Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2021, Az. 10 AZR 236/19

10. Senat | REWIS RS 2021, 8438

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. März 2019 - 7 [X.] - wird mit nachstehender Maßgabe zurückgewiesen.

2. Das Urteil des [X.] vom 6. März 2019 - 7 [X.] - wird teilweise neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den 16. April 2017 116,94 [X.] sowie weitere 116,94 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2017 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den 4. Juni 2017 119,77 [X.] sowie weitere 119,77 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Juli 2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe von Zuschlägen für Arbeit am [X.] und [X.].

2

Der Kläger ist bei der [X.] beschäftigt, die ein Unternehmen der Backwarenindustrie betreibt. Für das Arbeitsverhältnis gilt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der zwischen dem [X.] und der [X.] [X.] geschlossene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und [X.] der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1989 idF vom 5. Mai 2000 ([X.]). § 4 [X.] regelt für Sonderformen der Arbeit:

        

„Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

        

a) Begriffsbestimmung

        

1.    

Mehrarbeit ist jede über die regelmäßige - sich aus der tarifvertraglichen Arbeitszeit ergebende - tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit.

                 

Muss von dieser Regelung in unvorhergesehenen Fällen abgewichen werden, ist ein Arbeitszeitausgleich innerhalb der nächsten 6 Werktage bis zu 9 Stunden täglich zuschlagfrei möglich.

        

2.    

Für das Fahrpersonal/Arbeitnehmer im Außendienst ist die über die wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit bis zu 5 Wochenstunden mehrarbeitszuschlagfrei und danach mehrarbeitszuschlagpflichtig gemäß § 4 b) Ziffer 1 a). Wird Provision gezahlt, so wird damit Mehrarbeit abgegolten, wenn die Provision ihrer Höhe nach mindestens der tariflichen Mehrarbeitsvergütung entspricht. Die Abgeltung gilt jeweils für die laufende Entgeltzahlungsperiode.

                 

Für Fahrer im Werkverkehr, die im [X.]lohn beschäftigt werden, gilt diese Regelung nicht.

        

3.    

Nachtarbeit ist die in der [X.] von 21.00 bis 4.00 Uhr geleistete Arbeit.

        

4.    

Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der [X.] von 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit.

        

…       

        
        

b) Zuschläge

        

1.    

Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

                 

a)    

für angeordnete Mehrarbeit

25 %   

1¼faches Entgelt je Stunde

                 

b)    

Nachtarbeit

50 %   

1½faches Entgelt je Stunde

                 

c)    

Arbeit an Sonntagen unter 3 Stunden

75 %   

1¾faches Entgelt je Stunde

                          

bei mehr als 3 Stunden für alle Stunden

50 %   

1½faches Entgelt je Stunde

                 

d)    

Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen

150 % 

2½faches Entgelt je Stunde

                 

e)    

Arbeit an hohen Feiertagen (Neujahr, [X.], 1. Mai, [X.] und [X.])

200 % 

[X.] Entgelt je Stunde

        

2.    

Die Zuschläge werden von dem tatsächlichen Stundenverdienst berechnet.

        

…“    

        

3

Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] in [X.] getretene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und [X.] der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes Nordrhein-Westfalen vom 2. Januar 2020 enthält in § 4 wortgleiche Regelungen.

4

Bis einschließlich 2016 zahlte die [X.] an ihre Arbeitnehmer für Arbeit am [X.] und [X.] einen Zuschlag in Höhe von 200 %. Am 16. April 2017 ([X.]) sowie am 4. Juni 2017 ([X.]) arbeitete der Kläger jeweils 7,67 Stunden. Die [X.] zahlte dafür einen Zuschlag von 50 %.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für Arbeit am [X.] und [X.] nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e [X.] Anspruch auf Feiertagszuschläge in Höhe von jeweils 200 % der Grundvergütung. Es handle sich dabei um sog. hohe Feiertage iSd. Tarifvertrags.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die [X.] zu verurteilen, an ihn für den 16. April 2017 116,94 Euro netto sowie weitere 116,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2017 zu zahlen;

        

2.    

die [X.] zu verurteilen, an ihn für den 4. Juni 2017 119,77 Euro netto sowie weitere 119,77 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2017 zu zahlen.

