Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.04.2014, Az. II R 48/12

2. Senat | REWIS RS 2014, 6402

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Gegenstand

(§ 16 BewG bei Erbschaft- und Schenkungsteuer nach wie vor anwendbar)


Leitsatz

1. Die Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen nach § 16 BewG ist auch nach Inkrafttreten des ErbStRG anwendbar, wenn der Nutzungswert bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer vom gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen wird.

2. § 16 BewG ist nicht anzuwenden, wenn der Nutzungswert bei der Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks abgezogen wird.

Tatbestand

1

I. Der im Oktober 1935 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt durch notariell beurkundeten [X.] von seiner Pflegetochter unentgeltlich das Eigentum an dem Einfamilienhaus übertragen, an dem ihm aufgrund eines Vermächtnisses seiner verstorbenen Lebensgefährtin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zugestanden hatte. Als Verkehrswerte des Grundstücks und des Wohnrechts wurden in dem [X.] und 43.000 € angegeben. Der Sachverständige war von einem Jahreswert des Wohnrechts von 4.744 € ausgegangen.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Schenkungsteuer gegen den Kläger zunächst auf der Grundlage des bestandskräftig festgestellten [X.] von 53.874 € auf 9.930 € fest. Im "Einspruchsbescheid" vom 27. Januar 2012 setzte das [X.] die Steuer unter Berücksichtigung des mit 23.000 € ermittelten [X.] des Wohnrechts und von Erwerbsnebenkosten von 732 € auf 3.030 € herab. Den Kapitalwert des Wohnrechts errechnete das [X.], indem es nach § 16 des Bewertungsgesetzes ([X.]) den Grundbesitzwert von 53.874 € durch 18,6 teilte und den sich hieraus ergebenden Jahreswert von 2.896 € mit dem in § 14 Abs. 1 [X.] i.V.m. dem Schreiben des [X.] vom 1. Oktober 2009 (BStBl I 2009, 1168) bestimmten Vervielfältiger von 7,942 multiplizierte. Im Übrigen blieb der Einspruch erfolglos.

3

Das Finanzgericht ([X.]) gab der auf Aufhebung des [X.] vom 25. August 2011 in Gestalt des "[X.]" vom 27. Januar 2012 gerichteten Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2305 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, § 16 [X.] sei in verfassungskonformer Weise einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Verweisung auf den nach den Vorschriften des [X.] anzusetzenden Wert sich nur auf die Vorschriften des [X.] beziehe, die bereits vor dem Inkrafttreten des [X.] (ErbStRG) vom 24. Dezember 2008 ([X.], 3018) existiert hätten. Dies treffe für die Vorschriften über die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009 (§§ 157 ff. [X.] i.d.F. des Art. 2 Nr. 14 ErbStRG) nicht zu. Wie sich aus dem durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. [X.]. [X.] eingefügten § 10 Abs. 6 Satz 6 des [X.] (ErbStG) ergebe, könnten Nutzungsrechte bereits beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundbesitzes nach § 198 [X.] mit dem gemeinen Wert abgezogen werden. [X.] dies nicht, müsse aus Gründen der Gleichbehandlung der gemeine Wert des Nutzungsrechts bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer von dem gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen werden. Ausgehend von dem vom Sachverständigen ermittelten Jahreswert des Wohnrechts von 4.744 € und dem Vervielfältiger von 7,942 betrage der Wert des Wohnrechts 37.676,85 €. Dieser Wert sei vom gesondert festgestellten Grundbesitzwert von 53.874 € abzuziehen. Unter Berücksichtigung des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG von 20.000 € sei somit keine Schenkungsteuer festzusetzen.

4

Mit der Revision rügt das [X.] Verletzung des § 16 [X.]. Diese Vorschrift sei nach wie vor uneingeschränkt anwendbar, ohne dass dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Der gemeine Wert eines Nutzungsrechts könne nur im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 [X.] abgezogen werden, nicht aber bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

7

Während des Revisionsverfahrens erklärte das [X.] die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 21. Februar 2014 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des [X.]

