Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2018, Az. 4 StR 27/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 12436

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:130318B4STR27.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 27/18

vom
13. März
2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen besonders schweren Raubes

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 13.
März 2018 gemäß §
349 Abs.
2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 29.
September 2017 werden als unbe-gründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren dadurch ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen; der Angeklagte M.

trägt zudem die durch sein Rechtsmittel im Adhäsi-
onsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die notwen-digen Auslagen
des
[X.]s.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten M.

wegen besonders
schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Frei-heitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes
in Höhe von 12.000
Euro sowie weiterer 215
Euro Scha-densersatz an den Neben-
und [X.] verurteilt. Die Angeklagte B.

hat es wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und von einer
Adhäsionsentscheidung gegen sie abgesehen. Gegen ihre Verurteilungen haben sowohl der Angeklagte 1
-
3
-
M.

als auch die Angeklagte B.

Revision eingelegt. Beide Rechtsmittel
sind unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Die Rüge der Angeklagten B.

, das [X.] habe gegen §
265
Abs.
3 StPO verstoßen, weil es die Hauptverhandlung nicht auf ihren Antrag hin ausgesetzt habe, greift nicht durch.
1.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte der Angeklagten B.

Beihilfe zum schweren Raub (§
250 Abs.
1 Nr.
1b, §
27
StGB) zur Last. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe den zur Begehung eines Raubüberfalls auf den Nebenkläger entschlossenen Mitangeklagten M.

ihren damaligen Lebensgefährten

mit einem Pkw zu einer Wiese gefahren, wo sich dieser eine Holzlatte beschafft habe. Anschließend sei sie mit dem [X.] zum Tatort gefahren und habe dort gemeinsam mit ihm auf den Nebenkläger gewartet. Als dieser erschienen sei, soll er von dem Mitangeklag-ten mit der Holzlatte bewusstlos geschlagen und ihm die Geldbörse entwendet .

-

ben der Angeklagten im Ermittlungsverfahren angeführt. Der Mitangeklagte M.

hatte sich bis dahin noch nicht zur Sache eingelassen.
Am ersten Hauptverhandlungstag machte der Mitangeklagte M.

(erstmals) Angaben zur Sache. Am zweiten Hauptverhandlungstag wurde der 2
3
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5
6
-
4
-
Angeklagten B.

der rechtliche Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung
wegen mittäterschaftlich begangenen besonders schweren Raubes gemäß §
250 Abs.
2 Nr.
1 StGB in Betracht komme. Ihr
Verteidiger
beantragte darauf-hin, die Hauptverhandlung nach §
265 Abs.
3 StPO auszusetzen. Zur [X.] führte er aus, der Mitangeklagte M.

-

oll die Angeklagte ä-herte, um dem in der Nähe lauernden Mitangeklagten eine bessere [X.] auf den Überfall zu ermöglichen. Auch soll sie Kenntnis davon gehabt ha-ben, dass die He
sie sogar gewusst haben, dass auch ein Einsatz der Holzlatte als Schlagwerk-zeug geplant gewesen sei. All dies werde von der Angeklagten bestritten. Die [X.] hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Angeklagte habe die veränderten Umstände bereits der Einlassung des Angeklagten im [X.] entnehmen können. Auch habe der Vertreter der Staatsanwaltschaft schon in diesem Termin einen entsprechenden recht-lichen Hinweis angeregt.
2.
Damit ist eine Verletzung von
§
265 Abs.
3 StPO in der Fassung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des [X.] vom 17.
August 2017 (BGBl.
I,
3202) nicht dargetan.
a)
Nach dieser Vorschrift ist die Hauptverhandlung auf den entsprechen-den Antrag eines Angeklagten auszusetzen, wenn neue Umstände hervorge-treten sind, die die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten
zulassen oder die zu den in §
265 Abs.
2 Nr.
1 StPO bezeichneten (vom Strafgesetz besonders [X.] Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maß-7
8
-
5
-
nahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen) gehören und diese Umstände von dem Angeklagten unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, bestritten werden. Als neu hervorgetretene Umstände kommen dabei nur Tatsachen oder tatsächliche Verhältnisse in Betracht, die erst in der Hauptverhandlung
zum Vorschein kommen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Januar 2003

2
StR
215/02, [X.]St 48, 183, 184; Urteil vom 7.
Dezember 1960

2
StR
325/60, S.
3; [X.], Urteil vom 22.
Mai 1906

V
142/06, [X.], 17, 18). Werden aus dem unverändert ge-bliebenen Tatsachenmaterial vom Tatrichter lediglich andere Schlussfolgerun-gen gezogen, handelt es sich nicht um neue Umstände im Sinne von §
265 Abs.
3 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
Januar 2006

1
StR
561/05, [X.], 191). Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht dadurch zu anderen Fest-stellungen gelangt (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Dezember 1960

2
StR
325/60, S.
3; [X.], Urteil vom 22.
Mai 1906

V
142/06, [X.], 17, 18; Urteil vom 7.
Juli 1885

IV
1640/85, [X.]
Rspr 7, 474, 475; Urteil vom 8.
März 1881

Rep
292/81, [X.]St
3, 402). Auch neue Beweismittel sind für sich genommen noch keine neuen Umstände im Sinne dieser Vorschrift
(vgl. [X.], Urteil vom 12.
Oktober
1918

