Landgericht Duisburg, Urteil vom 09.06.2021, Az. 35 Ks-133 Js 217/20-5/21

5. große Strafkammer als Schwurgericht | REWIS RS 2021, 5115

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Tenor

Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.Der Angeklagte wird wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 10 Monaten verurteilt.

Er trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.

Der zur Tatzeit 89-jährige Angeklagte wurde am 2. November 1931 als zweites von insgesamt vier Kindern in Kiel geboren und wuchs gemeinsam mit seinen Geschwistern im elterlichen Haushalt auf.

Der Vater ist im Alter von 51 Jahren verstorben und war zu Lebzeiten als Kurarzt in Bad Mergentheim tätig. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit war er den ganzen Tag außer Haus, sodass der Angeklagte nur wenig Zeit mit ihm verbrachte. Die Mutter des Angeklagten kümmerte sich als Hausfrau derweil um den Haushalt und die Kinder, wobei gelegentlich körperliche Züchtigungen des Angeklagten mit dem Teppichklopfer oder einem Rohrstock vorkamen, was der Angeklagte jedoch als für die damalige Zeit normal empfindet. Die Mutter ist im Alter von etwa 80 Jahren verstorben.

Der Angeklagte hatte eine ältere Schwester, die Hausfrau war und vor etwa 2 Jahren verstorben ist. Eine jüngere Schwester ist im Jahr 1935 geboren, Hausfrau und lebt in Bayern. Eine weitere Schwester ist etwa 81 Jahre alt und Hausfrau und Flötistin. Der Angeklagte pflegte zuletzt telefonischen Kontakt zu seinen Schwestern, wobei sich der Kontakt im Laufe der Zeit verringert hat.

Der Angeklagte besuchte den Kindergarten und wurde mit sechs Jahren auf einer Volksschule eingeschult. Diese besuchte er vier Jahre, bevor er als weiterführende Schule an eine Oberschule wechselte und dort nach neun Jahren mit 19 oder 20 Jahren das Abitur mit durchschnittlichem Ergebnis erlangte. Der Angeklagte bezeichnet sich als „faulen“ Schüler. Er lernte immer nur so viel, wie unbedingt erforderlich war, um die Versetzung zu schaffen. Nach dem Abitur begann er bei dem Unternehmen Y eine Lehre zum Feinmechaniker, die er nach etwa eineinhalb Jahren wieder abbrach. Er begann dort sodann eine kaufmännische Lehre, die er erfolgreich beendete. Im Anschluss absolvierte er über einen Zeitraum von fünf Jahren eine weitere Ausbildung und war dann als sog. „technischer Kaufmann“ bei Y tätig. Ab dem Ende der 50er Jahre war der Angeklagte im Iran tätig, wo er für Y Produkte vertrieb, neue Mitarbeiter ausbildete und den Geräte-Service durchführte. Nach etwa 20 Jahren, kurz vor der Iranischen Revolution, kehrte der Angeklagte wieder nach Deutschland zurück, wo er bis zu seinem Renteneintritt im Jahr 1995 bei Y in Köln tätig war und mit der Familie in einem erworbenen Haus in Bonn lebte. Nach dem Renteneintritt war der Angeklagte viel zu Hause und widmete sich der Anfertigung von Möbeln für das Haus. Dieses wurde vor ca. 10 Jahren verkauft, und der Angeklagte zog mit seiner Ehefrau (siehe sogleich) in eine Mietwohnung in Bonn.

Der Angeklagte ist mit der 85-jährigen T5, der späteren Geschädigten, verheiratet. Mit ihr ging er seine erste feste Beziehung ein, die Vermählung fand am 5. oder 6. Juli 1957 statt. Das Ehepaar führte eine glückliche und harmonische Ehe. Beide interessierten sich für Musik, musizierten gemeinsam und sangen in einem Chor. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen. Annemarie u ist 53 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern, von Beruf Kinderkrankenschwester und lebt in Oberhausen. Anette T6 ist 51 Jahre alt und hat eine Tochter. Sie ist geschieden - was der Angeklagte nicht gutheißt -, von Beruf Buchhalterin und lebt in Bad Honnef. Eine Tochter von Annemarie u hat zwei Söhne im Kleinkindalter, deren Namen sich der Angeklagte nicht merken kann, da sie für ihn ungewöhnlich - der Angeklagte wörtlich: „modern“ - sind.

Der Angeklagte fing im Alter zwischen 18 und 20 Jahren das Rauchen an, da das „alle Jungs“ in seinem Umfeld taten. Im Alter zwischen 30 und 35 Jahren stellte er den Konsum wieder ein. Alkohol konsumierte er in mäßigen Mengen, wobei eine alkoholbedingte Intoxikation zu keinem Zeitpunkt auftrat. Er trank vornehmlich Bier oder Wein, jedoch meistens nicht mehr als eine Flasche Bier oder einen Viertelliter Wein. Betäubungsmittel hat der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt konsumiert.

Feststellungen zur frühkindlichen Entwicklung des Angeklagten konnten nicht getroffen werden, familiäre chronische Krankheiten oder psychische Erkrankungen des Angeklagten sind nicht bekannt.

In dem Zeitraum zwischen 2010 und 2016 erlitt der Angeklagte im Abstand von zwei Jahren zwei Schlaganfälle, wobei ihm etwaige diesbezügliche Spätfolgen nicht bekannt sind. Derzeit leidet er unter Bluthochdruck und einer Spinalkanalstenose, einer Einengung des Wirbelkanals, die aufgrund des dadurch verursachten Drucks auf die dort befindlichen Nerven bei dem Angeklagten erhebliche Schmerzen auslöst und zu Gangschwierigkeiten führt, sodass er auf den Rollator angewiesen ist. Sowohl der Bluthochdruck als auch die durch die Spinalkanalstenose verursachten Beschwerden werden medikamentös behandelt.

Darüber hinaus gibt der Angeklagte an, Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis zu haben und „viele Dinge durcheinanderzubringen“, wobei er diesen Zustand nicht näher zu beschreiben oder Beispiele zu nennen vermochte.

Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

1.

Die spätere Geschädigte T5 leidet seit etwa 10 Jahren an Demenz. Der Angeklagte kümmerte sich zunächst allein um seine Ehefrau. Auf Vorschlag der Annemarie u, die in einem Zweifamilienhaus auf der Y-T-Straße in Oberhausen lebte und den Angeklagten bei der Pflege ihrer Mutter unterstützen wollte, zog das Ehepaar vor etwa sechs Jahren in das Zweifamilienhaus, indem auch u wohnte, wobei der Angeklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau Ute die Wohnung im ersten Obergeschoss bezog und u und ihr Ehemann in der Wohnung im Erdgeschoss wohnten.

Die von den Eheleuten T3 bezogene Wohnung ist wie folgt aufgebaut: Nach Betreten der Wohnung durch die Wohnungstür befindet man sich in einem etwa 1,5 Meter breiten und 2,5 Meter langen Flur. Linker Hand befindet sich eine Tür, die in das Badezimmer führt. Rechts daneben befindet sich eine weitere Tür, über die man das Wohnzimmer betritt. Nach Betreten des Wohnzimmers befinden sich gegenüber zwei weitere Türen, wobei man über die linke die Küche und über die rechte Tür das Schlafzimmer betritt. Im Schlafzimmer befindet sich unter anderem ein großes Bett, wobei die rechte, der Tür zugewandte Bettseite von T5 genutzt wurde.

Zum Zeitpunkt des Umzuges war T5 zwar aufgrund ihrer Demenzerkrankung bereits eingeschränkt, jedoch war sie noch in der Lage, einfache Tätigkeiten selbständig zu erledigen. So konnte sie auf Nachfrage die Uhrzeit nennen oder unterstützte u durch kleinere Hilfstätigkeiten wie Kartoffelschälen bei der Zubereitung des  Mittagessens. Annemarie u unterstützte den Angeklagten neben ihrer Vollzeittätigkeit bei der Pflege seiner Ehefrau. Darüber hinaus organisierte sie zwischenzeitlich einen Platz in einem Heim für Demenzkranke, in dem T5 dauerhaft verbleiben sollte, wobei u davon ausging, dass der Angeklagte mit deren Unterbringung ohnehin nicht einverstanden sein würde, da er sich schwer tat, Hilfe Dritter anzunehmen und sich weiterhin dazu berufen sah, sämtliche familiären Entscheidungen selbst zu treffen. Gleichwohl erklärte er sich mit einem Besuch im Heim einverstanden, um sich die Einrichtung anzusehen. Nachdem man sich dort einige Stunden aufgehalten hatte, wollte u mit dem Angeklagten aufbrechen. Auf ihre Ankündigung, T5 - wie zuvor vereinbart - im Heim zu belassen, reagierte der Angeklagte jedoch plötzlich vehement ablehnend mit der Begründung, in dem Heim würden „nur Verrückte leben“. Daher fuhr man unverrichteter Dinge wieder nach Hause.

Nach und nach verschlechterte sich der Gesundheitszustand der T5, sodass sie zuletzt  in den - höchstmöglichen - Pflegegrad IV eingestuft wurde. Ab dem Sommer des Jahres 2020 glich sie zusehends einem Kleinstkind, musste an der Hand genommen und geführt werden, begegnete allen Menschen, wobei sie nahe Angehörige zunächst noch erkannte, vertrauensvoll und zugewandt, ohne in der Lage zu sein, Situationen adäquat einzuschätzen, Gefahren zu erkennen oder Misstrauen oder Argwohn zu entwickeln. Zudem wurde sie immer stiller und beteiligte sich immer weniger an Gesprächen. Körperliche Einschränkungen waren bei ihr demgegenüber nicht vorhanden.

u, die zu dem Schluss kam, dass der Alltag für ihren Vater infolge der massiven Pflegedürftigkeit ihrer Mutter nicht mehr zu bewältigen sei, führte Gespräche mit dem Angeklagten, sodass dieser sich schließlich einverstanden erklärte, mit seiner Frau in ein Heim in Bad Honnef ziehen. Dort war das Ehepaar auch schon angemeldet, jedoch kam der Umzug letztlich - ohne, dass der Angeklagte hierzu beitrug - aus nicht näher feststellbaren Gründen nicht zustande. Zuletzt hatte u wiederum einen Heimplatz für das Ehepaar organisiert, jedoch verzögerte sich der Umzug in das Heim aufgrund der Covid-19-Pandemie und kam bis zuletzt ebenfalls nicht zustande.

Darüber hinaus wurden in den letzten Monaten nach und nach Hilfen eingerichtet, um den Angeklagten im Alltag bei der Pflege seiner Frau zu unterstützen. So kam der Pflegedienst zuletzt zweimal täglich, um mit ihr die Zähne zu putzen, sie schlafen zu legen und sie bei Bedarf zu waschen, und einmal wöchentlich für den Angeklagten, ferner einmal wöchentlich eine Reinigungskraft, die die Wohnung putzte, ein Pfleger der sich um T5 kümmerte, vornehmlich mit ihr spielte oder Spaziergänge machte, und ein Physiotherapeut, der ebenfalls mit ihr spazieren ging, damit sie das Laufen nicht verlernte. Gleichwohl übernahm der Angeklagte weiterhin weite Teile des Haushaltes und der Pflegeleistungen für seine Ehefrau. Er kümmerte sich um die Wäsche, putzte bei Bedarf die Wohnung, bereitete das Essen zu und begleitete seine Frau, wenn diese - insbesondere zur Nachtzeit - die Toilette aufsuchen musste, da sie hierzu selbständig nicht mehr in der Lage war.

2.

Angesichts der fortschreitenden Demenz der T5 und des Umstandes, dass sie bei allen Verrichtungen auf die Hilfe Dritter angewiesen war, fühlte sich der Angeklagte, der aufgrund seiner schlechten körperlichen Verfassung selbst an erheblichen Schmerzen litt und sich nur noch mithilfe eines Rollators fortbewegen konnte und die eingerichteten Hilfen als unzureichend empfand, zusehends überfordert. Diese Überforderung brachte er gegenüber u und T6 auch zur Sprache, ohne jedoch weitere angebotene Hilfen in Anspruch zu nehmen, da er weiterhin den Anspruch an sich stellte, alles selbst zu erledigen.

Aufgrund dessen begann er ab Oktober 2020, die Tötung seiner Ehefrau in Betracht zu ziehen. Anlass hierzu war ein Artikel, den der Angeklagte gelesen hatte, und in dem von einem Mann berichtet wurde, der seine ebenfalls demenzkranke Frau pflegte und diese schließlich tötete. Der Angeklagte berichtete u von dem Artikel und äußerte in diesem Zusammenhang, dass er unglücklich sei, keine Lust mehr habe zu leben und seiner Frau ein Kissen ins Gesicht drücken könne oder ihr Schlaftabletten, die er bereits gekauft habe, verabreichen werde. u nahm die Äußerungen des Angeklagten zunächst nicht ernst. Gleichwohl verständigte sie, nachdem der Pflegedienst T5 einige Tage darauf tief schlafend und zunächst nicht  erweckbar auf der Couch vorfand, die Feuerwehr, da sie den Verdacht hegte, der Angeklagte könnte ihrer Mutter bewusst zu viele Schlaftabletten gegeben haben. Ob dies tatsächlich so geschehen war, konnte nicht aufgeklärt werden.

3.

An Weihnachten 2020 kam die ganze Familie in Oberhausen zusammen. Auch T6 war aus Bad Honnef angereist, wobei sie bis zum 26. Dezember 2020 blieb und gegen Mittag wieder in Richtung Bad Honnef aufbrach. Während der Zusammenkunft der Familie machte der Angeklagte augenscheinlich den Eindruck, als ginge es ihm gut. Gleichwohl hatte er, da T5 nachts nicht schlief und sich in der Wohnung bewegte, über einen Zeitraum von etwa zwei Tagen nicht geschlafen und war äußerst erschöpft.

