Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. XII ZB 297/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4240

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII [X.]/12
Verkündet am:

10. Juli 2013

Kirchgeßner,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB §§ 1603, 1606
a) Auch der betreuende Elternteil kann ein anderer unterhaltspflichtiger [X.] im Sinne von §
1603 Abs.
2 Satz
3 BGB sein, wenn der Kindesun-terhalt von ihm unter Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts gezahlt werden kann und ohne seine Beteiligung an der [X.] ein er-hebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde.
b) Kann
auch der an sich barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des [X.] Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des [X.] nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen (im [X.] an [X.]surteil vom 20.
März 2002
-
XII
ZR 216/00
-
FamRZ 2002, 742).
[X.], Urteil
vom 10. Juli 2013 -
XII [X.]/12 -
OLG [X.]

[X.]
-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10.
Juli 2013 durch [X.], die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Günter und Dr.
Botur

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 2.
Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesge-richts in [X.]
vom 25.
April 2012
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen [X.] des
[X.]s
zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.
Der am 25.
Juli 1997 geborene Antragsteller ist der nichtehelich gebore-ne [X.] der Antragsgegnerin, in deren Haushalt er seit seiner Geburt zunächst lebte. Am 22.
Mai 2010 zog der Antragsteller zu seinem Vater.
Die [X.] arbeitet vollschichtig als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung und
ist zudem als Rechtsanwältin zugelassen, ohne aus einer solchen Tätigkeit [X.] zu erzielen. Der verheiratete Kindesvater ist als Rechtsanwalt in einer
größeren Kanzlei tätig.

1
2
-
3
-
Im vorliegenden Verfahren verlangt
der Antragsteller
von
der
[X.] Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts
in Höhe von 398

[X.] ab Juni 2010. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob sich der Kindesvater am Barunterhalt des Antragstellers beteiligen muss; dabei ist im Einzelnen auch streitig, in welcher Höhe die Antragsgegnerin und der [X.] unterhaltsrelevante Einkünfte erzielen. Das Amtsgericht hat die [X.] antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der [X.], mit der sie die vollständige Abweisung des Unterhaltsantrages
wei-terverfolgt.

Entscheidungsgründe:
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

I.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Die Antragsgegnerin habe in den Jahren 2010 und 2011 ausweislich der vorgelegten
Gehaltsabrechnungen [X.] in Höhe von 2.726,01

2.633

Von diesen Einkünften seien neben den vermögenswirksamen Leistungen die monatlichen Kosten für die anwaltliche Berufshaftpflichtversiche-rung (8,16

i-3
4
5
6
7
-
4
-
chen Fahrten zur Arbeit mit dem Alsterdampfer (41,90

i-teren von der Antragsgegnerin geltend gemachten Abzugspositionen seien demgegenüber nicht zu berücksichtigen. Sie habe den von ihr behaupteten Mehrbedarf für eine Ernährungsdiät nicht konkret
dargelegt; es möge zwar sein, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung besonders auf ihre Ernährung achten [X.]; dies führe aber nicht zwangsläufig zu Mehrkosten. Auch die von der [X.] geltend gemachten Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 200

und 250

auf zwei
Kreditverträge
mit Verwandten seien nicht zu [X.], weil schon nicht nachgewiesen sei, dass die Kreditaufnahmen
für den [X.] und die Wohnungsausstattung notwendig gewesen
seien. Es müsse [X.] nicht mehr darauf eingegangen
werden, dass den vorliegenden Kontoaus-zügen der Eingang der von der Antragsgegnerin behaupteten [X.] nicht entnommen werden könne
und zumindest einer der beiden Kreditver-träge erst im April 2011 unterzeichnet worden sei, obwohl die Antragsgegnerin in diesem Verfahren die Bedienung dieser Kreditraten schon im November 2010 behauptet habe. Wegen der von der Antragsgegnerin geltend gemachten monatlichen Ratenzahlungen von weiteren 200

