Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2024, Az. 2 StR 290/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2024, 1757

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Januar 2023 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und dazu bestimmt, dass acht Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind. Schließlich hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der [X.] mit den zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

[X.]

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der Nebenkläger wollte 15.000 € Bargeld im Wege des „[X.]“ in den [X.] schicken. Er suchte einen Vermittler auf „[X.]“ und kam in Kontakt mit einem „R.  “. Mit diesem wurde ein Geldübergabetermin vereinbart, zu dem der Nebenkläger nach [X.]fuhr. Dann teilte „R.  “ telefonisch mit, dass er selbst nicht kommen könne, der Nebenkläger aber einen „M.   “ am vereinbarten Ort treffen werde. Dabei handelte es sich um den Angeklagten. Unter dem Vorwand, dass man das Geld besser in seiner Wohnung zählen und er dort Tee anbieten könne, veranlasste der Angeklagte den Nebenkläger, sich mit ihm dorthin zu begeben, wo beide das Geld zählten. Anschließend verließ der Angeklagte [X.] unter einem Vorwand. Kurz darauf kam er mit dem Nichtrevidenten [X.]und dem gesondert verfolgten [X.]    zurück. Letzterer war maskiert und hatte einen Gegenstand in der Hand, der wie eine Schusswaffe anmutete. Der Nebenkläger wurde unter Vorhalt der Waffe oder Waffenattrappe zur Herausgabe des Geldes aufgefordert, versuchte aber stattdessen zu fliehen. [X.]und der Angeklagte schlugen auf ihn ein. Die Auseinandersetzung verlagerte sich in den Flur der Wohnung, wo das Geld aus der Jackentasche des [X.] auf den Boden fiel. Der Angeklagte und [X.]     rafften Teile des Geldes zusammen und verließen den [X.]. Der Nebenkläger hielt [X.]fest, wurde aber durch Einschreiten eines Unbekannten von [X.]getrennt.

4

2. Das [X.] hat die Tat als schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet und dafür die Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten gegen den Angeklagten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Der Angeklagte betreibe seit dem zehnten Lebensjahr den [X.] von Cannabis. Bei der [X.] habe es sich um eine Beschaffungstat gehandelt. Es bestehe infolge des Hangs des Angeklagten zum [X.] die Gefahr weiterer Betäubungsmittel- oder Beschaffungsdelikte. Die Erfolgsaussichten einer Therapie seien zwar fragwürdig, aber noch zu bejahen.

I[X.]

5

Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch sowie die Einziehungsentscheidung richtet. Sie hat aber Erfolg, soweit es um die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB geht.

6

1. Die [X.] ist an der Neufassung des § 64 StGB durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Überarbeitung des [X.] vom 1. Oktober 2023 ([X.]) zu messen; denn gemäß § 2 Abs. 6 StGB sind Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem Gesetz anzuordnen, das zur [X.] gilt und eine den [X.] betreffende Gesetzesänderung ist nach § 354a StPO auch vom Revisionsgericht zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteile vom 18. Oktober 2023 – 1 [X.]; vom 13. Dezember 2023 – 6 [X.]; vom 17. Januar 2024 – 5 StR 339/23; vom 11. Januar 2024 – 3 StR 280/23).

7

2. Diesen Anforderungen, die das [X.] zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht zu beachten hatte, werden die Erwägungen zu der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gerecht.

8

Es ist weder sicher festgestellt noch belegt, dass der langjährige Cannabiskonsum des Angeklagten eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit als Substanzkonsumstörung mit sich gebracht hat und insoweit die Voraussetzungen eines Hangs nach § 64 Satz 1 StGB nF erfüllt. Auch fehlt ein Beleg dafür, dass ein symptomatischer Zusammenhang dergestalt besteht, dass die [X.] überwiegend auf den Hang zum [X.] im Übermaß zurückgeht. Schließlich genügt die Prognose des [X.]s, dass ein Therapieerfolg zwar fraglich, aber noch ausreichend wahrscheinlich sei, nicht den strengeren Anforderungen der gesetzlichen Neufassung. Die [X.] lassen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Erwartung gerechtfertigt ist, die Behandlung werde trotz der prognoseungünstigen Faktoren (Analphabet, posttraumatische Belastungsstörung und Anpassungsstörung, Cannabiskonsum seit dem zehnten Lebensjahr, [X.] zur Bekämpfung von Schmerzen und Heimweh) im Sinne des § 64 Satz 2 StGB nF erfolgreich sein. Allein der vom Angeklagten geäußerte Wunsch, den [X.] von Betäubungsmitteln zukünftig einzustellen, genügt insoweit nicht.

9

3. Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Januar 2024 – 5 StR 339/23).

[X.]     

      

Eschelbach     

      

Zeng

      

Grube     

      

Lutz     

      

Meta

2 StR 290/23

20.02.2024

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 23. Januar 2023, Az: 65 KLs 22/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2024, Az. 2 StR 290/23 (REWIS RS 2024, 1757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1757

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

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5 StR 339/23

6 StR 142/23

1 StR 214/23

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