4.

Aufgrund der massiven Überforderung mit der häuslichen Situation und der Pflege seiner Frau fasste er im Laufe des 26. Dezember 2020 den endgültigen Entschluss, „dem Ganzen ein Ende“ zu bereiten und zunächst seine Frau und dann sich selbst zu töten. Nachdem sich das Ehepaar am Abend zwischen 20:30 und 21:00 Uhr zu Bett begeben hatte und zu einem Zeitpunkt, als sich T5 in liegender Position befand - wobei die Kammer nicht festzustellen vermochte, ob sie schlief -, brachte der Angeklagte ihr im Zeitraum nach 0:30 und vor 1:29 Uhr des 27. Dezember 2020 mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm in der Absicht, sie zu töten, diverse Schnitte u.a. im Halsbereich bei. Dabei nutzte er den Umstand aus, dass die ihm - wie ihm bewusst war - körperlich überlegene Geschädigte aufgrund ihrer liegenden Position in ihren Möglichkeiten, sich gegen einen Angriff zur Wehr zu setzen, erheblich eingeschränkt war. Da der Angeklagte aufgrund seiner geminderten Körperkräfte nicht in der Lage war, die Schnitte hinreichend kraftvoll auszuführen und sich das Messer für ihn als zu stumpf erwies, was der Angeklagte auch erkannte, waren diese jedoch nicht tödlich. Die Geschädigte versuchte, die von dem Angeklagten vorgenommenen weiteren Schnittversuche mit beiden Händen zunächst abzuwehren und entzog sich dann seinem unmittelbaren Zugriffsbereich, indem sie das Ehebett verließ und das Badezimmer aufsuchte. Der körperlich erheblich geschwächte Angeklagte, der - wie ihm bewusst war - nicht in der Lage war, der Geschädigten unmittelbar zu folgen, erkannte  spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass er angesichts des von ihm als zu stumpf empfundenen Messers die Tat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und ohne eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang zu setzen nicht mehr würde vollenden können.

5.

Die Geschädigte erlitt zwei 4 cm lange und etwa 1 cm tiefe Schnittverletzungen an der linken Halsseite sowie vorne am Hals in Höhe des Kehlkopfes, die zwar stark bluteten, jedoch nicht so tief waren, dass die großen Halsgefäße verletzt wurden, sodass zu keinem Zeitpunkt eine akute Lebensgefahr bestand. Darüber hinaus erlitt sie eine tiefe Schnittverletzung am rechten Handgelenk, sowie zahlreiche oberflächliche Schnittverletzungen an den Händen, am rechten Unterarm, im Dekolletébereich und auf der linken Gesichtsseite in Höhe des Unterkiefers, die sämtlich nicht lebensgefährlich waren. Die Verletzungen sind zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilt.

6.

Der Angeklagte versuchte nun, sich die Pulsadern aufzuschneiden, was jedoch wiederum an der von ihm angesichts seiner geringen Körperkräfte als zu stumpf empfundenen Messerklinge scheiterte. Da er nicht mehr weiter wusste und sich hilflos fühlte, setzte er einen Notruf an die Feuerwehr ab, der von dem Feuerwehrbeamten Roger C2 entgegengenommen wurde. Dieser informierte die Polizei und führte bis zum Eintreffen der Polizeibeamten mit dem Angeklagten ein 12:25 Minuten dauerndes Gespräch, im Laufe dessen der Angeklagte äußerte: „Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Kommen Sie!“ und „Ich habe ihr (gemeint: der Geschädigten) versucht, den Hals aufzuschneiden“. Darüber hinaus äußerte er im Laufe des Gesprächs insgesamt fünf Mal, er habe seine Frau umbringen wollen und es habe „leider nicht geklappt“ und darüber hinaus vier Mal, das Messer sei zu stumpf bzw. nicht scharf genug gewesen.

Im Folgenden trafen die Polizeibeamten, u.a. L und M ein, wobei die Wohnungstür nach mehrmaligem Klopfen von dem Angeklagten geöffnet wurde, der sich auf dem Rollator aufstützen musste und das Messer auf dem Rollator abgelegt hatte. L begab sich zu der Geschädigten, die am Absatz zum Badezimmer stand. Bereits zu diesem Zeitpunkt konnte sich die Geschädigte aufgrund ihrer Demenz nicht mehr daran erinnern, wie es zu den Verletzungen gekommen war. M befragte den Angeklagten, der angab, er habe versucht, zuerst seiner Frau und dann sich selbst das Leben zu nehmen. Dies sei ihm jedoch misslungen, da die Klinge des Messers zu stumpf gewesen sei. Er sei körperlich am Ende und wolle einfach nicht mehr leben.

Annemarie u hatte bereits geschlafen und bekam von dem Tatgeschehen nichts mit. Sie wurde telefonisch von den Polizeibeamten benachrichtigt und im Folgenden von ihnen befragt. In diesem Zusammenhang gab sie an, sie habe schon geahnt, dass ein Unglück passieren werde. Ihr Vater spreche seit Längerem davon, dass er aufgrund der starken Demenz seiner Frau unglücklich sei und keine Lust mehr habe zu leben. Nachdem ihr Vater in einer Zeitschrift gelesen habe, dass ein Mann seine Ehefrau getötet habe, indem er sie von einem Balkon geworfen habe, habe er immer mal wieder geäußert, dass er ihrer Mutter etwas Ähnliches antun werde. Er habe beispielsweise einmal erwähnt, dass er ihrer Mutter ein Kissen ins Gesicht drücken könne, um sie zu töten. Er habe sich außerdem Schlaftabletten gekauft und auch in diesem Zusammenhang immer mal wieder geäußert, dass er diese seiner Frau verabreichen werde.

Sowohl die Geschädigte als auch der Angeklagte wurden im Folgenden in ein Krankenhaus verbracht. Auf dem Transport dorthin äußerte der Angeklagte gegenüber N, er habe seine Ehefrau am Hals verletzt und habe sich umbringen wollen. Da jedoch das Messer zu stumpf gewesen sei, sei dies misslungen. Er habe sich das Leben nehmen wollen, weil er seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen habe. Diese Angaben wiederholte der Angeklagte sinngemäß gegenüber H, die den Angeklagten am 27. Dezember 2020 gegen Mittag im Krankenhaus aufsuchte. Er äußerte, er sei einfach froh, dass er nun erst mal seine Ruhe habe. Keinem sei bewusst, was er in der letzten Zeit mit seiner dementen Frau durchgemacht habe. Die letzten zwei Nächte habe er wegen seiner Frau nicht geschlafen und sich nur mit ihr beschäftigt. Er sei am Ende und könne nicht mehr. Vor einiger Zeit habe er in der Zeitung gelesen, dass ein Mann in Augsburg versucht habe, seine Frau und sich zu töten. Der Mann habe versucht, seine Frau mit einem Kissen zu ersticken, aber seine Frau habe sich zu stark zur Wehr gesetzt. Wie der Mann in Augsburg sei auch er gescheitert.

7.

Dem Angeklagten wurden am 27. Dezember 2020 um 02:30 und 02:32 Uhr zwei Blutproben (Venülen-Nr. 080212 und 080213) entnommen. Zu diesem Zeitpunkt wies das Blut ausweislich des erhobenen Alkoholbefundes eine Alkoholkonzentration von 0,39 Promille auf. Um 05:49 Uhr desselben Tages wurde dem Angeklagten eine weitere Blutprobe entnommen (Venülen-Nr. 080365). Ausweislich des erhobenen chemisch-toxikologischen Befundes wurden die Substanzen Fentanyl (opioides Schmerzmittel), Metamizol (nicht-opioides Schmerzmittel), Ibuprofen (nicht-opioides Schmerzmittel) und Pipamperon (Neuroleptikum als Beruhigungs-/Schlafmittel) nachgewiesen.

Die anlässlich der Blutentnahmen um  02:30 und 02:32 Uhr erfolgte ärztliche Untersuchung ergab folgenden Befund: Konstitution mittel, Gang (Geradeaus) schwankend, Sprache deutlich, Pupillen unauffällig, Pupillenlichtreaktion prompt, Bewusstsein klar, Denkablauf sprunghaft, Verhalten redselig, Stimmung unauffällig. Bei der Kategorie „Äußerlicher Anschein des Einflusses von … bemerkbar“ wurde die Kategorie „Alkohol“ angekreuzt, bei der Bestimmung der Bemerkbarkeit (mögliche Kategorien: leicht, deutlich, stark, sehr leicht) wurde jedoch keine Kategorie ausgewählt.

Die anlässlich der Blutentnahme um  05:49 Uhr erfolgte ärztliche Untersuchung ergab folgenden Befund: Von dem jetzigen Vorfall unabhängige Krankheiten/Leiden: Apoplex 2016; Körpergewicht 70 kg geschätzt, Körperlänge in cm 170 geschätzt, Sprache deutlich, Pupillen unauffällig, Pupillenlichtreaktion prompt, Bewusstsein klar, Denkablauf geordnet, Verhalten beherrscht, Stimmung depressiv, äußerlicher Anschein des Einflusses von … nicht bemerkbar.

8.

Zum Tatzeitpunkt war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, weder erheblich vermindert noch vollständig aufgehoben.

III.

1.

Die unter I. getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Werdegang des Angeklagten, zu seiner Familie und deren Verhältnis zum Angeklagten, zu seiner Ehe mit der Geschädigten sowie Drogen- und Alkoholkonsum und zu früheren Erkrankungen des Angeklagten beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie) als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben. Zwar hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung im Anschluss an die Aussage des insoweit als Zeugen vernommenen Sachverständigen Dr. med. T9 über seinen Verteidiger angegeben, sich nicht äußern zu wollen. Jedoch hat er im Laufe der Aussage gegenüber dem Sachverständigen geäußert, dieser habe „gut zugehört“ und hat damit zur Überzeugung der Kammer zum Ausdruck gebracht, dass die Ausführungen des Sachverständigen zu den persönlichen Verhältnissen zutreffend sind. Auch im Übrigen traten im Rahmen der Hauptverhandlung keinerlei Anhaltspunkte zutage, um an der Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu zweifeln.

Die unter I. getroffenen Feststellungen zu den fehlenden Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen und von dem Angeklagten als inhaltlich zutreffend anerkannten Bundeszentralregisterauszug vom 5. März 2021.

2.

Die unter II. getroffenen Feststellungen stehen zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der gegenüber dem Sachverständigen Dr. med. T9 und den Zeugen C2, M, N und H abgegebenen Einlassung des Angeklagten, soweit sie reicht. Im Übrigen beruhen sie auf den weiteren ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen und in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln.

a)

Die unter II. 1. getroffenen Feststellungen beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeugen u, C und T6.

aa)

Die Feststellungen zur Demenzerkrankung der Geschädigten beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeuginnen u und T6.

Der Sachverständige hat bekundet, der Angeklagte habe im Rahmen der Exploration angegeben, dass die Geschädigte in den letzten zehn Jahren dement geworden sei und  er - der Angeklagte - sie habe pflegen müssen. Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Sachverständigen bestehen insoweit nicht. Seine Angaben stimmen mit denen der Zeugin u überein, die die Krankheit der Geschädigten bestätigt und darüber hinaus angegeben hat, den Umzug nach Oberhausen  vor etwa 6 Jahren vorgeschlagen zu haben, wobei ihre Eltern in die Wohnung im Obergeschoss eingezogen seien und sie mit ihrem Ehemann in der Wohnung im Erdgeschoss gewohnt habe. Aufgrund ihrer Tätigkeit als Krankenschwester habe sie den Angeklagten bei der Pflege der Geschädigten unterstützen wollen. Auch an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin u bestehen insoweit keine Bedenken, zumal die Zeugin T6 entsprechende Bekundungen zu der Erkrankung ihrer Mutter gemacht hat.

bb)

Die Feststellungen zur Beschaffenheit der Wohnung beruhen auf der Aussage der Zeugin C und der Inaugenscheinnahme der die Tatörtlichkeit, d.h. die Wohnung abbildenden Lichtbilder, Bl. 37 bis 62 d.A., auf welche wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird.

Die Zeugin hat bekundet, die Tatortbegehung durchgeführt und in diesem Zusammenhang die Lichtbilder Bl. 37 bis 62 d.A. angefertigt zu haben, wobei sie die Beschaffenheit der Wohnung unter Zuhilfenahme der Lichtbilder entsprechend den Feststellungen beschrieben hat. Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin haben sich nicht ergeben.

cc)

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Geschädigten zum Zeitpunkt des Umzuges und zu dem Versuch, einen Pflegeheimplatz für die Geschädigte zu finden, beruhen auf der Aussage der Zeugin u.

