Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2020, Az. V B 25/20 (AdV)

5. Senat | REWIS RS 2020, 3594

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Gegenstand

Einstweiliger Rechtsschutz bei Versagung der formellen Satzungsmäßigkeit


Leitsatz

Beantragt eine steuerbegünstigte Körperschaft gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 AO die Feststellung der Satzungsmäßigkeit, um Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 AO i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV ausstellen zu können, ist einstweiliger Rechtsschutz nicht durch AdV (§ 69 FGO), sondern durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu gewähren.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des [X.]s des [X.] vom 21.04.2020 - 3 V 185/20 aufgehoben.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.

Im Übrigen wird die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

Dem [X.] wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) stellte mit Bescheid vom [X.] über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) fest, dass der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller), ein eingetragener Verein, mit seiner Satzung in der Fassung vom 04.05.2017 nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 [X.] erfüllte. Die Mitgliederversammlung des Antragstellers beschloss daraufhin am 10.03.2019 eine Änderung der Satzung, die am 15.03.2019 in das Vereinsregister eingetragen wurde (Änderung des § 13 Abs. 2 der Satzung zur Verwendung des Vereinsvermögens bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke).

2

Gegen den Bescheid vom [X.] legte der Antragsteller am 14.03.2019 Einspruch ein und beantragte auch für die geänderte Satzung die Feststellung der Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a [X.].

3

Mit Bescheid vom [X.] über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 [X.] stellte das [X.] fest, dass auch mit der geänderten Satzung die Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 [X.] nicht erfüllt würden. Dem Antrag vom 14.03.2019 auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 [X.] wurde damit nicht entsprochen.

4

Auch hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 27.01.2020 lehnte das [X.] diesen Antrag ab.

5

Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht ([X.]), die Vollziehung des Bescheides vom [X.] mit der Maßgabe auszusetzen, dass der Antragsteller beginnend mit dem Kalenderjahr 2020 bis zur bestandskräftigen Veranlagung 2020 (längstens für drei Jahre seit Zugang des Bescheides) zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen i.S. des § 50 Abs. 1 der [X.] (EStDV) berechtigt ist, hilfsweise den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller berechtigt ist, beginnend mit dem Kalenderjahr 2020 bis zur bestandskräftigen Veranlagung 2020 (längstens für drei Jahre seit Zugang des Bescheides) Zuwendungsbestätigungen i.S. des § 50 Abs. 1 EStDV auszustellen.

6

Der Antrag hatte Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2020, 1580 veröffentlichten Beschluss setzte das [X.] die Vollziehung des Bescheides über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 [X.] vom [X.] mit der Maßgabe aus, dass bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom [X.], längstens bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch vom 06.01.2020, vorläufig davon auszugehen ist, dass der Antragsteller mit der Satzung vom 10.03.2019 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 [X.] einhält.

7

Das [X.] begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei einem Bescheid über die Ablehnung einer gesonderten Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 [X.] um einen vollziehbaren Verwaltungsakt handelt, gegen den einstweiliger Rechtsschutz durch AdV gewährt werden könne. Gegen die Satzungsmäßigkeit habe das [X.] keine Einwendungen erhoben. Entgegen der Auffassung des [X.] komme es auf die tatsächliche Geschäftsführung nicht an.

8

Hiergegen wendet sich das [X.] mit seiner Beschwerde.

9

Der Antrag auf AdV hätte als unzulässig verworfen werden müssen. Auch die tatsächliche Geschäftsführung sei zu berücksichtigen.

Das [X.] beantragt,
den Beschluss des [X.] aufzuheben und die Anträge abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag sei zulässig. Das [X.] habe keine Einwendungen gegen die formelle Satzungsmäßigkeit vorgebracht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des [X.] ist begründet. Der angefochtene Beschluss des [X.] ist aufzuheben. Der Antrag, die Vollziehung des Ablehnungsbescheides vom 10.12.2019 zur Feststellung der Satzungsmäßigkeit nach § 60a Abs. 1 Satz 1 [X.] mit der Maßgabe auszusetzen, dass der Antragsteller beginnend mit dem Kalenderjahr 2020 bis zur bestandskräftigen Veranlagung 2020, längstens für drei Jahre seit Zugang des Bescheides, zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen i.S. des § 50 Abs. 1 EStDV berechtigt ist, ist abzulehnen. Da das [X.] über den Hilfsantrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Feststellung zur Berechtigung, Zuwendungsbestätigungen auszustellen, bislang nicht entschieden hat, ist die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

