Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. 4 StR 219/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8064

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 219/15

vom
16. Juli 2015
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am
16. Juli 2015 gemäß §
349 Abs.
2 StPO
beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3.
Dezember 2014 wird ver-worfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] eines Kindes in sechs Fällen, sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 50 Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit Sich-Verschaffen kinderpor-nografischer Schriften, versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes und [X.] kinderpornografischer Schriften in drei Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

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Das Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 22. Mai 2015 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
Anlass zur Erörterung gibt lediglich das Folgende:

1. Im Fall II.47 der Urteilsgründe hat das [X.] rechtsfehlerfrei eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB angenommen.

a) Das [X.] hat insoweit im Wesentlichen die folgenden Feststel-lungen getroffen:

[X.] oder 2013 lernte der Angeklagte in den [X.]ferien über seinen [X.] auf einem Campingplatz in H.

den im Jahr 2001 geborenen

S.

e-Auf den Zettel schrieb der Angeklagte ferner das Angebot, im Falle einer bestimmten Dauer der Massage fünf Euro zu zahlen. Der Angeklagte rief sodann den sexuell uner-fahrenen Jungen zu sich ins Auto und reichte ihm den dort deponierten Zettel. Der Junge las
sich das Angebot
durch. Der Angeklagte hoffte, den Jungen, mit dem
er zuvor noch nie gesprochen hatte, durch das Angebot zeitnah zu einer gegenseitigen Masturbation zu veranlassen. Dieser lehnte das Angebot jedoch ab.

b) Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Ange-klagte nach
dem festgestellten Sachverhalt auf ein Kind durch Schriften [X.] hat, um es zu sexuellen Handlungen zu bewegen (§ 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB in der zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden 2
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Fassung), indem er dem Zeugen S.

den Zettel mit der Aufforderung zum gegenseitigen Masturbieren gegen Entgelt zu lesen gab
(vgl. zum damit gege-benen Einwirken [X.], Beschluss vom 22. Januar 2015

3 [X.], [X.], 139 f.).

Obwohl der Gesetzgeber sich aufgrund der von sog. Chatrooms im In-ternet ausgehenden Gefahren zur Schaffung dieses Straftatbestandes [X.] gesehen hat (BT-Drucks. 15/350, S. 18), stellt es
schon nach dem aus-drücklichen Wortlaut
der Vorschrift keine Tatbestandsvoraussetzung dar, dass der Täter abwesend ist und aus der Distanz
auf ein Kind einwirkt. Der Wille des
Gesetzgebers, mit diesem Straftatbestand
nicht ausschließlich die regelmäßig aus der Distanz begangenen Fälle des Einwirkens über das [X.] zu erfas-sen, ergibt sich daraus, dass in den [X.] auch der An-wendungsfall eines Einwirkens durch Bücher genannt wird (BT-Drucks. 15/350, S. 18). Der Senat sieht daher
keine Veranlassung, im Wege der teleologischen Reduktion Sachverhalte, in denen ein körperlich anwesender Täter durch Schriften
mit
sexuellem Inhalt
auf ein Kind einwirkt, um es zu sexuellen Hand-lungen zu bewegen, aus dem Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB auszu-schließen. Insbesondere mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift ist eine solche Auslegung auch
nicht deshalb veranlasst, weil ein bloßes Einreden eines [X.] auf ein Kind ohne Zuhilfenahme einer Schrift nicht unter diesen Tatbestand fällt
(kritisch insoweit [X.], StGB, 62. Aufl., § 176 Rn. 14).

Nichts anderes gilt für die
am 27. Januar 2015 in [X.] getretenen Neu-fassung der Vorschrift, nach welcher sich u.a. strafbar macht, wer auf ein Kind mittels Schriften oder mittels Informations-
oder Kommunikationstechnologie einwirkt, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen.
Die durch die nach Urteilsverkündung in [X.] getretene
Gesetzesänderung veranlasste Prüfung 7
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gem. § 2 Abs. 3 StGB (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 1953

1 StR 362/53, [X.]St 5, 208) führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal die
Neufas-sung der Vorschrift
neben der Einwirkung durch Informations-
oder Kommunika-tionstechnologie ausdrücklich
auch weiterhin die Einwirkung durch Schriften im Tatbestand aufführt und sich der Strafrahmen nicht geändert hat.

2. Auch soweit das [X.] im
Fall II.60 eine Strafbarkeit des Ange-klagten wegen [X.] kinderpornografischer Schriften gem. § 184b
Abs. 4 Satz
1
StGB angenommen
hat, weist das Urteil
keinen
Rechtsfehler auf.

a) Das [X.] hat insoweit im Wesentlichen die folgenden Feststel-lungen getroffen:

Im Frühsommer oder [X.] des Jahres 2013 fuhr der Angeklagte mit seinem [X.] und dessen im Jahr 2004 geborenen [X.]