7

Die [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, für Arbeit am [X.] und [X.] schulde sie lediglich einen Sonntagszuschlag, jedoch keinen Feiertagszuschlag. Es handle sich nicht um gesetzliche Feiertage. Sie habe bis einschließlich 2016 irrtümlich höhere Zuschläge gezahlt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision will die [X.] das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt wissen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des [X.] zu Recht abgeändert und der Klage stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Feiertagszuschläge für am [X.] und [X.] geleistete Arbeit.

I. Die Klage ist zulässig. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger teilweise [X.]en begehrt. Eine Nettoentgeltklage ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ([X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 9; 21. Januar 2020 - 3 [X.]/19 - Rn. 19; 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 105, 181).

II. Die Klage ist begründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Kläger Anspruch auf Feiertagszuschläge nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] für am [X.] und [X.] geleistete Arbeit hat. Das ergibt die Auslegung des [X.].

1. [X.] und [X.] sind hohe Feiertage iSv. § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.]. Dem steht nicht entgegen, dass es sich nicht um gesetzliche Feiertage handelt. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, bestimmt sich nach dem Recht des [X.], in dem der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses liegt ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 18, [X.]E 133, 337). In [X.] sind nach § 2 Abs. 1 Feiertagsgesetz NW weder der [X.] noch der [X.] gesetzliche Feiertage. [X.] Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. Abweichende Regelungen müssen deutlich erkennbar sein ([X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 12; 13. April 2005 - 5 [X.] - zu I 2 b der Gründe).

2. Aus den Regelungen des [X.] geht deutlich hervor, dass der gegenüber dem Sonntagszuschlag erheblich höhere Feiertagszuschlag auch für Arbeit am [X.] und [X.] zu zahlen ist, obwohl es sich nicht um gesetzliche Feiertage handelt.

a) Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung eines Tarifvertrags vorrangig auszugehen ist (vgl. etwa [X.] 25. Oktober 2017 - 7 [X.] 712/15 - Rn. 17; 24. Februar 2016 - 7 [X.] 253/14 - Rn. 51). Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen ([X.] 19. September 2018 - 10 [X.] 496/17 - Rn. 28; 26. April 2017 - 10 [X.] 589/15 - Rn. 15 mwN).

aa) Nach dem Wortlaut von § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] ist ein Feiertagszuschlag in Höhe von 200 % für Arbeit an sog. hohen Feiertagen zu zahlen. Der Begriff der hohen Feiertage ist mit dem Klammerzusatz „[X.], [X.], 1. Mai, [X.] und [X.]“ versehen. [X.] zu einem bestimmten Begriff haben im Allgemeinen den Sinn, diesen Begriff zu erläutern. Das kann dazu führen, dass der durch den Klammerzusatz erläuterte Begriff einen anderen Sinn erhält, als ihm nach seinem Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne den Klammerzusatz zuzuerkennen wäre. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag kommt einem Klammerzusatz für die Bestimmung eines vorangestellten Begriffs entscheidende Bedeutung zu ([X.] 2. November 2016 - 10 [X.] 615/15 - Rn. 25 mwN). Für die Frage, ob der [X.] und der [X.] zu den hohen Feiertagen im Tarifsinn gehören, ist daher von hervorgehobener Bedeutung, ob diese Tage zu [X.] und [X.] gehören.

(1) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der jeweilige Sonntag der zentrale Tag an [X.] und [X.]. Es liegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch fern, dass unter [X.] und [X.] zwar der jeweilige Montag, nicht dagegen der Sonntag zu verstehen sein soll. Für ein solches Verständnis hätte es nahegelegen, den [X.] und den [X.] ausdrücklich zu benennen.