o-sitionskredites habe sie
weder schlüssig dargelegt noch nachgewiesen, dass der negative Saldo auf ihrem Girokonto auf den Kosten ihrer Zusatzausbildung beruhe. Es sei zudem davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den [X.] auf dem Girokonto schon mit
einer angemessenen Lebensführung [X.] zurückführen können, wenn
man beispielhaft berücksichtige, welche erhebli-chen Beträge die Antragsgegnerin ausweislich ihrer Kontoauszüge zwischen
2006 bis 2011 für Besuche beim Friseur, in [X.] und in einem
Teekon-tor ausgegeben habe.
Der Vortrag der Antragsgegnerin zu ihrer angeblichen Teilerwerbsunfähigkeit sei insoweit unsubstantiiert, als "keinerlei Befunde und Therapien konkret vorgetragen"
worden seien.
Damit errechne sich für die [X.] ein bereinigtes unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen in Höhe von rund 2.650

-
5
-
Das monatliche Nettoeinkommen des [X.] habe sich auf 6.825,75

Mit Aus-nahme der Zahlung einer Tantieme in Höhe von 12.000

-
die nach dem "In-Prinzip" allerdings ausschließlich dem Einkommen des Jahres 2012 zuzurech-nen sei
-
verfüge der Kindesvater nach dem Ergebnis der durchgeführten Be-weisaufnahme über kein weiteres Einkommen. Unter Berücksichtigung von ver-schiedenen
Abzugspositionen belaufe sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des [X.] auf rund 5.100

auf "deutlich weniger als das Doppelte" des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der [X.].
Die [X.] des Betreuenden sei zudem auf eng um-grenzte Ausnahmefälle zu beschränken, wofür eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände vorzunehmen sei. Die Antragsgegnerin befinde sich mit ih-rem Einkommen im Bereich von "Stufe vier der [X.] Tabelle". Da ledig-lich eine Unterhaltspflicht bestehe, hätte eigentlich eine höhere Einstufung er-folgen müssen, die der Antragsteller aber nicht geltend gemacht habe. Der an-gemessene Selbstbehalt der Antragsgegnerin werde auch im Falle der [X.] nicht annähernd tangiert. Die Antragsgegnerin habe selbst ange-geben, dass ihre Lebensführung auf einen vollständigen Verbrauch ihres [X.] gerichtet sei. Es gehe somit lediglich um eine Verteilung des der [X.] zur Verfügung stehenden Einkommens zwischen notwendigen Gütern, Luxusgütern und dem Unterhalt für ihren minderjährigen [X.]. Auch dem Kindesvater stehe ein erhebliches Nettoeinkommen zur Verfügung. [X.] sei er durch die
Betreuung des Antragstellers neben einer vollen Berufs-tätigkeit belastet. Er habe erhebliche finanzielle Belastungen im [X.] mit der Finanzierung seines Hauses, die er zu einem [X.]punkt eingegan-gen sei, als der Antragsteller noch nicht bei ihm gelebt habe. Weiter sei die Ehefrau des [X.] zu 80
% schwerbehindert und beziehe lediglich [X.] aus einer Invalidenrente und einer geringfügigen Tätigkeit. Zwischen der Antragsgegnerin und dem Kindesvater bestehe somit zwar ein "deutliches fi-8
-
6
-
nanzielles Ungleichgewicht"; dieses beruhe aber nicht maßgeblich auf der Inan-spruchnahme der Antragsgegnerin auf den Kindesunterhalt, welcher
lediglich ein Sechstel des ihr zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens ausmache. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und der [X.] niemals verheiratet gewesen seien, was der Annahme einer Verpflich-tung zum Ausgleich der beiderseitigen Einkommensverhältnisse
entgegenste-he.

