Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2014, Az. III ZB 40/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8361

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 40/13
vom

28. Januar 2014

in dem Verfahren
auf Aufhebung
eines inländischen Schiedsspruchs

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b

a)
Die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs verstößt nur dann gegen die öffentliche Ordnung (ordre public), wenn
sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts "offensichtlich" unvereinbar ist.

b)
Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung bezie-hungsweise eklatante Verstöße gegen die materielle Gerechtigkeit, wobei nicht jeder Widerspruch selbst zu zwingenden Vorschriften des [X.] Rechts genügt.

[X.], Beschluss vom 28. Januar 2014 -
III ZB 40/13 -
[X.]

-

2

-

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar
2014
durch den Vizepräsidenten [X.] sowie [X.]
[X.], [X.], Dr. Remmert
und Reiter

beschlossen:

Die
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 12.
April 2013 (8
Sch 7/12) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 ZPO).

Der Wert des [X.] wird auf 54.251,20

festgesetzt.

Gründe:

Die von Gesetzes wegen statthafte (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 i.V.m. §
1065 Abs.
1 Satz
1, §
1062 Abs.
1 Nr.
4 Fall
1 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§
574 Abs.
2 ZPO).

1.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das [X.] bei seiner Prüfung, ob die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) wider-spricht (§
1059 Abs.
2 Nr. 2
Buchst. [X.]), nicht von einem unzutreffenden 1
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rechtlichen Maßstab ausgegangen.
Die Annahme des [X.]s, dass ein Widerspruch gegen den ordre public nur bei "offensichtlicher"
Unver-einbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts vorliege
und daher der Einwand einer Verletzung des ordre public nur in "extremen Ausnah-mefällen"
greife, ist zutreffend und entspricht der Senatsrechtsprechung.

a) Soweit die
Rechtsbeschwerde ihre abweichende Rechtsauffassung auf ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
stützt
(Urteile vom 12.
Mai 1958 -
VII ZR 436/56, [X.]Z 27, 249;
vom 23.
April 1959 -
VII
ZR 2/58, [X.]Z 30, 89,
97;
vom 25.
Oktober 1966 -
KZR 7/65, [X.]Z 46, 365, 367 f
und vom 25.
Oktober 1983 -
KZR 27/82, [X.]Z 88, 314, 319), sind diese noch zu §
1041 Abs.
1 Nr.
2 ZPO in der Fassung vom 12. September 1950 ([X.] [X.] 533)
er-gangen. Danach konnte die Aufhebung beantragt werden, "wenn die Anerken-nung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde". Eine entsprechende Regelung enthielt §
1044 Abs.
2 Nr.
2 ZPO
bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen
Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer "of-fensichtlichen"
Unvereinbarkeit nicht problematisiert; vielmehr heißt es im Urteil vom 25. Oktober 1966 (aaO [X.] 370): "Ob die der Entscheidung des Schiedsge-und deshalb zumin

erscheint, ist unerheblich".
Geprüft wurde nur, was zu den "guten Sitten"
beziehungsweise
zur "öffentlichen Ordnung"
ge-hört.

b) Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.
Juli 1986 ([X.] I [X.] 1142) wurden dann allerdings unter anderem §
1041 Abs.
1 Nr.
2 und §
1044 Abs.
2 Nr.
2 ZPO dahin geändert, dass die Auf-hebung eines (inländischen) Schiedsspruchs beziehungsweise
die
Versagung 3
4
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4

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der Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs
nur auszu-sprechen ist, "wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist". Parallel zur Änderung im Schiedsrecht wurde der ordre-public-Vorbehalt in Art.
6 EGBGB zur Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates und in §
328 Abs.
1 Nr.
4 ZPO zur Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die [X.] der "Kernbestand"
der inländischen
Rechtsordnung ge-schützt werden, wobei in Anlehnung an die neuere völkervertragliche Praxis, insbesondere an Art. 16 des [X.] vom 19. Juni 1980, der Vorbehalt des ordre public durch den Zusatz "offensichtlich unverein-bar"
bewusst
eng und damit einschränkend formuliert wurde (vgl. Gesetzent-wurf der Bundesregierung, BR-Drucks.
222/83, [X.] 42 f, 88 f, 92).

Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung (vgl. nur Ur-teil
vom
12.
Juli
1990
-
III
ZR 174/89, NJW 1990, 3210, 3211)
darauf abgestellt, ob der Schiedsspruch "offensichtlich"
eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ob er "offensichtlich"
zu den [X.] Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch
steht. Hierbei hat der Senat betont, dass eine bloße Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden sollte, für einen solchen Verstoß nicht ausreicht. Der Schiedsspruch ist nicht in allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt beziehungsweise ein eklatanter Verstoß gegen die materielle Gerech-tigkeit vorliegt.

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5

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Hintergrund des "[X.]s"
ist dabei letztlich das Ver-bot der [X.], das heißt
das Verbot, eine ausländische Entscheidung oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Der [X.] (vgl. Urteile vom 28.
März 2000, [X.], 1853 Rn.
37 und vom 11.
Mai 2000, [X.], 2185 Rn.
30; jeweils zum [X.] ordre-public-Vorbehalt nach Art.
27 Nr.
1 EuGVÜ, der -
anders als jetzt Art. 34 Nr. 1 EuGVVO -
das Wort "offensichtlich"
nicht
enthielt) hat diesen Zu-sammenhang wie folgt umschrieben: "Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der [X.] als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln."

c) Im Zuge des [X.] vom 22.
De-zember 1997 ([X.]
I [X.]
3224) ist dann allerdings unter anderem
der inländi-sche ordre public in §
1059 Abs.
2 Nr.
2
Buchst. [X.] neu gefasst worden. Die Bestimmung lautet nunmehr, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann, wenn das Gericht feststellt, dass "die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht". Das Kriterium der Offensichtlichkeit ist im Text nicht mehr ausdrücklich angesprochen. Aus der Entstehungsgeschichte (vgl. Ge-setzentwurf der Bundesregierung [X.]. 13/5274 [X.]
59) ergibt sich [X.] nichts dafür, dass der Gesetzgeber -
zudem nur für das Schiedsverfahren und nicht im Anwendungsbereich der unverändert gebliebenen Art. 6 EGBGB, §
328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO -
insoweit etwas an der bisherigen Rechtslage ändern wollte. Vielmehr hatte die Änderung sprachliche Gründe (aaO); eine Inhaltskon-trolle des Schiedsspruchs sollte jedoch ebenso wie nach bisherigem
Recht [X.] ausgeschlossen bleiben (aaO [X.] 58 f). Ein anderes Verständnis der Norm 6
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-

6

-

würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, durch das [X.] die Schiedsgerichtsbarkeit als "Alterna-tive zur staatlichen Justiz"
beziehungsweise "als eine der staatlichen Gerichts-barkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit"
zu stärken (aaO [X.] 1, 34).

Vor diesem Hintergrund hat der Senat (vgl. Beschluss vom 30.
Oktober 2008 -
III
ZB 17/08, [X.], 573, 574) ausdrücklich festgestellt, dass auch nach Inkrafttreten des [X.] die Aufhe-bung eines Schiedsspruchs voraussetzt, dass die Entscheidung zu einem Er-gebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts offen-sichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des [X.] Rechts einen Verstoß gegen den ordre public darstellt.

Hieran hält der Senat weiter fest. Insoweit ist ergänzend auch anzumer-ken, dass das [X.] inzwischen durchgängig in den neue-ren [X.] Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt verwandt wird (vgl. neben Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nur Art. 22
Buchst. a, Art. 23
Buchst. [X.], Art. 24
Buchst. [X.], Art. 40
Buchst. [X.] zur Anerkennung von Entscheidungen sowie Art. 21 [X.] I-VO, Art. 26 [X.] II-VO, Art. 12 [X.] III-VO, Art. 13 [X.], Art. 35 EuErbVO zur Anwendung ausländischen Rechts; siehe auch § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).

2.
Das [X.] hat damit nicht -
schon gar nicht in symptomati-scher Weise -
den Begriff des ordre public verkannt. Auch im Übrigen liegen die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für eine Zulässigkeit der 8
9
10
-

7

-

Rechtsbeschwerde nicht vor. Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung des [X.]s, dass
die Anerkennung und Vollstreckung des Schieds-spruchs
des Oberschiedsgerichts

vom 27.
Juni 2012 nicht zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2
Buchst. [X.]). Auf eine weitere
Begründung wird nach §
577 Abs.
6 Satz
2, 3 ZPO verzichtet.

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert
Reiter
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 25.04.2013 -
8 Sch 7/12 -

Meta

III ZB 40/13

28.01.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2014, Az. III ZB 40/13 (REWIS RS 2014, 8361)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8361

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