Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.04.2012, Az. X E 1/12

10. Senat | REWIS RS 2012, 7303

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Gegenstand

Erinnerung wegen Kostenrechnung - Bestimmung der Höhe des Streitwerts - Absehen von der Kostenerhebung als Billigkeitsmaßnahme - Zuständigkeit


Leitsatz

1. NV: Die Höhe des Streitwerts ist aufgrund der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache für den Kläger nach Ermessen zu bestimmen .

2. NV: Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn diese bei richtiger Behandlung nicht entstanden wären. Das setzt jedoch ein erkennbares Versehen oder offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften voraus .

3. NV: Für die Entscheidung über den Erlass der BFH-Gerichtskosten im Wege einer Billigkeitsentscheidung ist die Justizbeitreibungsstelle beim Bundesamt für Justiz zuständig .

Tatbestand

1

I. Das Wohnsitzfinanzamt ([X.]) der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) hatte den Antrag, die Einkommensteuerfestsetzungen für 1974 und 1976 wegen der geänderten [X.] im Hinblick auf die Beteiligung ihres verstorbenen Ehemanns an der [X.] und [X.] zu ändern, mit der Begründung abgelehnt, nach den dem [X.] vorliegenden Unterlagen seien die [X.] im Wesentlichen bereits bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigt worden. Die Klage der Kostenschuldnerin hatte unter Hinweis auf die sie treffende [X.] keinen Erfolg. Nach Zulassung der Revision durch den angerufenen Senat entschied dieser, der Anspruch der Kostenschuldnerin auf Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1974 und 1976 habe nicht unter Hinweis auf die [X.] abgewiesen werden dürfen. Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) wurde das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das [X.] müsse im zweiten Rechtsgang entscheiden, ob es aufgrund der von ihm bereits festgestellten Besonderheiten des Sachverhalts ohne Rückgriff auf die [X.] Gewissheit darüber erlangen könne, dass die früheren Feststellungsbescheide nicht ausgewertet worden seien, also zu keinem Zeitpunkt Gewinne aus der Beteiligung an der [X.] in die Einkommensteuerfestsetzungen eingegangen seien. Dem [X.] wurde die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 143 Abs. 2 [X.]O übertragen.

2

Die Klage hatte auch im zweiten Rechtsgang keinen Erfolg. Das [X.] war nach den aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnissen davon überzeugt, dass die Feststellungsbescheide vom [X.] nicht ausgewertet worden seien. Die Kosten des gesamten Verfahrens wurden der Kostenschuldnerin auferlegt. Der angerufene Senat hat die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurückgewiesen.

3

Mit Kostenrechnung vom 16. Januar 2012 hat die Kostenstelle des [X.] ([X.]) die für das Revisionsverfahren zu entrichtenden Gerichtskosten mit … € angesetzt, wobei sie einen Streitwert von … € zugrunde gelegt hat. Hiergegen wendet sich die Kostenschuldnerin mit ihrer Erinnerung.

4

Zunächst macht sie geltend, bei der Berechnung des Streitwerts für die gewerblichen Einkünfte des Jahres 1974 habe der ermäßigte Steuersatz angewendet werden müssen. Zwar sei vom Betriebsstättenfinanzamt für den Veranlagungszeitraum 1974 kein ermäßigter Steuersatz festgestellt worden, dies sei aber für Zwecke der Bemessung des Streitwerts unerheblich. Obwohl es sich der Kenntnis der Kostenschuldnerin entziehe, ob es sich bei den Einsprüchen gegen den Feststellungsbescheid für 1974 auch um Rechtsbehelfe wegen der Nichtberücksichtigung des halben Steuersatzes gehandelt habe, liege es jedoch nahe, dass insbesondere Kommanditisten dagegen vorgegangen seien. Falls es aber entsprechende Einsprüche hiergegen gegeben habe, dann seien "womöglich gar seitens des Rechtsvorgängers der Kostenschuldnerin" Anträge auf teilweise Vollziehungsaussetzung gestellt worden, mit der Folge, dass die Steuer auf die festgestellten Einkünfte nur zum ermäßigten Satz zu erheben gewesen sei. Daher sei auch nur der Erstattungsanspruch in der verminderten Höhe Gegenstand der Klage und daher auch nur in der verminderten Höhe Teil des Gesamtstreitwerts geworden.