II.
Diese Ausführungen halten
rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Beschwerdegericht hat das unterhaltsrechtlich zu [X.]de Einkommen der Antragsgegnerin und daran anknüpfend
auch den [X.] des Antragstellers nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
a) Die Feststellungen des [X.] zu den von der [X.] in den Jahren 2010 und 2011 bei der S.-Versicherung erzielten Netto-einkünften werden von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen
und lassen Fehler zum Nachteil der Antragsgegnerin nicht erkennen. Die
weitergehende Beurteilung
des [X.], dass die Erzielung dieses Einkommens auch nicht teilweise auf einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit beruht, kann dagegen mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
[X.]) Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine Er-werbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhalts-rechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden ([X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8.
Aufl. §
1 Rn.
801). Es entspricht der Rechtsprechung des [X.]s, dass auch beim Verwandtenunter-9
10
11
12
-
7
-
halt (§
1601 BGB) das Einkommen des
Unterhaltspflichtigen
nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen
Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu [X.]n gegen [X.] und Glauben nach
§
242 BGB verstieße ([X.]surteile
[X.]Z 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn.
53 und vom 7.
November 1990
-
XII
ZR 123/89
-
FamRZ 1991, 182, 183
f.). Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur aner-kannt, dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise
überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der
Er-werbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbun-den ist
(vgl. [X.] FamRZ 1994, 1034; AG Flensburg FamRZ 2008, 1626; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1578 Rn.
106; [X.] in [X.] BGB [Stand: Mai 2013] §
1602 Rn.
43; jurisPK-BGB/[X.] [Stand: Juni 2013] §
1578 Rn.
9).
[X.])
Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheits-bedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätz-lich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben,
und er hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten ge-sundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken (vgl. [X.]s-urteile vom 25.
Oktober 2006 -
XII
ZR 190/03
-
FamRZ 2007, 200, 201
f. und vom 27.
Juni 2001 -
XII
ZR 135/99
-
FamRZ 2001, 1291, 1292).
Nach diesen Maßstäben hat
das Beschwerdegericht die Anforderungen an die [X.] von der Antragsgegnerin zu erwartenden Darlegungen überspannt.

Die Antragsgegnerin hat hierzu vorgetragen, dass sie im [X.] an eine
1999 durchgeführte Darmkrebsoperation mit anschließender Chemothera-pie an Störungen der Darmfunktion
leide. Bedingt durch das Fehlen eines Teils des Darmes trete früher als gewöhnlich eine körperliche Erschöpfung ein, so dass die Antragsgegnerin häufigere und längere Erholungsphasen benötige. Im Frühjahr
2009 sei eine Depression mit der Folge von Schlafstörungen, Konzent-13
14
-
8
-
rationsstörungen, Energieverlust und Tagesmüdigkeit hinzugetreten, die auch nach dem Abklingen der akuten Phase weiterhin mit [X.] behandelt werden müsse. Mit Recht macht die Rechtsbeschwerde gel-tend, dass das von der Antragsgegnerin hierzu vorgelegte ärztliche Attest vom 18.
April 2011 konkrete Diagnosen mit Angaben zur aktuellen Medikation, eine Darstellung der Krankheitsanamnese, sozialbiografische Daten sowie die the-rapeutische Beurteilung enthält, dass eine "Beeinträchtigung der [X.]" vorliege. Unter diesen Umständen konnte das Be-schwerdegericht von der Erhebung des angebotenen Sachverständigenbewei-ses nicht unter Hinweis auf vermeintlich unzureichenden Vortrag zu Befunden und Therapien absehen. Inwieweit die tatsächliche nachhaltige Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit mit dem Vorbringen
einer krankheitsbedingten Beein-trächtigung der Erwerbsfähigkeit in Einklang gebracht werden kann, ist eine der Beweiswürdigung vorzubehaltende Frage.
[X.]) Eine Beweisaufnahme konnte auch
nicht deshalb unterbleiben, weil das von
der Antragsgegnerin erzielte Einkommen unabhängig von der angebli-chen Unzumutbarkeit einer Vollzeittätigkeit vollständig für [X.] einzusetzen
wäre.
Hierzu hat der [X.] bereits ausgesprochen, dass eine vollständige Her-anziehung von
Einkommen
aus einer -
gemessen an
§
1603 Abs.
1 BGB
-
überobligatorischen Erwerbstätigkeit regelmäßig nur dann angezeigt
ist, wenn der Unterhaltspflichtige
einer gesteigerten
Unterhaltspflicht nach
§
1603 Abs.
2 Satz
1 BGB unterliegt
([X.]surteil [X.]Z 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn.
54).
Demnach ist
auch das
Einkommen
aus einer nach dem
Maßstab
des
§
1603 Abs.
1 BGB unzumutbaren
Erwerbstätigkeit in vollem Umfang für den Kindes-unterhalt einzusetzen, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt nach §
1612
a Abs.
1 BGB gefährdet wäre, welcher der ersten Einkommensgruppe der Düs-seldorfer Tabelle entspricht.
Soweit indessen -
wie hier
-
die Eingruppierung des 15
16
-
9
-
Unterhaltspflichtigen in eine höhere Einkommensgruppe der [X.] Ta-belle in Rede
steht, muss die Anrechenbarkeit des Einkommens bereits bei der Ermittlung des
angemessenen Lebensbedarfs nach
§
1610 Abs.
1 BGB
be-rücksichtigt werden. Soweit hiernach die vollständige Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens nicht mit [X.] und Glauben vereinbar wäre, ist schon der Bedarf nur aufgrund des reduzierten Einkommens zu bemessen
([X.]surteil [X.]Z 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn.
54).