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet.

9

1. Das Urteil des [X.] war schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand geändert hat. Das [X.] hat über die Rechtmäßigkeit des [X.] vom 25. August 2011 in Gestalt des "[X.]" vom 27. Januar 2012 entschieden. An die Stelle dieser Bescheide ist während des Revisionsverfahrens gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) der Änderungsbescheid vom 21. Februar 2014 getreten. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 16. Januar 2013 II R 66/11, [X.], 191, [X.], 266, Rz 12, und vom 18. Juli 2013 II R 45/11, [X.], 43, Rz 12). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben ([X.]-Urteile in [X.], 191, [X.], 266, Rz 12; vom 24. April 2013 XI R 3/11, [X.], 410, [X.], 86, Rz 25 f., und in [X.], 43, Rz 12, je m.w.[X.]). Gleichwohl bedarf es keiner Zurückverweisung an das [X.] nach § 127 [X.]O. Der [X.] kann in der Sache entscheiden. Die Aufhebung der Vorentscheidung ändert nichts daran, dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des [X.] bilden ([X.]-Urteile in [X.], 191, [X.], 266, Rz 13, und in [X.], 43, Rz 12).

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Das [X.] hat den Jahreswert des Wohnrechts zutreffend ermittelt, indem es den gesondert festgestellten [X.] von 53.874 € durch 18,6 geteilt und nicht den vom Sachverständigen ermittelten höheren Jahreswert berücksichtigt hat. Bei der Ermittlung des [X.] der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer gemäß § 12 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 16 [X.] höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des [X.] anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht des [X.] nach wie vor anzuwenden, wenn sich die Nutzungen auf ein Grundstück beziehen und der Nutzungswert nicht im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks berücksichtigt, sondern erst bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer vom gesondert festgestellten [X.] abgezogen wird.

a) § 16 [X.] stellt durch die Begrenzung des [X.] auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des [X.] anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird, sicher, dass der Kapitalwert der Nutzungen eines Wirtschaftsguts nicht höher sein kann als der nach den Vorschriften des [X.] anzusetzende Wert des Wirtschaftsguts ([X.] in [X.], [X.], § 16 Rz 1; [X.] in [X.]/Stenger, Bewertungsrecht, § 16 [X.] Rz 9).

b) Diese Zielsetzung ist sachgerecht und folgerichtig. Sie rechtfertigt die Begrenzung des [X.] der Nutzungen eines Grundstücks gemäß § 16 [X.] auch nach der Neuregelung der Bewertung des Grundbesitzes durch das [X.]G. Die Vorschrift ist nicht verfassungswidrig geworden, soweit sie sich innerhalb ihres Anwendungsbereichs auf die Bewertung von Grundstücken bezieht.

aa) Abweichend von der früheren Rechtslage ([X.]-Urteil vom 11. Juni 2008 II R 71/05, [X.]E 222, 57, [X.], 132, m.w.[X.]) sind nunmehr im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks nach § 198 [X.] auf dem Objekt lastende Nutzungsrechte bei der Wertermittlung nach Maßgabe der Vorschriften zu berücksichtigen, die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) erlassen wurden (Jüptner in Fischer/Jüptner/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 10 Rz 272, 274 f.; [X.] in [X.], [X.], § 198 Rz 38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 10 [X.] Rz 152; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, § 198 [X.] Rz 2, 17, 23 ff.; R E 10.10 Abs. 6 Satz 2 der [X.] --[X.]-- 2011; R B 198 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 [X.] 2011; [X.] 10.10 der Hinweise zu den [X.] 2011 "Abzug eines Nutzungsrechts"; zweifelnd Mannek in [X.]/Stenger, Bewertungsrecht, § 198 [X.] Rz 26).