Z.

in ein Schwimmbad. Dort hielt er sich mit den Jungen u.a. im Saunabereich auf, wo er

Z.

mit seinem Handy in Badebe-kleidung fotografierte, ohne dass es dieser bemerkte. Nach dem Schwimmbad-besuch nahm er

Z.

zu sich nach [X.]. Er bot dem [X.] fünf Euro an, falls dieser sich von ihm

dem Angeklagten

unbekleidet fotografieren lasse. Dies wollte

Z.

jedoch nicht. Der An-geklagte erklärte daraufhin, einer seiner Freunde habe sich schon von ihm foto-grafieren lassen.

Z.

weigerte sich jedoch weiterhin, auch
als der Angeklagte sein Angebot auf zehn Euro erhöhte. Weil der Junge trotz einer energischen Ansprache in gehobener Lautstärke beharrlich widerstand, ließ der Angeklagte von dem Kind schließlich ab.

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b) Zutreffend hat das [X.] die intensiven Bemühungen, den [X.] dazu zu überreden, sich nackt ablichten zu lassen, als vollendetes Delikt nach § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB ausgeurteilt.

§ 184b Abs. 4 Satz
1 StGB ist als [X.] ausgestaltet. Es setzt das Unternehmen voraus, sich
den Besitz an einer kinderpornografischen Schrift zu verschaffen, beispielsweise durch eigenhändiges Anfertigen entspre-chender Fotoaufnahmen ([X.], Beschluss vom 17. Dezember 1997

3 StR 567/97, [X.]St 43, 366 ff.; [X.]/[X.]/[X.], StGB, 29. Aufl.,
§
184b Rn. 14). Hierfür genügt gemäß
§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB der Versuch des [X.] (MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., §
184b Rn. 36), hier also der Versuch, ein pornografisches Nacktbild des Kindes
anzufertigen.

Für die Abgrenzung zu
bloßen Vorbereitungshandlungen gelten die [X.] Regeln (allg. Ansicht, vgl. [X.], StGB, 12. Aufl., § 11 Rn.
83;
MüKoStGB/[X.], StGB, 2. Aufl., §
11 Rn. 112;
Schön-ke/[X.]/[X.]/Eser, StGB, 29. Aufl., §
11 Rn. 43; einschränkend [X.]/[X.], Stand Februar 2005, §
11 Rn. 41, die Versuche am un-tauglichen Objekt ausschließen); es ist also auf das unmittelbare Ansetzen im Sinne des § 22 StGB abzustellen (Senat, Urteil vom 1. Juni 1989

4 [X.], [X.] 1989, 476, 477 mwN). Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liegt bei Handlungen des [X.] vor, die nach dem [X.] der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und im Falle ungestörten Fortgangs oh-ne [X.] in die [X.] unmittelbar einmünden sollen (st.
Rspr., vgl. etwa [X.], Urteil vom 20.

447, 448; [X.], Beschluss vom 11. Mai 2010

3 [X.]/10.A, Rn. 4).
Nicht als [X.] in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen, die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des 13
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[X.] als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung
eine natürliche Einheit bilden; dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten ([X.], Urteil vom 30. April 1980 -
3 [X.], NJW 1980, 1759).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Verurteilung wegen des [X.] des [X.] des Besitzes an einer kinderpornografi-schen Schrift hier rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat, indem er den Geschädigten zu sich nach [X.] nahm, ihm Geld anbot, falls er sich un-bekleidet
und

wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt

unter Einnahme einer sexualbetonten Haltung
fotografieren lasse, und nach dessen Weigerung weiter u.a. durch Erhöhen seines Angebots sowie durch energische
Ansprache in gehobener Lautstärke auf ihn einwirkte, [X.] zum Anfertigen der Nacktbilder angesetzt. Der nach dem [X.] not-wendige Zwischenschritt des [X.] des Minderjährigen
stellt keinen die Annahme des unmittelbaren Ansetzens ausschließenden Zwischenakt dar.

3. Auch die Strafzumessung ist frei von durchgreifenden [X.]. Im Fall II.19 der Urteilsgründe
entnimmt der Senat dem Urteil, dass es sich bei der Formulierung bei den als Sich-Verschaffen kinderpornografischer Schriften 23. Tat: jeweils sechs Monate

(UA
49) um ein Schreibversehen handelt und tatsächlich
die Taten II.2 und II.19 gemeint sind. Die Tat [X.] betrifft ein Verge-hen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, für das an anderer Stelle in den 15
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Urteilsgründen bereits eine Einzelstrafe von einem Jahr und fünf Monaten fest-gesetzt ist ([X.]), während die Tat II.19 in der Anklageschrift als e-zeichnet wird
(UA 12).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak

Mutzbauer Bender

Meta

4 StR 219/15

16.07.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. 4 StR 219/15 (REWIS RS 2015, 8064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8064

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 219/15

3 StR 490/14

3 StR 105/10

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