Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2022, Az. 4 StR 167/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5139

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Gegenstand

Zugänglichmachen kinderpornographischer Inhalte: Übersendung und Empfang mehrerer kinderpornographischer Bild- oder Videodateien über das Internet als eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn


Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2021 auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2021

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, des [X.] kinderpornographischer Inhalte sowie des Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte schuldig ist;

b) im [X.] dahin ergänzt, dass von einer Entscheidung über den [X.] im Übrigen abgesehen wird.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen Zugänglichmachens [X.] „Schriften“ in zwei Fällen sowie wegen Besitzes [X.] „Schriften“ in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer „Schriften“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten dem Grunde nach verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, und festgestellt, dass der Schmerzensgeldanspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt nach Wiedereinsetzung in die [X.] den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch war abzuändern, weil die Annahme von zwei selbständigen, realkonkurrierenden Taten des [X.] [X.]. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe rechtlicher Prüfung nicht standhält; stattdessen war – jedenfalls in Anwendung des [X.] – von nur einer Tat auszugehen.

3

a) Bei der Übersendung und dem Empfang mehrerer [X.] Bild- oder Videodateien über das [X.] liegt nur eine Tat im materiellrechtlichen Sinn vor, wenn der Täter mehrere Dateien während eines einheitlichen Kommunikationsvorganges herunterlädt oder versendet ([X.], Urteil vom 10. Oktober 2013 ‒ 4 StR 258/13 Rn. 14, insoweit in [X.]St 59, 28, NJW 2013, 3528 und [X.], 34 nicht abgedruckt; Beschluss vom 10. Juli 2008 ‒ 3 [X.], [X.], 208; MüKo-StGB/[X.], 4. Aufl., § 184b Rn. 61). Lassen sich dazu keine eindeutigen Feststellungen treffen, ist das Geschehen nach dem Zweifelsgrundsatz als eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn zu beurteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 4 [X.] Rn. 8).

4

b) Daran gemessen war nur eine Tat des [X.] anzunehmen.

5

Nach den Feststellungen übersandte der Angeklagte am 25. Mai 2021 unter Nutzung des [X.] einem anderen Nutzer ein kinderpornographisches Video (Fall [X.] der Urteilsgründe). Am selben Tag etwa 30 Sekunden später übersandte der Angeklagte in gleicher Art und Weise ein anderes kinderpornographisches Video an denselben Empfänger (Fall [X.] der Urteilsgründe). Weitere Feststellungen zur Dauer und zum Verlauf der [X.] hat das [X.] nicht getroffen.

6

Es bleibt daher offen, ob dem Versenden der kinderpornographischen Dateien nur ein einheitlicher oder mehrere getrennte Kommunikationsvorgänge zugrunde lagen. Angesichts des nur geringen zeitlichen Abstands zwischen den einzelnen Übertragungen ergibt sich die vom [X.] angenommene materiell-rechtliche Selbständigkeit auch nicht von selbst. Vielmehr liegt nahe, dass die beiden Versendungen innerhalb eines einheitlichen Kommunikationsvorgangs erfolgten; daher ist in Anwendung des [X.] lediglich von einer Tat des [X.] auszugehen.

7

c) Der [X.] ändert in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch auf eine Tat des [X.] und ersetzt auch im Übrigen das Wort „Schriften“ nach den gesetzlichen Überschriften der §§ 184b und 184c StGB durch das Wort „Inhalte“. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der insoweit geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8

2. Damit entfällt die im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängte [X.] von sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafe von sechs Monaten für Fall [X.] der Urteilsgründe bleibt als alleinige [X.] für die einheitliche Tat vom 25. Mai 2021 bestehen.

9

Die Gesamtstrafe bleibt hiervon unberührt. Der [X.] schließt aus, dass das [X.] bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung angesichts einer Einsatzstrafe von vier Jahren Freiheitsstrafe sowie zweier verbleibender [X.]n von zehn bzw. sechs Monaten Freiheitsstrafe und unverändertem Schuldumfang eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

3. Der Adhäsionsausspruch bedarf der Ergänzung.

Da das [X.] über den Schmerzensgeldanspruch nur dem Grunde nach entschieden hat, hätte es gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO im [X.] zum Ausdruck bringen müssen, dass hinsichtlich der Höhe des Anspruchs von einer Entscheidung abgesehen worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2015 ‒ 1 StR 133/15). Der [X.] versteht den in der Hauptverhandlung vom 6. Dezember 2021 gestellten Adhäsionsantrag vor dem Hintergrund des ihn begründenden Schriftsatzes vom 23. November 2021 hinsichtlich des Schmerzensgeldes als Leistungsantrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 15.000 Euro. Der [X.] ergänzt den [X.] entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

4. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den notwendigen Auslagen des Neben- und Adhäsionsklägers zu belasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 Satz 1 StPO).

Quentin     

      

Bartel     

      

Sturm 

      

[X.]     

      

Scheuß     

      

Meta

4 StR 167/22

19.07.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 6. Dezember 2021, Az: II 6 KLs 14/21

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 184b Abs 1 S 1 Nr 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2022, Az. 4 StR 167/22 (REWIS RS 2022, 5139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5139

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Besitz und Verbreitung kinderpornographischer Schriften: Anforderungen an die Urteilsfeststellungen zum Inhalt der Schriften; Konkurrenzverhältnis


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 211/23

Zitiert

4 StR 258/13

4 StR 342/14

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