Dies ergibt sich zum einen aus der in § 198 Satz 2 [X.] enthaltenen Verweisung auf die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften, die die wertmindernde Berücksichtigung der auf dem Grundstück lastenden Nutzungsrechte vorsehen (§ 2 Satz 1, § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 der am 1. Juli 2010 in [X.] getretenen Immobilienwertermittlungsverordnung --[X.]-- vom 19. Mai 2010, [X.], 639), und zum anderen mittelbar aus dem durch das [X.]G eingefügten § 10 Abs. 6 Satz 6 [X.], nach dem der Abzug von Nutzungsrechten, die sich als Belastungen bei der Ermittlung des gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes ausgewirkt haben, bei der Erbschaftsteuer ausgeschlossen ist.

Bei der Bewertung der auf dem Objekt lastenden Nutzungsrechte nach § 2 Satz 1, § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 [X.] ist § 16 [X.] nicht anwendbar. § 16 [X.] enthält eine bewertungsrechtliche Sonderregelung zur Ermittlung des [X.] einer Nutzung. Sie ist nicht zur Bestimmung von deren gemeinem Wert geeignet, da sie auf die Vorschriften des [X.] und somit bei grundstücksbezogenen Nutzungen auf die Bedarfsbewertung von Grundstücken verweist ([X.]-Urteil vom 15. Dezember 2010 II R 41/08, [X.]E 232, 210, [X.], 363, Rz 20).

bb) Aus dieser geänderten Rechtslage kann nicht abgeleitet werden, dass in Fällen, in denen der gesondert festgestellte [X.] nach §§ 179, 182 bis 196 [X.] bestimmt wurde, bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer ebenfalls der nach § 2 Satz 1, § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 [X.] ermittelte Wert des Nutzungsrechts abzuziehen ist. Beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, dessen einzelne Elemente nicht mit der Wertermittlung nach §§ 179, 182 bis 196 [X.] kombiniert werden können. Eine solche Kombination würde zu nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen führen. Wie auch der vorliegende Fall zeigt, kann der nach §§ 179, 182 bis 196 [X.] ermittelte [X.] vom gemeinen Wert (Verkehrswert) des Grundstücks abweichen, insbesondere niedriger als dieser sein. Würde man dennoch den gemeinen Wert des Nutzungsrechts von dem nach §§ 179, 182 bis 196 [X.] ermittelten [X.] abziehen, entspräche der bei der Festsetzung der Steuer zu berücksichtigende Wert des Grundstücks nicht dem Wert, der sich bei einem im Feststellungsverfahren erfolgten Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks unter Berücksichtigung des Nutzungsrechts ergeben hätte. Die vom [X.] für richtig gehaltene Kombination von Elementen der Wertermittlung nach §§ 179, 182 bis 196 [X.] und des Nachweises des niedrigeren gemeinen Grundstückswerts kann somit nicht mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) begründet werden.

Die verfassungsmäßigen Rechte des Steuerpflichtigen werden vielmehr dadurch in vollem Umfang gewahrt, dass er im Rahmen der gesonderten Feststellung des [X.]s (§ 12 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) nach § 198 [X.] einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung der auf dem Objekt lastenden Nutzungsrechte nachweisen kann. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, muss er es hinnehmen, dass der Jahreswert des auf dem Grundstück lastenden Nutzungsrechts bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer höchstens mit dem in § 16 [X.] bestimmten Wert vom gesondert festgestellten [X.] abgezogen wird.

3. Es kann danach auf sich beruhen, ob das [X.] die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung gewahrt hat. Es ist nach ständiger Rechtsprechung ausgeschlossen, ein Gesetz gegen seinen ausdrücklichen Wortlaut und gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers verfassungskonform auszulegen ([X.]-Urteil vom 27. März 2012 I R 62/08, [X.]E 236, 543, [X.], 745 Rz 18).

Meta

II R 48/12

09.04.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. September 2012, Az: 3 K 194/12, Urteil

§ 16 BewG 1991, § 198 BewG 1991, § 12 Abs 1 ErbStG 1997, Art 1 Nr 8 Buchst c ErbStRG, Art 2 Nr 14 ErbStRG, § 10 Abs 6 S 6 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 179 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.04.2014, Az. II R 48/12 (REWIS RS 2014, 6402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6402

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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