Diese hat bekundet, ihre Mutter sei zunächst noch in der Lage gewesen, die Uhrzeit abzulesen und auf Anweisung kleinere Tätigkeiten zu verrichten. So habe diese sie bei der Zubereitung des Mittagessens unterstützt und beispielsweise Kartoffeln geschält. Sie - die Zeugin - habe den Angeklagten neben ihrer Vollzeittätigkeit als Krankenschwester bei der Pflege ihrer Mutter unterstützt und nebenbei bereits nach einem Pflegeheimplatz gesucht. Sie habe für ihre Mutter einen Platz in einem Pflegeheim für Demenzkranke gefunden, obwohl sie davon ausgegangen sei, dass der Angeklagte mit der Unterbringung seiner Frau ohnehin nicht einverstanden sein würde, da er sich schwer tue, Hilfe von außen anzunehmen und immer alle familiären Entscheidungen selbst treffen wolle. Gleichwohl sei er mit einer Besichtigung der Einrichtung einverstanden gewesen, wobei sowohl mit ihm als auch mit der Heimleitung abgesprochen gewesen sei, dass T5 dort verbleiben würde, wenn man mit dem Pflegeheim zufrieden sei. Obwohl dies der Fall gewesen sei, habe der Angeklagte plötzlich seine Meinung geändert und sich vehement gegen deren Unterbringung in dem Pflegeheim gewehrt, da dort - so der Angeklagte - „nur Verrückte“ leben würden. Daher sei man unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren. Die Aussage der Zeugin ist auch insoweit glaubhaft. Sie hat sowohl den Zustand der Geschädigten als auch ihren Versuch, für die Geschädigte einen Pflegeheimplatz zu finden, detailliert und anschaulich beschrieben. Insbesondere konnte sie ihre Bekundungen im Zusammenhang mit dem Heimbesuch mit ihrer Gefühls- und Gedankenwelt verknüpfen, was für die Wiedergabe real so erlebten Geschehens spricht. So konnte sie sich noch gut daran erinnern, wie unangenehm ihr der plötzliche Sinneswandel des Angeklagten gewesen sei, da zuvor mit der Heimleitung abgesprochen gewesen sei, dass ihre Mutter dort verbleiben würde, falls ihnen der Heimplatz zusage, was der Fall gewesen sei.

dd)

Die Feststellungen dazu, dass sich der Gesundheitszustand der Geschädigten nach und nach verschlechterte beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeuginnen u und T6.

Der Sachverständige hat bekundet, der Angeklagte habe im Rahmen der Exploration angegeben, dass die Krankheit seiner Frau nach und nach immer schlimmer geworden sei. Er - der Angeklagte - habe sich dauerhaft um sie kümmern müssen. So habe sie beispielsweise ständig die Toilette aufsuchen müssen, jedoch nicht mehr gewusst, wo diese sich befinde.

Hiermit übereinstimmend haben auch die Zeuginnen T6 und u bekundet, der Gesundheitszustand ihrer Mutter habe sich nach dem Umzug nach Oberhausen verschlechtert. Sie sei zwar körperlich „fit“ gewesen, jedoch sei sie ab Sommer des Jahres 2020 zusehends wie ein Kleinstkind gewesen. Man habe sie an der Hand nehmen und sie führen müssen. Sie habe nahe Angehörige zwar erkannt, jedoch sei sie auch allen anderen Menschen vertrauensvoll und zugewandt begegnet, ohne in der Lage gewesen zu sein, Situationen adäquat einzuschätzen, Gefahren zu erkennen oder Misstrauen oder Argwohn zu entwickeln. Zudem sei sie immer stiller geworden und habe sich immer weniger an Gesprächen beteiligt. Die Zeugin T6 hat darüber hinaus bekundet, ihre Mutter alle 6 bis 8 Wochen besucht und sich jedes Mal erschrocken zu haben, wie sehr diese in der Zwischenzeit geistig abgebaut habe. Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeuginnen, die den Krankheitsverlauf der T5 jeweils detailliert und anschaulich beschrieben haben, haben sich nicht ergeben.

ee)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte sich schließlich bereit erklärte, in ein Pflegeheim zu ziehen, dies jedoch bis zuletzt scheiterte, beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und der Aussage der Zeugin u.

Ausweislich der auch insoweit glaubhaften Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 hat der Angeklagte ihm gegenüber angegeben, dass der Entschluss, ins Heim zu gehen, fließend gewesen sei. Den genauen Anfang könne er - der Angeklagte - nicht mehr benennen. Beide Töchter hätten sich seit etwa August bzw. Sommer 2020 um Heimplätze bemüht, jedoch habe man nur Absagen bekommen.

Hiermit übereinstimmend hat die Zeugin u bekundet, sie sei im Sommer 2020 zu dem Entschluss gekommen, dass der Alltag mit der Geschädigten aufgrund der fortschreitenden Demenz nicht mehr zu bewältigen sei. Sie habe dies bei Gesprächen mit dem Angeklagten angesprochen. Dieser habe sich schließlich einverstanden erklärt, in ein Heim zu ziehen. Die Zeugin T6 habe einen Platz in einem Pflegeheim in Bad Honnef gefunden, wo das Ehepaar auch schon angemeldet gewesen sei. Jedoch sei kurz vor dem Umzug doch eine Absage gekommen. Im Folgenden habe sie - die Zeugin u - einen weiteren Heimplatz organisiert, jedoch sei der Umzug in das Heim aufgrund der Covid-19-Pandemie bislang nicht zustande gekommen.

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin u haben sich auch insoweit nicht ergeben.

ff)

Die Feststellungen dazu, dass nach und nach Hilfen eingerichtet wurden und der Angeklagte gleichwohl daneben weite Teile der Pflege seiner Ehefrau übernahm, beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und der Aussage der Zeugin u.

Der Sachverständige hat bekundet, der Angeklagte habe im Rahmen der Exploration angegeben, dass zwar zuletzt die Diakonie gekommen sei, er - der Angeklagte - jedoch „den Rest“ gemacht habe, Tag und Nacht. Er habe die Wäsche gewaschen, gekocht und sei bis vor zwei Monaten auch einkaufen gefahren. Zuletzt habe das die Diakonie übernommen. Zwischendurch habe er bei Bedarf auch geputzt. Bis zum Schluss habe er alles gemacht. Seine Frau habe ständig die Toilette aufsuchen müssen, jedoch nicht mehr gewusst, wo diese sich befinde. Er habe sich den ganzen Tag um seine Frau kümmern müssen. Die Tochter habe den ganzen Tag gearbeitet.

Hiermit im Einklang stehend hat die Zeugin u bekundet, der Angeklagte habe bis zuletzt alles selber gemacht, jedoch sei der Tag auch organisiert gewesen, da nach und nach Hilfen eingerichtet worden seien, um den Angeklagten im Alltag bei der Pflege seiner Frau zu unterstützen. So sei der Pflegedienst zuletzt zweimal täglich gekommen, um mit ihrer Mutter die Zähne zu putzen, sie schlafen zu legen und sie bei Bedarf zu waschen, und einmal wöchentlich für den Angeklagten, ferner wöchentlich eine Reinigungskraft, die die Wohnung geputzt habe, ein Pfleger der sich um ihre Mutter gekümmert, vornehmlich mit ihr gespielt oder Spaziergänge gemacht habe, und ein Physiotherapeut, der ebenfalls mit ihr spazieren gegangen sei, damit sie das Laufen nicht verlerne.

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin haben sich auch insoweit nicht ergeben.

b)

Die unter II. 2. getroffenen Feststellungen beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeugen u, M, L und H.

aa)

Die Feststellungen zu der Überforderung des Angeklagten angesichts der häuslichen Situation beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeuginnen u und T6.

Ausweislich der auch insoweit glaubhaften Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 hat der Angeklagte ihm gegenüber angegeben, er habe, da der Umzug ins Heim nicht zustande gekommen sei, die Situation „aushalten“ müssen. Er habe sich den ganzen Tag um seine Frau kümmern müssen und sei ganz verrückt geworden. Bis zum Schluss habe er alles selbst gemacht und habe nicht mehr schlafen können. Es sei immer schlimmer geworden. Seit Oktober/November 2020 habe er es nicht mehr aushalten können. Tagelang habe er nicht geschlafen. Seine Frau habe ihn nicht in Ruhe gelassen. Sie habe auf die Toilette gemusst, habe „in die Hose gemacht“. Die letzten drei Monate hätten ihm „den Rest gegeben“.

Hiermit übereinstimmend haben auch die Zeuginnen u und T6 bekundet, der Angeklagte sei mit der Situation zunehmend überfordert gewesen und habe dies auch ihnen - den Zeuginnen - gegenüber angesprochen. Die Zeugin u hat darüber hinaus angegeben, der Angeklagte habe, wenn sie Hilfe angeboten habe, diese nicht angenommen und gesagt, er könne alles selber erledigen. Ihr Vater sei immer ein rechtschaffener und korrekter Mann gewesen. Bei eigenen Angelegenheiten sei er genügsam gewesen, wenn es um andere ginge dagegen genau und ordentlich. Er habe immer für die ganze Familie gesorgt und alle wichtigen Entscheidungen selbst getroffen. Es sei ihm schwer gefallen, dass das heute nicht mehr so sei.

Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin u, die die Persönlichkeit des Angeklagten detailliert und anschaulich beschrieben hat, bestehen auch insoweit nicht.

bb)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte ab Oktober des Jahres 2020 die Tötung seiner Ehefrau in Betracht zog beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und der Aussage der Zeugin u, soweit der Einlassung des Angeklagten und der Aussage der Zeugin gefolgt werden konnte, sowie den Aussagen der Zeugen M, N und H.

Der Sachverständige hat bekundet, der Angeklagte habe im Rahmen der Exploration angegeben, er habe die häusliche Situation seit Oktober/November 2020 nicht mehr aushalten können. Der Angeklagte habe jedoch bestritten, der Zeugin u einem derartigen Artikel berichtet zu haben. Er habe keine Erinnerungen an solche Äußerungen. Er sei 64 Jahre verheiratet gewesen. Da drücke man seiner Frau kein Kissen auf das Gesicht. Vermutlich habe seine Tochter etwas durcheinander gebracht. Er wisse es nicht mehr.

Soweit der Angeklagte in Abrede gestellt hat, seit Oktober 2020 die Tötung der Geschädigten in Betracht gezogen zu haben, ist seine Einlassung jedoch widerlegt durch die Aussagen der Zeugen L, M und H.

Die Zeugen L und M haben übereinstimmend bekundet, am Tattag als erstes Einsatzmittel an der Anschrift des Angeklagten und der Geschädigten eingetroffen zu sein. Nach mehrmaligem Klingeln und Klopfen habe der Angeklagte, der auf einem Rollator abgestützt gewesen sei, die Tür geöffnet. Die Geschädigte habe am Rahmen der Badezimmertür gestanden und der Angeklagte hinter der Wohnungstür. L habe sich mit der Geschädigten befasst, während M mit dem Angeklagten gesprochen habe. Im weiteren Verlauf habe man auch die Zeugin u telefonisch benachrichtigt und sie nach ihrem Erscheinen gemeinsam befragt. Diese habe angegeben, dass sie zu Hause gewesen sei und geschlafen und daher nichts mitbekommen habe. Sie habe ihnen gegenüber angegeben, sie habe jedoch schon geahnt, dass ein Unglück passieren werde. Ihr Vater spreche seit Längerem davon, dass er aufgrund der starken Demenz seiner Frau unglücklich sei und keine Lust mehr habe, zu leben. Nachdem ihr Vater in einer Zeitschrift gelesen habe, dass ein Mann seine Ehefrau getötet habe, indem er sie von einem Balkon geworfen habe, habe er immer mal wieder geäußert, dass er ihrer Mutter etwas Ähnliches antun werde. Er habe beispielsweise einmal erwähnt, dass er ihrer Mutter ein Kissen ins Gesicht drücken könne, um sie zu töten. Er habe sich außerdem Schlaftabletten gekauft und auch in diesem Zusammenhang immer mal wieder geäußert, dass er diese seiner Frau verabreichen werde.

Die Angaben der Zeugen M und L lassen sich zwanglos in Einklang bringen mit der Aussage der Zeugin H, die bekundet hat, den Angeklagten am 27. Dezember 2020 im Krankenhaus aufgesucht und ihn befragt zu haben. In diesem Zusammenhang habe er angegeben, vor einiger Zeit in der Zeitung gelesen zu haben, dass ein Mann in Augsburg versucht habe, seine Frau und sich zu töten. Der Mann habe versucht, seine Frau mit einem Kissen zu ersticken, aber seine Frau habe sich zu stark zur Wehr gesetzt. Wie der Mann in Augsburg sei auch er gescheitert.

Die Aussagen der Polizeibeamten sind glaubhaft. Diese konnten sich an die jeweilige Befragung der Zeugin u bzw. des Angeklagten noch gut erinnern und haben die Angaben zeitnah, nachdem sie getätigt wurden, in der Strafanzeige (Bl. 3 ff. d.A.) bzw. in einem Vermerk (Bl. 76 f. d.A.) verschriftlicht. Dass die Zeugin u angegeben hat, der Mann, von dem in dem Artikel die Rede gewesen sei, habe seine Frau von einem Balkon gestoßen, und der Angeklagte demgegenüber, der Mann habe seine Frau mit einem Kissen zu ersticken versucht, stellt weder die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Polizeibeamten noch den Kerngehalt der Äußerungen selbst in Frage. Denn beide Schilderungen haben maßgeblich gemeinsam, dass es um die Tötung der Ehefrau ging und der Angeklagte - hierdurch „inspiriert“ - dies auch für sich in Betracht gezogen hat. Hinzukommt, dass in beiden Schilderungen Erwähnung findet, die Geschädigte mit einem Kissen zu ersticken.

Schließlich hat auch die Zeugin u bestätigt, dass sie Anfang Oktober des Jahres 2020, kurz nachdem der Angeklagte ihr von dem Artikel berichtet habe, als der Pflegedienst die Geschädigte tief schlafend und zunächst nicht erweckbar auf der Couch vorgefunden habe, die Feuerwehr verständigt habe, da sie den Verdacht gehegt habe, der Angeklagte könnte der Geschädigten bewusst zu viele Schlaftabletten gegeben haben.

