Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 146/10

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7081

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BUNDESGERIC[X.]TS[X.]OF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 146/10
Verkündet am:

4. Mai 2011

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 259
Eine Klage des Vermieters auf zukünftige Leistung gemäß §
259 ZPO ist zulässig, wenn der Mieter einen Rückstand an Miete und Mietnebenkosten in einer die Brutto-miete mehrfach übersteigenden [X.]öhe hat auflaufen lassen.

[X.], Urteil vom 4. Mai 2011 -
VIII ZR 146/10 -
LG [X.]annover

AG [X.]annover

-
2
-
Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter
[X.], die Richterin Dr.
Milger,
die
Richter Dr.
Achilles und Dr.
Schneider sowie die Richterin Dr.
Fetzer

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 13. Zivilkammer des [X.] vom 7. Mai 2010 aufgehoben.
[X.]insichtlich der Klage auf Räumung und [X.]erausgabe der Miet-wohnung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung -
auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. August 2009 wird [X.].
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten sind seit 1.
Oktober 2004 Mieter einer Wohnung der Klä-ger in [X.].

. In dem mit der Rechtsvorgängerin der Kläger am 24.
September 2004 geschlossenen Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine monatliche Kaltmiete von 395

ö-he von 75

1
-
3
-
Die Beklagten zahlten die spätestens am dritten Werktag eines Monats zur Zahlung fälligen Mieten für die Monate Dezember 2006, Oktober 2007 und September 2008 nicht. Am 17.
November 2008 erklärte die Rechtsvorgängerin der Kläger -
gestützt auf den aufgelaufenen Mietrückstand
von 1.410

-
ohne vorherige Abmahnung gegenüber den Beklagten die außerordentliche [X.] und verlangte Räumung und [X.]erausgabe der Woh-nung bis
spätestens 31.
Dezember 2008. Mit Schreiben vom 20.
November 2008 forderte die Rechtsvorgängerin der Kläger die Beklagten auf, die rück-ständigen Mieten zuzüglich nicht gezahlter Nebenkosten für die Jahre 2005 bis 2007 (insgesamt 2.888,29

, und drohte
an, Klage zu erheben, wenn der geforderte Betrag nicht fristgemäß ein-gehen sollte. Am 28.
November 2008 zahlten
die Beklagten
die Miete für [X.] 2008 einschließlich der Nebenkosten (470

g-ten nicht.
Mit der
den Beklagten am 31. Januar 2009 zugestellten Klage vom 22.
Januar 2009 nehmen die Kläger,
die den Prozess als
Rechtsnachfolger der ursprünglichen Klägerin aufgenommen haben, die Beklagten auf Zahlung
von 3.147,05

ö-he von 489,95

, ferner
auf Räumung und [X.]erausgabe der Wohnung in [X.]. Die
geltend gemachte Forderung in [X.]öhe von 3.14u-sammen aus den rückständigen Mieten für Dezember 2006 und Oktober 2007 zuzüglich nicht gezahlter
Nebenkosten für die Jahre 2005 bis 2007 sowie [X.] für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009. Weiter begehren die Kläger
die Verurteilung der Beklagten, ab Februar 2009 bis zur vollständigen Räumung und [X.]erausgabe der Wohnung an die Kläger eine [X.] in [X.]öhe von 470

