Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2011, Az. V ZR 94/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6389

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR 94/10
Verkündet am:

20. Mai 2011

Weschenfelder,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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2 -
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20.
Mai 2011 durch [X.] [X.], die Richte-rin Dr.
Stresemann, [X.]
[X.] und die Richterinnen Dr.
Brückner und [X.]
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 1.
April 2010 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 20. Mai 1925 verkaufte die beklagte [X.] ein Grundstücksareal in
H.-E.

zum Quadratmeterpreis von 35 [X.] ([X.]) sowie einer jährlichen Rente von 4 [X.] für den laufenden Meter Straßenfront an eine Grundstücksgesellschaft. Diese verpflichtete sich, die Flächen bis zum 1. April 1928 mit Wohnhäusern zu bebauen.
In dem Kaufvertrag wurde ein [X.]recht vereinbart, welches von der [X.] ab dem 1.
April 2024 ausgeübt werden darf. Das Recht erlischt, wenn die Beklagte es nach dem 1.
April 2027 auf die schriftliche Anfrage der "derzeitigen Eigentümerin" hin nicht innerhalb eines Jahres geltend macht. Das [X.]recht wurde durch Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung 1
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zugunsten der [X.] gesichert. Der [X.] wurde mit 35 [X.]/qm ohne Zinsen und ohne Vergütung für die gezahlte Rente, die Entschädigung für die auf den Grundstücken errichteten Bauwerke mit zwei Drittel von deren ge-meinem Wert zur [X.] des [X.] vereinbart.
[X.] wurde das inzwischen mit Mehrfamilienhäusern bebaute Areal verkauft und nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt.
Die Vormer-kung zur Sicherung des Rückkaufsrechts der [X.] wurde in die [X.] übertragen. Die Kläger erwarben eine der [X.]. Mitte 2006 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, in der sich die Beklagte verpflichtete, gegen
Zahlung eines Ablösebetrages von 47.980

