Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.03.2011, Az. VIII R 28/08

8. Senat | REWIS RS 2011, 8186

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Gegenstand

Ansparrücklage nach Realteilung einer GbR - Rücklagenbildung durch Einreichung des Jahresabschlusses - Konkretisierung der geplanten Investition - Unmöglichwerden einer geplanten Investition durch Betriebsaufgabe - Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit


Leitsatz

Der Sonderbetriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG 2002 ist für das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers auch dann zuzulassen, wenn sich die beabsichtigte Investition erst künftig im Betriebsvermögen eines nach der Realteilung einer GbR fortgeführten Einzelunternehmens niederschlagen kann, sofern der Einzelunternehmer --hier ein Rechtsanwalt-- seine bisher im Rahmen der Mitunternehmerschaft erbrachte unternehmerische Tätigkeit unter Einsatz seines früheren Sonderbetriebsvermögens unverändert fortführt .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) für das Streitjahr 2003 wegen des beabsichtigten Kaufs eines PKW eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 und 6 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG) bilden durfte.

2

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er war seit 1999 zusammen mit einem anderen Rechtsanwalt in einer Sozietät (GbR) tätig, die zum 31. Juli 2004 real geteilt wurde. Zu diesem Stichtag ging der Mandantenstamm zu gleichen Teilen auf die beiden Gesellschafter über. Die außerdem übernommenen Wirtschaftsgüter (Mobiliar und [X.]achliteratur) führten der Kläger und sein ehemaliger Mitgesellschafter zum Buchwert fort. Der Kläger übte seine Rechtsanwaltstätigkeit in der [X.]olgezeit als Einzelunternehmer aus. In der gesonderten und einheitlichen [X.]eststellung des Gewinns der [X.] wurde nur ein laufender Gewinn festgestellt und den Gesellschaftern anteilig zugerechnet.

3

Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen [X.]eststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (2003) gab die GbR am 8. März 2005 ab. Der darin ausgewiesene Gewinnanteil des [X.] betrug [X.] €. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG war für den Kläger eine Ansparabschreibung von 20.000 € für die beabsichtigte Anschaffung eines PKW als Sonderbetriebsausgabe abgezogen worden.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]A--) ließ im [X.] an eine Außenprüfung diese Ansparabschreibung unberücksichtigt. Einspruch und Klage des [X.] gegen die gesonderte [X.]eststellung von Besteuerungsgrundlagen und gegen den Einkommensteuerbescheid für 2003 hatten keinen Erfolg.

5

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

6

Er beantragt,

das Urteil des [X.]inanzgerichts ([X.]G) [X.] vom 7. August 2007 10 K 2800/06 E,[X.] sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2006 aufzuheben und den [X.]eststellungsbescheid vom 11. Oktober 2005 dahin abzuändern, dass der darin dem Kläger zugerechnete Gewinn um 20.000 € auf 39.543 € herabgesetzt wird,

hilfsweise, das Urteil des [X.]G [X.] vom 7. August 2007  10 K 2800/06 E,[X.] sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2006 aufzuheben und den [X.] vom 18. November 2005 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von (nur) 39.543 € angesetzt werden.

7

Das [X.]A beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, der beantragte Abzug von [X.] komme im Streitfall nicht in Betracht, weil die [X.]örderung gemäß § 7g EStG betriebsbezogen sei und die Realteilung eine Betriebsaufgabe darstelle. Beim Einzelunternehmen des [X.] handele es sich um eine Betriebsneugründung, bei der nach dem Schreiben des Bundesministeriums der [X.]inanzen (BM[X.]) vom 25. [X.]ebruar 2004 IV A 6-S 2183b-1/04 (BStBl I 2004, 337, unter [X.]) wesentliche Betriebsgrundlagen verbindlich bestellt sein müssten.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

9

1. Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Rücklage darf dabei 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden [X.] anschaffen oder herstellen wird". Ermittelt der Steuerpflichtige --wie im [X.] den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind gemäß § 7g Abs. 6 EStG die Abs. 3 bis 5 mit Ausnahme von Abs. 3 Nr. 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre spätere Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist.

a) Die Rücklage wird mit dem Einreichen des Jahresabschlusses für das jeweilige Kalenderjahr beim zuständigen Finanzamt gebildet (vgl. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 23. Mai 2007 [X.]/06, [X.] 2007, 1862; vom 17. November 2004 [X.]/03, [X.] 2005, 848; vom 13. Mai 2004 IV R 11/02, [X.] 2004, 1400).

