Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. III ZR 176/04

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5261

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.]/04
vom 27. Januar 2005 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 823 ([X.]); § 839 ([X.])

Zum Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht und zur Warnpflicht bei einem unbefestigten Bankett.

[X.], Beschluß vom 27. Januar 2005 - [X.]/04 - OLG Frankfurt a.M.

LG Wiesbaden - 2 -

[X.] hat am 27. Januar 2005 durch [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.]

beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 21. Januar 2004 - 1 U 84/03 - wird [X.].

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
[X.]: 35.000 •.

Gründe:
[X.]

Die Klägerin verlangt vom beklagten Land im Wege der Teilklage Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssiche-rungspflicht. Sie befuhr am 27. Dezember 2000 gegen 11.30 Uhr mit ihrem Pkw die Landesstraße L 3011 und kam in einem Streckenabschnitt, in dem zur da-maligen Zeit häufig Verkehrsunfälle geschahen, aus ungeklärter Ursache von der Straße ab und prallte gegen einen an der [X.]. Die Klägerin hat infolge der unfallbedingten Verletzungen keine Erinne-- 3 -

rungen an das Unfallgeschehen. Sie vermutet, daß sie in einer Rechtskurve der etwa 5,5 m breiten Landesstraße auf das Bankett geriet, das in diesem Ab-schnitt zum Teil abgebrochen ist und ca. 5 bis 8 cm tiefer als die Fahrbahn liegt. Sie führt den Unfall auf den nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemä-ßen Zustand der Straße bzw. des Banketts zurück. Die Klage hatte in den [X.] keinen Erfolg.

I[X.]

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

1. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht für [X.]e sind in der Rechtsprechung des [X.]s grundsätzlich geklärt. Auszugehen ist von der Regelung in § 2 Abs. 1 StVO, wonach dem Fahrzeugverkehr lediglich die Fahrbahn und nicht auch die anderen Teile des Straßenkörpers zur Verfü-gung stehen. Insbesondere sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StVO Seitenstreifen nicht Bestandteil der Fahrbahn. Damit ist den Fahrzeugen jedoch nicht schlechthin jedes Verlassen der Fahrbahn verboten; vielmehr ist es immer - aber auch nur dann - erlaubt, wenn die Verkehrslage dies als eine sachge-rechte und vernünftige Maßnahme erscheinen läßt. Ein Verlassen der [X.] muß jedoch den jeweils gegebenen Verhältnissen entsprechend vorsich-tig geschehen. Der [X.] hat sich grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Er hat deswegen keinen Anspruch darauf, daß Seitenstreifen so befestigt werden, daß sie ein Befahren im Rahmen von [X.] 4 -

hol- und Ausweichmanövern mit unverminderter Geschwindigkeit erlauben würden (vgl. [X.]surteil vom 6. Juli 1959 - [X.]/58 - [X.], 830, 831 f). Der [X.] hat verschiedentlich ausgesprochen, daß auf Banketten nur mit einer der Verkehrssituation angepaßten Geschwindigkeit gefahren werden darf, was die Annahme ausschließt, ein Bankett müsse so eingerichtet sein, daß es mit der allgemein zulässigen Geschwindigkeit gefahrlos befahren [X.]n könne (vgl. [X.]surteile vom 2. April 1962 - [X.] - [X.], 574, 576; vom 20. Februar 1964 - [X.] - [X.], 617, 618).

Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob das [X.] geeignet sein müsse, auch Fahrzeugen mit relativ hoher Geschwindigkeit ein sicheres [X.] auf die Fahrbahn zu ermögli-chen, stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht und ist für ein erkennbar unbefe-stigtes Bankett, wie es hier vorliegt, auf der Grundlage der angeführten Recht-sprechung des [X.]s zu verneinen. Soweit in jüngeren Entscheidungen [X.] worden ist, im Hinblick auf den verkehrstechnischen Zweck, abirrende Fahrzeuge zu sichern, gehöre es auch zur Funktion des Banketts, mit verhält-nismäßig hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommenen Fahrzeu-gen ein möglichst sicheres [X.] auf die Fahrbahn zu ermöglichen, dies jedenfalls nicht unnötigerweise zu erschweren (in diesem Sinn etwa [X.], 153; [X.] 1999, 71, 72; vgl. auch [X.]/ [X.], [X.], 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. [X.]), vermag der [X.] dem - was den Aspekt der Geschwindigkeit angeht - für ein erkennbar unbefestigtes Bankett nicht zu folgen. Denn es liegt auf der Hand, daß ein unbefestigtes Ban-kett in unterschiedlicher Höhe Abbruchkanten zur Fahrbahn aufweisen wird, die es schon für sich betrachtet erschweren, ein von der Fahrbahn mit den [X.] abgekommenes Fahrzeug wieder ohne weiteres auf die Fahrbahn - 5 -

