Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2014, Az. 3 StR 510/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 252

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 510/14

vom
17. Dezember
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchter Vergewaltigung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 17. Dezember
2014
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2014 mit den zugehörigen [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung in 26 Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstre-ckung zur Bewährung ausgesetzt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die ge-gen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfah-rensrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des [X.] versuchte der Angeklagte in den Jahren 1989 bis 1995 in 26 Fällen, seine am 15.
November 1979 gebo-rene Nichte mit körperlicher Gewalt zum Beischlaf zu zwingen. Er scheiterte mit seinem Vorhaben jeweils deshalb, weil sich das Mädchen unter ihm zur Seite wegbewegte, und weil er aus Furcht, den im selben Bett schlafenden jüngeren Bruder aufzuwecken, glaubte, keine über das Festhalten an den Armen und die Fixierung des Opfers mit dem eigenen Körpergewicht hinausgehende Gewalt anwenden zu können. Die Taten fanden jeweils in den Oster-
und Sommerferi-1
2
-
3
-
en statt, in denen die Nebenklägerin zusammen mit ihrem Bruder jeweils einige Tage oder eine ganze Woche auf dem Hof der Großeltern verbrachte, wo auch der damals zwischen 17 und 23 Jahre alte Angeklagte wohnte. Das [X.] ist von dreizehn Ferienaufenthalten und mindestens zwei Taten pro [X.] ausgegangen. Von dem Vorwurf 22 weiterer, gleichartiger Taten, den die Staatsanwaltschaft unter Annahme erhöhter Tatfrequenzen erhoben hatte, hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen.

2. Die Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 Abs.
1 StPO greift durch.

a) Die Anklage hatte dem Angeklagten vollendete Vergewaltigung (§ 177 Abs.
1 StGB in der bis zum 4.
Juli 1997 geltenden Fassung; Strafdrohung von zwei bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe) vorgeworfen. Das [X.] hat ihn wegen versuchter Vergewaltigung (§ 177 Abs.
1, §§ 22, 23 StGB in der bis zum 4. Juli 1997 geltenden Fassung) verurteilt, weil es sich von einem vollendeten Eindringen des Angeklagten mit dem Glied in die Scheide der Nebenklägerin nicht hat überzeugen können. Den zuvor gemäß §
265 Abs.
1 StPO notwendi-gen Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 1951 -
1 StR
168/51, [X.]St 2, 250; Beschluss vom 14. Au-gust 1990 -
1 [X.], [X.] 1991, 8) hat es nicht erteilt.

b) Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte nach Erteilung des Hinweises anders verteidigt hätte,
so
dass
das Urteil auf diesem Rechts-fehler beruht. Der Angeklagte hat zwar zur Sache keine Angaben gemacht. Gegen den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung hätte er sich gleichwohl mit dem Ziel verteidigen können, dem [X.] die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nahe zu bringen. Dies wäre -
entgegen 3
4
5
-
4
-
der Ansicht des [X.] -
erfolgversprechend gewesen: Hätte das [X.] einen Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung angenom-men, so wäre zwar das Handeln des Angeklagten jeweils als vollendete sexuel-le Nötigung nach §
178 Abs.
1 StGB in der bis zum 4. Juli 1997 geltenden [X.] zu beurteilen gewesen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
April 1951 -
1 [X.], [X.]St 1, 152, 156). Wegen der zu dieser Zeit gegenüber §
177 StGB geringeren Strafdrohung des § 178 Abs.
1 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) wäre die Strafverfolgung wegen Ablaufs der zehnjäh-rigen Frist (§
78 Abs.
3 Nr.
3 StGB, ruhend bis zur Vollendung des 18.
Lebens-jahrs der Nebenklägerin am 14.
November 1997 -
§
78b Abs.
1 Nr.
1 StGB aF; erste verjährungsunterbrechende Handlung am 28.
August 2009) verjährt ge-wesen.

3. Für die erneute Verhandlung sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:

a) Zu den Grundlagen der Glaubhaftigkeitsbeurteilung gehört die [X.]. Die logische Konsistenz der Schilderung ist eine an die Aussage zu stellende Mindestanforderung (vgl. [X.], Standards der psycho-logischen Glaubhaftigkeitsdiagnostik,
in: [X.]/Steller: Psychologische Begut-achtung im Strafverfahren, 2. Aufl., 2005, [X.], 174 f.). Mit Blick hierauf kann dahinstehen, ob der Vorwurf zutrifft, den das [X.] gegen die von der Verteidigung gestellte Sachverständige erhoben hat, sie habe mit ihren Ausfüh-rungen zu den Möglichkeiten des Sichentwindens des Opfers auf einer weichen Matratze den ihr erteilten [X.] überschritten und ihr nicht zu-stehende Ausführungen zu Gunsten des Angeklagten gemacht. Jedenfalls [X.] das [X.] dem von der Sachverständigen angesprochenen Umstand 6
7
-
5
-
nachgehen und sich
mit ihm in der Beweiswürdigung auseinandersetzen müs-sen.

b) Der neue Tatrichter wird in der Beweiswürdigung auch eingehender den Umstand zu betrachten haben, dass die Nebenklägerin von ihrem neunten bis zum fünfzehnten Lebensjahr nichts getan hat, um die regelmäßigen nächtli-chen Übergriffe des Angeklagten zu unterbinden. Die bisherigen Erwägungen des [X.] (UA S.
23), die Nebenklägerin habe den Aufenthalt auf dem Bauernhof als "super"
empfunden und das "tolle Verhältnis"
zu ihrer Großmut-ter fortsetzen wollen, erklären nicht ausreichend, warum sie -
jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen -
über sechs Jahre hinweg immer wieder bereit war, mit ihrem Bruder und mit dem Angeklagten gemeinsam in einem Ehebett zu übernachten, obwohl es nach den Angaben der Nebenklägerin schon vor dem Tatzeitraum zu Übergriffen des Angeklagten gekommen sein soll und im Haus verschiedene andere Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden waren. Es 8
-
6
-
ist nicht ohne Weiteres erklärlich, warum der Wunsch, allein oder mit dem jün-geren Bruder, jedenfalls ohne den Angeklagten übernachten zu dürfen, den Aufenthalt auf dem Hof der Großeltern und den Kontakt zur Großmutter verhin-dert oder gefährdet haben sollte.
[X.] [X.]

Schäfer

Gericke Spaniol

Meta

3 StR 510/14

17.12.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2014, Az. 3 StR 510/14 (REWIS RS 2014, 252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 252

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 510/14 (Bundesgerichtshof)

Urteilsaufhebung im Strafverfahren: Fehlender rechtlicher Hinweis bei Verurteilung wegen versuchter statt vollendeter Vergewaltigung


5 StR 422/14 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Schmerzhafte anale Penetration als körperlich schwere Misshandlung


3 StR 43/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Feststellung des milderen Gesetzes nach Novellierung des Sexualstrafrechts


5 StR 422/14 (Bundesgerichtshof)


5 StR 386/22 (Bundesgerichtshof)

Besonders schwere Vergewaltigung: Strafzumessung bei Prostituierter als Tatopfer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.