Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. 5 StR 255/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3982

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5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom 17.
August
2011
in der Strafsache
gegen

wegen Körperverletzung mit Todesfolge

-
2
-

Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 17. August
2011
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird
das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 7. Februar 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4
StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.

[X.]e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ver-urteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im [X.] der [X.] Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

1. Nach den Feststellungen des [X.] liegt der Tat eine Aus-ei

genannten Trinkermilieu am [X.]er [X.]([X.]) zugrunde. Der im Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alte, aus [X.] und erheblichen Alkoholmissbrauch treibende Angeklagte traf dort auf den später verstorbenen 59 Jahre alten alkoholkranken

R.

. Gemeinsam mit anderen Personen wurde auf einem kleinen Vorplatz des 1
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Bahnhofs Alkohol konsumiert. Als der Angeklagte den auf einer niedrigen Mauer
sitzenden alkoholkranken

R.

verdächtigte, ihm Zigaretten weggenommen zu haben, schrie er ihn
an und versetzte ihm schließlich ei-nen kräftigen Tritt seitlich gegen den Kopf. R.

fiel nach hinten in eine Rabatte und blieb dort liegen, ohne dass
sich die
umstehenden Personen um ihn kümmerten. Erst als zwei Zeugen mehrere Stunden später bei ihm keine Lebenszeichen mehr feststellen konnten, riefen sie einen Rettungswagen. Der Tritt des Angeklagten hatte zu einer Verletzung des Gehirns des [X.] geführt, wahrscheinlich zu einem Riss eines Aneurysmas in der Nähe des Hirnstamms;
der Geschädigte verstarb wenig später.

2. Die Verneinung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die beim Angeklagten etwa sieben bis acht Stunden nach dem Tat-zeitpunkt ermittelten
Blutalkoholwerte vermochte die sachverständig [X.] ihrer Bewertung nicht zugrunde zu legen, da der Angeklagte, der am
Nachmittag
mit dem [X.] von Alkohol angefangen hatte, damit auch nach dem festgestellten Tatgeschehen fortfuhr. Auch konn-ten keine zuverlässigen
Trinkmengenangaben erhoben werden.

b) Angesichts dessen hat das [X.] seine Annahme, die Steue-rungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert gewesen, im [X.] an die Ausführungen des Sachverständigen auf folgende Um-stände gestützt: Zeugen hätten den Angeklagten als angetrunken, jedoch f einer Videoaufzeichnung, die sein
Verhalten in [X.] zeige, sei erkennbar, dass der Angeklagte
ohne weiteres in der Lage gewesen sei, aus der Hocke am Boden aufzustehen, sich wieder hinzuhocken und umherzugehen;
augenfälliges Torkeln oder Schwanken
sei nicht zu erkennen. Entscheidend sei schließlich der festge-stellte Tatablauf selbst, wonach der Angeklagte fähig
gewesen sei, einen Tritt gegen den Kopf des vor ihm sitzenden Geschädigten auszuführen. Aufgrund 3
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4
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der Größe des Geschädigten und dessen Sitzhöhe erfordere eine derartige Handlung ein deutliches Heben des Beines und damit ein Maß an Koordina-tionsfähigkeit, das einer stark betrunkenen Person nicht mehr möglich gewe-sen wäre.

[X.]) Die [X.] hat nicht bedacht, dass selbst bei hochgradiger Alkoholisierung des [X.] grobmotorische Fertigkeiten erhal-ten geblieben sein können (vgl. [X.], Urteil vom 21. Oktober 1981

2 [X.]). Denn die vom [X.] angeführten Umstände belegen nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht völlig aufgehoben
war; aus ihnen ist indes nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Dazu hätte es aussagekräftiger psychodiagnostischer Beweisanzeichen bedurft. Als sol-che sind
nur Umstände in Betracht zu ziehen, die Hinweise darauf geben können, dass die Steuerungsfähigkeit des [X.] trotz erheblicher
Alkoholi-sierung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt gewesen ist (vgl. [X.], Be-schlüsse
vom 13. Mai 2005

2 [X.], [X.]R StGB § 21 Blutalkohol-konzentration 38, und vom 28. April 2009

4 [X.], NStZ-RR
2009, 270). Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren
ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
März
1997

3 StR 35/97, [X.], 349).

bb) Soweit sich die Urteilsbegründung auf Aussagen von Zeugen stützt, die sich selbst zum Zweck des Alkoholkonsums am Ort des Gesche-hens aufhielten, wären
deren
Alkoholisierung in Bedacht zu nehmen und ihre
Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens des Angeklagten zu erörtern gewesen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Novem-ber
2005

5 [X.], [X.], 72, und vom 26. Mai 2009

5
StR 57/09, [X.]R StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41).

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5
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c) Obgleich die verhängte Strafe eher
maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB noch geringer ausgefallen wäre. Dies gilt insbesondere,
da
dieser benannte [X.] im Rahmen der Prüfung des §
213 Alternative
2, § 227 Abs. 2 StGB

nachrangig zu unbenannten Strafmilde-rungsgründen

zu berücksichtigen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang zu
Lasten des
Angeklagten angestellte [X.] 21) für den körperlichen Übergriff auf R.

gehabt, angesichts des nicht aufgeklärten Diebstahlsverdachts nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist.

3. Darüber hinaus hat das [X.] die Unterbringung des Ange-klagten in einer Entziehungsanstalt mit rechtsfehlerhafter Begründung [X.].

a) Dem Sachverständigen folgend hat die [X.] bei dem Angeklagten einen Hang im
Sinne des § 64 StGB und den [X.] der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anord-nung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels kon-struktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg
versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige [X.] des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.

b) Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16.
Juli
2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz
dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl.
Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses,
BT-Drucks. 16/5137, [X.]). Indes
muss
nicht gegen jeden Sprachunkundi-gen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64
StGB angeordnet 8
9
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11
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6
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werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008

5 [X.], NStZ
2009, 204). Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen
[X.] mit Lebensmittelpunkt in [X.]. Angesichts dessen
hät-te es jedenfalls
der Klärung
bedurft, inwieweit das für den Vollzug einer Un-terbringung des Angeklagten zuständige Krankenhaus des [X.] Behandlungsmöglichkeiten für polnischsprachige Patienten bietet (vgl. Bas-dorf/[X.]/[X.] in Festschrift Rissing-van S[X.]n, 2011, [X.], 62 ff.).

Raum Brause Sch[X.]l

[X.] Bellay

Meta

5 StR 255/11

17.08.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. 5 StR 255/11 (REWIS RS 2011, 3982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3982

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