b) Die für die Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG erforderliche "voraussichtliche" Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts setzt eine hinreichende Konkretisierung der geplanten Investition voraus (vgl. [X.]-Urteile vom 12. Dezember 2001 [X.], [X.], 448, [X.], 385; vom 19. September 2002 [X.]/00, [X.], 343, [X.], 184; vom 15. September 2010 [X.], [X.] 2011, 235).

c) Um eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Förderung auszuschließen, ist im Fall einer Betriebseröffnung erst dann von einer hinreichenden Konkretisierung des [X.] auszugehen, wenn die Wirtschaftsgüter verbindlich bestellt worden sind ([X.]-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, [X.], 170, [X.], 182; [X.] vom 28. November 2003 [X.]/03, [X.] 2004, 632; [X.]-Urteile vom 11. Juli 2007 [X.], [X.], 323, [X.], 957; vom 29. April 2008 [X.], [X.], 136, [X.], 817; vom 15. September 2010 [X.], [X.] 2011, 33).

d) Eine Ansparabschreibung kann grundsätzlich nicht mehr gebildet werden, wenn der Betrieb bereits veräußert oder aufgegeben worden ist und auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abgabe der Steuererklärung für das Kalenderjahr, für das eine Ansparabschreibung geltend gemacht wird, einen entsprechenden Entschluss gefasst hatte. Die Rücklage kann nicht auf den Erwerber übertragen werden, da die [X.] nach § 7g Abs. 3 ff. EStG auf den (konkreten) Betrieb bezogen ist und die geplante Investition, deretwegen die [X.] gebildet wurde, infolge der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs nicht durchgeführt werden kann. Die [X.] kann folglich nicht zurückbehalten und auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden ([X.]-Urteile vom 10. November 2004 [X.], [X.], 190, [X.], 596; vom 20. Dezember 2006 [X.], [X.], 288, [X.], 862).

Diese Rechtsprechung betraf bisher Fälle einer endgültigen Betriebsaufgabe ([X.]-Urteile in [X.], 343, [X.], 184; in [X.] 2004, 1400; in [X.], 288, [X.], 862; vom 20. Dezember 2006 [X.]/04, [X.] 2007, 883) oder aber den Rechtsträgerwechsel in Folge von [X.] ([X.]-Urteile vom 19. Mai 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 2072; in [X.], 190, [X.], 596).

e) Eine Ansparabschreibung kann allerdings auch dann zulässig sein, wenn zwischen verschiedenen dem Steuerpflichtigen zuzurechnenden Betriebsvermögen kraft Gesetzes eine rechtliche und wirtschaftliche Kontinuität besteht, etwa wenn ein Steuerberater seinen Mandantenstamm nahezu vollständig veräußert, sich aber einzelne von ihm auch künftig betreute Mandate [X.]; dann ist die Bildung einer [X.] im Jahr vor der beabsichtigten Veräußerung zulässig, sofern die Investition noch vor der Betriebsveräußerung durchgeführt wird oder nach der Betriebsveräußerung in einem sog. "Restbetrieb" getätigt werden soll ([X.]-Urteil vom 1. August 2007 [X.], [X.], 509, [X.], 106).

2. Nach den vorstehenden Maßstäben kann der Kläger gemäß § 7g Abs. 6 EStG für das Streitjahr (2003) eine Sonderbetriebsausgabe im beantragten Umfang abziehen.

a) Auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen war die künftige Anschaffung eines PKW hinreichend konkretisiert. In der vom [X.] in Bezug genommenen und daher für das Revisionsgericht verwertbaren Anlage zur Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Streitjahr ist die beabsichtigte Anschaffung wie folgt dokumentiert: "1 Pkw Anschaffung in 2004 oder 2005 für Anschaffungskosten von ca. Euro 50.000, Sonderposten in Höhe von 40 % = 20.000". Das reicht zur Konkretisierung der voraussichtlichen Anschaffung i.S. des § 7g Abs. 3 EStG aus.

b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die GbR bereits am 31. Juli 2004 durch Realteilung beendet worden war, ihre Steuererklärung für das Streitjahr (2003) mit dem darin geltend gemachten Sonderbetriebausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG aber erst am 8. März 2005 eingereicht worden ist.