(2) Die Tarifvertragsparteien haben die Begriffe [X.] und [X.] in § 3 Nr. 4 [X.] ebenfalls in dem Sinn verwendet, dass der jeweilige Sonntag erfasst ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriffen [X.] und [X.] in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] dieselbe Bedeutung beimessen wollten. Nach § 3 Nr. 4 [X.] soll die Arbeit an Tagen vor [X.], [X.], [X.] und [X.] möglichst um 12:00 Uhr enden. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich nur, wenn damit ein früheres Ende der Arbeit am Samstag vor dem [X.] oder dem [X.] gemeint ist. Samstage sind nach § 3 Nr. 1 Buchst. b [X.] regelmäßig Arbeitstage. Dagegen soll an Sonntagen nach dem tarifvertraglichen [X.] ohnehin grundsätzlich nicht gearbeitet werden, sodass ein früheres Ende der Arbeit an diesen Tagen allenfalls einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben könnte.

bb) Der Begriff der hohen Feiertage in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] ist ohne Rückgriff auf den Klammerzusatz zwar nicht eindeutig, legt nach seinem Wortsinn jedoch ebenfalls nahe, dass darunter auch der [X.] und der [X.] zu verstehen sind. Unter dem Begriff der hohen Feiertage werden in Fachkreisen im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit nach §§ 9 ff. [X.] verbreitet [X.], [X.] und [X.] verstanden. Teilweise werden auch der [X.]stag und der 1. Mai zu den hohen Feiertagen gerechnet. Der Begriff der hohen Feiertage wird in Fachkreisen in Bezug auf die Sonn- und Feiertagsruhe verbreitet dahin verstanden, dass [X.] und [X.] einschließlich des jeweiligen Sonntags erfasst sein sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der hohen Feiertage auch hinsichtlich der Zuschlagsregelung in diesem Sinn verwendet haben (vgl. [X.] 26. April 2017 - 10 [X.] 589/15 - Rn. 15).

(1) § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung vom 5. Mai 1998 in den Fassungen vom 21. Oktober 2014 und 29. Oktober 2019 für [X.] lautet: „An den Feiertagen [X.], [X.], 1. Mai, [X.] und [X.] (hohe Feiertage) ist im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten auf die besondere Bedeutung dieser Tage für die Beschäftigten Rücksicht zu nehmen.“

(2) Das [X.] verweist zutreffend auf den Erlass des [X.], Integration und Soziales des [X.] [X.] vom 30. Dezember 2013 III 2 - 8312 zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes. Dort wird in der Nr. 5 zu § 13 Abs. 4 und 5 [X.] der Ausdruck der hohen Feiertage verwendet. Nach dem dortigen Klammerzusatz gehören zu den hohen Feiertagen unter anderem die „Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertage“.

(3) Das Oberverwaltungsgericht für das Land [X.] hat in Bezug auf Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 9 [X.] den Begriff der hohen Feiertage mit einem entsprechenden Klammerzusatz versehen (OVG für das [X.] 10. April 2000 - 4 A 756/97 - im Tatbestand).

(4) Der Ausdruck der hohen Feiertage wird auch in der einschlägigen Kommentarliteratur teilweise für [X.], [X.] und [X.] verwendet ([X.]/[X.] 21. Aufl. [X.] § 13 Rn. 16; [X.]/[X.]/Winzer [X.] 4. Aufl. § 13 Rn. 90).