In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfas-senden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligati-onsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des [X.] angemessen Rechnung trägt.
Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung über-obligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim
Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte.
b) Auch die Behandlung
der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kreditverbindlichkeiten
durch das Beschwerdegericht ist nicht in jeder Hinsicht
frei von rechtlichen Bedenken.
[X.]) Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass Ansprüchen [X.] kein allgemeiner Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des [X.] zukommt. Andererseits dürfen diese Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die [X.] getilgt werden. Vielmehr [X.] es eines Ausgleichs der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhalts-schuldner und [X.]. Ob eine Verbindlichkeit im Einzelfall zu berück-sichtigen ist, kann danach nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwä-gung nach billigem Ermessen entschieden werden. Insoweit sind nach ständi-ger Rechtsprechung des [X.]s insbesondere der Zweck der Verbindlichkeiten, 17
18
19
-
10
-
der [X.]punkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung, die [X.] ganz oder teilweise wiederherzustellen (grundlegend [X.]surteil vom 25.
November 1981 -
IVb
ZR 611/80
-
FamRZ 1982, 157, 158
f.; vgl. zuletzt [X.]surteile vom 30.
Januar 2013 -
XII
ZR 158/10
-
FamRZ 2013, 616 Rn.
19 und vom 17.
September 2012 -
XII
ZR 17/11
-
FamRZ 2013, 868 Rn.
29).
[X.]) Nicht zu beanstanden ist nach diesen Maßstäben allerdings die An-nahme
des [X.], dass Ratenzahlungen
auf die
beiden von der Antragsgegnerin behaupteten [X.] nicht als Abzugsposition von ihrem
Einkommen berücksichtigt werden können.
Die Notwendigkeit der Darlehensaufnahme lässt
sich entgegen der [X.] der Rechtsbeschwerde nicht mit der Finanzierung des -
nach dem Auszug des Antragstellers erforderlich gewordenen
-
Umzugs in eine kleinere Wohnung
begründen. Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang konkret geltend gemachten Aufwendungen für die
Umzugskosten
(1.800