das [X.]recht zu verzichten und der Löschung der [X.] der den Klägern gehörenden Wohnung zuzu-stimmen. Der Betrag wurde gezahlt.
Nach Veröffentlichung eines Urteils des [X.] vom 21.
Juli 2006 ([X.]), in dem die Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand für die Dauer von 90 Jahren vereinbarten [X.]rechts mehr als 30 Jahre nach dessen Begründung für unzulässig erachtet worden war, erklärten die Kläger die Anfechtung der [X.].
Die in der Hauptsache auf Rückzahlung des Ablösebetrages gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlan-desgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte [X.], verfolgen die Kläger ihren Antrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Kläger seien an die [X.] gebunden. Weder lägen die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglisti-ger Täuschung oder
wegen Irrtums vor noch sei die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung wegen gemeinsamer Fehlvorstellung über die Wirksamkeit des [X.]rechts entfallen. Das zugunsten der [X.] vereinbarte [X.] sei wirksam; es verstoße auch in Ansehung der langen Aus-übungsfrist und des [X.]es nicht gegen §
138 Abs. 1 [X.]. Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des Übermaßverbots, welches sie als Körper-schaft des öffentlichen Rechts beachten müsse, an der Ausübung des [X.] gehindert gewesen. Der Zweck des Rechts, es der [X.] zu ermöglichen, das Grundstück nach [X.]n zurück zu erwerben und so etwaige Bodenwertsteigerungen der Allgemeinheit zu erhalten, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es nicht unangemessen, dass die Beklagte kein Er[X.]aurecht gewählt habe, weil sie die damit verbundene Verpflichtung, das Grundstück bei Erlöschen des Er[X.]aurechts zurückzunehmen und eine Entschädigung für das Bauwerk zu zahlen, nicht uneingeschränkt habe einge-hen, sondern von Fall zu Fall über einen Wiederkauf habe befinden wollen. Die Ausübungsfrist von [X.]n habe auch den Interessen der Käuferin gedient, da sie sichergestellt habe, dass sich deren Investitionen über die Nutzungs-dauer des Bauwerks amortisierten. Dass die
Beklagte bei Ausübung des [X.]s nicht den vollen, sondern nur 2/3 des Verkehrswerts der [X.] zahlen müsse, halte sich, wie der Vergleich mit der Regelung in §
27 Abs.
2 [X.] zeige, im Rahmen zulässiger Vereinbarungen. Auch sei der [X.] nicht zu beanstanden, da er der gesetzlichen Auslegungsre-gel entspreche. Bei einer die Geschäftsgrundlage des Kaufvertrages berühren-6
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den Geldwertveränderung habe zudem die Möglichkeit einer Anpassung des Wiederkaufpreises bestanden. Dass sie sich bei den Verhandlungen mit der [X.] hierauf nicht berufen hätten, berechtige die Kläger nicht, sich von der [X.] zu lösen; dies gelte umso mehr, als die Beklagte ihnen einen Abschlag von 30
% der Bodenwertdifferenz eingeräumt habe.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht verneint ohne Rechtsfehler einen Grund für die Anfechtung der [X.] (§§
119, 123 [X.]) -
insoweit erhebt die Revision auch keine Einwendungen
-
und auch eine nach §
313 Abs. 2 [X.] relevante ge-meinsame Fehlvorstellung der Parteien über die Grundlagen dieser Vereinba-rung.
1. a) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass das im Jahr 1925 vereinbarte [X.]recht wirksam ist, so dass die zugunsten der [X.] eingetragene Rückauflassungsvormerkung im [X.]punkt der Ablösevereinba-rung nicht erloschen war.
[X.]) Dass das [X.]recht über die in §
462 Satz
1 [X.] (§
503 [X.] aF) genannte Höchstfrist von 30
Jahren hinaus ausgeübt werden konnte, steht seiner Wirksamkeit nicht entgegen. Diese Frist begrenzt die Ausübung eines [X.]rechts nur in Fällen, in denen eine Frist nicht vereinbart [X.] ist. Sie hindert die Vertragsparteien nicht, längere Ausübungsfristen festzu-legen (Senat, Urteil vom 21. April 1967 -
V
ZR 75/64, [X.], 387, 392); [X.] treten dann an die Stelle der gesetzlichen Frist (§
462 Satz
2 [X.]).
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Eine solche, die gesetzliche Regelung verdrängende Ausübungsfrist ist hier vereinbart worden. Eine andere als die gesetzliche Ausübungsfrist ist näm-lich auch dann vereinbart, wenn der [X.]punkt, zu dem das [X.]recht erstmals ausgeübt werden kann, abweichend von §
462 [X.] festgelegt wurde (vgl. [X.], [X.] 1982, 668; [X.], [X.], 157, 158; [X.]/[X.], [X.] [2004], §
462 Rn.
4; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