1. Beantragt eine steuerbegünstigte Körperschaft gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 [X.] die Feststellung der Satzungsmäßigkeit, um Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 [X.] i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV ausstellen zu können, ist einstweiliger Rechtsschutz nicht durch AdV (§ 69 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), sondern durch einstweilige Anordnung (§ 114 [X.]O) zu gewähren.

a) Die Abgrenzung der beiden Rechtsschutzarten nach §§ 69, 114 [X.]O richtet sich danach, welche Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben wäre. Handelt es sich um eine Anfechtungsklage, ist vorläufiger Rechtsschutz durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zu gewähren, bei einer Verpflichtungsklage ist demgegenüber eine einstweilige Anordnung (§ 114 [X.]O) zu erlassen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 23.04.2012 - III B 183/11, [X.], 1173, und vom 21.12.2012 - III B 41/12, [X.], 549).

Die beiden Klagearten unterscheiden sich durch ihr Rechtsschutzziel. Nach § 40 Abs. 1 [X.]O ist die Anfechtungsklage auf eine Änderung eines Verwaltungsakts und die Verpflichtungsklage auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts gerichtet. Dabei dient die Anfechtungsklage der Abwehr hoheitlicher Eingriffe, während die Verpflichtungsklage als Sonderfall der Leistungsklage im Gegensatz hierzu darauf gerichtet ist, den eigenen Rechtskreis zu erweitern (vgl. hierzu z.B. Braun in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 40 [X.]O Rz 44, 74).

b) Nach allgemeiner Auffassung ist bei der erstmaligen Ablehnung einer gesonderten Feststellung nach § 60a [X.] in einem Hauptsacheverfahren Verpflichtungsklage zu erheben ([X.], Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl., Rz 7.9; [X.], Abgabenordnung, 3. Aufl., § 60a Rz 10; [X.] in Tipke/[X.], § 60a [X.] Rz 16; [X.] in Gosch, [X.] § 60a, Rz 16).

Auf dieser Grundlage soll vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung gemäß § 114 [X.]O erfolgen (z.B. [X.], ebenda; [X.], a.a.[X.], § 60a Rz 11; so wohl auch [X.], ebenda). Dies entspricht der bisherigen BFH-Rechtsprechung vor Inkrafttreten von § 60a [X.] ([X.] vom 23.09.1998 - I B 82/98, [X.], 433, [X.], 320, und vom 11.06.2001 - I B 30/01, [X.] 2001, 1223).

c) Dem schließt sich der beschließende Senat für den hier vorliegenden Fall einer Antragstellung nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 [X.] an.

aa) Nach § 60a Abs. 2 [X.] erfolgt die Feststellung der Satzungsmäßigkeit auf Antrag der Körperschaft (Nr. 1) oder von Amts wegen bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer, wenn bisher noch keine Feststellung erfolgt ist (Nr. 2).

Die Feststellung auf Antrag gemäß § 60a Abs. 2 Nr. 1 [X.] --vor der [X.] bildet die Grundlage für die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen nach § 63 Abs. 5 [X.] i.V.m. § 50 Abs. 1 EStDV ([X.] in [X.], § 60a [X.] Rz 30). Begehrt eine steuerbegünstigte Körperschaft die Feststellung der Satzungsmäßigkeit zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen, wehrt sie --anders als im [X.] keinen Eingriff in ihre Rechte ab, sondern erstrebt wie in der Verpflichtungssituation (s. oben II.1.a) eine ihr bislang nicht zustehende Begünstigung. Einstweiliger Rechtsschutz hierfür ist nur im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 [X.]O) zu gewähren.

bb) Dem steht das sich aus § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] ergebende zweistufige Besteuerungsverfahren nicht entgegen. Danach ist die Feststellung der Satzungsmäßigkeit für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend.

