Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2009, Az. VI ZR 79/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 4331

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.]/08 Verkündet am: 24. März 2009 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 823 Ed, § 1359 Zur Anwendbarkeit des § 1359 BGB auf einen Unfall beim Wasserski. [X.], Urteil vom 24. März 2009 - [X.]/08 - [X.] [X.]
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 27. Februar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Wege des [X.] die Freistellung von Schadensersatzansprüchen, die der Ehefrau des Beklagten gegen ihn nach einem Bootsunfall zugesprochen worden sind. 1 Am 10. August 2001 waren der Beklagte und seine Ehefrau mit dem Klä-ger in dessen Motorboot zum abwechselnden Wasserskifahren auf den [X.] ausgefahren. Zum Zeitpunkt des Unfalls fuhr die Ehefrau hinter dem vom Beklagten gesteuerten Boot Wasserski. Als sie ihre [X.] beenden wollte und auf das Motorboot zuschwamm, drückte der Beklagte nach einem 2 - 3 - Warnschrei des [X.] die beiden Gashebel nach vorne. Da sich - ohne sein Wissen - beide [X.] in [X.] befanden, fuhr das Boot nicht wie beabsichtigt nach vorne, sondern nach hinten. Dadurch geriet seine Ehefrau in die Schraube des Bootes und verletzte sich schwer. 3 Der Beklagte hat selbst ein Motorboot, das über zwei Hebel gesteuert wird, wobei das Boot bei Vorwärtsstellung der Hebel nach vorne fährt und in Rückwärtsstellung der Hebel nach hinten. Das Motorboot des [X.] wird da-gegen über vier Hebel bedient. Die beiden größeren Hebel lassen sich nur nach vorne bewegen und sind mit dem Gaspedal im Auto vergleichbar. Die beiden kleineren Hebel in der Mitte stellen das Getriebe dar. Sind diese Hebel nach vorne geschoben, fährt das Boot vorwärts, befinden sie sich in rückwärtiger Stellung, fährt das Boot rückwärts. In der Mitte befindet sich der Leerlauf. Zum Zeitpunkt des Unfalls befanden sich die [X.] etwa in der Mitte; der Leerlauf war jedoch nicht eingerastet, so dass noch der Rückwärtsgang einge-stellt war. Das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern ist in [X.] durch [X.] vom 20. Juli 1994 geregelt. 4 Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des [X.] wegen Verletzung der ihm als Eigentümer und Begleitperson beim Wasserskifahren obliegenden Verkehrssicherungspflicht zum Schadensersatz an die Ehefrau des Beklagten verurteilt. Im jetzigen Verfahren begehrt er, ihn zu 80 % von den Schadensersatzansprüchen der Ehefrau des Beklagten und der Sozialversicherungsträger freizustellen. Das [X.] hat die Klage [X.]. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungs-gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] 6 Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in [X.], 403 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Freistellungsbegehren des [X.] sei nicht begründet, weil eine gesamtschuldnerische Haftung der Parteien im Sinne der §§ 421, 426, 840 BGB nicht vorliege. Zwar stehe die Haftung des [X.] gegenüber der Geschädigten aufgrund des Urteils des [X.] fest. Der Beklagte hafte aber als Ehemann der Geschädigten wegen §§ 1359, 277 BGB nicht für sein objektiv vorliegendes Fehlverhalten, so dass zwischen ihm und dem Kläger kein Gesamtschuldverhältnis bestehe. Daher seien auch die Grundsätze des "gestörten Gesamtschuldnerausgleichs" nicht anzuwenden. Bei gemeinsamer sportlicher Betätigung als Teil der ehelichen [X.] (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestimme sich der wechselseitige Haftungsmaßstab nach § 1359 BGB. Es liege kein Unfall im Straßenverkehr vor, bei dem dieser Haftungsmaßstab nicht gelte, sondern ein Unfall bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung. Das in dem [X.] Nr. 550 nieder-gelegte Gebot, "alle erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung von Unfällen in den genutzten Bereichen zu treffen", sei recht allgemein gehalten und mit den Detailregelungen des Straßenverkehrs nicht vergleichbar, die für einen in-dividuellen Sorgfaltsmaßstab keinen Raum ließen. 