462 Rn.
2). So liegt es hier.
[X.]) [X.] ist ferner die Annahme des Berufungsge-richts, dass das [X.]recht nicht gegen die guten Sitten verstieß (§
138 Abs.
1 [X.]).
(1) Mit diesem Recht hatte sich die Beklagte vorbehalten, den Grund-stücksverkauf nachträglich in ein der Bestellung eines Er[X.]aurechts auf 99 Jah-re vergleichbares Nutzungsverhältnis umzugestalten. Es ermöglichte ihr, ab dem [X.] zu entscheiden, ob sie das Grundstück gegen Zahlung des [X.]es und der vereinbarten Entschädigung für die von der [X.] errichteten Gebäude [X.] oder ob sie hiervon wegen der damit verbundenen Übernahme älterer und möglicherweise für sie nicht attraktiver
Wohnhäuser absehen wollte. Ein solches Wahlrecht ist für sich genommen nicht verwerflich. Dass der [X.]berechtigte im Zweifel die für ihn wirt-schaftlich günstigere Alternative wählen und insbesondere Bodenwertsteige-rungen abschöpfen wird, ist weder
zu missbilligen noch führt es -
sofern die Bedingungen des [X.] angemessen sind
-
zu einem groben Missver-hältnis von Leistung und Gegenleistung oder zu einer sonst unzumutbaren Be-lastung des Käufers (aA Kämmerer/[X.], [X.], 1337, 1348). Dieser vermag zu erkennen und sich von Anfang darauf einzustellen, dass er das Grundstück nach der vereinbarten Frist, hier nach [X.]n, möglicherweise an den Verkäufer zurückübereignen muss, also bis zu dessen Entscheidung 10
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über die Ausübung des [X.]rechts in wirtschaftlicher Hinsicht eher
einem Er[X.]auberechtigten als einem Eigentümer gleichsteht. Dabei kann die Vereinbarung eines [X.]rechts statt eines Er[X.]aurechts auch für den Käufer vorteilhaft sein; beispielsweise ist er nur als Eigentümer
in der Lage, das Grundstück als Kreditsicherheit zu nutzen. Dass er im Gegensatz zu einem Er[X.]auberechtigten den vollen Kaufpreis zahlt, wird durch den [X.]-preis kompensiert. Wird das [X.]recht ausgeübt, hat der Käufer dem Verkäufer als Gegenleistung für die Nutzung des Grundstücks die Nutzungen des Kaufpreises überlassen und damit einen dem Er[X.]auzins vergleichbaren Wert aufgewandt (so für einen vergleichbaren Vertrag bereits: Senat, Urteil vom
29. Oktober 2010 -
V
ZR 48/10, [X.], 83).
Im Hinblick darauf, dass ein Er[X.]aurecht für [X.] bestellt werden kann, begründet der [X.]punkt, zu dem das [X.]recht hier erstmals ausgeübt werden durfte, keine sittenwidrige Benachteiligung der [X.]-verpflichteten. Nicht unangemessen im
Sinn von §
138 Abs. 1 [X.] ist ferner der fehlende Endtermin für die Ausübung des [X.]rechts. Denn die Ausübungsfrist hätte ab dem 1.
April 2027 durch Anfrage bei der [X.] auf ein Jahr begrenzt werden können. Die Regelung, wonach die Entschädigung für die auf dem Grundstück errichteten Gebäude zwei Drittel von deren gemei-nem Wert im [X.]punkt des [X.] beträgt, entspricht der Entschädigung, die ein Er[X.]auberechtigter nach dem Erlöschen des Er[X.]aurechts infolge [X.] gemäß §
27 Abs.
2
Satz
1 [X.] (mindestens) zu beanspruchen hat, und ist damit -
unabhängig davon, ob die hier errichteten Wohnungen ur-sprünglich für minderbemittelte Bevölkerungskreise vorgesehen waren
-
eben-falls nicht sittenwidrig.
(2) Auch führt der vereinbarte
[X.] nicht zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß §
138 Abs. 1 [X.]. Im Grundsatz ist es nicht unbillig, den 13
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Preis, zu welchem verkauft worden ist, als [X.] zu vereinbaren, da dies der Zweifelsregelung des §
456 Abs. 2 [X.] (§
497 Abs. 2 [X.] aF) ent-spricht. Dass die jährliche Rente von 4 [X.] für den laufenden Meter [X.] als Teil des Entgelts für die Grundstücksübertragung anzusehen sei, ha-ben die Kläger nach den von ihnen nicht angegriffenen Feststellungen des Be-rufungsgerichts nicht geltend gemacht. Ebenso wenig beanstandet die Revision die weitere tatrichterliche Feststellung, dass mangels entsprechenden Vortrags auch nicht nachvollzogen werden könne, in welchem Verhältnis die Renten-schuld zu dem [X.] gestanden habe.
Der [X.] begründet auch nicht deshalb eine sittenwidrige Benachteilung des Verpflichteten, weil keine Wertsicherungsklausel vereinbart worden ist. Allerdings läge die Annahme eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nahe, wenn die Beklagte bei Ausübung des [X.]s nur den (in [X.] umgerechneten) Nominalbetrag des [X.] als [X.] hätte zahlen müssen, wenn also der -
vorhersehbare
-