(1) Das [X.] hat hierzu zwar im Grundsatz zutreffend auf den Beschluss des Großen Senats des [X.] ([X.], 493, [X.] 1987, 637) hingewiesen. Danach muss der vorläufige Rechtsschutz hinsichtlich der Berücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen in zweistufigen Besteuerungsverfahren in dem gleichen Umfang und daher unter den gleichen Voraussetzungen gewährt werden wie in einstufigen Besteuerungsverfahren. Da negative Gewinnfeststellungsbescheide in zweistufigen Besteuerungsverfahren ergehen, ist vorläufiger Rechtsschutz gegen sie wie gegen Steuerbescheide durch AdV zu gewähren ([X.] in [X.], 493, [X.] 1987, 637, unter [X.].; zur Kritik s. [X.], [X.]O § 69 Rz 51).

Auf dieser Grundlage kann es --ohne dass der beschließende Senat hierüber nach den Verhältnissen des [X.] abschließend zu entscheiden hat-- in Betracht kommen, im Umfang der sich aus § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] ergebenden Bindungswirkung der gesonderten Feststellung einstweiligen Rechtsschutz nach § 69 [X.]O zu gewähren, soweit es um die Beurteilung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für einen gegenüber der steuerbegünstigten Körperschaft zu erlassenden Steuerbescheid geht.

(2) Im Streitfall ist indes bislang nicht hinreichend berücksichtigt, dass auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über das konkrete Rechtsschutzziel des Antragstellers zu entscheiden ist. Dabei ist die eindeutige Erklärung eines rechtskundigen Prozessvertreters auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes rechtsschutzgewährender Auslegung nicht abweichend von ihrem tatsächlichen Inhalt auszulegen (z.B. [X.] vom 19.07.2010 - I B 207/09, [X.] 2011, 48).

Wenn aber mit dem konkreten Antrag des fachkundig vertretenen Antragstellers ausdrücklich das Ziel verfolgt wird, einstweiligen Rechtsschutz zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen aufgrund eines nach § 60a Abs. 2 Nr. 1 [X.] gestellten Antrags zu erlangen, begehrt der Antragsteller eine Erweiterung seines bisherigen Rechtskreises und macht damit ein Verpflichtungsbegehren (s. oben II.1.a) geltend, so dass vorläufiger Rechtsschutz nur durch einstweilige Anordnung (§ 114 [X.]O) zu gewähren ist. Insoweit kommt es aber auf die aus § 60a Abs. 1 Satz 2 [X.] folgende Bindungswirkung nicht an. Denn für das Begehren, Zuwendungsbestätigungen ausstellen zu dürfen, fehlt es an einem zweistufigen Besteuerungsverfahren, das dem [X.] in [X.], 493, [X.] 1987, 637 zugrunde liegt.

2. Da auf dieser Grundlage im Streitfall der Antrag auf AdV unzulässig ist, ist nunmehr über den Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden. Dies erfordert tatsächliche Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 114 [X.]O. Diese Feststellungen nachzuholen ist Aufgabe des [X.]. Deshalb verfährt der Senat gemäß §§ 132, 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung analog. Dies entspricht für entsprechende Fallkonstellationen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.] vom 27.03.1991 - I B 187/90, [X.], 173, [X.] 1991, 643, unter II.2., und vom 04.03.2020 - I B 57/18, [X.] 2020, 1236; vgl. auch [X.] in [X.], § 69 [X.]O Rz 995). Das [X.] wird seine Entscheidung über den Antrag nach § 114 [X.]O unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen BFH-Rechtsprechung (z.B. [X.] in [X.], 433, [X.], 320, und in [X.] 2001, 1223) treffen.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 25/20 (AdV)

02.12.2020

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 21. April 2020, Az: 3 V 185/20, Beschluss

§ 60a Abs 1 AO, § 60a Abs 2 AO, § 63 Abs 5 AO, § 69 FGO, § 114 FGO, § 50 Abs 1 EStDV, § 40 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2020, Az. V B 25/20 (AdV) (REWIS RS 2020, 3594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3594

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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