Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. VI ZB 9/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3431

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
9/10

vom

13. September 2011

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
Macht die bei einem auswärtigen Gericht verklagte [X.] Reisekosten eines Rechts-anwalts geltend, der weder am Gerichtsort noch am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind die Kosten jedenfalls bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansäs-sigen Rechtsanwalts zu erstatten.
[X.], Beschluss vom 13. September 2011 -
VI [X.] -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
13. September 2011
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter
Zoll und [X.], die Richterin [X.] und den Richter
Stöhr
beschlossen:
[X.] gegen den Beschluss des 3.
Zivilsenats des [X.] vom 24.
Februar 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
[X.]: bis 300

Gründe:
I.
Die [X.]en streiten um die Reisekostenabrechnung des Prozessbe-vollmächtigten der Klägerin
in den Vorinstanzen. Der Rechtsstreit endete in zweiter Instanz mit einem Prozessvergleich. Danach hat die Klägerin 7/12, die Beklagte 5/12 der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Die Klägerin wohnt in [X.], das ca. 60
km entfernt von [X.] liegt. Ihr Prozessbevollmächtigter ist in [X.] niedergelassen, das zum Bezirk des Landgerichts [X.] gehört und ca. 45
km von [X.] entfernt ist. In seiner Kostenrechnung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u.a. Reisekosten für drei Termine beim
Landgericht [X.] und für den Verhandlungstermin 1
2
-
3
-

beim
[X.] [X.] sowie Tage-
und Abwesenheitsgelder
geltend gemacht.
Landgericht und [X.] haben die Reisekosten zugespro-chen. Aus §
91 Abs.
2 Satz
1 ZPO folge nicht, dass Reisekosten eines Anwalts, der im Bezirk des [X.] niedergelassen sei, die Erstattungsfähigkeit abzusprechen wäre. Da die Klägerin in [X.] wohne, sei die Einschaltung ei-nes in [X.] niedergelassenen Rechtsanwalts eine Maßnahme notwendiger Rechtsverfolgung im Sinne von §
91 Abs.
2 Satz
1 Fall
2 ZPO, zumal [X.] nur knapp 20
km von [X.] entfernt und näher
an den [X.] gelegen sei. Den Anfall und die Höhe der Reisekosten habe die Beklagte nicht beanstandet.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht die Beklagte weiterhin
geltend, die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien nicht zu ersetzen, weil die Zuziehung zur [X.] Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen sei.

II.
[X.] ist gemäß §
574 Abs.
1
Satz 1
Nr.
2 ZPO statt-haft und auch im Übrigen zulässig (§
575 ZPO). Sie ist aber nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte der Klä-gerin die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten erstatten muss (§
91 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Satz
1 ZPO).
1. [X.] stellt nicht in Frage, dass Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten der -
wie hier
-
im Bezirk des [X.] nieder-3
4
5
6
-
4
-

gelassen ist, aber nicht am Ort des [X.] wohnt, von der unterlege-nen [X.] zu erstatten sind, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-gung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dies entspricht der Auffassung des [X.] und der Systematik der in §
91 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Satz
1
ZPO
getroffenen Regelung. Das Beschwerdegericht weist zu Recht [X.] hin, dass der Wortlaut des §
91 Abs.
2 Satz
1 ZPO
sogar
eher dafür spricht, dass die Reisekosten eines solchen Prozessbevollmächtigten stets und nur die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des [X.] niedergelassen ist und am Ort des [X.] auch nicht wohnt,
eingeschränkt
nur insoweit zu erstatten sind, als die Zuziehung zur [X.] Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (so N.
Schneider
in Prütting/Gehrlein, ZPO,
3. Aufl.,
§
91 Rn.
5; [X.]/[X.], ZPO, 28.
Aufl., §
91 Rn.
13 "auswärtiger Anwalt"; vgl. auch [X.]/Giebel, 3.
Aufl. §
91 Rn.
90). Im Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten, auch die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der zwar im Gerichtsbezirk [X.],
aber
nicht am Gerichtsort wohnhaft bzw. [X.] ist, seien nur zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (vgl. [X.]/Giebel,
aaO).
Aus der Begründung zum Entwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ergebe
sich nämlich, dass die unterschiedliche Erstattungsfähigkeit von Reisekosten für Rechtsanwälte durch die Streichung des §
91 Abs.
2 Satz
2 ZPO
a.F.
durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5.
Mai 2004 (BGBl.
I, S.
718) be-seitigt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S.
233).

2. Auf diese Streitfrage kommt es im Streitfall nicht an. Das Beschwerde-gericht hat nämlich die geltend gemachten Reisekosten zu Recht als Maßnah-me notwendiger Rechtsverfolgung im Sinne von §
91 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Satz
1 Fall
2 ZPO angesehen.
Dies entspricht der höchstrichterlichen Recht-sprechung.
7
-
5
-

a) Danach stellt die Zuziehung eines am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht kla-gende [X.] im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfol-gung dar. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die [X.] grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Ge-richten vertreten zu lassen (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 11.
März 2004
-
VII
ZB 27/03, VersR
2005, 93; vom 13.
September 2005 -
X
ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662; vom 25.
Januar 2007 -
V
ZB 85/06, MDR
2007, 802, 803; vom 16.
April 2008 -
XII
ZB 214/04, MDR
2008, 829, 830; vom 28.
Januar 2010
-
III
ZB 64/09, [X.] 2010, 369). Für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten bedarf es nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die [X.] zu dem den Ter-min
wahrnehmenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis [X.] hat. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfol-gungs-
oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrach-tungsweise geboten (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 13.
September 2005

-
X
ZB 30/04, aaO; vom 28.
Januar 2010 -
III
ZB 64/09, aaO,
370
mwN). [X.], ob nach der Klageerhebung ein persönliches Gespräch zwischen der Klä-gerin und ihrem Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat, kommt es mithin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht an, zumal die klägeri-schen Prozessbevollmächtigten
nach den Feststellungen des [X.]
bereits vorgerichtlich zum Gegenstand der Klage tätig waren.
b) Der Erstattung der Reisekosten steht nicht entgegen, dass der Pro-zessbevollmächtigte der Klägerin nicht an ihrem Wohnort niedergelassen ist. Macht die obsiegende [X.] Reisekosten eines Rechtsanwalts geltend, der
-
wie hier
-
eine [X.] vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird und der weder am Gerichtsort noch am Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] 8
9
-
6
-

ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten zwar regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am
Wohn-
oder Geschäftsort der [X.] ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11.
März 2004 -
VII
ZB 27/03, aaO; vom 23.
Januar 2007 -
I
ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561 Rn.
13; vom 7.
Juni 2011 -
VIII
ZB 102/08, WuM
2011, 433 Rn.
8). Auch
nach
diesem Grundsatz
sind
aber die zugesprochenen Reisekosten zu erstatten, weil der Sitz des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin
näher zu den [X.] gelegen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
97 Abs.
1 ZPO.

Galke
Zoll
[X.]

Diederichsen
Stöhr

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 20.11.2009 -
5 O 3201/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 24.02.2010 -
3 W 196/10 -

10

Meta

VI ZB 9/10

13.09.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. VI ZB 9/10 (REWIS RS 2011, 3431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3431

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 9/10

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