Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2012, Az. IX ZR 221/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6557

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 221/09

vom

10. Mai
2012

in dem Rechtsstreit

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], den
Richter Raebel, die Richterin [X.], [X.]
Pape und die Richterin Möhring

am 10. Mai
2012
beschlossen:

Auf die Beschwerde
der Klägerin wird
die
Revision gegen das Grundurteil des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 11.
November 2009 zugelassen. Auf die Revision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil aufgehoben
und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 230.581,99

festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin beauftragte die beklagte Rechtsanwältin im September 2003 damit, gegen bei ihr tatsächlich oder scheinbar beschäftigte Personen Strafanzeige zu erstatten und Kündigungen vorzubereiten. Mit Bezug auf mögli-che Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die angezeigten Personen machte die Beklagte in einem Schreiben vom 25.
September 2003 die Klägerin darauf aufmerksam, dass nach dem maßgebenden [X.]
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sprüche aus den Arbeitsverhältnissen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Die Klägerin beauftragte später Rechtsanwalt B. damit, diese Ansprüche widerklagend in den anhängigen Kündigungsschutzprozessen durchzusetzen. Dies blieb wegen des eingetretenen Verfalls ohne Erfolg. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz des Verfallsschadens mit der Begründung, nicht aus-reichend auf den Ablauf der Verfallfrist hingewiesen worden zu sein.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte mit dem Schreiben vom 25.
September 2003 ihre Mandatsnebenpflicht erfüllt habe. Das Berufungsgericht hat dies wegen der "Relativierung" des Hinweises in einem weiteren Schreiben der Beklagten vom 14.
Oktober 2003 anders beurteilt und nach den Umständen des Einzelfalls angenommen, es sei nunmehr eine weite-re Klarstellung zur Eilbedürftigkeit geboten gewesen, welche die [X.] habe. Die Behauptung der Beklagten in der Berufungsverhandlung, der Klägerin einen solchen weiteren Hinweis am 11.
November 2003 mit den [X.] erteilt zu haben, "jetzt wird es eng", hat es unter Berufung auf §
531 Abs.
2 ZPO nicht berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten mit Erfolg.

II.

Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Grundurteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dieses Urteil ist daher 2
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nach §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

1. Der rechtliche Gesichtspunkt, dass die Beklagte trotz ihres Schreibens vom 25.
September 2003 verpflichtet gewesen sein konnte, wegen entstande-ner Unklarheiten die Klägerin nochmals auf den herannahenden Ablauf der ta-rifvertraglichen Verfallfrist hinzuweisen, hat erstinstanzlich
nach der landgericht-lichen Entscheidung keine Rolle gespielt. Diese Frage nach einer durch die [X.] Sorgfalt gebotenen weiteren Warnung war erstmals in der Berufungs-instanz von Bedeutung. Sie stellte sich dort nur, weil die Klägerin nach Ansicht des Berufungsgerichts das Schreiben der Beklagten vom 14.
Oktober 2003 im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der schriftlichen Geltendmachung von Scha-densersatzansprüchen missdeutet haben konnte. Diese tatrichterliche Ausle-gung war nicht selbstverständlich. Wäre bereits das [X.] zu diesem Er-gebnis gekommen, hätte es die Beklagte nach §
139 Abs.
2 ZPO darauf hin-weisen und ihr Gelegenheit zu weiterem Vortrag geben müssen.

Nach gefestigter Rechtsprechung war nach dieser Verfahrenslage der ergänzende Vortrag der Beklagten gemäß §
531 Abs.
2 Nr.
1 ZPO in der Beru-fungsinstanz zuzulassen (vgl. [X.], Urteil vom 19.