, den Rückbau von Anschlüssen in der alten Wohnung
(157

, die Verlegung von Fußboden in der neuen Wohnung
(3.033

und
den Kauf eines
neuen Kühlschranks (229

fallen
insgesamt mit rund 5.200

, so dass die Antragsgegnerin schon nicht plausibel dargelegt hat, warum zur [X.] Darlehen in einer Gesamthöhe von 8.000

werden mussten. Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass in Kenntnis der Unter-haltsverpflichtung eingegangene Schulden des Unterhaltspflichtigen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie unausweichlich
notwendige und nicht durch anderweitige Mittel
finanzierbare Anschaffungen oder Dienstleistungen betref-fen (vgl. [X.]surteil vom 8.
Dezember 1993 -
XII
ZR 115/92
-
FamRZ 1994, 824, 825). Jedenfalls soweit
die Antragsgegnerin für die Verlegung von
Eichen-parkettfußboden in ihrer neuen Wohnung Kosten von mehr als 3.000

geltend 20
21
-
11
-
machen will, wird
die
unabweisbare Notwendigkeit eines derart hohen
Auf-wands für die Wohnungsausstattung kaum
zu begründen
sein. Ansonsten dürf-te der
Wohnungswechsel nur einen
maßvollen
Finanzierungsbedarf erzeugt
haben, so dass die geringfügigen
Raten auf
einen entsprechenden Kredit ange-sichts der nicht beengten Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin noch zu den -
aus dem Selbstbehalt und dem darüber
hinaus verfügbaren Einkom-men zu tragenden
-
Kosten der allgemeinen Lebensführung gerechnet werden könnten (vgl. [X.]surteil vom 3.
Dezember 2008 -
XII
ZR 182/06 -
FamRZ
2009, 314 Rn.
30
f.).
[X.])
Soweit das Beschwerdegericht indessen
meint, dass auch der (mitt-lerweile
in einen Ratenkredit umgeschuldete)
Dispositionskredit
auf dem Giro-konto der
Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich nicht beachtlich
sei, weil die [X.] nicht nachgewiesen habe, dass die Kontenüberziehung auf den von ihr behaupteten Kosten ihrer versicherungsrechtlichen Zusatzausbildung beruht, begegnet dies rechtlichen Bedenken.
Auch wenn man -
wovon das Be-schwerdegericht ersichtlich ausgeht
-
annehmen wollte, dass die Überziehung des Girokontos der Antragsgegnerin im Wesentlichen durch unangepasstes Konsumverhalten in der Vergangenheit verursacht worden ist, spricht allein dies unter den hier obwaltenden Umständen noch nicht gegen die unterhaltsrechtli-che Relevanz dieser Verbindlichkeiten.
Richtig ist dabei der Ausgangspunkt, dass [X.] oder sonstige Konsumkredite, die in Kenntnis der Unterhaltspflicht
deswegen aufge-nommen worden sind, weil der Unterhaltspflichtige mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Bestreitung seiner allgemeinen Lebenshaltungskosten nicht auskommt, unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Denn der Unterhaltsberechtigte muss es nicht hinnehmen, dass sein laufender
Unterhalt reduziert werden soll, weil von dem Unterhaltspflichtigen in 22
23
-
12
-
der Vergangenheit mehr konsumiert als verdient wurde ([X.]/[X.] BGB 13.
Aufl. §
1603 Rn.
115).
Von gewichtiger Bedeutung für die Berücksichtigungsfähigkeit von [X.] ist auch in diesem Zusammenhang allerdings
der Umstand, ob die Schulden zu einem [X.]punkt entstanden sind, als der Unterhaltspflichtige mit seiner Inanspruchnahme (noch) nicht rechnen musste
(vgl. auch [X.]sur-teil [X.]Z 154, 247 = FamRZ 2003, 1179, 1181).
Im vorliegenden Fall brauchte die Antragsgegnerin bis zum Auszug des seinerzeit 12-jährigen Antragstellers am 22.
Mai 2010 noch nicht davon auszugehen, ihm gegenüber auf absehbare [X.] barunterhaltspflichtig zu werden. Es ist daher nicht ohne weiteres gerecht-fertigt, der Antragsgegnerin die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung ange-messener Zins-
und Tilgungsraten
zur Rückführung ihres Dispositionskredites, der nach den vorgelegten Kontoauszügen Anfang Mai 2010 mit über
7.500