b) Eine Auslegung der tarifvertraglichen Regelung des § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] nach Sinn und Zweck spricht ebenfalls dafür, dass für Arbeit am [X.] und [X.] ein Feiertagszuschlag in Höhe von 200 % zu zahlen ist. Zu Recht hat das [X.] den erkennbaren Sinn und Zweck der tariflichen Regelung über Zuschläge an sog. hohen Feiertagen darin gesehen, dass die betroffenen Arbeitnehmer eine finanzielle Kompensation der mit der Arbeit an Feiertagen verbundenen Nachteile und Erschwernisse erhalten sollen (vgl. [X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.]E 133, 337). Die besondere Belastung besteht darin, dass sie an Tagen zur Arbeitsleistung herangezogen werden, die von vielen Arbeitnehmern als besonders wichtig für die Freizeitgestaltung angesehen werden. Die Beeinträchtigung der privaten Belange ist am [X.] und [X.] nicht geringer, sondern eher höher als am [X.] und [X.]. Die Tarifvertragsparteien wären im Rahmen ihrer Tarifautonomie zwar frei, für Arbeit am [X.] und [X.] einen höheren Zuschlag zu vereinbaren als für Arbeit am [X.] und [X.]. Sofern der Wortlaut ein solches Ergebnis vorgäbe, rechtfertigte der Sinn und Zweck keine den Wortlaut übersteigende Auslegung ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - aaO). Für den hier auszulegenden Tarifvertrag bestätigt die Interpretation nach Sinn und Zweck jedoch das Ergebnis der Wortlautauslegung.

c) Der tarifliche Gesamtzusammenhang steht dem nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] enthalte eine abschließende Begriffsbestimmung dahin, dass ausschließlich Arbeit an gesetzlichen Feiertagen zuschlagpflichtig iSd. § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] sei. Das hat das [X.] zutreffend erkannt.

aa) Die Überschriften in § 4 Abschn. a [X.] („Begriffsbestimmung“) und in § 4 Abschn. b [X.] („Zuschläge“) legen zunächst das Verständnis nahe, dass in § 4 Abschn. a [X.] bestimmte Begriffe verbindlich definiert werden, die in § 4 Abschn. b [X.] zugrunde gelegt werden, um darauf aufbauend die Höhe der Zuschläge festzulegen.

bb) Eine solche durch die Überschriften zu § 4 Abschn. a und b [X.] angedeutete Systematik wird in den tarifvertraglichen Regelungen jedoch nicht umgesetzt. Vielmehr finden sich in § 4 Abschn. a [X.] neben Begriffsbestimmungen auch Rechtsfolgen begründende Regelungen. So enthält § 4 Abschn. a Nr. 1 Satz 1 [X.] zwar eine Definition der Mehrarbeit. In § 4 Abschn. a Nr. 1 Satz 2 [X.] folgt dann jedoch eine Regelung, unter welcher Voraussetzung ein Arbeitszeitausgleich möglich ist. § 4 Abschn. a Nr. 2 [X.] enthält keine Begriffsbestimmungen, sondern ausschließlich inhaltliche Regelungen zu der Frage, inwieweit Arbeit für Fahrpersonal mehrarbeitszuschlagpflichtig ist.

cc) Umgekehrt finden sich in § 4 Abschn. b [X.] eigenständige Definitionen, die sich von den Begriffsbestimmungen in § 4 Abschn. a [X.] absetzen. So wird unter § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] nicht lediglich der Begriff des Feiertags aus § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] aufgegriffen, sondern es wird der neue Begriff des hohen Feiertags eingeführt und mit einem Klammerzusatz näher bestimmt. Damit enthält § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] eine eigene Begriffsbestimmung des hohen Feiertags, die sich von der Definition des Feiertags in § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] unterscheidet. Den Umstand, dass § 4 Abschn. b [X.] nicht lediglich auf den Begriffsbestimmungen in § 4 Abschn. a [X.] aufbaut, verdeutlicht auch die Regelung in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. d [X.]. Danach ist für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen ein Zuschlag von 150 % zu zahlen. Der dort neu eingeführte Begriff des Wochenfeiertags ist in § 4 Abschn. a [X.] nicht definiert. Gegen die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien in § 4 Abschn. b [X.] streng den Begriff des Feiertags aus § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] zugrunde legen, spricht im Übrigen, dass es in diesem Fall nicht der Konkretisierung in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. d [X.] bedurft hätte, wonach es sich um einen „gesetzlichen“ Feiertag handeln muss.