Februar 2004 -
III
ZR 147/03, NJW-RR 2004, 927
f; vom 19.
März 2004 -
V
ZR 104/03,
[X.]Z 158, 295, 302). Die Zurückweisung des neuen Vorbringens einer Partei in zweiter Instanz verletzt zugleich die Verfassungsgarantie des rechtlichen Gehörs, wenn sie -
wie hier
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auf einer offenkundig fehlerhaften Anwendung des §
531 Abs.
2 Nr.
1 ZPO beruht ([X.], Beschluss vom 21.
Februar 2006 -
VIII
ZR 61/04, NJW-RR 2006, 755 Rn. 5; vom 3.
November 2008 -
II
ZR 236/07, NJW-RR 2009, 332 Rn.
8).

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Das zurückgewiesene Vorbringen der Beklagten war entscheidungser-heblich. Es war zwar aus sich heraus kaum geeignet, der Klägerin eine richtige Vorstellung von dem drohenden Verfall ihrer Schadensersatzansprüche zu vermitteln. Der behauptete Hinweis konnte jedoch eine etwa durch das [X.] vom 14.
Oktober 2003 ausgelöste Fehlvorstellung über den zeitlichen Spielraum der Rechtsverfolgung auf Seiten der Klägerin korrigieren und in [X.] mit dem Schreiben vom 25.
September 2003 als Warnung der Klägerin zur Erfüllung einer Mandatsnebenpflicht durch die Beklagte ausreichen. Dies wird ebenso wie den Wahrheitsgehalt der Behauptung das Berufungsgericht tatrichterlich zu würdigen haben.

2. Der zuvor genannten Würdigung wäre das Berufungsgericht enthoben, wenn die Klage bereits wegen Anspruchsverjährung nach §
51b [X.] aF ab-zuweisen sein sollte. Das Berufungsgericht hat bisher die Voraussetzungen des von ihm angenommenen verjährungsrechtlichen [X.] der Kläge-rin nicht festgestellt. Dieser Anspruch kommt -
wie das Berufungsgericht zutref-fend erkannt hat
-
zwar auch bei der hier streitigen Verletzung einer Warnpflicht des Rechtsanwalts außerhalb des [X.] in Betracht ([X.], Urteil vom 13.
April 2006 -
IX
ZR 208/02, [X.], 2635 Rn.
9 bis 13; vom 29.
Juni 2006 -
IX
ZR 227/02, Rn.
12). Das Mandat der Beklagten für die Kläge-rin ist aber bereits durch deren Schreiben vom 15.
Januar 2004 beendet und nicht erneuert worden.

Hatte die Beklagte nach Mandatsbeendigung Grund zu erkennen, dass die Klägerin von ihr unter Umständen nicht hinreichend vor dem drohenden Verfall von Schadensersatzansprüchen gegen die angezeigten Personen [X.] worden war, so hatte sie trotz noch laufender [X.] keine Veranlassung, die Klägerin über die Möglichkeit ihrer Haftung und die hierfür 7
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geltende [X.] aufzuklären. Der verjährungsrechtliche [X.] ist nur entstanden, wenn die Klägerin bis zur
Beendigung des Mandates einen zu der ersten Pflichtverletzung hinzukommenden Anlass hatte, die Kläge-rin auf ihre Haftung aufmerksam zu machen
(vgl. [X.] in Zugehör/G.
Fischer/
[X.]/D.
Fischer/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 3.
Aufl., Rn.
1392 mwN). Auch diese Frage wird das Berufungsgericht nochmals zu erwägen ha-ben, sollte es nach tatrichterlicher Würdigung des zu Unrecht zurückgewiese-nen Vortrags der Beklagten das aufgehobene Grundurteil wiederherstellen wol-len.

Kayser
Raebel

[X.]

Pape
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.10.2008 -
30 O 416/06 -

O[X.], Entscheidung vom 11.11.2009 -
13 [X.]/08 -

Meta

IX ZR 221/09

10.05.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2012, Az. IX ZR 221/09 (REWIS RS 2012, 6557)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6557

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IX ZR 221/09

13 U 190/08

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