valutierte, allein
mit Blick auf eine mögliche
Vermeidbarkeit der [X.] zu versagen.
2. Unabhängig von den gegenüber der Einkommensermittlung aufseiten der Antragsgegnerin zu erhebenden Beanstandungen sind
auch die weiterge-henden Erwägungen des [X.] zu der Frage, ob sich der [X.] als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter (§
1603 Abs.
2 Satz
3 BGB) am
Barunterhalt für den Antragsteller beteiligen muss, nicht
in jeder Hin-sicht
frei von rechtlichen Bedenken.
a) Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des [X.]. Auch der betreuende Elternteil kommt als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht, wenn dieser in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes auf-zubringen. Um die Regel der Gleichwertigkeit von Bar-
und Betreuungsunterhalt 24
25
26
-
13
-

1606 Abs.
3 Satz
2 BGB) dabei
nicht ins Leere laufen zu lassen, setzt die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barun-terhalt des minderjährigen Kindes nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s zusätzlich voraus, dass ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde (vgl. zuletzt [X.]surteile
[X.]Z 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn.
41
f. und vom 31.
Oktober 2007 -
XII ZR 112/05
-
FamRZ 2008, 137 Rn.
41
f.).

b) Nach diesen Maßstäben kann die [X.] des nicht [X.] Elternteils entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszah-lung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre. Kann der barunterhaltspflichtige Elternteil demgegenüber -
wie es hier der Fall sein dürfte -
auch bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts sei-nen angemessenen Selbstbehalt noch verteidigen, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die
Aufbringung des Barunter-halts nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen (Se-natsurteil vom 20.
März 2002 -
XII
ZR 216/00
-
FamRZ 2002, 742).
[X.]) Die Frage, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann -
wovon das Beschwerdegericht im Grundsatz zutreffend ausgeht
-
nicht in jedem Einzelfall schematisch durch die
Gegenüberstellung der beiderseitigen, aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils gegebenenfalls auch fiktiven (vgl. [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1603 Rn.
114; [X.] OLGR 2003, 340, 343; [X.] FamRZ 1995, 566
f.)
[X.] beurteilt werden
(vgl. Pa-landt/Brudermüller BGB 72.
Aufl. §
1606 Rn.
16). Vielmehr ist die unterhalts-rechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeits-abwägung angemessen zu würdigen. Aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher insbesondere berücksichtigt
werden, ob sein eigener [X.] in neuer Lebensgemeinschaft gesichert ist (vgl. FAKomm-FamR/Klein 27
28
-
14
-
4.
Aufl. §
1603 BGB Rn.
41). Demgegenüber wird es aufseiten des betreuenden Elternteils vor allem darauf ankommen,
inwieweit dieser aufgrund der individuel-len Verhältnisse
durch die Übernahme der Kindesbetreuung neben der Aus-übung seiner
Erwerbstätigkeit belastet wird; im Rahmen der Gesamtbetrach-tung
kann
daneben aber auch die Belastung des betreuenden Elternteils mit anderen -
gegebenenfalls auch nachrangigen
-
Unterhaltspflichten von Bedeu-tung
sein. Daneben
ist zugunsten eines wirtschaftlich besser gestellten [X.] Elternteils zu bedenken, dass das minderjährige Kind faktisch auch des-sen gehobene Lebensverhältnisse teilt; ein dadurch erzeugter zusätzlicher Bar-bedarf des Kindes muss von vornherein allein durch den betreuenden Elternteil befriedigt werden (vgl. [X.] FamRZ 2006, 1724, 1727).