5

Zudem habe der Senat ermessensfehlerhaft im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil nicht gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, sondern habe das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, obwohl sich aus der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ergeben habe. Damit seien die zusätzlichen Gebühren entstanden.

6

Hilfsweise beantragt die Kostenschuldnerin den Erlass des Rechnungsbetrags aus Billigkeitsgründen.

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] hat keinen Erfolg.

8

1. Mit der Erinnerung nach § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den [X.] können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen den [X.] selbst richten (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), also gegen den Ansatz und die Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert ([X.] vom 1. September 2005 III E 1/05, [X.], 92).

9

Die an die Kostenschuldnerin gerichtete Kostenrechnung weist in dieser Hinsicht keinen sie belastenden Rechtsfehler auf.

Die Höhe des Streitwerts ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

a) Die Kostenstelle des [X.] hat im Rahmen der Berechnung des Streitwerts in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 1974 nicht den ermäßigten Steuersatz, sondern den regulären Steuersatz zugrunde gelegt, da --unstreitig-- im Feststellungsbescheid für das [X.] laufende Einkünfte und kein Veräußerungsgewinn festgestellt worden waren.

b) Substantiierte Einwendungen gegen diesen Ansatz hat die Kostenschuldnerin nicht vorgebracht. Ihr Vorbringen, es seien "womöglich gar seitens des Rechtsvorgängers der Kostenschuldnerin" wegen des nicht ermäßigten Steuersatzes Einsprüche gegen den Feststellungsbescheid eingelegt sowie Anträge auf teilweise Vollziehungsaussetzung gestellt worden, mit der Folge, dass die Steuer auf die festgestellten Einkünfte nur zum ermäßigten Satz zu erheben gewesen sei, ist lediglich eine Spekulation. Es handelt sich nur um Vermutungen, die zudem derart vage sind, dass sie bei der Ermittlung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigt werden mussten.

2. Soweit die Kostenschuldnerin sinngemäß geltend macht, es seien gemäß § 21 Abs. 1 GKG keine Kosten zu erheben, ist die Erinnerung ebenfalls unbegründet. Zwar kann nach Satz 1 dieser Vorschrift von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn diese bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Das setzt jedoch ein erkennbares Versehen oder offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften voraus ([X.]sbeschluss vom 19. Oktober 2009 [X.], [X.]/NV 2010, 225, m.w.N.).

a) Eine solche unrichtige Sachbehandlung sieht die Kostenschuldnerin in der Entscheidung des [X.]s, das finanzgerichtliche Urteil nicht gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O aufzuheben und an das [X.] zurückzuverweisen, sondern gemäß § 116 Abs. 7 [X.]O das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortzusetzen.

b) Da die Voraussetzungen des § 116 Abs. 6 [X.]O --im Gegensatz zur Auffassung der [X.] nicht gegeben waren, liegt eine fehlerhafte Sachbehandlung durch den [X.] jedoch nicht vor. Das Urteil des [X.] wurde nicht wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O aufgehoben. Der [X.] hat vielmehr in seinem als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid ausgeführt, die erstinstanzliche Klage habe nicht unter Hinweis auf die Feststellungslast abgewiesen werden dürfen. Die fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Feststellungs- und Beweislast bei der Beurteilung einer Norm des materiellen Rechts ist jedoch kein Verfahrensmangel sondern ein materiell-rechtlicher Fehler (vgl. [X.]sbeschluss vom 2. Dezember 2008 [X.], nicht veröffentlicht, juris; siehe auch [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 [X.]O Rz 106, m.w.N.).

3. Soweit die Kostenschuldnerin den Erlass der Gerichtskosten im Wege einer Billigkeitsentscheidung begehrt, ist für die Bescheidung dieses Antrags die Justizbeitreibungsstelle beim [X.] zuständig (siehe auch [X.] vom 13. März 2009 VII E 1/09, [X.]/NV 2009, 1276).

4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Meta

X E 1/12

17.04.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 21 Abs 1 GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 66 Abs 1 S 1 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.04.2012, Az. X E 1/12 (REWIS RS 2012, 7303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7303

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