V
656/18, [X.]St 52, 249, 251; [X.] in: [X.], 7.
Aufl.,
§
265 Rn.
26; [X.] in: Löwe/[X.], StPO,
26.
Aufl., §
265 Rn.
91; [X.], StPO,
61.
Aufl., §
265 Rn.
36).
Für die erstmalige Einlassung eines Mitangeklagten

wie hier

kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Eine Bedeutung im Sinne des §
265 Abs.
3 StPO kommt einer solchen Einlassung

wie auch neuen Beweismitteln

erst dann zu, wenn durch sie neue,
bisher unbekannte Tatsachen in die [X.] eingeführt werden. Dabei ist es Sache des Antragstellers, die angeb-lich neu hervorgetretenen Tatsachen bestimmt zu bezeichnen und
deren Rich-tigkeit unter der Behauptung, auf die Verteidigung insoweit nicht genügend vor-9
-
6
-
bereitet zu sein, zu bestreiten (vgl.
[X.], Urteil vom 22.
Mai 1906

V
142/06, [X.], 17, 19).
b)
Dass in der Hauptverhandlung neue Umstände (Tatsachen)
hervorge-treten sind, die einen Aussetzungsanspruch nach §
265 Abs.
3 StPO begrün-den, legt die Revision nicht dar.
aa)
Bei den von dem Mitangeklagten M.

erstmals geschilderten

Tatsache und damit einen neuen Umstand im Sinne des §
265 Abs.
3 StPO. Dieser lässt hier aber weder die Anwendung eines (anderen) schwereren Straf-gesetzes gegen sie zu, noch führt er zu einer Erhöhung der Strafbarkeit im [X.] von §
265 Abs.
2 Nr.
1 StPO.
Denn durch
diese neue Tatsache wurde lediglich eine
weiter
gehende Einbindung der Angeklagten in das eigentliche Tatgeschehen
belegt. Dies war unter den hier gegebenen Umständen aber nur
für die Frage von Bedeutung, ob sie an der Raubtat
zum Nachteil des [X.]

wie angeklagt

nur als Gehilfin oder

wie ausgeurteilt

als Mittäterin beteiligt
war. Der Wechsel in den schwerer wiegenden Qualifikationstatbestand des §
250 Abs.
2 Nr.
1 StGB, der
zu einer Erhöhung der Strafbarkeit im Sinne von §
265 Abs.
3
i.[X.]. Abs.
2 Nr.
1 StPO führte, wurde durch diesen neuen Umstand nicht beeinflusst.

Allein der mit dem Übergang von Beihilfe zur Mittäterschaft verbundene Wegfall der in §
27 Abs.
2 Satz
2 StGB vorgesehenen obligatorischen Milderung nach §
49 Abs.
1 StGB steht dem
Hervortreten eines gesetzlich besonders vorgese-henen
rechtsfolgenverschärfenden Umstandes
jedoch nicht gleich, sodass
eine (entsprechende)
Anwendung von
§
265 Abs.
2 Nr.
1 StPO
nicht in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Februar 2013

2
StR
517/12, NStZ
10
11
12
-
7
-
2013, 358 [zum Wegfall der fakultativen Strafmilderung nach §
23 Abs.
2, §
49 Abs.
1 StGB beim Übergang von Versuch zu Vollendung]; Urteil vom 30.
Juni 1987

1
StR
242/87, NJW 1988, 501 [zu §§
21, 49 Abs.
1 StGB]; [X.]/[X.], StPO,
61.
Aufl.,
§
265 Rn.
36 [zur fakultativen Strafmilderung]; [X.] in: Löwe/[X.], StPO,
26.
Aufl.,
§
265 Rn.
40 mwN; a.A.
Rosenau in: [X.], 3.
Aufl.,
§
265 Rn.
34).
bb)
Weitere neu hervorgetretene Umstände lassen sich dem Revisions-vorbringen nicht mit der gebotenen Bestimmtheit entnehmen.
Soweit in dem
mitgeteilten Aussetzungsantrag
davon die Rede ist, dass die Angeklagte B.

nach den Angaben des Mitangeklagten M.

auch
von einem beabsichtigten Einsatz der Holzlatte als Drohmittel Kenntnis gehabt g-werkzeug geplant war, handelt es sich nur um die Wiedergabe von Schlussfol-gerungen, die nach der Einlassung des Mitangeklagten M.

in Betracht
kamen. Welche Angaben der Mitangeklagte in diesem Zusammenhang konkret gemacht hat und ob dabei durch ihn bestimmte bisher unbekannte Tatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, teilt die Revision nicht mit. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der in Betracht gezogenen Neubewertung des inneren Tatbestandes
nur Ableitungen aus be-reits bekanntem
Tatsachenmaterial zugrunde lagen, das durch die Angaben des Mitangeklagten lediglich bestätigt wurde,
oder ob diese
Bewertung (auch) auf neu hervorgetretenen
Tatsachen beruhte, die
in ihrer Richtigkeit (Existenz) von der Angeklagten dezidiert bestrittenen
wurden. Nur im zuletzt genannten
13
14
-
8
-
Fall bestünde gegebenenfalls ein Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhand-lung nach §
265 Abs.
3 StPO.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 27/18

13.03.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2018, Az. 4 StR 27/18 (REWIS RS 2018, 12436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12436

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4 StR 27/18

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