Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2014, Az. 4 StR 40/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7571

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 40/14

vom
26. Februar
2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

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2
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Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 26.
Februar
2014
gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Bielefeld vom 4.
Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwur-gericht zuständige Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte der Geschädigten, die im Wohnzimmer unmittelbar vor der geschlossenen Terrassentür stand, mit [X.] bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer mit einer ca. 20
cm lan-1
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gen Klinge
etwa mittig links in den Rücken. Die Geschädigte, bei der durch
den Stich lediglich ihre Daunenjacke in einem Bereich von einem halben Zentimeter bis zur Innenseite beschädigt wurde, bemerkte von dem Auftreffen des Messers zunächst nichts. Nachdem sie sich umgedreht hatte, versuchte der Angeklagte,
mit dem Messer den Oberkörper der Geschädigten von vorn zu treffen, wobei er weiterhin zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Die Geschädig-te
ergriff mit ihrer linken Hand die nach vorn spitz zulaufende und glatt geschlif-fene Messerklinge und konnte so das Eindringen des Messers in ihren Körper verhindern. Durch die [X.] auf den linken Bauchbereich wurde sie jedoch mit Wucht rückwärts sitzend auf die Schreibtischplatte gedrängt, wobei der Angeklagte weiter versuchte, sie mit der Klinge in den Bauch zu stechen, was ihm jedoch ebenfalls nicht gelang. Die Geschädigte hielt mit äußerstem Kraftaufwand die Messerschneide gegen die von ihm durchgeführten kraftvol-len, auf ihren Körper gerichteten Bewegungen und stellte dadurch ein Kräfte-gleichgewicht her. Durch die Hilfeschreie der Geschädigten alarmiert, erschien deren Tochter im Wohnzimmer und erkannte, dass der Angeklagte und ihre Mutter einen von ihr nicht näher identifizierbaren Gegenstand in den
Händen
hielten. Von der Geschädigten dazu aufgefordert, wählte sie den Notruf und forderte die Polizei auf, zur Wohnung zu kommen, da ihre Mutter von deren
Lebensgefährten angegriffen werde. Während dieses Telefonats ließ der Ange-klagte das Messer los und trat von der Geschädigten ein Stück zurück. Diese nutzte die Gelegenheit, um vom Schreibtisch aufzustehen, ihren [X.] zu neh-men
und durch die Terrassentür und den Garten zu einer Nachbarin
zu laufen. Da ihr bewusst wurde, dass ihre Tochter sich noch in der Wohnung aufhielt, kehrte sie zurück und forderte diese auf, mitzukommen, woraufhin die Tochter ihr nach draußen folgte. Während dieser Zeit telefonierte die Tochter der [X.] immer noch mit der Polizei.
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II.
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Totschlagsversuch (§
24 Abs.
1 StGB) [X.] hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1.
Das [X.] hat angenommen, der Versuch sei fehlgeschlagen. Der Angeklagte habe sich zwar dahin eingelassen, das Messer erst [X.] zu haben, als er es zum Rücken der Geschädigten geführt habe. Er habe Angst gehabt, ansonsten aber an nichts gedacht. Nachdem die [X.] in das Messer gegriffen habe, habe er es ihr vergeblich aus der Hand zie-hen wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
stehe aber
objektiv fest, dass der Angeklagte, nachdem er die Geschädigte auf die Schreibtischplatte gedrängt hatte, wiederholt versucht habe, mit der Klinge in ihren Bauch zu ste-chen, was ihm aber auf Grund der erheblichen Gegenwehr der Geschädigten nicht gelungen sei. Seine erfolglosen Bemühungen habe er erst aufgegeben, nachdem die zu Hilfe gerufene Tochter der Geschädigten das Telefon ergriffen und die Notrufnummer gewählt habe. Da die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt das Wohnzimmer mit ihrem [X.] über die Terrasse verlassen habe, habe der Angeklagte nach der objektiven Sachlage aus seiner Sicht die
Tötung der [X.] nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil die Tochter die Tat durch Erscheinen im Wohnzimmer entdeckt habe und auf Grund des abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Erscheinen der Polizei zu rechnen gewesen
sei.
2.
Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rück-tritts nicht.
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5
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a)
Ausgehend von diesen Feststellungen des [X.]s war der [X.] des Totschlags unbeendet. Der Angeklagte konnte daher Strafbefreiung grundsätzlich durch bloßes Aufgeben der
begonnenen
Tathandlung erlangen. Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn der Angeklagte die versuchte Tat als endgültig gescheitert angesehen hätte, weil er sie, wie er wusste, mit dem bereits eingesetzten oder anderen ihm zur Hand liegenden Mitteln nicht vollenden konnte. Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auf die Sicht des [X.] der letzten Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. nur Senatsurteil vom 25.
November 2004

4
StR
326/04, [X.], 263, 264; Senatsbeschlüsse vom 8.
Oktober 2008

4
StR
233/08, [X.], 628,
und vom 22.
März 2012

4
StR
541/11, [X.], 239, 240). Dazu, ob der Angeklagte den [X.] als endgültig gescheitert ansah, als er die Schneide des Messers nach seiner letztmaligen Stichbewegung gegen den Körper der Geschädigten losließ, verhält sich das Urteil nicht. Danach bleibt offen, ob es ihm objektiv oder zumindest aus seiner Sicht möglich gewesen wä-re, das Messer wiederzuerlangen und den angestrebten [X.] ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen oder ob er die weitere Tatausführung ange-sichts der kraftvollen Abwehr der Geschädigten als endgültig aussichtslos an-sah.
b)
Ebenso wenig lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen ent-nehmen, dass der Angeklagte unfreiwillig von weiteren Tötungshandlungen ab-ließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich auf Grund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen (zum Maßstab vgl. [X.]/[X.]/
Schuhr, 2.
Aufl., §
24 Rn.
63
ff. m. Nachw. z. Rspr.) nicht mehr in der Lage ge-sehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Die Erwägung des [X.]s,
nach der objektiven Sachlage habe der Angeklagte aus seiner Sicht die Tötung der 6
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Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil deren Tochter die Tat entdeckt hatte und auf Grund des von ihr abgesetz-ten Notrufs mit dem baldigen Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, trägt die Annahme der [X.] für sich genommen nicht. Dass der Ange-klagte gerade deshalb von weiteren Einwirkungen auf die Geschädigte absah,
war im vorliegenden Fall schon deshalb näher zu erörtern, weil sich der Ange-klagte nach den Feststellungen in Kenntnis der in Kürze eintreffenden
Polizei zunächst weiter in der Wohnung aufhielt und sodann das Haus verließ, um tele-fonischen Kontakt zu seiner Rechtsanwältin aufzunehmen, die die Polizei von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis setzte.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 40/14

26.02.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2014, Az. 4 StR 40/14 (REWIS RS 2014, 7571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7571

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