Soweit sie darüber hinaus angegeben hat, nicht damit gerechnet zu haben, dass der Angeklagte der Geschädigten etwas antun könnte, ist ihre Aussage offenkundig getragen von unredlicher Entlastungstendenz und daher unglaubhaft. Auf Vorhalt ihrer im Rahmen der Zeugenvernehmung am 27. Dezember 2020 getätigten Aussage (Bl. 88 d.A.: „Mir ist vor allem noch bleibend in Erinnerung geblieben, als mein Vater mal geschildert hat, wie er im Internet gelesen hätte, wie ein Mann seine Ehefrau umgebracht hätte, weil er einfach nicht mehr konnte. Er sagte dann, dass man manchmal denken würde, wie man einfach dem anderen ein Kissen auf den Kopf drücken könnte.“) entgegnete sie lediglich, sie erinnere sich nicht an den genauen Wortlaut ihrer Aussage  und habe immer den Eindruck gehabt, dass ihr Vater verzweifelt gewesen sei. Sie habe auch der Feuerwehr mitgeteilt, dass sie sich Sorgen mache, aber wirklich gerechnet habe sie damit nicht. Diese Erklärung ist jedoch nicht geeignet, den maßgeblichen Aussagegehalt ihrer Angaben im Rahmen der Zeugenvernehmung - nämlich, dass der Angeklagte zuvor bereits eine Tötung der Geschädigten in Betracht gezogen und dies auch offen kommuniziert hat - in Frage zu stellen, zumal diese Angaben auch mit dem übereinstimmen, was der Angeklagte gegenüber der Zeugin H geäußert hat.

Auf Vorhalt ihrer in der Strafanzeige verschriftlichten Angaben gegenüber den Zeugen M und L (Bl. 3 d.A.: „Ihr Vater spreche seit Längerem davon, dass er aufgrund der starken Demenz seiner Frau unglücklich sei und keine Lust mehr habe, zu leben. Nachdem ihr Vater in einer Zeitschrift gelesen habe, dass ein Mann seine Ehefrau getötet habe, indem er sie von einem Balkon geworfen habe, habe er immer mal wieder geäußert, dass er ihrer Mutter etwas ähnliches antun werde. Er habe beispielsweise einmal erwähnt, dass er ihrer Mutter ein Kissen ins Gesicht drücken könne, um sie zu töten. Er habe sich außerdem Schlaftabletten gekauft und auch in diesem Zusammenhang immer mal wieder geäußert, dass er diese seiner Frau verabreichen werde.“) hat die Zeugin u geäußert, das habe sie so nicht gesagt. Sie sei um 02:15 Uhr aus dem Bett geholt worden und habe den Polizeibeamten mitgeteilt, dass der Angeklagte manchmal die Wohnungstür von innen verschließe und sie daher befürchtet habe, dass die Geschädigte aus dem Fenster steigen und herunterfallen könnte.

Auch insoweit ist ihre Aussage in der Hauptverhandlung jedoch unglaubhaft. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass sowohl der Zeuge M als auch der Zeuge L die Zeugin u derart missverstanden haben könnten, dass sie eine in allen wesentlichen Punkten derart abweichende Schilderung in die Strafanzeige hätten aufnehmen können. Auch eine bewusst falsche Aufnahme der Angaben durch die Polizeibeamten hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal sie hierzu angesichts des zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Geständnisses des Angeklagten (siehe sogleich unter Abschnitt d) aa)) auch keinerlei Anlass hatten. Hinzu tritt, dass die Einlassung des Angeklagten gegenüber der Zeugin H mit den gegenüber den Zeugen M und L tatzeitnah von der Zeugin u wiedergegebenen Tötungsüberlegungen des Angeklagten korrespondiert.

c)

Die unter II. 3. getroffenen Feststellungen beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und der Aussage der Zeuginnen u, N2 und KOK’in H.

Ausweislich der auch insoweit glaubhaften Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 hat der Angeklagte ihm gegenüber angegeben, Weihnachten mit der Familie verbracht zu haben, wobei es wie jedes Jahr gewesen sei. Es sei für die anderen vielleicht harmonisch gewesen, aber nicht für ihn. Es sei alles durcheinander gewesen. Heiligabend habe man im Gartenhaus gefeiert. Er - der Angeklagte - wisse es nicht mehr. Er habe ja nichts machen können, da er nicht geschlafen habe. Er wisse auch nicht mehr, ob die jüngste Tochter - gemeint: die Zeugin T6 - da gewesen sei. Am ersten Weihnachtsfeiertag habe man bei der Enkelin zu Mittag gegessen. An mehr könne er sich nicht erinnern.

Soweit der Angeklagte angegeben hat, sich nicht mehr daran zu erinnern, ob die Zeugin T6 ebenfalls anwesend war, beruhen die diesbezüglichen Feststellungen auf der Aussage der Zeugin u. Diese hat bestätigt, dass die Zeugin T6 ebenfalls anwesend gewesen sei und am 26. Dezember 2020 mittags wieder nach Bad Honnef gefahren sei.

Soweit die Zeugin u darüber hinaus angegeben hat, der Angeklagte sei ihr positiv aufgefallen, steht dies nicht in Widerspruch zu der Einlassung des Angeklagten, für ihn sei Weihnachten nicht harmonisch gewesen und er habe nichts machen können, da er nicht geschlafen habe. Insoweit handelt es sich um eine Beschreibung seiner Psyche und seines Innenlebens, welche nicht zwangsläufig nach außen erkennbar in Erscheinung getreten sein müssen.

Darüber hinaus hat der Angeklagte ausweislich der glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen N2 und KOK’In H auch diesen gegenüber angegeben, vor der Tat zwei Tage lang nicht geschlafen zu haben.

d)

Die unter II. 4. getroffenen Feststellungen beruhen auf der Aussage des Sachverständigen Dr. med. T9 als Zeuge zu den ihm gegenüber von dem Angeklagten während der Exploration gemachten Angaben und den Aussagen der Zeugen C2, M, N, H, T4, Dr. med. N4, C, u und T6, den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. H1, der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d.A., DVD „Notruf T3“) durch Abspielen sowie der die Verletzungen der Geschädigten abbildenden Lichtbilder Bl. 140 bis 149, 363 bis 365 d.A. und Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 7. Juni 2021 und der das Tatwerkzeug abbildenden Lichtbilder Bl. 58 (Lichtbild unten) und 59 d.A. (Lichtbild oben), auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird, dem serologischen Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (Bl. 325 bis 329 d.A.) und dem von dem Angeklagten unter dem 3. Januar 2021 an die Zeugin u verfassten Brief (Bl. 264 bis 267 d.A.), welche jeweils im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, und den Tatumständen.

aa)

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung - abgesehen von einzelnen spontanen kommentierenden Bekundungen - von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht.

Der Sachverständige Dr. med. T9 hat - insoweit als Zeuge - ausgesagt, ihm gegenüber habe der Angeklagte sich eingelassen, er könne sich nicht mehr an die Nacht erinnern und wisse nicht mehr, was er gemacht habe. Es sei so schlimm gewesen, es sei immer schlimmer geworden. Seit etwa Oktober/November 2020 habe er es nicht mehr aushalten können. Tagelang habe er nicht geschlafen. Tagsüber habe er seine Frau pflegen müssen. Er sei fast verrückt geworden. Er habe weder tagsüber noch nachts geschlafen. Er und seine Frau seien am 26. Dezember um 20:30/21:00 Uhr zu Bett gegangen. Ab dann habe er einen „Filmriss“. Wahrscheinlich habe er auch Alkohol getrunken, abends ein bisschen, „aber nur kleine Schlucke, nicht viel“. Er habe die üblichen Tabletten wie jeden Tag genommen. Es sei so schrecklich gewesen, dass er „irgendwie durchgedreht“ sei. Irgendwann setze die Erinnerung wieder ein und er sei in Oberhausen in ein Krankenhaus gebracht worden.

Der Angeklagte hat die Tat jedoch im Rahmen des abgesetzten Notrufs gegenüber dem Zeugen C2 und im Nachgang gegenüber den Zeugen M, N und H gestanden.

Der Zeuge C2 hat insoweit bekundet, den in der Hauptverhandlung durch Abspielen in Augenschein genommenen Notruf des Angeklagten (Bl. 374 d. A., DVD „Notruf T3“) am 27. Dezember 2020 um 01:29 Uhr entgegengenommen zu haben. Der Notruf habe sich so abgespielt, wie auf der Audio-Datei zu hören. Danach hat der Notruf bis zur 10. Minute folgenden Inhalt:

Beamter der Leitstelle der Berufsfeuerwehr (im Folgenden: F): Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst, Feuerwehr Oberhausen. Wo ist der Notfallort?

Angeklagter (im Folgenden: A): Ja, Hallo T3, ich wollte mich eben umbringen und meine Frau. Äh, Y-Straße.

F: Y-Straße?

A: Y-Straße.

F: In Buschhausen?

A : Bitte? Nein, Oberhausen.

F: In Schwarze Heide, Oberhausen, ja?

A: Ja, ja.

F: Welche Etage ist das bei Ihnen Herr T3?

A: Erste Etage, ich wollte mich umbringen aber das Messer war zu stumpf.

F: Was ist mit Ihrer Frau?

A: Ja, eh, wir leben beide noch, aber äh, ich weiß nicht was ich jetzt machen soll. Kommen Sie!

F: Ja, äh, Ihre Frau ist aber in Ordnung oder was haben Sie mit dem Messer gemacht?

A: Äh, ja wir bluten beide sehr stark aber…

F: Sie bluten beide sehr stark.

A: Ja.

F: Wo bluten Sie denn wo haben Sie das Messer denn angesetzt?

A: Es hat leider nicht geklappt.

F: Ja, Sie wollten sich beide umbringen?

A: Ich, nein, ich wollte meine Frau umbringen...

F: Sie wollten Ihre Frau umbringen?

A: Ja und dann mich .... Aber es hat leider nicht geklappt.

F: Es hat leider nicht geklappt und jetzt, Ihre Frau, ist sie noch wach und ansprechbar?

A: Ja, die läuft da rum. Ich weiß nicht. Sie hat auch viel, einiges, Blut verloren.

F: Ja.

A: Auch ich. (stöhnt)

F: Ok.

A: kann nicht mehr.

F: Ok, Ich schick Ihnen mal die Hilfe zu Ihnen raus, ja, Herr T3, ne?

A: Ja, ja.

F: Wo haben Sie denn, wo ist denn das Messer jetzt?

A: Das liegt bei mir hier.

F: Das legen Sie aber jetzt weg wenn die Rettungskräfte kommen, ja?

A: Ja, ja ...

F: Und Sie machen auch keine Dummheiten mehr, Herr T3?

A: Ja ich hoffe, ich hoffe.

F: So ich bleib in der Leitung bis der Rettungsdienst kommt. Machen wir das so? Ich bleib bei Ihnen jetzt in der Leitung, ·ne?

A: Ja. Gut. Gut.

F: So. Gut. Ja, ich bleib bei Ihnen in der Leitung erst mal und Sie sagen mir weiter, was Sie, was Sie, warum Sie das machen möchten oder machen wollten, ja?

A: Ja. Ich ... es halt leider nicht geklappt, das Messer ist nicht so scharf.

F: Ja und wollten Sie, Ihre Frau, wollte die das auch oder haben Sie das von sich aus machen wollen?

A: Ne ich wollte erst meine Frau umbringen natürlich und dann mich. Also ich (stöhnt)

F: Mhmh…

A: Ich habe einfach keine Lust mehr zu leben.

F: Ok.

A: Ja.

F: Ja. Aber, jetzt geht wieder alles? Jetzt ist wieder alles gut, oder?

A: Ja, gut nicht. Es ist alles voll Blut hier.

F: Bitte?

A: Es ist alles voll Blut hier.

F: Es ist alles voll Blut.

A: Ja.

F: Mh. Wir kommen schneit ja? Ich hab die ...

A: Ja.

F: Das Messer tun Sie aber bitte an die Seite, Herr T3. Haben Sie ja gesagt, ne?

A: Y-Straße. Ja ...

F: Ja, Y-Straße, wie gesagt, den Rettungsdienst hab ich schon alarmiert, ne?

A: Ja, danke.

F: Wo hat Ihre Frau denn die Verletzungen?

A: Ich hab Ihr versucht den Hals aufzuschneiden.

F: Den Hals haben Sie versucht aufzuschneiden; bei sich oder bei Ihrer Frau?

A: Aber es hat leider nicht geklappt.

F: Ja.

A: Es halt leider nicht geklappt.

F: Es hat leider nicht geklappt aber wie gesagt, wir haben den Rettungsdienst schon alarmiert, ne? Die helfen Ihnen auf jeden Fall weiter, ne?

A: Mhmh

F: Ja?

A: Mhmh ... Ok.

F: Sie bleiben bitte bei mir in der Leitung, ne? Ich ... Wie tief ist denn die Schnittwunde bei Ihrer Frau am Hals oder bei Ihnen?

A: Ich weiß es ... ich, ich ...

F: Sie wissen es nicht?

A: Ich kann es nicht sagen, ich kann es nicht sagen.

F: Ja.

A: Sie lebt noch und läuft rum, aber ...

F: Sie lebt noch und läuft rum, das ist gut. Aber Ihre Frau möchte sich, Herr T3...

A: Bitte?

F: Herr T3

A:Ja?

F: Hören Sie mich noch?

A: Bitte?

F: Herr T3, Sie können mich hören?

A: Ich höre Sie noch. Ja.

F: Ja, weil Sie werden leiser. Wo haben Sie denn Ihre Blutungen? Wo bluten Sie der:1n?

A: Ich hab mir versucht mir den Hand ... Hand ... Handpuls aufzuschneiden aber es hat nicht geklappt. Das Messer, Messer ist wohl nicht scharf.

F: Das hab ich schon verstanden. Aber bluten Sie denn jetzt noch sehr stark am Hals? Wo haben Sie das denn am Hals gemacht?

A: Ne, ne, ... ja ... es ist wenig aber ... (stöhnt) ... ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

F: Ja, wie gesagt, ...

A:· Ich will nicht mehr leben.

F: Wir, wir, wir schicken Ihnen die Rettungskräfte jetzt raus. Die helfen Ihnen ja weiter, ne?

S: Mhmh…

F:Ja?

A: Mhmh.

F: Ok?

A: Mhmh.

F: Und Sie bleiben noch ein bisschen in der Leitung. Sie können die Tür aber öffnen, wenn der Rettungsdienst kommt?