inflationsbedingte Wertverlust des Geldes über einen [X.]-raum von [X.]n zu Lasten der [X.]verpflichteten gegangen wäre. So verhielt es sich hier aber nicht.
Bei Abschluss des [X.] konnten die Parteien da-von ausgehen, dass der [X.] auch ohne Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel dem seit Abschluss des Kaufvertrages gesunkenen Geldwert entsprechend aufgewertet werden würde. Das [X.] hatte 1923 angesichts der damaligen Hyperinflation aus §
242 [X.] einen Anspruch auf Aufwertung von [X.] abgeleitet ([X.], 78) und [X.] Rechtsprechung im Jahr 1924 auf den [X.] ausgedehnt ([X.] 1925, 711). Es nahm dabei an, dass die Vertragsschließenden dem zum Wiederverkauf verpflichteten Käufer einen angemessenen Gegenwert für die 15
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Rückübereignung des Grundstücks gewähren wollten, wenn nicht Anhaltspunk-te für das Gegenteil vorlagen. Angesichts dieser Rechtsprechung, der weit hin-ausgeschobenen Frist für die erstmalige Ausübung des [X.]rechts und des Umstands, dass das Problem des sinkenden Geldwerts den [X.] vor Augen gestanden haben muss (vgl. z.B. die mit der [X.] vom 14. Februar 1924, [X.], [X.], getroffenen Aufwer-tungsregelungen), ist davon auszugehen, dass der [X.] nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien die gleiche Kaufkraft wie der 1925 vereinbarte Kaufpreis haben sollte.
b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, die Beklagte sei nicht aufgrund ihrer sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Bindungen gehindert gewesen, das [X.]recht ab dem [X.] auszuüben.
[X.]) Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat die Beklagte allerdings nicht nur die Schranken von Treu und Glauben (§
242 [X.]), sondern insbe-sondere auch die Einhaltung des Übermaßverbots zu
beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Rege-lung das gesamte Handeln der öffentlichen Verwaltung, und zwar auch dann, wenn sie, wie hier, die Gestaltungsformen des Privatrechts wählt. Er verlangt, die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rechts auf das nach dessen Zweck erforderliche und angemessene Maß zu beschränken sowie unzumutba-re Härten im Einzelfall zu vermeiden. Die Beklagte ist daher verpflichtet, vor der Ausübung eines ihr im Bereich des Verwaltungsprivatrechts zustehenden Rechts im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und inwieweit es geltend gemacht werden soll (Senat, Urteil vom 16. April 2010 -
V
ZR 175/09, [X.], 1861 Rn. 18 mwN). Auf dieser Grundlage hat der [X.], dass ein [X.]recht, welches die zweckentsprechende Nutzung eines zum Zwecke der Ansiedlung einer Familie verbilligt veräußerten Grund-17
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stücks sicherstellen soll, mehr als 30 Jahre nach seiner Begründung nicht mehr ausgeübt werden kann (Senat, Urteil vom 21.
Juli 2006 -
V
ZR 252/05, [X.], 2046).
[X.]) Hieraus können die Kläger indessen nichts für sie Günstiges herlei-ten. Der 1925 geschlossene Kaufvertrag dürfte zwar dem Verwaltungsprivat-recht zuzuordnen sein, weil er, wie die Bauverpflichtung der Erwerberin deutlich macht, wohnungspolitischen Zwecken diente. Die Ausübungsfrist von 99 Jah-ren war hier aber nicht unverhältnismäßig.
Nach welcher [X.]dauer die Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand vereinbarten [X.]rechts unverhältnismäßig ist, hängt entschei-dend von dessen Zweck ab (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 -
V
ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608, 1610). Dient es der Sicherung der Zweckbindung einer Subvention, muss seine Dauer in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Subvention zulässigerweise verfolgten Zweck stehen. Die Nut-zungs-
und Verfügungsbeschränkungen, deren Einhaltung durch ein solches [X.]recht typischerweise gewährleistet wird, dürfen dem Käufer nur für einen zeitlich begrenzten [X.]raum auferlegt werden; bei Grundstücken, die zum Zwecke der Errichtung von Einfamilienhäusern an Einzelpersonen verkauft werden, ist eine 30 Jahre übersteigende Dauer in aller Regel als unverhältnis-mäßig anzusehen.
Das hier vereinbarte [X.]recht diente dagegen weder der Siche-rung einer Subvention noch der Durchsetzung von Nutzungs-
oder Verfügungs-beschränkungen. Es hielt der [X.] unabhängig von dem Verhalten der Erwerberin und nachfolgender Eigentümer die Möglichkeit offen, nach 99 Jah-ren die Rückübereignung des Grundstücks zu näher festgelegten Konditionen zu verlangen. Dabei ist es unerheblich, welche wirtschaftlichen oder politischen 19
