Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. IX ZB 169/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5203

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 169/10

vom

30. Juni 2011

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 290 Abs. 1 Nr. 4
Die Belastung eines Grundstücks mit einer Fremdgrundschuld, die keine Forde-rung sichert, stellt eine Vermögensverschwendung dar.
[X.], Beschluss vom 30. Juni 2011 -
IX ZB 169/10 -
[X.]

LG [X.]

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.]
Prof. [X.], die [X.] [X.] und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Dr. Pape

am
30. Juni 2011
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 9. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

t-gesetzt.

Gründe:

I.

Am 16.
Januar 2006 beantragte der Schuldner die Eröffnung des [X.] über sein Vermögen, die Stundung der Verfahrenskosten sowie Restschuldbefreiung. Am 18.
Mai 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu
3 (fortan: Verwalter) zum Insolvenzverwalter be-1
-

3

-

stellt. Im Schlusstermin beantragten die weiteren Beteiligten zu
1 und zu
2, die erste Ehefrau und die minderjährige Tochter des
Schuldners (fortan: Gläubige-rinnen),
die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner durch Leis-tung einer Zahlung auf fremde Schuld und durch die Bestellung zweier Grund-schulden Vermögen verschwendet habe sowie seinen Auskunfts-
und [X.] nicht nachgekommen sei. Das Insolvenzgericht hat den Antrag wegen fehlender Glaubhaftmachung abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wollen die [X.] weiterhin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §
289 Abs.
2 Satz
1, §§
6, 7 [X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§
574 Abs.
2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur [X.] an das Beschwerdegericht.

1. Der angefochtene Beschluss
übergeht entscheidungserhebliches Vor-bringen der [X.] und
verletzt damit deren Grundrecht auf rechtliches
Gehör vor Gericht
(Art.
103 Abs.
1 GG).

a) Hinsichtlich des [X.] der Vermögensverschwendung

290 Abs.
1 Nr.
4 [X.])
wegen einer Zahlung auf fremde Schuld
haben die [X.]
vorgetragen, der Schuldner habe am 25.
August 2005 die letzte Rate für einen Wohnwagen in Höhe von 3.206,20

Wohnwagen zuvor, nämlich am 10.
September 2004,
gegen Übernahme der Restraten
an seine damalige Lebensgefährtin und heutige Ehefrau E.

2
3
4
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4

-

S.

veräußert habe. Das Beschwerdegericht hat diesen Vortrag für "[X.]"
gehalten, weil es sich um Mutmaßungen gehandelt habe und die [X.] nicht ernstlich behauptet hätten, dass ihre Mutmaßungen zuträ-fen. Diese Würdigung des Vorbringens der [X.] ist nicht nachzuvoll-ziehen. Im Schriftsatz vom 25.
November 2008, auf den das Beschwerdege-richt sich bezieht, erläutern die [X.] anhand der von ihnen vorgeleg-ten Unterlagen, warum die Mittel für die Rückzahlung des Darlehens aus dem Vermögen des Schuldners stammen müssten; im weiteren Schriftsatz vom 18.
Februar 2009, auf welchen das Beschwerdegericht ebenfalls verweist, heißt es sodann, der Vorwurf, dass der Schuldner die Zahlung aus seinem Vermögen
erbracht habe, bleibe aufrecht erhalten. Die Zahlung von 3.206,20

Schuld eines [X.] stellt eine Vermögensverschwendung im Sinne von §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] dar.

