Anordnung [X.] nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB darauf abgestellt wurde,daß in der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, die als Vorverurteilung he-ranzuziehen war, eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren enthalten war, han-delte es sich um eine andere Fallkonstellation. Denn jene Gesamtstrafe waraus Einzelstrafen für eine Katalogtat (Vergewaltigung) und eine Nichtkatalogtat(Diebstahl) gebildet worden.3. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage nunmehr dahin, daß [X.], wenn es sich bei den Vortaten, die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe vonmindestens drei Jahren geführt haben, um Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 3Satz 1 StGB handelt, eine darin enthaltene Einzelfreiheitstrafe von drei Jahrennicht erforderlich [X.]) Für diese Auslegung sprechen sowohl der Wortsinn als auch dersystematische Zusammenhang des Gesetzes. Anders als § 66 Abs. 1 Nr. 1StGB stellt § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB nicht auf eine "jeweils" in einer bestimmtenMindesthöhe verhängte Strafe ab. Die Gesetzesfassung unterscheidet sich- 8 -insoweit auch von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, die für die noch nichtausgeurteilten Taten "jeweils" verwirkte Mindeststrafen verlangen. Soweit [X.] in § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB ebenso wie in § 66 Abs. 3 Satz 1bei mehreren Vortaten eine ([X.] von mindestens drei Jah-ren gefordert wird, besteht Einigkeit dahin, daß eine darin enthaltene [X.] nicht vorausgesetzt wird ([X.] NStZ 2002, 536,537).b) Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber eine Mindesteinzelstrafe,wie sie in § 66 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB vorgesehen ist,zwar gewollt, aber nicht zum Ausdruck gebracht hat, sind nicht zu erkennen.Die allerdings für diese Frage weitgehend unergiebigen [X.] eher für die am Wortlaut orientierte Auslegung: In dem in den [X.] eingebrachten Gesetzesantrag des [X.] vom 19.11.1996([X.]. 876/96) war vorgeschlagen worden, § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB dahinzu verschärfen, daß die Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens einemJahr "wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten" ausreichen sollte(Art. 1 Nr. 2 a). Durch diese Formulierung sollte gerade erreicht werden, daß"künftig auch eine Verurteilung zu Gesamtstrafe von mindestens einem [X.] berücksichtigt werden kann" ([X.]. 876/96 S. 19), [X.] es auf Einzelstrafen von einem Jahr ankäme. In dem vom Bundesrat dar-aufhin eingebrachten Gesetzentwurf wurde stattdessen die Neuregelung [X.] bei bestimmten [X.] schon bei dem erstenRückfall gefordert und dafür eine Verurteilung wegen e i n e r vorsätzlichenStraftat von mindestens zwei Jahren gefordert (BT-Drucks. 13/7559). [X.] Bundesregierung nahezu zeitgleich einen auf dem Gesetzentwurf der Frak-tionen der [X.] und [X.] (BT-Drucks. 13/7163) beruhenden eigenen Ge-- 9 -setzentwurf (BT-Drucks. 13/8586) eingebracht hatte, wurde der Bundesrats-entwurf für erledigt erklärt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung entsprachhinsichtlich der Voraussetzung der erforderlichen Vorverurteilung bei § 66 Abs.3 Satz 1 StGB der gültigen Gesetzesfassung. Sie wurde in den Beratungen [X.] nur insoweit problematisiert, als sie die Anordnung [X.] schon nach dem ersten Rückfall ermöglicht.c) Die vom Senat vorgenommene Auslegung entspricht schließlich auchdem mit der Vorschrift verfolgten Zweck. Mit der durch das Gesetz zur Be-kämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom [X.] ([X.]) eingeführten Regelung wollte der Gesetzgeber [X.] von einschlägig rückfälligen Sexualtätern schon nach dem [X.] Rückfall erleichtern, wenn sie Taten von erheblicher Schwere begangenhaben. Dabei sollte durch die Anforderungen an die Höhe der Verurteilungenverdeutlicht werden, daß die Sicherungsverwahrung entsprechend ihrem [X.] als ultima ratio des strafrechtlichen Sanktionensystems weiterhin nur inden Fällen angeordnet werden darf, in denen dies zum Schutz der [X.] vor gefährlichen Straftätern unerläßlich erscheint (Begründung des [X.] [X.] 6, BT-Drucks. 13/8586 S. 7, 8). Auch [X.] dieser - teilweise gegenläufigen - Tendenzen (vgl. [X.],NJW 1999, 3723) ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber - entgegen [X.] - bei mehreren Vortaten nicht nur eine Gesamtstrafe vonmindestens drei Jahren, sondern auch eine darin enthaltene entsprechendeEinzelstrafe für erforderlich gehalten hat. Zwar können die formellen Voraus-setzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB danach schon bei mehreren relativniedrigen Einzelstrafen erfüllt sein. Die Gefährlichkeit des [X.] kann in einem- 10 -solchen Fall jedoch in dem Gesamtgewicht des strafbaren Verhaltens, das ineiner Mehrzahl von Katalogtaten zum Ausdruck kommt, begründet sein.Auch im Vergleich zu den Regelungen des § 66 Abs. 1, Abs. 2 [X.]. 3 Satz 2 StGB sind die Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB nichtgeringer. So muß - anders als bei § 66 Abs. 1 und Abs. 2 StGB - es sich so-wohl bei der [X.] wie bei der Vortat um ein Verbrechen oder eine Katalog-tag im Sinne von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB handeln. Im Vergleich zu § 66 Abs. [X.] zwar nicht zwei Vorverurteilungen gefordert, die Einzel- oder Gesamt-strafe muß aber mindestens drei Jahre betragen und liegt damit deutlich überder in § 66 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Mindesthöhe. Gegenüber § 66 Abs. 2und Abs. 3 Satz 2 StGB werden zwar - bei Verurteilung zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von mindestens drei Jahren - nicht mehrere Einzelstrafen mit be-stimmten Mindesthöhen gefordert, hinzukommen muß jedoch eine Verbü-ßungszeit von mindestens zwei Jahren. Ein weiteres Korrektiv zu einer zuweitgehenden Anwendung der Vorschrift ist schließlich darin zu sehen, daß [X.] des [X.] und seiner Taten zur Feststellung eines Hangszur Begehung erheblicher Straftaten führen muß.4. Die für die Anordnung der Sicherungsverwahrung notwendige Würdi-gung hat das [X.] hier rechtsfehlerfrei vorgenommen. Die festgestelltenelf Vortaten waren sämtlich Katalogtaten i. S. von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB. Eshandelte sich keineswegs um sexuelle [X.] knapp über der [X.]. [X.] hatte in mehreren Fällen versucht, mit acht-bis zehnjährigen Mädchen den Geschlechts- , in einem Fall den [X.], die Kinder gegen ihren Willen ausgezogen und an ihren Ge-schlechtsteilen manipuliert. Zwar hatte der Angeklagte von den Kindern bei- 11 -Gegenwehr oder bei Hilfe durch andere Kinder abgelassen. Rechtsfehlerfreihat- 12 -die Strafkammer aber die Gefährlichkeit des Angeklagten mit der [X.] und der gegenüber den früheren Taten gesteigertenIntensität der neuen, jetzt abgeurteilten Straftat, die auch eine höhere Gewalt-komponente aufweist, begründet.Rissing-van Saan [X.] [X.] Rothfuß Roggenbuck

Meta

2 StR 261/02

13.11.2002

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. 2 StR 261/02 (REWIS RS 2002, 728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 728

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