7 Im Streitfall hafte der Beklagte nach dem Sorgfaltsmaßstab der §§ 1359, 277 BGB nicht. Es handle sich um ein Augenblicksversagen, weil der sehr spä-te Warnschrei des [X.] eine Schreckreaktion des Beklagten verursacht und 8 - 5 - dieser wegen der Bauweise des Bootes den Hebel falsch umgelegt habe. Im vorliegenden Fall stehe nicht ein kurzzeitiges "nicht Aufpassen" des Beklagten, sondern das unheilvolle Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Umständen im Vordergrund, welches die persönliche Schuld des Beklagten in einem milde-ren Licht erscheinen lasse. I[X.] Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 9 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der mildere Sorgfaltsmaßstab des § 1359 BGB im Streitfall keine Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift haben die Ehegatten (für eingetragene Lebenspartner vgl. § 4 LPartG) bei Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden [X.] nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigene [X.] anzuwenden pflegen. Zwar betrifft dieser Haftungsmaßstab anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht nur Verpflichtungen, die mit dem ehelichen Güterrecht oder der Schlüsselgewalt zusammenhängen, sondern alle Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben (zur [X.] vgl. [X.] 53, 352, 353). Gleichwohl handelt es sich gegenüber dem allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 BGB um eine Ausnahmevorschrift, die schon nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen ist. 10 Zudem entspricht es für Schadensfälle aus dem Straßenverkehr der ge-festigten Rechtsprechung des [X.], dass sich ein Kraftfahrer, der unter Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften seinen Ehegatten an der [X.] oder im Eigentum schädigt, nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des 11 - 6 - § 1359 BGB wie in eigenen Angelegenheiten berufen, also nicht geltend ma-chen kann, dass er gewöhnlich in dieser Weise zu fahren bzw. [X.] zu missachten pflege ([X.] 53, 352, 355 f.; 61, 101, 104 f.; 63, 51, 57 f.). Schon zuvor hatte der erkennende Senat zu dem zwischen Gesellschaf-tern geltenden und ebenfalls auf die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten beschränkten Haftungsmaßstab des § 708 BGB ausgeführt, dass dieser für das Straßenverkehrsrecht allgemein ungeeignet sei, weil dieses Gebiet keinen Spielraum für individuelle Sorgfalt erlaube und die Gesellschafter sich deshalb als Fahrgäste eines Mitgesellschafters nicht mit geringerer Sorgfalt behandeln lassen müssten, als dies nach dem allgemein gültigen objektiven Maßstab er-forderlich wäre ([X.] 46, 313, 317 f.). Diese Erwägungen gelten auch im Streitfall, in dem ebenfalls ein Unfall mit einem motorgetriebenen Fahrzeug von vergleichbarer Gefährlichkeit, des-sen Betrieb eine Lizenz erfordert, geschehen ist. Der [X.] Nr. 550 vom 20. Juli 1994 enthält entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hin-reichend detaillierte Regelungen, die den Schutz der Wasserskiläufer und unbe-teiligter Dritter bezwecken und keinen Raum für einen individuellen Sorgfalts-maßstab lassen. Insbesondere ist in Art. 1 des Erlasses detailliert geregelt, un-ter welchen Bedingungen das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern tagsüber bei günstigen Witterungsbedingungen gestattet ist und welcher [X.] dabei zum [X.] und anderen Wasserfahrzeugen einzuhalten ist. 12 Auch wenn es sich um die gemeinsame Ausübung von Freizeitsport im Rahmen der ehelichen Lebensgestaltung handelte, kommt mithin im Streitfall eine Haftungsmilderung nach § 1359 BGB nicht in Betracht. Demgemäß ist die Verantwortlichkeit des Beklagten nach dem strengeren Haftungsmaßstab des 13 - 7 - § 276 BGB zu beurteilen mit der Folge, dass eine Mithaftung des Beklagten neben dem bereits rechtskräftig verurteilten Kläger besteht. 14 2. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die [X.] ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen zum jeweiligen Haftungsanteil der Parteien treffen und die bisher offen gelassene Prüfung nachholen kann, ob Verjährung eingetreten ist. [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.03.2007 - 3 O 2498/06 - [X.], Entscheidung vom 27.02.2008 - 4 U 863/07 -

Meta

VI ZR 79/08

24.03.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2009, Az. VI ZR 79/08 (REWIS RS 2009, 4331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4331

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