dd) Die Beklagte kann sich entgegen der von ihr in der mündlichen Revisionsverhandlung vertretenen Auffassung nicht mit Erfolg darauf berufen, § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] verliere jeglichen Anwendungsbereich, wenn für Arbeit an Tagen, die keine gesetzlichen Feiertage seien, dennoch ein Feiertagszuschlag zu zahlen sei. Unabhängig von der Frage, für welche Tage ein Feiertagszuschlag zu zahlen ist, regelt § 4 Abschn. a Nr. 4 [X.] jedenfalls auch, dass Sonn- und Feiertagsarbeit die an diesen Tagen in der [X.] von 00:00 bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit ist. Damit schließt er die Möglichkeit aus, dass der Beginn und das Ende der Sonn- und Feiertagsruhe im Schichtbetrieb nach § 9 Abs. 2 [X.] um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden können.

3. Die anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck sowie tarifvertraglichem Gesamtzusammenhang gefundene Auslegung des § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. [X.] setzt sich nicht in Widerspruch zu früheren Urteilen des [X.] zu tarifvertraglichen Zuschlägen für Arbeit am [X.] und [X.] (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] -; 17. März 2010 - 5 [X.] - [X.]E 133, 337; 13. April 2005 - 5 [X.] -). In diesen Entscheidungen ist das [X.] zu der Auffassung gelangt, dass nach den jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen ein hoher Feiertagszuschlag für Arbeit an [X.]en oder [X.]en nicht verlangt werden kann. Entscheidend war, dass die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit in tarifvertraglichen Regelungen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort anknüpft. Anders als im hier auszulegenden [X.] fehlten in den dort maßgeblichen Tarifverträgen deutliche Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung.

4. Das Urteil des [X.]s ist dahin klarzustellen, dass die Feiertagszuschläge nicht teilweise mit dem Zusatz „netto“ zuzusprechen sind.

a) Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Feiertagszuschläge für den 16. April 2017 in Höhe von 116,94 Euro netto sowie 116,94 Euro brutto und für den 4. Juni 2017 in Höhe von 119,77 Euro netto sowie 119,77 Euro brutto zu zahlen. Die Gerichte für Arbeitssachen können jedoch nicht mit Bindung für die Steuerbehörden und Finanzgerichte sowie die Krankenkassen festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht. Deshalb ist in eine Entscheidungsformel das Wort „netto“ nur dann aufzunehmen, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen gehalten ist, alle etwaigen Abgaben zu tragen, die auf eine von ihm geschuldete Geldleistung zu entrichten sind ([X.] 15. November 2005 - 9 [X.] 626/04 - Rn. 45; 26. Mai 1998 - 3 [X.] 96/97 - zu II der Gründe).

aa) Es ist anerkannt, dass eine Nettoklage erhoben werden kann, wenn die Parteien eine Nettoentgeltvereinbarung getroffen haben (vgl. [X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 10; [X.]/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 749). Eine Nettoentgeltvereinbarung ist eine Abrede des Inhalts, dass der Arbeitgeber im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer alle auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung trägt. Nettoentgeltvereinbarungen sind die Ausnahme und müssen deshalb einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen. Der Arbeitnehmer ist im Hinblick auf die Nettoentgeltvereinbarung darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig ([X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 11).

bb) Ohne Nettoentgeltvereinbarung hat das [X.] die Verurteilung zu einer [X.] teilweise auch dann für möglich gehalten, wenn sichergestellt ist, dass die begehrten Zuschläge steuer- und sozialversicherungsfrei nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung ([X.]) sind (vgl. [X.] 4. August 2016 - 6 [X.] 129/15 - Rn. 41). Eine auf eine Entgeltnachzahlung gerichtete Nettoklage ist auch dann als schlüssig angesehen worden, wenn die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen [X.] iSv. § 39e EStG ([X.]) dargelegt worden waren (vgl. [X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 22; 26. Februar 2003 - 5 [X.] - zu III der Gründe, [X.]E 105, 181).

cc) In diesem Rechtsstreit ist eine Verurteilung zu einer [X.] nach den Grundsätzen der zitierten Urteile des [X.] nicht möglich. In der gegebenen Fallgestaltung müsste eine offene steuerrechtliche Fragestellung geklärt werden.