A: Ja, ich, äh, ich hoffe, dass meine Frau das kann. Ich kann nicht mehr aufstehen.

F: Wieso können Sie nicht mehr aufstehen?

A: Ja, mir ist, mir ist zu schwindelig.

F: Ihnen ist zu schwindelig. Dann machen Sie mal bitte die Tür schon mal auf. Oder Ihre Frau soll die Tür schon mal öffnen, ja?

A: Ja hier oben. Aber dann muss unten die Tür auch aufgemacht werden.

F: Ja, unten macht bestimmt, ja, dann soll mal, dann machen Sie mal den Türdrücker oder was, oder direkt, ne?

A: Ja, das geht ja nicht. Da muss erst einer draußen klingeln und dann kann man die Tür aufdrücken.

F: Wohnt denn da noch jemand in dem Haus?

A: Ja, meine Tochter, unten.

F: Und Ihre Tochter die ist jetzt wach und könnte dann unten die Tür öffnen?

A: Nein, die kann nicht, das kann nur ich machen.

F: Wie alt ist denn Ihre Tochter, Herr T3?

A: Bitte?

F: Wie alt ist Ihre Tochter?

A: Wie alt?

F: Ja.

A: 50.

F: Ihre Tochter ist 50 und die wohnt mit im Haus?

A: Ja, die wohnt unten im Haus.

F: Und die ist, die ist unten jetzt, ja? Und die könnte man telefonisch erreichen?

A: Och ja, u heißt die. Aber ich weiß es ... also, ich kann nicht mehr.

F: Ja.

A: Ich kann nicht mehr.

F: Alles gut, Herr u, äh Herr T3, ja aber ich bin ja jetzt erstmal bei Ihnen am Telefon, ne? Aber warum wollten Sie das denn machen? Was ist denn los?

A: (stöhnt) Ich kann nicht schlafen und, ach ne, ich kann nicht mehr.

F: Ja.

A: Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr leben.

F: Aber es gibt doch deswegen kein Grund... Wir helfen Ihnen doch jetzt weiter, Herr T3.

A: Ja, ja, ja, ja ...

F: Es wird Ihnen dann auch geholfen und ...

A: Ja wenn die kommen, dann kann meine Frau ... äh, äh, Kannst du die Tür aufmachen, Ute? Sie müssen

bloß klingen. Ah, ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich fall gleich um.

F: Ja, Sie fallen gleich um aber Sie bleiben bitte bei mir noch in der Leitung. Versuchen Sie solange

noch mit mir zu sprechen, ja? Und Sie versuchen wach zu bleiben, ne? Herr T3, ja?

A: Mh.

F: Ok?

A: Mh.

F: Und ... die Wohnungstür ist offen; Haustür noch nicht.

A: Ne, die Wohnungstür, ist. ..

F: Die Wohnungstür, kann Ihre Frau aber öffnen, ne? Unten auch, wenn, wenn geklingelt wird, ne?

A: Ja, unten auch. Muss den Türdrücker auf (unverständlich) Ich kann nicht mehr.

F: Aber Ihre Frau kann das noch? Ihre Frau kann die Tür öffnen?

A: Ute, kannst du die Tür, kannst. .. ? Ja, es muss erst unten jemand klingeln!

F: Ja. Das machen die gleich, die klingeln gleich bei Ihnen.

A: Mhmh.

F: Ja? Ok?

A: Mhh.

F: Die klingeln gleich bei Ihnen Herr T3, ne?

A: Mhhhh.

F: Ja. Ok. Und jetzt, wie fühlen Sie sich denn jetzt gerade, Herr .T3, mh?

A: Ach, ich, ich will nicht mehr leben.

F: Ach, hören Sie mal, Sie haben doch, Sie haben doch ´ne Frau, Sie haben ´ne Tochter. Die wollen Sie doch nicht alleine lassen?

A: Ja, ja, ja ... alles ok. Ich mach nicht mit. Ich will nicht mehr leben.

F: Ja aber warum, was ist denn mit Ihrer Frau? Die ist noch ganz ... Ihre Frau die spricht auch noch mit Ihnen? Die ist ok?

A: Ja, ja, die ist ok. Die, äh, ...

F: Was sagt Ihre Frau, was sagt Ihre Frau denn gerade im Hintergrund? Ich höre sie sprechen.

A: Ach sie ist auch ziemlich dement.

F: Ach, die ist dement Ihre Frau

A: Ja. Pflegestufe 4, deswegen, ...

F:Ja

A: (stöhnt) Ich kann nicht mehr.

F: Aber Y-Straße ist richtig, ne?

A: Ja, ist richtig.

F: Ja, wie gesagt, die Kollegen die sind gleich bei Ihnen und die helfen Ihnen dann auf jeden Fall weiter erst mal, ne?

A: Ja.

F: Ja, die versorgen Sie dann und Ihre Frau, ne? Mh? Ok?

A: Und da kommt gleich ... ?

F: Ja aber Sie bleiben noch bitte solange bei mir am Telefon bis dann der Rettungsdienst auch da ist, ja? Und das Messer haben Sie weggelegt, ne?

A: Das Messer, das Messer liegt hier vor mir. Ja.

F: Das brauchen Sie aber nicht. Tun Sie das Messer mal weit von sich weg legen, ja?

A: Ja, ja, ne, es, es ....

F: Und, ... Sie versprechen mir auch, dass Sie jetzt keine Dummheiten mehr machen, ja?

A: Ja, ja, ja.

F: Weil ich bin schließlich auch bei Ihnen. Ich möchte Ihnen ja weiterhelfen.

A: Ja. Gut. Danke.

F: Ok. Herr T3, es gibt doch für alles immer eine Lösung, mh? Ok.

A: Ja.

C: F: Und die Kollegen sind dann gleich bei Ihnen und nehmen sich Ihnen auch an und hören Ihnen auch zu, ja? Dann können Sie denen erzählen was denn Ihre Probleme sind, ne?

A: Ja. Hoffentlich kommen die bald. (nicht verständlich)

F: Die sind jetzt gleich bei Ihnen. Die kommen gleich.

A: Ja.

F: Die helfen Ihnen. Und das Messer packen Sie weit weg von sich nicht, dass das bei Ihnen gleich noch liegt wenn der Rettungsdienst jetzt kommt.

A: Ja, ne, ne das mach ich (undeutlich) ich mach nicht mehr, das ist ja zu stumpf. Das geht jetzt nicht mehr.

F: Mh, ja, aber Sie haben ja damit, mit dem Messer, ja versucht sicn den Hals aufzuschneiden.

A: Mh.

F: … und Ihrer Frau, ne? Deswegen legen Sie das Messer bitte weg. Nicht, dass das gleich noch falsch verstanden wird. Wie fühlen Sie sich denn jetzt denn noch? Sind Sie immer noch schläfrig?

A: Ich fühl mich kotzelend.

F: Sie fühlen sich kotzelend. Ja Ihre Frau möchte dann bitte mal den Türdrücker öffnen, unten, ja?

A: Ja, es muss aber erst jemand kommen und aufmachen.

F: Ja, die die schellen gleich, ne?

A: Ja, ja, ja .... Wo sind die denn?

F: Die sind jetzt gleich bei 0lhnen auf der Straße schon da, die Kollegen, ne? Aber wie gesagt, ähm,

A: Ute, geh mal an die Tür, die kommen gleich, dann klingeln.

F: Die Kollegen sind jetzt gleich bei Ihnen, ne?

A: Mhhh. Ja guck -(es klingelt)- drück, drück mal unten drauf. Drück mal unter diese, die sind da. Drück mal unten drauf!

F: Und Sie sagen mir wenn Sie die Tür geöffnet haben, ja? Und die Kollegen rein gekommen sind.

              (…)

Ausweislich der Aussage des Zeugen M hat der Angeklagte auch ihm gegenüber angegeben, er - der Angeklagte - habe versucht, zuerst seiner Frau und dann sich selbst das Leben zu nehmen. Dies sei ihm jedoch misslungen, da die Klinge des Messers zu stumpf gewesen sei. Er sei körperlich am Ende und wolle einfach nicht mehr leben.

Die Zeugin N hat damit übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe sich im Rettungswagen eingelassen, er habe seine Ehefrau am Hals verletzt und habe sich umbringen wollen. Da jedoch das Messer zu stumpf gewesen sei, sei dies misslungen. Er habe sich das Leben nehmen wollen, weil er seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen habe.

Gegenüber der Zeugin H hat der Angeklagte ausweislich ihrer Bekundungen in der Hauptverhandlung schließlich angegeben, er sei einfach froh, dass er nun erst mal seine Ruhe habe. Keinem sei bewusst, was er in der letzten Zeit mit seiner dementen Frau durchgemacht habe. Die letzten zwei Nächte habe er wegen seiner Frau nicht geschlafen und sich nur mit ihr beschäftigt. Er sei am Ende und könne nicht mehr. Vor einiger Zeit habe er in der Zeitung gelesen, dass ein Mann in Augsburg versucht habe, seine Frau und sich zu töten. Wie der Mann in Augsburg sei auch er gescheitert. Er wisse zwar, dass es nach dem Gesetz nicht richtig sei, aber seine Beweggründe seien nicht kriminell.

Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen C2, M, N und H haben sich nicht ergeben.

Demnach hat der Angeklagte unmittelbar nach der Tat diese und darüber hinaus auch seine Motivlage, nämlich seine Überforderung mit der häuslichen Situation, gegenüber vier Zeugen gestanden. Das Geständnis ist auch glaubhaft.

Das Geständnis wird zunächst gestützt durch die von der Geschädigten erlittenen Verletzungen im Halsbereich, bezüglich derer die Feststellungen auf den Aussagen der Zeugen M, T4, Dr. med. N3 und H, der Inaugenscheinnahme der die Verletzungen der Geschädigten abbildenden Lichtbilder Bl. 140 bis 149 d.A. sowie Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 7. Juni 2021 und den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. med. H1 beruhen.

Der Zeuge M hat diesbezüglich bekundet, sich nach Eintreffen in der Wohnung zu der Geschädigten begeben zu haben. Dort habe er festgestellt, dass die Geschädigte blutende Verletzungen u.a. im Halsbereich gehabt habe und der Brustbereich ihres weißen Nachthemdes mit Blut durchtränkt gewesen sei. Die Zeugin T4 hat damit im Einklang stehend bekundet, sie habe die Geschädigte ins Krankenhaus begleitet, wo diese in der Notaufnahme behandelt worden sei. Die Geschädigte habe u.a. zwei ca. 4 cm lange und 1-2 cm tiefe Schnittverletzungen an der linken Halsseite und vorne am Hals in Höhe des Kehlkopfes gehabt, welche auch der Zeuge Dr. med. N3 bestätigt hat. Dieser hat bekundet, die Geschädigte behandelt und in diesem Zusammenhang mehrere Schnittverletzungen am Hals festgestellt zu haben. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. med. H1 anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder Anlage 1 zum Protokoll vom 7. Juni 2021 sowie Bl. 140 bis 149 d.A. ausgeführt, dass die Geschädigte u.a. zwei 4 cm lange und ca. 1 cm tiefe Schnittverletzungen an der linken Halsseite und vorne am Hals in Höhe des Kehlkopfes erlitten habe.

Das Geständnis des Angeklagten wird darüber hinaus dadurch gestützt, dass ausweislich der Aussage der Zeugen M und L diese ein auf dem Rollator des Angeklagten abgelegtes blutiges Messer aufgefunden haben, wobei die Feststellungen dazu, dass es sich um ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm handelte, auf der Aussage der Zeugin C und der Inaugenscheinnahme der ein Küchenmesser mit augenscheinlich Blutanhaftungen abbildenden Lichtbilder Bl. 58 (Lichtbild unten) und 59 d.A. (Lichtbild oben)  beruhen. Die Zeugin C hat insoweit ausgesagt, im Rahmen der Tatortbegehung das auf den Lichtbildern abgebildete Messer auf dem Wohnzimmertisch vorgefunden zu haben, wobei es dort zuvor spurenschonend in einer Plastikbox gesichert worden sei. Sie habe das Messer, bei dem es sich nach den o.g. Lichtbildern offenkundig um ein Küchenmesser handelt, ausgemessen, wobei es eine Gesamtlänge von 22 cm und eine Klingenlänge von 10 cm aufgewiesen habe.

Dass es sich dabei um das Tatmesser handelt, beruht auf dem im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten serologischen Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (Bl. 325 bis 329 d.A.), an dessen Richtigkeit sich keine Zweifel ergeben haben und wonach die Blutspuren auf dem Griff und der Klinge des untersuchten Messers, das nach Vergleich des in dem Gutachten enthaltenen, das untersuchte Messer abbildenden Lichtbildes (Bl. 328 d.A.) mit dem auf den Lichtbildern Bl. 58, 59 d.A.  abgebildeten Messer optisch identisch ist, der Geschädigten als Hauptverursacherin zuzuordnen seien, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass die Spuren von einer unbekannten, mit der Geschädigten nicht blutsverwandten Person stammen, bei 1 zu mehr als 30 Milliarden liege. Darüber hinaus seien auf dem Messer DNA-Merkmale  festgestellt worden, die von einer unbekannten männlichen Person stammten. Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte die Tat, wie bereits festgestellt, gestanden hat und nichts dafür ersichtlich ist, dass sich eine andere männliche Person zur Tatzeit in der Wohnung der Eheleute aufgehalten haben könnte, können diese Spuren zur Überzeugung der Kammer nur von dem Angeklagten stammen.

Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. med. H1 nach Inaugenscheinnahme der das Tatmesser abbildenden Lichtbilder Bl. 58, 59 d.A. ausgeführt, dass das dort abgebildete Messer geeignet sei, die Verletzungen der Geschädigten im Halsbereich zu verursachen.