[X.]) Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unter-haltsrelevanten [X.] des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, nähert sich die [X.] einer Grenze, an der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe
aufbringen zu [X.] (vgl.
[X.]/[X.] 8.
Aufl. §
2 Rn.
434; Botur in [X.]/Poppen/[X.] Unterhaltsrecht 2.
Aufl. §
1603 BGB Rn.
99; vgl.
zuletzt auch
OLG [X.], 796; [X.] 2012, 710, 711
f.; [X.] NJW 2009, 521, 523).
Unterhalb dieser Schwelle
wird auch bei einer erheblichen Einkommens-differenz eine vollständige Enthaftung des an sich barunterhaltspflichtigen El-ternteils häufig
ausscheiden; in welchem Umfang der nicht betreuende Elternteil in solchen Fällen bei der Aufbringung des [X.] ausnahmsweise entlas-tet werden kann, hat vorrangig
der Tatrichter unter Berücksichtigung der vor-stehenden Gesichtspunkte in eigener Verantwortung zu prüfen. Der [X.] hat grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken dagegen,
im rechnerischen [X.] auf den
Verteilungsmaßstab der elterlichen
Einkommens-
und 29
30
-
15
-
Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurückzugreifen. Wird [X.] bei der Quotenberechnung das vergleichbare Einkommen der Eltern dadurch bestimmt, dass von den unterhaltsrelevanten Einkünften
beider Eltern-teile gleichermaßen der angemessene Selbstbehalt als Sockelbetrag abgezo-gen wird, müssen die auf diese Weise ermittelten
Haftungsanteile
in aller Regel zugunsten des betreuenden Elternteils wertend verändert werden,
um der [X.] des §
1606 Abs.
3 Satz
2 BGB Geltung zu verschaffen
(vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Bearbeitungsstand: Januar 2013] Teil
I Rn.
149). Denkbar erscheint es auch, dem betreuenden Elternteil bereits bei der Bestimmung des vergleichbaren [X.] im Rahmen der Quotenberechnung einen höheren Sockelbetrag zu gewähren
(vgl. etwa [X.] FamRZ 2006, 1724, 1727; [X.] FamRZ 2006, 1728, 1730).
Auch
bei erheblich günstigeren Einkommensverhältnissen des betreuenden Elternteils kann die Würdigung des Tatrichters somit zu dem Ergebnis führen, dass der nicht betreuende Elternteil im erhöhten Maße und gegebenenfalls auch allein zur Aufbringung des [X.] heranzuziehen ist.

c) Das Beschwerdegericht hat insoweit zutreffend
in seine Abwägungen einbezogen, dass der
Kindesvater gegenüber seiner
Ehefrau, die selbst nur über geringe Einkünfte verfügt, unterhaltspflichtig ist. Mit Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Ansicht
des [X.], wo-nach
auch der Umstand, dass die Eltern des Kindes niemals verheiratet waren, einer Entlastung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils entgegenstehen könnte. Bei der
Frage, ob
ohne eine Beteiligung des betreuenden Elternteils an der Aufbringung des [X.] ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde, geht
es in erster Linie
um die gerechte Aufteilung der aus der elterlichen Verantwortung herrührenden Belastungen beider Elternteile. Sie ist deshalb unabhängig davon zu beantworten, ob es sich 31
-
16
-
um Eltern eines nichtehelich geborenen Kindes oder um getrennt lebende bzw. geschiedene Eltern handelt.
3. Die angefochtene Entscheidung kann somit
keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend
entscheiden, zumal das Be-schwerdegericht selbst davon ausgeht, dass seine
Feststellungen zu den [X.]verhältnissen des [X.] hinsichtlich der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Abzugspositionen noch nicht vollständig sind.
Der [X.] macht von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch.

Dose

[X.]

Schilling

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.01.2011 -
733 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.04.2012 -
2 UF 39/11 -

32
33

Meta

XII ZB 297/12

10.07.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. XII ZB 297/12 (REWIS RS 2013, 4240)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4240

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 227/15 (Bundesgerichtshof)


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