(1) Nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Zuschläge für tatsächlich geleistete Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag steuerfrei, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie 125 % des Grundlohns nicht übersteigen. Nicht abschließend geklärt ist, ob der [X.] und der [X.] „gesetzliche“ Feiertage iSv. § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind. Nach § 3b Abs. 2 Satz 4 EStG werden die gesetzlichen Feiertage durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt. Die Steuerverwaltung behandelt den [X.] und den [X.] als Feiertage im steuerrechtlichen Sinn, obwohl sie nach den Feiertagsgesetzen der Länder nicht zu den Feiertagen gehören. In der Literatur wird die Handhabung der Steuerverwaltung teilweise befürwortet oder jedenfalls für vertretbar gehalten ([X.]/[X.]/[X.] EStG Stand August 2019 § 3b Rn. 30; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] EStG/[X.] Stand November 2018 EStG § 3b Rn. 37 ). Die Finanzgerichtsbarkeit hat diese Frage bisher nicht ausdrücklich geklärt.

(2) Von derselben offenen steuerrechtlichen Frage hängt ab, ob auf Zuschläge für Arbeit am [X.] und [X.] Sozialversicherungsabgaben zu entrichten sind. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] werden dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt iSv. § 14 SGB IV laufende Zulagen und Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen nicht zugerechnet, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25,00 Euro für jede Stunde beträgt.

b) Die Klage ist nicht unbegründet, soweit der Kläger eine Verurteilung zu einer [X.] beantragt hat. Vielmehr kann der Zahlungsanspruch ohne den Zusatz „netto“ zugesprochen werden. Das Urteil des [X.]s ist entsprechend klarzustellen (vgl. [X.] 15. November 2005 - 9 [X.] 626/04 - Rn. 45; 26. Mai 1998 - 3 [X.] 96/97 - zu II der Gründe).

aa) Dem steht nicht die Entscheidung des [X.] entgegen, dass die von ihm entschiedene Nettoklage unbegründet war und die begehrte Differenzvergütung auch nicht als Bruttovergütung zugesprochen werden konnte. Dort hatte sich die Klägerin auf eine Nettoentgeltvereinbarung berufen. Die Bruttoentgeltabrede und die Nettoentgeltvereinbarung betreffen verschiedene Klagegründe und demnach unterschiedliche Streitgegenstände ([X.] 23. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 23).

bb) Der Kläger dieses Rechtsstreits beruft sich dagegen nicht auf eine Nettoentgeltvereinbarung, die einen anderen Streitgegenstand darstellte als eine Bruttoentgeltvereinbarung. Er geht ersichtlich davon aus, dass er aufgrund der geltenden Rechtslage einen Teil des Zuschlags steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei verlangen kann. Der auf Zahlung gerichtete Klageantrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger keine Klärung der Frage erstrebt, ob und in welcher Höhe die Feiertagszuschläge abgabenfrei verlangt werden können. Dafür spricht, dass im Verlauf des Rechtsstreits nicht weiter thematisiert worden ist, ob die Feiertagszuschläge ohne Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu zahlen sind.

5. Der Anspruch auf Verzugszins ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 BGB und § 6 Nr. 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Zinsen auf den Zuschlag für den 4. Juni 2017 kann der Kläger ab dem 18. Juli 2017 verlangen, weil der Anspruch erst am Montag, 17. Juli 2017, fällig wurde. Nach § 6 Nr. 10 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat die Entgeltzahlung bis zum 15. des nächsten Kalendermonats zu erfolgen. Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag entfällt, verschiebt sich der [X.]punkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag ([X.] 9. Dezember 2020 - 10 [X.] 335/20 - Rn. 97 mwN).

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner    

        

    Pessinger    

        

    Pulz    

        

        

        

    Petri    

        

    Meyer    

                 

Meta

10 AZR 236/19

24.02.2021

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Duisburg, 22. August 2018, Az: 4 Ca 977/18, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2021, Az. 10 AZR 236/19 (REWIS RS 2021, 8438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8438

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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