Soweit der Angeklagte sich eingelassen hat, die Tat aufgrund seiner Überforderung mit der häuslichen Situation begangen zu haben, wird die Einlassung insoweit zunächst gestützt durch die Aussagen der Zeuginnen u und T6, die mit seiner Einlassung korrespondierend, übereinstimmend und daher glaubhaft die zunehmende körperliche Erschöpfung und Überforderung des Angeklagten bestätigt haben. Die Zeugin T6 hat darüber hinaus bekundet, dass der Umgangston des Angeklagten mit der Geschädigten sich mit der Zeit verändert habe. So sei der Angeklagte, auch wenn es ihm im Nachgang leidgetan habe, gelegentlich ungeduldig geworden und habe in einem schrofferen Ton mit der Geschädigten gesprochen. Auch dies lässt sich zwanglos mit der zunehmenden Überforderung des Angeklagten und seiner Tatmotivation in Einklang bringen. Darüber hinaus ergibt sich die Motivation des Angeklagten zur Tat auch aus dem von ihm unter dem 4. Januar 2021 an die Zeugin u verfassten und im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Brief (Bl. 264 bis 267 d.A.), in dem es u.a. wie folgt lautet: „Mama geht es gut, sie ist in einem Heim in Honnef + Nette (gemeint: die Zeugin T6) kümmert sich um sie. So ist meine Tat, so makaber das klingt, letztlich gut, auch für mich: Was dir + Nette nicht gelang, Mama ist versorgt und außer „ein paar Schrammen“ ist nichts passiert. Man fragt sich: warum nicht vor 6 Wochen schon, warum mußte das Schreckliche erst passieren?? Für mich gilt das Gleiche: Für mich ist dieser unmenschliche Druck genommen.“

bb)

Die Feststellungen zur Tatzeit beruhen auf der Aussage des Zeugen C2 und der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d.A., DVD „Notruf T3“) durch Abspielen.

Der in der Hauptverhandlung abgespielten Audio-Datei (Bl. 374 d.A.) ist, wie bereits dargestellt, zu entnehmen, dass der Angeklagte im Rahmen des um 01:29 Uhr abgesetzten Notrufs dem Zeugen C2 mitteilte, er habe „eben“ sich und seine Frau umbringen wollen, sodass die Kammer überzeugt ist, dass zwischen der Tatbegehung und des Absetzens des Notrufs ein lediglich kurzer Zeitraum verstrichen ist. Da der Angeklagte jedoch zum Tatzeitpunkt alkoholisiert war und vor diesem Hintergrund zum Zwecke der Prüfung einer Anwendung des § 21 StGB eine Rückrechnung zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt vorzunehmen war, hat die Kammer ihren Feststellungen zugunsten des Angeklagten einen großzügigen Tatzeitraum von 0:30 bis 1:28 Uhr zugrunde gelegt.

cc)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte der Geschädigten die Schnitte im Halsbereich zu einem Zeitpunkt beigebracht hat, als die Geschädigte sich in liegender Position befand und daher in ihren Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, eingeschränkt war und der Angeklagte diesen Umstand bei Tatbegehung ausnutzen wollte, beruhen auf der Aussage der Zeugin C, der Inaugenscheinnahme der die Tatörtlichkeit abbildenden Lichtbilder Bl. 49 (Lichtbild oben), 50 bis 53 d.A. (Lichtbild oben) und den Tatumständen.

Die Zeugin C hat unter Zuhilfenahme der Lichtbilder erläutert, dass sie u.a. in dem Ehebett im Schlafzimmer auf der zur Zimmertür gewandten Bettseite, bezüglich derer der Angeklagte in der Hauptverhandlung bestätigt hat, dass es sich um die von der Geschädigten genutzten Bettseite handelte, und auf der dieser Bettseite zuzuordnenden Hälfte der Bettdecke großflächige Blutspuren festgestellt habe (Bl. 49 (Lichtbild oben), 50 bis 53 d.A. (Lichtbild oben)). Ausweislich der insoweit in Augenschein genommenen Lichtbilder befinden sich sämtliche Blutspuren auf der Hälfte des Bettes bzw. der Bettdecke, an dem sich das  Kopfende befindet. Insbesondere die Blutspuren auf der Bettdecke, die ausweislich des serologischen Gutachtens des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ausschließlich der Geschädigten zuzuordnen sind, befinden sich in einem Bereich, mit dem für gewöhnlich der Brust- bzw. Halsbereich zugedeckt werden. Darüber hinaus handelt es sich um großflächige - nach den Bekundungen der Zeugin C und auf Grundlage der in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 51 bis 53 d.A. (Lichtbild oben) sich über eine Fläche von etwa 40 x 80 cm erstreckende - Blutspuren, die zur Überzeugung der Kammer in dieser Intensität nicht entstanden wären, wenn sich die Geschädigte zum Zeitpunkt des Angriffs durch den Angeklagten in sitzender Position befunden hätte, denn in diesem Fall wäre das Blut überwiegend in das Nachthemd der Geschädigten gelaufen und es wären kleinflächigere Spuren im Bett entstanden.

Die Kammer ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte sich den Umstand, dass die Geschädigte sich zum Zeitpunkt des Angriffs in liegender Position befand und daher in ihren Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, eingeschränkt war, bei der Tatbegehung zunutze machen wollte. Ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 140 und 141 d.A., die die Geschädigte in ihrer gesamten Statur abbilden, und der Aussagen der Zeuginnen u und T6, war die Geschädigte dem Angeklagten körperlich überlegen. Die Zeuginnen haben insoweit übereinstimmend bekundet, die Geschädigte sei körperlich fit gewesen, während der Angeklagte körperlich angeschlagen, gangunsicher und auf den Rollator angewiesen gewesen sei. Hiermit übereinstimmend haben auch die Zeugen M und L den körperlich angeschlagenen Zustand des Angeklagten bestätigt. Sie haben übereinstimmend angegeben, der Angeklagte sei körperlich instabil gewesen und habe sich die ganze Zeit auf dem Rollator abstützen müssen. Der Zeuge L hat darüber hinaus bekundet, er habe sich gewundert, dass der Angeklagte überhaupt in der Lage gewesen sei, die Tat zu begehen. Der Zeuge M habe ihm - dem Angeklagten - sogar aus dem Stuhl helfen müssen.

Darüber hinaus hat der Angeklagte die Tat zur Nachtzeit begangen, mehrere Stunden nachdem das Ehepaar - so die Einlassung des Angeklagten - bereits zu Bett gegangen war, wobei die Kammer keine Feststellungen dazu zu treffen vermochte, ob die Geschädigte zum Zeitpunkt des Angriffs auch schlief. Schließlich belegt auch der weitere Tatverlauf, nämlich die Abwehrversuche der Geschädigten, das Verlassen des Ehebettes und das unterbliebene Nachgehen durch den Angeklagten (vgl. sogleich unter Ziff. III. 2. d) ee)), dass der Angeklagte bewusst, um den Erfolg seines Vorhabens zu gewährleisten, einen Zeitpunkt gewählt hat, in dem die Geschädigte in ihren Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt war.

dd)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte die Schnitte in den Halsbereich der Geschädigten in der Absicht beibrachte, diese zu töten, beruhen auf den Aussagen der Zeugen C2, M, N und H, der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d. A. DVD, „Notruf T3“) durch Abspielen sowie den Tatumständen.

Ausweislich der Aussage des Zeugen C2 und der durch Abspielen in Augenschein genommenen Audio-Datei  hat der Angeklagte im Rahmen des Notrufs insgesamt fünf Mal geäußert, er habe seine Frau umbringen wollen und es habe „leider nicht geklappt“. Darüber hinaus hat er seine Tötungsabsicht auch gegenüber den Zeugen M, N und H eingeräumt (vgl. Ausführungen unter Ziff. III. 2. d) aa)). Hinzukommt, dass der Angeklagte eine äußerst gefährliche Tathandlung vorgenommen hat, indem er der Geschädigten mit einem gefährlichen Tatwerkzeug, einem Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm, in den Halsbereich und damit einen „hochsensiblen“ Körperbereich, in dem sich u.a. überlebenswichtige Arterien und Venen befinden, erhebliche Schnitte zugefügt hat. Bezüglich der Gefährlichkeit dieser Verletzungen haben sowohl der Zeuge Dr. med. N3 als auch der Sachverständige Dr. med. H1 ausgeführt, dass durch den Schnitt in die linke Halsseite die Hauptschlagader getroffen worden wäre, wenn der Schnitt etwas tiefer gewesen wäre. Hinsichtlich des Schnittes vorne am Hals in Höhe des Kehlkopfes hat der Sachverständige darüber hinaus ausgeführt, dass dieser geeignet gewesen wäre, die Luftröhre zu öffnen, wenn er etwas tiefer gewesen wäre. Demnach war es zur Überzeugung der Kammer lediglich auf einen - von dem Angeklagten nicht kontrollierbaren und von seiner Tötungsabsicht unabhängigen - Zufall zurückzuführen, dass die Schnitte in den Hals letztlich nicht tödlich waren.

Dass der Angeklagte die Tat aufgrund seiner Überforderung mit der häuslichen Situation  begangen hat, stellt seine Tötungsabsicht nicht in Frage. Im Gegenteil war die Tötung der Geschädigten nach seiner Vorstellung die einzige Möglichkeit und demnach notwendiges Mittel, um seiner als ausweglos empfundenen Lage zu entkommen. Hierfür spricht auch, dass die Tat nicht Folge einer plötzlichen emotionalen Aufwallung des Angeklagten war, sondern er nach den getroffenen Feststellungen die Tötung der Geschädigten seit geraumer Zeit in Betracht gezogen hat.

ee)

Die Feststellungen dazu, dass die Geschädigte zunächst versuchte, die von dem Angeklagten vorgenommenen weiteren Schnitt- und Stichversuche mit beiden Händen  abzuwehren und sich dann seinem unmittelbaren Zugriffsbereich entzog, indem sie das Ehebett verließ und das Badezimmer aufsuchte, beruhen auf den Aussagen der Dr. med. N3, H, C, M und L, den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. H1 sowie der Inaugenscheinnahme der die Verletzungen der Geschädigten und die Tatörtlichkeit abbildenden Lichtbilder Bl. 39 (Lichtbild oben), 40 (Lichtbild unten), 41 bis 44 (Lichtbild oben), 47, 49 (Lichtbild unten), 50 (Lichtbild unten) sowie 140 bis 149 d.A..

Der Zeuge Dr. med. N3 hat insoweit bekundet, neben den Schnittverletzungen am Hals auch zahlreiche Schnittverletzungen an den Händen festgestellt zu haben, die sämtlich oberflächlicher Natur gewesen seien.

Die Zeugin H hat bekundet, die Geschädigte aufgesucht und ihre Verletzungen auf den Lichtbildern Bl. 140 bis 149 d.A. dokumentiert zu haben. Ergänzend hierzu hat der Sachverständige Dr. med. H1 auf Grundlage dieser Lichtbilder die abgebildeten Verletzungen begutachtet und hierzu ausgeführt, dass die Verletzungen an den Händen kreuz und quer verliefen, unregelmäßig und unterschiedlich tief, teilweise kratzerähnlich seien und daher als typische Abwehrverletzungen zu werten seien. Diesen anschaulichen und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung an.

Die Feststellungen dazu, dass die Geschädigte das Ehebett verließ und das Badezimmer aufsuchte, beruhen auf der Aussage der Zeugin C und der Inaugenscheinnahme der die Tatörtlichkeit abbildenden Lichtbilder Bl. 39 (Lichtbild oben), 40 (Lichtbild unten), 41 bis 44 (Lichtbild oben), 47, 49 (Lichtbild unten), 50 d.A. (Lichtbild unten).

Die Zeugin C hat unter Zuhilfenahme der o.g. Lichtbilder insoweit bekundet, u.a. auf dem Boden des Schlaf-, Wohn- und Badezimmers sowie des Flures zahlreiche Blutstropfen festgestellt zu haben, wobei die Blutspur  im Schlafzimmer beginne und durch das Wohnzimmer in Richtung des Flures führe. Da das Badezimmer an den Wohnungsflur angrenzt und nach den übereinstimmenden und daher glaubhaften Aussagen der Zeugen M und L diese die Geschädigte beim Eintreffen am Tatort am Badezimmertürrahmen stehend vorgefunden zu haben, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Geschädigte sich vor dem fortlaufenden Angriff des Angeklagten aus dem Schlafzimmer ins Badezimmer flüchtete.

ff)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Geschädigte das gemeinsame Ehebett verließ und sich in Richtung des Badezimmers entfernte, aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht in der Lage war, der Geschädigten unmittelbar zu folgen und die Tat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und ohne eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang zu setzen, hätte fortsetzen oder vollenden können, beruhen auf den Aussagen der Zeugen C2 und C, der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d.A., DVD „Notruf T3“) durch Abspielen und den Tatumständen.

Ausweislich der Aussage des Zeugen C2 und der durch Abspielen in Augenschein genommenen Audio-Datei hat der Angeklagte im Rahmen des Notrufs insgesamt fünf Mal geäußert, er habe seine Frau umbringen wollen, es habe aber „leider nicht geklappt“. Darüber hinaus äußerte er insgesamt vier Mal, das Messer sei zu stumpf bzw. nicht scharf genug gewesen.