b) Hinsichtlich des [X.] des Verstoßes gegen [X.] (§
290 Abs.
1 Nr.
5 [X.]) haben die [X.] vorgetra-gen, der Schuldner habe der Gläubigerin zu 1,
die am Erwerb seines Wohn-
und Geschäftshauses interessiert gewesen sei und es habe besichtigen wollen, den Zutritt verweigert. Das Beschwerdegericht hat hier keinen Pflichtverstoß gesehen, weil es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe; nach dem
im Anhörungstermin gewonnenen Eindruck
hätte sich der Schuldner einem nachdrücklichen Verlangen des Verwalters auf Duldung der Besichtigung nicht verschlossen. Die [X.] hatten sich zur Glaubhaftmachung ihres [X.] jedoch auf einen Bericht des Verwalters bezogen, in dem es heißt, der Schuldner sei nicht dazu zu bewegen gewesen, eine Innenbesichtigung [X.].
Gemäß §
97 Abs.
2 [X.] ist der Schuldner verpflichtet, den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Dazu gehört es, einem Kaufinteressenten den Zutritt zu einem bebauten Grundstück zu ermöglichen, 5
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5

-

um so eine möglichst günstige Verwertung des Grundstücks zu ermöglichen (§
159 [X.]).

2. Überdies hält die
Begründung, mit welcher das Beschwerdegericht
hinsichtlich der Eintragung der Grundschulden
den Versagungsgrund des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] für nicht erfüllt erachtet hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der Schuldner war Eigentümer eines mit einem Wohn-
und [X.] bebauten Grundstücks.
Im Jahre 2005 bestellte er zugunsten [X.] damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, die keine Forderungen gegen ihn hatte, zwei Grundschulden in Höhe von je 250.000

29.
April 2005 eingetragen wurden. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt nicht wertausschöpfend belastet; die vorrangigen Grundpfandrechte valutierten nur noch in Höhe von etwa 22.000

b) Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Schuldner habe sein Verhal-ten hinreichend gerechtfertigt. Er habe die Grundschulden
seinen
Alt-
oder Neugläubigern als Gegenleistung für eine Stundung oder Sicherheit für ein wei-teres Darlehen anbieten wollen und sei überdies stets davon ausgegangen, dass die Grundschulden anfechtbar oder kondizierbar gewesen seien. Objektiv sei daher nur eine Vermögensgefährdung eingetreten, die keine Vermögens-verschwendung darstelle; subjektiv scheide eine fahrlässige Verschwendung oder Verschwendungsabsicht aus.

c) Die Belastung eines Grundstücks zugunsten eines [X.], dem keine zu sichernde Forderung gegen den Schuldner zusteht, stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob die Belastung nach dem Anfechtungs-6
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6

-

gesetz, nach den [X.] (§§
129 ff [X.]) oder nach Bereicherungsrecht (§§
812 ff BGB) rückgängig gemacht werden könnte oder der Schuldner davon ausgehen kann, der Dritte werde die Grundschulden ge-gebenenfalls als Drittsicherheit zur Verfügung stellen.

aa) Gemäß §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] ist die Restschuldbefreiung zu ver-sagen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der [X.] dadurch vereitelt hat, dass er Vermögen "verschwendet"
hat. Nach der Begründung
des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung
sollten mit diesem Begriff vor allem Ausgaben für Luxusaufwendungen erfasst werden (BT-Drucks. 12/2443, 190). Eine Verschwendung iSv §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im [X.] zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners als grob unangemessen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbar erscheinen ([X.], [X.] vom 21.
September 2006 -
IX
ZB 24/06, [X.] 2006, 511
Rn.
9; vom 9.
Juli 2009 -
IX
ZB 199/08, [X.] 2009, 453 Rn.
3). Auch die schenkweise Her-gabe von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass kommt als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach §
134 [X.] anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne weiteres den Versagungsgrund aus-füllt ([X.], Beschluss vom 5.
März 2009 -
IX
ZB 141/08, [X.], 325 Rn.
10). In einer nicht veröffentlichten Entscheidung hat der [X.] es als "Verschwen-dung"
angesehen, ein Haus unentgeltlich einem [X.] zur Nutzung zu über-lassen ([X.], Beschluss vom 10.
Dezember 2009 -
IX
ZB 20/08, Rn.
2). Ob das Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen
von §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.]
erfasst wird, ist umstritten
(ablehnend [X.]/[X.], [X.] 13.
Aufl. §
290 Rn.
52). In der Kommentarliteratur wird vertreten, dass der 10
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-