zurückzulenken. Stellt sich die Situation daher nicht so dar, daß der Seiten-streifen ebenso wie die Fahrbahn befestigt erscheint, kann sich der [X.] nicht darauf einstellen, diesen ebenso leicht und mit der zulässigen Ge-schwindigkeit befahren zu können. Wollte man unter diesen Umständen aus der Sicherungsfunktion des Banketts ableiten, das Fahrzeug müsse ohne jede Schwierigkeit auf den nächsten Metern wieder auf die Fahrbahn zurückgesteu-ert werden können, dürfte man unbefestigte Bankette praktisch nicht mehr zu-lassen. Eine solche Forderung wäre jedoch nicht nur aus finanziellen, sondern in vielen Fällen auch aus topographischen Gründen nicht erfüllbar.
2. Eine andere Frage ist, welche Toleranzen bei einem unbefestigten Ban-kett bestehen dürfen, ohne daß der Verkehrssicherungspflichtige zu einer War-nung der Verkehrsteilnehmer verpflichtet ist. Insoweit hat der [X.] ausge-sprochen, der Übergang von der Fahrbahn zum Bankett dürfe keine gefährli-chen Höhenunterschiede aufweisen, an denen ein Fahrzeug hängenbleiben oder durch die es aus der Fahrbahn gerissen werden könne ([X.]surteile vom 16. Februar 1959 - [X.]/57 - [X.], 435, 436; vom 6. Juli 1959 - [X.]/58 - [X.], 830, 832). Der [X.] hat in diesem Zusammen-hang zum einen den Grundsatz betont, eine Warnung vor einem erkennbar unbefestigten Bankett sei nicht erforderlich (Urteil vom 15. Dezember 1988 - [X.] - [X.], 847, 848), andererseits ausgesprochen, da Höhenunterschiede zwischen Fahrbahn und Seitenstreifen bis zu 15 cm auch dem vorsichtigen Kraftfahrer, der bei einwandfreier Fahrweise den Seitenstrei-fen - sei es zum Überholen oder zum Ausweichen oder aus sonstigen diese Fahrweise rechtfertigenden Gründen - benutze, durch Hängenbleiben der [X.] gefährlich werden könnten, dürfe eine Bundesstraße bei ordnungsmäßigem - 6 -

Zustand derartige Höhenunterschiede zwischen Fahrbahn und Bankett nicht aufweisen, ohne daß der Verkehrsteilnehmer hiervor ausreichend gewarnt [X.]. Demgegenüber verlange die Verkehrssicherungspflicht nicht, auf einen Höhenunterschied von 6,8 cm hinzuweisen (Urteil vom 6. Juli 1959 aaO). Nach Auffassung des [X.]s veranlaßt auch eine Absatzkante, die sich nach den Feststellungen des [X.] auf 5 bis 8 cm belaufen hat, eine Warnung unter den hier gegebenen örtlichen Verhältnissen nicht. Ein Kraftfahrer, der - wie hier die Klägerin - eine Straße benutzt, die nur über einen minimalen Sei-tenstreifen verfügt, der erkennbar abgesenkt ist, muß seine Fahrweise so ein-richten, daß er, falls er aus verkehrsbedingten Gründen das Bankett befahren muß, es nach Herabsetzung der Geschwindigkeit mit der gebotenen Vorsicht wieder verläßt. Steuert er - aus Schreck, Panik oder mangelnder Erfahrung - bei unverminderter Geschwindigkeit zu stark zurück, kann ihm auch schon ein geringer Höhenunterschied zum Verhängnis werden. Die für die [X.] wären überfordert, wenn sie dieses Risiko vollkommen ausschließen müßten.

3. Auf dieser Grundlage waren die Vorinstanzen nicht gehalten, dem [X.] auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den genaueren Verursachungsbeitrag des Banketts für den Unfall zu entsprechen.
[X.] Wurm [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 176/04

27.01.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. III ZR 176/04 (REWIS RS 2005, 5261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5261

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