Aus diesen Äußerungen folgt zur Überzeugung der Kammer zum einen, dass der Angeklagte erkannte, dass er mit dem ihm unmittelbar zur Verfügung stehenden Tatwerkzeug - ein anderes taugliches Tatwerkzeug wurde im Rahmen der Tatbegehung im Schlafzimmer ausweislich der Aussage der Zeugin C nicht vorgefunden - die Tat nicht würde vollenden können. Er hätte vielmehr einen neuen Tatplan fassen, sich in die Küche begeben und ein anderes Messer an sich nehmen müssen. Darüber hinaus folgt aus seiner Äußerung, es habe „leider nicht geklappt“, dass er selbst davon ausging, dass sein Tatplan gescheitert war und er dies bedauerte. Diese Vorstellung des Angeklagten beruhte zur Überzeugung der Kammer zum einen auf dem von ihm als zu stumpf empfundenen Messer, zum anderen darauf, dass er, auch für den hypothetischen Fall, dass er die Verwendung eines weiteren Tatwerkzeuges in seinen Tatplan aufgenommen und dieses ihm auch unmittelbar zur Verfügung gestanden hätte, aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht in der Lage war, einerseits der Geschädigten ohne erhebliche zeitliche Zäsur in das Badezimmer zu folgen, andererseits die körperlich überlegene und mobile Geschädigte, ohne dass mit einer erheblichen Abwehr ihrerseits zu rechnen wäre, tödlich zu verletzen, wobei diese Umstände dem Angeklagten zur Überzeugung der Kammer auch bewusst waren. Ansonsten wäre er nicht von einem Scheitern seines Tatplanes ausgegangen. Hierfür spricht auch, dass er für die Begehung der Tat bewusst einen Zeitpunkt gewählt hat, zu dem sich das Ehepaar bereits zu Bett begeben hatte und er im Rahmen des Notrufs ausweislich der Aussage des Zeugen C2 und der durch Abspielen in Augenschein genommenen Audio-Datei geäußert hat, er wisse nicht, was er jetzt machen solle und könne nicht mehr, letzteres insgesamt zehn Mal.

e)

Die unter II. 5. getroffenen Feststellungen beruhen auf den Aussagen der Zeugen L, T4, Dr. med. N3, H, den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. H1 und der Inaugenscheinnahme der die Verletzungen der Geschädigten abbildenden Lichtbilder Bl. 140 bis 149 d.A. sowie Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 7. Juni 2021, auf welche wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird.

Hinsichtlich der die Verletzungen der Geschädigten im Halsbereich und deren Gefährlichkeit betreffenden Aussagen der Zeugen L, T4, Dr. med. N3, H und Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. H1 wird zunächst auf die Ausführungen unter III. 2. d) aa), cc) verwiesen.

Der Zeuge Dr. med. N3 hat darüber hinaus bekundet, er habe die Verletzungen am Hals, Handgelenk und im Dekolletébereich unter Lokalbetäubung genäht. Nach seiner Erfahrung sei eine folgenlose Verheilung der Verletzungen zu erwarten. Hiermit in Einklang stehend hat die Zeugin u bestätigt, die Verletzungen seien zwischenzeitlich ausgeheilt.

Der Sachverständige Dr. med. H1 hat ausgeführt, dass sämtliche Verletzungen der Geschädigten Schnittverletzungen seien. Insbesondere die Verletzungen am Hals hätten zwar zu einem erheblichen Blutverlust geführt, jedoch seien insgesamt keine lebensnotwendigen Gefäße verletzt worden. Der Schnitt am rechten Handgelenk sei, ebenso wie die Verletzungen am Hals, tief gewesen. Jedoch sei der Schnitt auf der Ellenseite erfolgt, wo nur eine kleinere Schlagader verlaufe, sodass der erfolgte quer verlaufende Schnitt nicht lebensgefährlich gewesen sei. Die übrigen Verletzungen seien oberflächlich und nicht lebensgefährlich gewesen.

Auch insoweit schließt sich die Kammer den anschaulichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen aufgrund eigener Überzeugungsbildung an.

f)

Die unter II. 6. getroffenen Feststellungen beruhen auf den Aussagen der Zeugen C2, M, L, N, u, T4 und H sowie der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d.A., DVD „Notruf T3“) durch Abspielen.

aa)

Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte zunächst versuchte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, dies ebenfalls angesichts des als zu stumpf empfundenen Messers scheiterte und er, da er nicht mehr weiter wusste und sich hilflos fühlte, einen Notruf absetzte, beruhen auf den Aussagen der Zeugen C2, M und N sowie der Inaugenscheinnahme der Audio-Datei (Bl. 374 d.A., DVD „Notruf T3“) durch Abspielen.

Aus der durch Abspielen in Augenschein genommenen Audio-Datei (Bl. 374 d.A.), deren Inhalt der Zeuge C2, wie bereits dargestellt, als zutreffend bestätigt hat, ergibt sich, dass der Angeklagte u.a. geäußert hat, er wolle nicht mehr leben und habe versucht, sich den Handpuls aufzuschneiden. Darüber hinaus hat der Angeklagte, wie bereits ausgeführt, auch gegenüber den Zeugen M und N angegeben, er habe sich umbringen wollen und wolle nicht mehr leben. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. III. 2. d) aa) Bezug genommen.

Dass der Angeklagte die Feuerwehr aus Hilflosigkeit verständigt hat, folgt zur Überzeugung der Kammer aus seiner auf der Audio-Datei ebenfalls zu vernehmenden Äußerung „Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Kommen Sie!“.

Darüber hinaus ist dem Notruf zu entnehmen, dass er insgesamt fünf Mal äußerte, er habe seine Frau umbringen wollen und es habe „leider nicht geklappt“ und darüber hinaus vier Mal, das Messer sei zu stumpf bzw. nicht scharf genug gewesen.

bb)

Die Feststellungen zum Einsatz der Zeugen L und M beruhen auf deren Aussage.

Die Zeugen L und M haben übereinstimmend bekundet, am Tattag als erstes Einsatzmittel an der Anschrift des Angeklagten und der Geschädigten eingetroffen zu sein. Nach mehrmaligem Klingeln und Klopfen habe der Angeklagte, der auf einem Rollator abgestützt gewesen sei, die Tür geöffnet. Die Geschädigte habe am Rahmen der Badezimmertür gestanden und der Angeklagte hinter der Wohnungstür. Auf dem Rollator habe sich ein Küchenmesser mit Blutanhaftungen befunden. Der Zeuge L habe sich mit der Geschädigten befasst, während der Zeuge M mit dem Angeklagten gesprochen habe.

Der Zeuge L hat darüber hinaus bekundet, er habe sich mit der Geschädigten im Badezimmer aufgehalten. Er habe sie gebeten, sich zu setzen, und ihr Tücher gegeben, damit sie ihre Wunden versorgen könne. Dabei habe er versucht, ein Gespräch mit der Geschädigten aufzubauen. Das habe jedoch nicht geklappt, da sie nur gefragt habe, warum sie blute. Eine sinnvolle Verständigung sei nicht möglich gewesen. Sie habe den Fragen des Zeugen augenscheinlich folgen können, jedoch habe sie darauf nicht reagiert und habe einen verwirrten Eindruck gemacht, wobei ihre Verwirrtheit nach Einschätzung des Zeugen auf ihre Demenz und nicht auf ein Schockerleben zurückzuführen gewesen sei.

Der Zeuge M hat weiter ausgesagt, er sei mit dem Angeklagten befasst gewesen.  Er habe den Angeklagten zunächst aufgefordert, sich von der Geschädigten zu entfernen. Auf Befragung habe der Angeklagte angegeben, er habe versucht, zuerst seiner Frau und dann sich selbst das Leben zu nehmen. Dies sei ihm jedoch misslungen, da die Klinge des Messers zu stumpf gewesen sei. Er sei körperlich am Ende und wolle einfach nicht mehr leben. Der Angeklagte sei zwar körperlich sehr schwach und „wackelig auf den Beinen“ gewesen, jedoch habe er einen abgeklärten Eindruck gemacht.

Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen M und L haben sich auch insoweit nicht ergeben.

cc)

Die Feststellungen zur Benachrichtigung und Befragung der Zeugin u in der Tatnacht  beruhen auf den Aussagen der Zeugen M, L und u. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. III. 2. b) bb) Bezug genommen.

dd)

Die Feststellungen dazu, dass die Geschädigte und der Angeklagte im Folgenden ins Krankenhaus verbracht wurden und der Angeklagte sowohl auf dem Transport als auch im Nachgang Angaben zur Tat machte und diese gestand, beruhen auf den Aussagen der Zeugen T4, N und H, hinsichtlich derer jeweils auf die Ausführungen unter Ziff. III. 2. d) aa) Bezug genommen wird.

g)

Die unter II. 7. getroffenen Feststellungen beruhen auf der Verlesung der ärztlichen Berichte vom 27. Dezember 2020 über die Entnahme dreier Blutproben bei dem Angeklagten (Bl. 64, 69 d.A.), des Alkoholuntersuchungsbefundes des Dr. med. N4 des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 29. Dezember 2020 (Bl. 182 d.A.) und des  forensisch-toxikologischen Gutachtens der Prof. Dr. med. C5 und Dr. rer. nat. L2 des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 23. März 2021 (Bl. 347 bis 351 d.A.). Anhaltspunkte, um an der Richtigkeit der in den Urkunden enthaltenen Angaben zu zweifeln, haben sich im Verlaufe der Hauptverhandlung nicht ergeben.

h)

Die unter II. 8. getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. T9 (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie), der Verlesung der ärztlichen Berichte vom 27. Dezember 2020 über die Entnahme dreier Blutproben bei dem Angeklagten (Bl. 64, 69 d.A.), des Alkoholuntersuchungsbefundes des Dr. med. N4 des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 29. Dezember 2020 (Bl. 182 d.A.) und des  forensisch-toxikologischen Gutachtens der Prof. Dr. med. C5 und Dr. rer. nat. L2 des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Essen vom 23. März 2021 (Bl. 347 bis 351 d.A.).

Der Sachverständige Dr. med. T9 hat sich in seinem mündlich in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten eingehend mit der Frage der Schuldfähigkeit (Unrechtseinsichts- und Steuerungsfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB) des Angeklagten zum Tatzeitpunkt auseinandergesetzt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

Im Rahmen der psychiatrischen Exploration und Untersuchung hätten sich keine Anhaltspunkte für überdauernde und klinisch relevante seelische Beeinträchtigungen bei dem Angeklagten im Sinne einer „krankhaften seelischen Störung“ gemäß §§ 20, 21 StGB gezeigt.

Es hätten sich zwar leichte psychopathologische Auffälligkeiten in Form einer formalgedanklichen Verlangsamung, von leicht defizitären Gedächtnisleistungen und einer etwas akzentuierten affektiven Labilität gezeigt. Bei der Einordnung dieses Befundes sei jedoch das hohe Lebensalter des Angeklagten zu berücksichtigen. In diesem Alter sei mit leichten kognitiven Defiziten zu rechnen. Trotz Schwierigkeiten des Angeklagten, lebensgeschichtlich wichtige Daten auf Anhieb fehlerfrei zu benennen, habe er sich bei Betrachtung der gesamten Gesprächsinhalte als eine Person gezeigt, die trotz hohen Alters einen realitätsbezogenen Überblick über das eigene Leben besitze und die zu differenzierten Betrachtungen zentraler Problembereiche des Alltages in der Lage sei. Auch die erlittenen Schlaganfälle hätten vermutlich kein größeres nachhaltiges Schädigungspotential gehabt, im Kernspintomogramm vom 13. Dezember 2019 hätten sich keine Zeichen von älteren Gewebsuntergängen gezeigt, wie sie infolge eines früheren Schlaganfalls zu erwarten seien. Auch der MRT-Befund des Schädels von Dezember 2019 sei als altersentsprechend einzustufen. Im Kognitiven Minimal-Screening habe der Angeklagte 17 Punkte erreicht, dies sei als Grenzbefund zum unauffälligen Befund zu qualifizieren, der zwar grenzwertig leichte kognitive Beeinträchtigungen nahelege. Diese seien jedoch relativierend vor dem hohen Alter des Angeklagten zu betrachten. Kognitiv hätten sich sowohl im Rahmen der Exploration als auch in den durchgeführten Screeningverfahren wesentlich weniger fassbare Beeinträchtigungen gezeigt, als diese von dem Angeklagten selbst beschrieben worden seien. Er habe sich defizitärer dargestellt, als es den gezeigten Leistungen entsprochen habe. Eine intellektuelle Minderbegabung im Sinne eines „Schwachsinns“ liege nicht vor.

Auch das Nachtatverhalten, etwa der abgesetzte Notruf, mache deutlich, dass der Angeklagte sich zu diesem Zeitpunkt seiner Situation bewusst gewesen sei und das Geschehen adäquat eingeordnet habe. Neben Verzweiflung und Überforderung sprächen aus dem Inhalt des Notrufs auch Präsenz, Handlungsfähigkeit, Selbstreflektion und Introspektionsfähigkeit. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine kurze affektive Ausnahmesituation bei einem ansonsten psychisch unauffälligen Menschen zur Tatzeit vorgelegen haben könnte. Diesbezüglich ergäben sich weder aus der Akte noch aus den Angaben des Angeklagten selbst Hinweise auf fassbare psychopathologische Defizite zur Tatzeit. Auch eine Intoxikation durch Alkohol habe nicht vorgelegen.

Bezüglich der Persönlichkeit des Angeklagten hat der Sachverständige ausgeführt, dass von leichten, altersassoziierten Persönlichkeitsakzentuierungen bzw. einer Betonung von Charakterzügen auszugehen sei. In der Gesamtheit  des Persönlichkeitsschnitts habe der Angeklagte sich jedoch sowohl kognitiv als auch emotional seinem biologischen Alter entsprechend dargestellt.

Ansonsten hätten sich keine Hinweise auf eine Störung des Realitätsbezuges, keine Hinweise auf psychotische Gedankeninhalte, Wahnideen, Sinnestäuschungen oder eine klinisch ausgeprägte relevante depressive Verstimmung gezeigt. Auch aus der bislang bekannten Vorgeschichte hätten sich keine Hinweise auf frühere psychiatrische Auffälligkeiten ergeben. Insbesondere lägen keine Hinweise auf eine Abhängigkeitsproblematik vor. Darüber hinaus fänden sich in der Krankheitsgeschichte auch keine Anhaltspunkte für eine affektive Erkrankung. Auch im Rahmen der Exploration habe sich kein mittelgradig oder schwergradig depressiv verstimmter Proband gezeigt, auch wenn der Angeklagte themenbezogen mit depressiv-verzweifelten Affektäußerungen reagiert habe, die jedoch vor dem Hintergrund seiner aktuellen Lebenssituation als situationsadäquat einzustufen seien.