Tatbestand des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] bereits dann erfüllt ist, wenn ein Schuldner die [X.] erschwert, um so die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen ([X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 2008,
§
290 Rn.
17).

bb)
Das schlichte Verbergen eines Vermögensgegenstandes erfüllt nicht

290 Abs.
1 Nr.
4
[X.], auch dann nicht, wenn dadurch der Zugriff von Gläubigern auf diesen Gegenstand erschwert oder sogar vereitelt wird.
Ein Gegenstand, über den der Schuldner noch verfügen kann, kann schon begrifflich nicht verschwendet worden sein. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Der Schuldner hat [X.] bestellt, sondern das Grundstück zugunsten [X.] jetzigen Ehefrau
belastet. Nur diese kann nunmehr über die Grundschulden verfügen, sie etwa als Sicherheit für ein neu [X.] Darlehen oder als Gegenleistung für die Stundung einer Forderung zur Verfügung stellen. Der Schuldner
selbst
ist nicht
mehr
verfügungsbefugt.
Dass die Weggabe des [X.] anfechtbar ist, schließt die Annahme einer
"Verschwen-dung"
nicht aus. Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsge-schenke von geringem Wert darstellen, sind nach §
4 [X.] oder §
134 [X.] anfechtbar, können nach dem oben Gesagten aber
durchaus
unter den Tatbe-stand des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.] fallen, weil sich das Vermögen des [X.] hierdurch verringert hat. Ob die Zuwendung kondiziert werden kann, was
hier
im Hinblick auf §
814 BGB
durchaus
in Frage steht, ist ebenfalls unerheb-lich. Ein Schuldner, der Restschuldbefreiung beantragen will, mag die sein Vermögen mindernde Verfügung rückgängig machen, wenn dies noch möglich ist, um sich nicht dem Vorwurf der Vermögensverschwendung auszusetzen; tut er dies nicht, bleibt es also bei der [X.], hat er die Folge -
die (mögliche) Versagung der Restschuldbefreiung
-
hinzunehmen. Entscheidend 11
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8

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ist allein, dass die Grundschulden ohne äußeren Anlass und ohne Gegenleis-tung aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sind.

d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts setzt der [X.] des §
290 Abs.
1 Nr.
4 [X.]
keine "Verschwendungsabsicht"
oder eine auf das Tatbestandsmerkmal der Verschwendung bezogene besondere Fahr-lässigkeit voraus. Zu prüfen ist, ob der Schuldner infolge der Verschwendung vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beein-trächtigt hat.

III.

Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdege-richt zurückverwiesen (§
577 Abs.
4 ZPO), das die geltend gemachten Versa-gungsgründe vollständig neu zu prüfen haben wird. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes
hin: Das Beschwerdegericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner sich im Schlusstermin zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines vom [X.] darge-legten [X.] zu erklären hat. Tatsachen, die im Schlusstermin unstreitig waren, können nachträglich nicht mehr bestritten werden ([X.], [X.] vom 9.
Februar 2009 -
IX
ZB 185/08, NZI
2009, 256 Rn.
9). Wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat, ist der Schuldner jedoch rechtzeitig vor dem Schlusstermin darauf hinzuweisen, dass [X.] gegen ihn gestellt werden können und er in der Regel nur im Schlusstermin zu diesen An-trägen Stellung nehmen kann ([X.], Beschluss vom 10.
Februar 2011 -
IX
ZB 237/09, [X.], 839 Rn.
12). Ist ein solcher Hinweis nicht erfolgt, muss der 12
13
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9

-

Schuldner Gelegenheit zur nachträglichen Stellungnahme erhalten (Art.
103 Abs.
1 GG).

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Pape

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.04.2009 -
549 IN 160/06 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.07.2010 -
5 T 347/09 -

Meta

IX ZB 169/10

30.06.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. IX ZB 169/10 (REWIS RS 2011, 5203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5203

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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