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Ziele die Beklagte mit dem [X.]recht im Einzelnen erreichen wollte. Ebenso, wie es der [X.] ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Grundstücke in Form eines auf [X.] befristeten Er[X.]aurechts auszugeben, stand es -
unabhängig davon, ob der Verkauf zum Marktpreis oder verbilligt erfolgte
-
in ihrem Belieben, sich ein er[X.]aurechtsersetzendes [X.]-recht einräumen zu lassen. Ein solches Recht war in dem der Senatsentschei-dung vom 21.
Juli 2006 (V
ZR 252/05, [X.], 2046) zugrunde liegenden Vertrag nicht enthalten; dort hatte sich die beklagte Körperschaft des öffentli-chen Rechts vielmehr entschieden, das Grundstückseigentum endgültig auf die Käufer zu übertragen, sofern diese die ihnen auferlegten Nutzungs-
und Verfü-gungsbeschränkungen beachteten (vgl. Urteil vom 21. Juli 2006, [X.]O, Rn. 21; ebenso für einen vergleichbaren Vertrag bereits: Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010 -
V
ZR 48/10, [X.], 83).
Der unterschiedliche Zweck der [X.]rechte geht mit einer jeweils anderen Funktion der Ausübungsfrist einher. Von einem [X.]recht, das eine Subvention sichert, kann, wenn der [X.] verfehlt wird, jeder-zeit Gebrauch gemacht werden. Die Ausübungsfrist bildet die zeitliche Grenze, bis zu der dies möglich ist. Je länger sie ist, desto belastender wirkt das [X.] für den Käufer, weil er während dieser [X.] die Nutzungs-
und Verfügungsbeschränkungen beachten muss, die das [X.]recht sichert, wenn er nicht Gefahr laufen will, das Eigentum an dem Grundstück zu verlie-ren.
Bei der hier vereinbarten Frist von [X.]n handelt es sich demgegen-über um den [X.]punkt, zu dem das [X.]recht erstmals ausgeübt wer-den durfte. Je länger sie war, desto länger blieb die Erwerberin Eigentümerin des Grundstücks und desto länger konnte sie dessen Nutzungen sowie die ih-rer Investitionen ziehen. Umgekehrt bedeutete eine geringere Dauer eine grö-22
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ßere Belastung, weil sich damit der [X.]raum verkürzte, in dem die Erwerberin vor der Ausübung des [X.]rechts geschützt war. Ihre Rechtsstellung hätte sich also nicht verbessert, sondern verschlechtert, wenn die Beklagte [X.] gewesen wäre, das
[X.]recht bereits nach 20 Jahren auszu-üben. Führt ein längerer [X.]raum, bis zu dem ein [X.]recht erstmals ausgeübt werden kann, aber nicht zu einer größeren und damit ab einem be-stimmten [X.]punkt unverhältnismäßigen Belastung des Käufers, lassen sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zeitlicher Hinsicht keine Be-schränkungen für dessen Ausübung ableiten (Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010 -
V
ZR 48/10, [X.], 83).
2. Zu Recht sieht das Berufungsgericht schließlich auch eine mögliche Fehlvorstellung der Kläger hinsichtlich der Höhe des [X.]es als unbeachtlich an. Der Einwand, dass die seit 1925 eingetretene Geldentwertung bei der Bemessung des [X.]es und damit auch bei der Festlegung des Ablösebetrages Berücksichtigung finden müsse, ist derart naheliegend, dass die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden ist, es falle in den Risikobereich der Kläger, wenn sie dieses bei Abschluss der Ablöseverein-barung nicht berücksichtigt haben sollten. Die Berechtigung einer solchen For-derung erschließt sich, wenn nicht schon aus dem zum [X.]punkt des [X.] herrschenden Rechtsverständnis (siehe oben II.
1. a) [X.]) (2)), so doch ohne weiteres aus der ganz überwiegenden [X.], dass grundlegende Geldwertveränderungen seit der Vereinbarung des [X.]es nach §
313 [X.] zu berücksichtigen sind (vgl. Münch-Komm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
456 Rn.
11; [X.]/[X.], [X.] [1995], § 497 aF Rn.
20; [X.]/[X.], [X.], 70. Aufl.,
§
456 Rn.
13). Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
97 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Stresemann
[X.]

Brückner
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.03.2009 -
303 O 338/07 -

[X.], Entscheidung vom 01.04.2010 -
1 [X.] -

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Meta

V ZR 94/10

20.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2011, Az. V ZR 94/10 (REWIS RS 2011, 6389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6389

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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