Die zunehmende seelische Überforderung durch tagsüber und nachts anfallende Pflegetätigkeiten für die Geschädigte, verstärkt durch Schlafmangel und ein zunehmend selbst empfundenes Gefühl der Überforderung, wobei unklar geblieben sei, warum nicht ambulante Pflegeleistungen verstärkt in Anspruch genommen worden seien oder eine vorübergehende stationäre Pflege eingerichtet worden sei, könne aus psychiatrischer Sicht unter diagnostisch-klassifikatorischen Aspekten der Kategorie „Anpassungsstörung“ mit dem Auftreten verschiedener Gefühle wie Depression, Ärger, Anspannung, Verbitterung, aber auch Aggression zugeordnet werden (F43.23 nach ICD-10). Die Anpassungsstörung sei jedoch hinsichtlich ihres Ausmaßes bzw. der ableitbaren psychopathologischen Defizite am 27. Dezember nicht dem Begriff „schwere andere seelische Abartigkeit“ zuzuordnen. Gegen gravierende psychopathologische Beeinträchtigungen als Folge der Anpassungsstörung spreche beispielsweise, dass der Angeklagte im Alltag weiterhin auch unmittelbar vor dem 27. Dezember 2020 Leistungen und Kompetenzen gezeigt habe, etwa im Hinblick auf seine kognitive Leistungsfähigkeit im Umgang mit Computertechnik, Internet, Kommunikationsmöglichkeiten und der Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten. Dies setze eine nicht unerhebliche kognitiv-emotionale Leistungsfähigkeit voraus, wie sie im Übrigen auch aus dem handschriftlich verfassten Brief vom 3. Januar 2021 aus der Justizvollzugsanstalt hervorgehe, in dem der Angeklagte aus dem Gedächtnis heraus genaue Abfolgen zur Bedienung seines Computers niederschreibe, damit Angehörige mit Online-Banking seine finanziellen Angelegenheiten regeln können.

Auch unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse bestünden keine ausreichenden medizinischen Voraussetzungen zur Anwendung der §§ 20, 21 StGB. Insbesondere ergäben sich aus dem der Tat vorangegangenen Alkoholkonsum keine psychopathologischen Hinweise auf eine Intoxikation, die zur Anwendung der §§ 20, 21 StGB führen könnte.

Eine dem Angeklagten um 02:30 Uhr des Tattages entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 0,39 Promille ergeben, sodass im Wege der Rückrechnung auf den Tatzeitraum (zwischen 0:30 und 01:30 Uhr) von einer theoretisch maximal denkbaren  Blutalkoholkonzentration von knapp 1 Promille auszugehen sei, wobei jedoch zu berücksichtigen sei, dass der Angeklagte angegeben habe, gelegentlich Wein zu konsumieren. Darüber hinaus habe er im Rahmen des Notrufs durchgehend klar und deutlich gesprochen und einen klaren Gedankengang aufgewiesen. Dies sei - auch in Ansehung der in der Blutprobe nachgewiesenen Schmerzmittel - mit einer die Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich vermindernden oder gar gänzlich aufhebenden Alkoholintoxikation nicht zu vereinbaren. Beschriebene Gangschwierigkeiten seien nicht auf den Konsum von Alkohol, sondern auf die Spinalkanalstenose zurückzuführen.

Die Kammer hat sich diesen nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen und Einschätzungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung vollumfänglich angeschlossen. Zweifel an der fachlichen Kompetenz des der Kammer langjährig als erfahren und als besonders sorgfältig bekannten Sachverständigen bestehen nicht.

IV.

1.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht, strafbar gemäß §§ 212 Abs. 1, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, und 5, 22, 23, 52 StGB.

a)

Der Angeklagte hat – auf Grundlage der unter Ziffer II. 4. getroffenen Feststellungen und der dazugehörigen Erwägungen unter Ziffer III. 2. d) dd) mit Tötungsabsicht (dolus directus 1. Grades) handelnd – versucht, die Geschädigte zu töten.

Von diesem Versuch ist er nicht freiwillig im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 StGB zurückgetreten. Denn es liegt ein sogenannter fehlgeschlagener Versuch vor, der dem Anwendungsbereich des § 24 StGB nicht unterfällt. Fehlgeschlagen ist ein Versuch dann, wenn der Taterfolg aus Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 24 Rn. 7 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

Nach den getroffenen Feststellungen erkannte der Angeklagte spätestens zu dem Zeitpunkt als die Geschädigte das Ehebett verließ und sich damit dem unmittelbaren Zugriffsbereich des - immobilen und auf den Rollator angewiesenen - Angeklagten entzog, dass er mit dem ihm einzig zur Verfügung stehenden und ausschließlich in seinen Tatplan aufgenommenen und von ihm als zu stumpf empfundenen Messer die Tat im unmittelbaren Fortgang des Geschehens nicht mehr würde vollenden können. Er hätte einen neuen Tatplan fassen und - unabhängig davon, ob er sich körperlich hierzu überhaupt in der Lage sah - eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzen müssen, indem er sich in die Küche hätte begeben und ein anderes Messer an sich nehmen müssen.

b)

Der Angeklagte hat die Geschädigte zudem tateinheitlich mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (des Küchenmessers mit einer Klingenlänge von 10 cm) körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt. Insoweit handelte er ebenfalls mit Absicht.

Zudem verwirklichte der Angeklagte die Körperverletzung auch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Eine Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegt bereits dann vor, wenn die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Geschädigten zu gefährden (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 224 Rdnr. 27 m.w.N.), wobei es stets auf die Gefährlichkeit der Behandlung, nicht die Gefährlichkeit der eingetretenen Verletzung ankommt (Fischer, aaO). Bei mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 10 cm ausgeführten gezielten und wiederholten Schnitten in den Halsbereich in der Nähe der Hauptschlagader bzw. Luftröhre besteht stets die abstrakte Gefahr, dass das Opfer hieran verstirbt, was der - hier sogar mit Tötungsabsicht handelnde - Angeklagte auch erkannte. Auch insoweit handelte er mit dolus directus 1. Grades.

c)

Eine Strafbarkeit gemäß § 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 5, 22, 23 StGB liegt demgegenüber nicht vor. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte nicht versucht, die Geschädigte heimtückisch zu töten.

Heimtückisch handelt, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt, wobei das Tatopfer gerade aufgrund der Arglosigkeit wehrlos sein muss (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 211 Rdnr. 34 m.w.N.). Arglos ist, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs nicht versieht, also die Vorstellung hat, vor einem Angriff sicher zu sein (Fischer, aaO, Rn. 35). Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach den getroffenen Feststellungen glich die Geschädigte ab dem Sommer des Jahres 2020 aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenz zusehends einem Kleinstkind. Sie musste an der Hand genommen und geführt werden und begegnete allen Menschen - unabhängig davon, ob es sich um nahe Angehörige oder Fremde handelte - vertrauensvoll und zugewandt, ohne in der Lage zu sein, Situationen adäquat einzuschätzen, Gefahren zu erkennen oder Misstrauen oder Argwohn zu entwickeln. Demnach war sie schon gar nicht in der Lage, anderen Personen - einschließlich dem Angeklagten - positives, auf Erwägungen beruhendes Vertrauen entgegenzubringen und die böse Absicht des Angeklagten zu erkennen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.11.1952 - 1 StR 477/52).

V.

1.

Im Rahmen der Strafrahmenwahl hat die Kammer keinen minder schweren Fall gemäß § 213 StGB angenommen. Ein - vorliegend einzig in Betracht kommender - sonst minder schwerer Fall im Sinne des § 213 Alt. 2 StGB liegt auch unter Berücksichtigung sämtlicher zugunsten des Angeklagten sprechender Strafmilderungsgründe nicht vor.

Zugunsten des Angeklagten war insoweit im Wesentlichen - den vertypten Strafmilderungsgrund des § 23 Abs. 2 StGB zunächst zur Prüfung eines sich nur aus den allgemeinen Strafmilderungsgründen ergebenden minder schweren Falls außer Acht lassend - zu berücksichtigen, dass er trotz seines hohen Lebensalters bislang nicht vorbestraft ist und er sich tatnah geständig eingelassen hat, wobei relativierend zu berücksichtigen war, dass das Geständnis unter drückender Beweislast erfolgte. Darüber hinaus war zugunsten des Angeklagten zu werten, dass die Geschädigte sich bereits kurze Zeit nach der Tat an diese nicht mehr erinnern konnte, sodass nachteilige psychische Folgen für sie ausgeschlossen sind. Weiter hat die Kammer zugunsten des Angeklagten unterstellt, dass er infolge des vorangegangenen Alkoholkonsums zum Tatzeitpunkt alkoholbedingt leichtgradig enthemmt war und weiter berücksichtigt, dass die Tat Ausdruck so erlebter Überforderung mit der Pflege der demenzkranken Ehefrau und daraus resultierender Verzweiflung über seine eigene Lage war. Relativierend war insoweit jedoch zu berücksichtigen, dass zum einen diverse Formen der Unterstützung durch Pflegedienste eingerichtet waren und der Angeklagte jedenfalls von der Zeugin u angebotene Hilfe ausgeschlagen hat. Schließlich war auch zugunsten des Angeklagten zu werten, dass er als Erstverbüßer von Strafhaft, insbesondere unter Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie und vor allem seines hohen Lebensalters, als in besonderem Maße haftempfindlich anzusehen ist.

Hingegen stellt sich die Tat nicht als Spontantat dar. Der Angeklagte hat nach den getroffenen Feststellungen mindestens seit Oktober 2020 darüber nachgedacht, die Geschädigte mit einem Kissen zu ersticken oder ihr Schlaftabletten zu verabreichen. Diese Erwägungen hat er in der Vergangenheit zumindest gegenüber der Zeugin u auch geäußert. Schließlich hat der Angeklagte am Tattag versucht, diesen Plan - wenn auch in abweichender Ausführung - in die Tat umzusetzen.

Ebenso wenig stellt sich die Tat als sog. Mitleidstat dar. Der Angeklagte wollte die Geschädigte nicht etwa töten, um sie „von ihrem Leid zu erlösen“ oder weil er nicht mehr ertragen konnte, dass sich seine Ehefrau zu einem „Kleinstkind“ zurückentwickelt hatte. Er hat die Tat vielmehr begangen, um die maßgeblichen Umstände seiner Überforderung, nämlich die Pflege seiner Ehefrau, zu beseitigen. Diese Motivationslage tritt besonders deutlich in dem an die Zeugin u verfassten Brief zutage („Mama geht es gut, sie ist in einem Heim in Honnef + Nette kümmert sich um sie. So ist meine Tat, so makaber das klingt, letztlich gut, auch für mich (…)“).

Zulasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er die Tötung der Geschädigten - wenn auch, zugunsten des Angeklagten unterstellt, nicht in ihrer konkreten Ausführung - bereits seit längerer Zeit in Betracht gezogen hat, er in Tötungsabsicht handelte und die Begehungsweise als besonders verwerflich zu werten ist. Zwar war die Geschädigte aufgrund ihrer fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht zum Argwohn fähig, jedoch war sie nach den getroffenen Feststellungen gleichwohl wehrlos, was der Angeklagte aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit auch bewusst zur Tatbegehung ausnutzen wollte. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte tateinheitlich auch den Straftatbestand des § 224 StGB und insoweit zwei Qualifikationen verwirklicht hat, wobei insoweit wiederum relativierend zu berücksichtigen war, dass die Verletzungen der Geschädigten inzwischen folgenlos ausgeheilt sind.

Unter Abwägung dieser allgemeinen zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte weicht das hier vorliegende Tatbild vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem so erheblichen Maße ab, dass vorliegend die Anwendung des für einen minder schweren Fall vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens geboten und der Regelstrafrahmen zu hoch erschiene.

Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 23 Abs. 2 StGB gewinnen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte kein so überwiegendes Gewicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten wäre. Hieraus folgt zugleich, dass der vertypte Strafmilderungsgrund des § 23  Abs. 2 StGB allein hier erst Recht nicht zur Annahme eines minder schweren Falles führt.

2.

Vor diesem Hintergrund stand der Kammer zunächst der Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB, der eine Freiheitsstrafe von 5 bis zu 15 Jahren vorsieht, zur Verfügung.

Diesen hat die Kammer gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, sodass von einem Strafrahmen auszugehen war, der Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis zu 11 Jahren und 3 Monaten vorsieht.

Anlass dazu, dem Angeklagten die von § 23 Abs. 2 StGB eröffnete Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung zu versagen, bestand nicht.

Bei der Strafzumessung im engeren Sinne sind erneut sämtliche, bereits genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gewürdigt worden, wobei dem Umstand, dass die Tat nicht vollendet wurde, nur noch geringes Gewicht beizumessen war, weil er bereits bei der Strafrahmenwahl Verwendung fand.

Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungskriterien des § 46 StGB hat die Kammer daher eine

Freiheitsstrafe von 2 Jahren 10 Monaten

als tat- und schuldangemessen erachtet.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 S. 1 StPO.

Meta

35 Ks-133 Js 217/20-5/21

09.06.2021

Landgericht Duisburg 5. große Strafkammer als Schwurgericht

Urteil

Sachgebiet: Js

Zitier­vorschlag: Landgericht Duisburg, Urteil vom 09.06.2021, Az. 35 Ks-133 Js 217/20-5/21 (REWIS RS 2021, 5115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5115

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