aa) Die Realteilung einer Personengesellschaft ist zwar eine Betriebsaufgabe ([X.]-Urteil vom 10. Dezember 1991 [X.], [X.]E 166, 476, [X.] 1992, 385; [X.], Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 22 IX, S. 853 f.; [X.]/Wacker, EStG, 30. Aufl., § 16 Rz 535) und da die [X.] betriebs- und investitionsgutbezogen ist, kann sie im Falle einer Betriebsaufgabe infolge des Unmöglichwerdens der zuvor geplanten Investition grundsätzlich nicht mehr gebildet werden oder ist, wenn sie bereits gebildet worden war, aufzulösen (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 288, [X.], 862; in [X.], 190, [X.], 596; in [X.] 2004, 1400).

bb) Jedoch ordnet das Gesetz in § 16 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG für den Sonderfall der Realteilung gerade nicht die Aufdeckung der stillen Reserven an, welche die generelle Rechtsfolge einer Betriebsaufgabe bildet. Vielmehr zwingt die Vorschrift trotz Betriebsaufgabe zur Fortführung der Buchwerte, weil das unternehmerische Engagement fortgeführt wird (vgl. BT-Drucks 14/6882, [X.]; [X.]/Wacker, a.a.[X.], § 16 Rz 532).

Diese durch den Gesetzgeber fortentwickelte Rechtslage erfordert es, vor dem Hintergrund des Förderungszwecks des § 7g EStG für das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers eine [X.] oder, bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, den Sonderbetriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG auch dann zuzulassen, wenn die beabsichtigte Investition sich erst künftig im Betriebsvermögen eines nach einer Realteilung fortgeführten Einzelunternehmens niederschlagen kann, sofern der Einzelunternehmer --wie hier der Kläger als [X.] seine bisher im Rahmen der Mitunternehmerschaft erbrachte unternehmerische Tätigkeit unter Einsatz seines früheren Sonderbetriebsvermögens unverändert fortführt (a.[X.], [X.] 1994, 293, 298). Dann besteht eine vergleichbare wirtschaftliche Kontinuität wie im Fall eines nach einer Praxisveräußerung fortgeführten Restbetriebs (vgl. dazu [X.]-Urteil in [X.], 509, [X.], 106; zum Investitionsabzugsbetrag vgl. auch Schreiben des [X.] vom 8. Mai 2009 IV C 6-S 2139-b/07/10002, 2009/0294464, [X.], 633, unter I.5.e).

c) Dementsprechend ist der Sonderbetriebsausgabenabzug gemäß § 7g Abs. 6 EStG im Streitfall auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil im Fall einer Betriebseröffnung oder wesentlichen Betriebserweiterung eine [X.] grundsätzlich nur dann gebildet werden darf, wenn die anzuschaffenden Wirtschaftsgüter verbindlich bestellt sind ([X.]-Urteile in [X.], 170, [X.], 182; in [X.], 323, [X.], 957; in [X.], 136, [X.], 817; in [X.] 2011, 33).

Grundlage der nach der Realteilung als Einzelunternehmen fortgeführten Rechtsanwaltspraxis des Klägers waren der zur Hälfte aus der früheren GbR übernommene Mandantenstamm und die zu Buchwerten übernommenen Teile der Fachliteratur und des Mobiliars. Mithin handelte es sich, gemessen am Subventionszweck des § 7g EStG und vor dem Hintergrund der zwangsweisen Buchwertverknüpfung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht um einen "neuen" Betrieb des Klägers, sondern um die Fortführung des bisherigen unternehmerischen Engagements.

3. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Betriebsausgabenabzug gemäß § 7g Abs. 3 und 6 EStG ist in Höhe von 20.000 € antragsgemäß vorzunehmen. Die Einspruchsentscheidung und der geänderte Feststellungsbescheid vom 11. Oktober 2005 sind aufzuheben. Damit wird der durch diesen Änderungsbescheid suspendierte ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 11. April 2005 erneut wirksam, in dem der Betriebsausgabenabzug in Höhe von 20.000 € bereits berücksichtigt und der Gewinnanteil des Klägers wie ursprünglich erklärt und im Revisionsverfahren beantragt in Höhe von 39.543 € festgestellt worden war.

Meta

VIII R 28/08

29.03.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 7. August 2007, Az: 10 K 2800/06 E,F, Urteil

§ 7g EStG 2002, § 4 Abs 3 EStG 2002, § 16 Abs 3 S 2 EStG 2002, § 18 Abs 3 S 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.03.2011, Az. VIII R 28/08 (REWIS RS 2011, 8186)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8186

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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