Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2024, Az. 2 StR 392/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2024, 2530

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Rechtsfolgenausspruch dahingehend ergänzt wird, dass die durch Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 angeordnete Einziehung aufrechterhalten bleibt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, unter Einbeziehung der durch Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 – [X.]. 401 [X.] 3500 Js 26704/20 – nach Maßgabe des Berufungsurteils des [X.]s Mainz vom 19. Dezember 2022 – [X.]. 7 Ns 3500 Js 26704/20 – rechtskräftig verhängten Strafen und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und angeordnet, dass auf diese Gesamtfreiheitsstrafe 72 Tage als Ausgleich für den vom Angeklagten in Erfüllung der im Zusammenhang mit dem Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 erteilten Bewährungsauflage gezahlten Geldbetrag angerechnet werden.

2

1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und zum Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Gegenerklärung des Verteidigers vom 4. Dezember 2023 keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben.

3

2. Soweit es das [X.] unterlassen hat, im Tenor des angefochtenen Urteils die im Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen aufrechtzuerhalten, holt der Senat dies in entsprechender Anwendung von § 354 Abs.1 StPO nach (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1979 – 4 [X.], NJW 1979, 2113, 2114).

4

a) Im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung sind Maßnahmen, zu denen auch die Einziehung rechnet (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden (§ 55 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Aufrechterhalten von Maßnahmen dann nicht in Betracht kommt, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind (vgl. [X.], Urteile vom 27. November 1996 – 3 StR 317/96, [X.]St 42, 306, 308 mwN – zum Zeitablauf bei Sperrfrist nach § 69a StGB; vom 22. Mai 2003 – 4 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 8 – zum Eigentumsübergang nach § 74e Abs. 1 StGB a.F.). Hiervon ist das [X.] zutreffend ausgegangen und hat festgestellt, dass keine Umstände vorliegen, die einer Aufrechterhaltung der bereits angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen entgegenstehen und sich hiervon ausgehend hinsichtlich der Anordnung der [X.]einziehung an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden gesehen. Dies ist ohne Rechtsfehler (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2011 – 4 StR 552/10 Rn. 3; Beschluss vom 20. Dezember 1991 – 3 StR 500/91, [X.], 231).

5

b) Der Einwand der Revision, die im Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 genannten Geschädigten seien zwischenzeitlich vollständig befriedigt worden, steht einer Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung aus diesem Urteil nicht entgegen. Sollte der Angeklagte, wie er nunmehr vorträgt, Zahlungen auf Ansprüche der im einbezogenen Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 genannten Geschädigten geleistet haben, wäre er vor doppelter Inanspruchnahme hinreichend im Vollstreckungsverfahren geschützt, § 459g Abs. 4 und 5 StPO.

6

aa) Soweit die Revision geltend macht, die Geschädigten seien bereits vor dem Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 in größerem Umfang befriedigt worden, als dort angenommen, kann sie schon deswegen nicht gehört werden, weil dem die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils entgegensteht. § 459g Abs. 4 StPO, wonach die Vollstreckung der [X.] nach den §§ 73, 73c StGB zu unterbleiben hat, soweit der Anspruch des Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des [X.] oder auf Ersatz des Wertes des [X.] erloschen ist, erfasst zwar nur solche Schadenswiedergutmachungsleistungen, die nach der Anordnung der Einziehung oder der [X.]einziehung, mithin nach Schluss der Beweisaufnahme erfolgt sind ([X.]/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 459g Rn. 31; [X.], 9. Aufl., § 459g Rn. 15; aA BeckOK-StPO/[X.], 50. Ed., § 459g Rn. 15). Soweit vor diesem Zeitpunkt eine Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung rechtsfehlerhaft unterblieben ist, kann dies aber gemäß § 459g Abs. 5 StPO zum Unterbleiben der Vollstreckung der [X.]einziehung wegen Unverhältnismäßigkeit führen (vgl. [X.]/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 459g Rn. 31).

7

bb) Auch der Einwand, Ansprüche Geschädigter des früheren Verfahrens seien nach Anordnung der Einziehung, aber vor Bildung der Gesamtstrafe im Sinne der § 73e Abs. 1 StGB, § 459g Abs. 4 StPO erloschen, steht der Aufrechterhaltung der [X.] aus dem Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 nicht entgegen.

8

(1) Der [X.] hat nicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er im Lichte des § 73e Abs. 1 StGB eine Einziehungsentscheidung für die Taten aus der einzubeziehenden Entscheidung treffen würde. Vielmehr wird bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 2 StGB eine früher einmal festgesetzte Nebenstrafe, Nebenfolge oder Maßnahme als fortgeltender Bestandteil der früheren Entscheidung aufrechterhalten und nicht durch das nach § 55 StGB entscheidende Gericht neu festgesetzt (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1979 – 4 [X.], NJW 1979, 2113, 2114; [X.]/[X.]/[X.], StGB, 2. Aufl., § 55 Rn. 31). Bildet – wie hier – die neu abzuurteilende Tat keine Grundlage für die Anordnung einer Einziehung von [X.], so ist der [X.] an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 30. Aufl., § 55 Rn. 55 mwN).

9

(2) Dass ein Gericht hinsichtlich der [X.] des [X.] bereits den Ausschluss der Vollstreckung gemäß § 459g Abs. 4 StPO angeordnet hatte, wird weder von der Revision vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

(3) Darüber hinausgehend war das [X.] nicht von Amts wegen gehalten zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Gesamtstrafenbildung die materiellen Voraussetzungen des § 459g Abs. 4 StPO vorlagen.

Der Angeklagte könnte ohne die nunmehr eingetretene Gesamtstrafenlage das Erlöschen von Ansprüchen Geschädigter nur im Vollstreckungsverfahren nach § 459g Abs. 4 StPO geltend machen. Dabei trifft ihn nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen des Anspruchs (BT-Drucks. 18/10146, Seite 12 (zu Nr. 10)). Die Vollstreckungsbehörde hat also nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Ansprüche des Verletzten gegen den [X.] zwischenzeitlich erloschen sind, sondern das Erlöschen muss von diesem vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen werden (vgl. [X.], [X.] 2019, 419, 421 mwN). Dann kann aber auch den [X.] keine weitergehende Pflicht treffen. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 17. Juni 2003 – 2 [X.]/03 mwN).

c) [X.] (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der aus der [X.] ersichtlichen Nachholung durch den Senat nicht entgegen. Das [X.] hat es lediglich versehentlich ([X.]) verabsäumt, die Aufrechterhaltung der vorangehend angeordneten Einziehung im Tenor auszusprechen. Es hat insofern eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung nicht getroffen, insbesondere keine, durch die die bereits rechtskräftig gegen den Angeklagten angeordnete Einziehung aus dem Urteil des [X.] vom 23. Mai 2022 gegenstandlos geworden wäre.

[X.]     

      

Zeng     

      

Meyberg

      

Grube     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 392/23

14.02.2024

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 16. Mai 2023, Az: 113 KLs 29/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2024, Az. 2 StR 392/23 (REWIS RS 2024, 2530)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2530

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 497/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 474/22 (Bundesgerichtshof)

Vermögensabschöpfung: Einziehung eines Geldwäscheobjekts


4 StR 477/18 (Bundesgerichtshof)

(Einheitliche Entscheidung über die Wertersatzeinziehung bei einer machträglichen Gesamtstrafenbildung)


5 StR 380/22 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Feststellung der Erledigung einer Einziehungsanordnung


4 StR 372/21 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Wegfall der Zäsurwirkung bei gesamtstrafenrechtlich verbrauchtem Urteil


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 10/24

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.