Klageschrift hat
die Rechtsvorgängerin der Kläger -
gestützt auf die im Einzel-2
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-
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-
nen aufgeführten Zahlungsrückstände
-
vorsorglich erneut die fristlose [X.]
erklärt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. [X.]iergegen haben die [X.] Berufung eingelegt,
soweit sie zur Räumung und zur zukünftigen Leis-tung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in [X.]öhe vo2009 verurteilt worden sind. Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil in-soweit abgeändert und die Klage auf Räumung und auf zukünftige Zahlung
-
letztere als unzulässig
-
abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelas-senen Revision erstreben
die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtli-chen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Den Klägern stehe ein Räumungs-
und [X.]erausgabeanspruch gegen die Beklagten nicht zu, da die
außerordentliche Kündigung vom 17. November 2008 rechtsmissbräuchlich sei. Zwar hätten sich die Beklagten im Kündigungs-zeitpunkt mit den Mietzahlungen für Dezember 2006, Oktober 2007 und [X.] 2008, mithin mit mehr als zwei Monatsmieten,
in Rückstand befunden, so dass die [X.] nach §
543 Abs.
1, 2 Satz 1 Nr.
3
Buchst. [X.] an sich erfüllt gewesen seien. Die Rechtsvorgängerin der Klä-ger
hätte die Beklagten aber vor Ausspruch der Kündigung darauf hinweisen 4
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-
5
-
müssen, dass sie nicht länger bereit sei, weitere Zahlungsrückstände folgenlos hinzunehmen. Zwar bedürfe es im Falle eines Verzugs der Mietzahlung grund-sätzlich keiner Abmahnung. Im Streitfall sei jedoch zu berücksichtigen, dass zwischen der Entstehung
der Zahlungsrückstände ein Zeitraum von zehn be-ziehungsweise elf Monaten liege. Bei dieser Sachlage hätte die Rechtsvorgän-gerin der Kläger
die Beklagten abmahnen müssen, denn nach §
314 Abs.
3 BGB könne ein Dauerschuldverhältnis nur innerhalb einer angemessenen Frist,
nachdem der Kündigende vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt habe, ge-kündigt werden. Die Rechtsvorgängerin der Kläger
habe jedoch zwischen dem zweiten und dritten Zahlungsrückstand einen Zeitraum von elf Monaten ver-streichen lassen, ohne die rückständigen Mieten anzumahnen oder das Miet-verhältnis zu kündigen. Die fehlende Abmahnung habe bei den Beklagten das Vertrauen entstehen lassen, dass auch weitere Nichtzahlungen nicht zum [X.] für eine Kündigung genommen
würden.
Die Klage auf
Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung sei unzuläs-sig, da die Voraussetzungen des §
259 ZPO nicht gegeben seien. Weder hätten die Beklagten die Berechtigung der Mietforderungen der Kläger ernsthaft be-stritten, noch seien Anhaltspunkte für eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit der Beklagten ersichtlich. Insbesondere könne aus der Nichtzahlung von drei Mo-natsmieten innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nichts für eine [X.] hergeleitet werden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann ein [X.] der Kläger auf Räumung und [X.]erausgabe der Wohnung aus §
546 Abs.
1 BGB in Verbindung mit §
543 Abs.
1, 2 Satz
1 Nr.
3
Buchst. [X.] nicht 8
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6
-
verneint werden. Die Klage auf künftige Zahlung von Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig; sie ist auch begründet.
1. Es bedarf keiner Entscheidung, ob -
wie es das Berufungsgericht [X.] und der [X.] auch bisher offen
lassen konnte ([X.]surteil vom 11.
März 2009 -
VIII
ZR 115/08, NZM
2009, 314 Rn.
17 mwN)
-
§
314 Abs.
3 BGB bei der Wohnraummiete im Rahmen des außerordentlichen Kündigungs-rechts wegen Zahlungsverzugs gemäß §
543 Abs.
1, 2 Satz
1 Nr.
3 Buchst. [X.] Anwendung finden kann. Denn den Klägern steht ungeachtet dessen das Recht zur fristlosen Kündigung aus der genannten Vorschrift zu. Ob damit aller-dings der Räumungs-
und [X.]erausgabeanspruch der Kläger nach §
546 BGB begründet ist, entzieht sich derzeit einer abschließenden Beurteilung, da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Rechtsvor-gängerin der Kläger gegenüber allen mit ihr vertraglich verbundenen Mietern gekündigt hat, und hiervon die Wirksamkeit der Kündigung abhängt.
a) Gemäß §
543 Abs.
1, 2 Satz
1 Nr.
3
Buchst. [X.] liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine er-streckt, mit der Entrichtung der Miete in [X.]öhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Das war nach den Feststellungen des [X.]sgerichts jedenfalls bei Ausspruch der weiteren fristlosen Kündigung in der Klageschrift der Fall, die sich unter anderem auf die in unmittelbarem zeitlichem
Zusammenhang mit dieser Kündigung stehenden
neuerlichen
Mietrückstände
für die Monate Dezember 2008 und Januar 2009 stützt. Allein dieser Zahlungs-verzug erfüllt bereits die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach §
543 Abs.
1, 2 Satz
1 Nr.
3 Buchst. [X.]. Das Berufungsgericht hätte seiner Beurteilung diese Mietrückstände bei Beachtung der in der Zustellung 10
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7
-
der Klageschrift am 31.
Januar 2009 liegenden Kündigung der Kläger bereits deshalb zu Grunde legen müssen, weil mit
der von den Beklagten mit der [X.] nicht angegriffenen erstinstanzlichen Verurteilung zur Zahlung von 3.14

rechtskräftig fest
steht, dass die Beklagten
der Klägerin im Kündi-gungszeitpunkt
auch die
in der Urteilssumme enthaltenen Mietzahlungen für Dezember 2008 und Januar 2009
schuldeten.
b) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellun-gen kann indessen nicht abschließend beurteilt werden, ob die von der Rechts-vorgängerin der Kläger ausgesprochene Kündigung wirksam ist, was voraus-setzt, dass sie gegenüber allen Mietern erklärt worden ist ([X.]surteil vom 16.
März 2005 -
VIII
ZR 14/04, [X.], 341 unter [X.]).
Das Berufungsgericht hat hierzu keine
Feststellungen getroffen. Dazu hätte Anlass bestanden, denn ausweislich des mit der Klageschrift vorgelegten Mietvertrags
war jedenfalls zu Vertragsbeginn auch die Tochter der Beklagten Mieterin. Zu einem möglichen Ausscheiden der Tochter aus dem Mietverhältnis in der Folgezeit haben die Parteien im Prozess unterschiedlich vorgetragen. Die Kläger beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin haben
behauptet, die [X.] der Beklagten bewohne die vermieteten Räume nach wie vor. Die Beklagten haben dies in Abrede gestellt und behauptet, ihre Tochter sei bereits im [X.] 2006 aus dem Mietverhältnis ausgeschieden und aus der Wohnung ausgezogen.
Allerdings wurde dieser sich widersprechende wechselseitige Par-teivortrag im Zusammenhang damit gehalten, ob den [X.] der Rechtsvorgängerin der Kläger die zutreffende Personenanzahl zu-grunde gelegen hat. Da es aus der rechtlichen Sichtweise des Berufungsge-richts
auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigungserklärung nicht ankam und offenbar auch die Parteien diesen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt unbeachtet gelassen haben, muss den Parteien in der neuen Verhandlung Ge-12
13
-
8
-
legenheit gegeben werden, hierzu ergänzend vorzutragen, damit das [X.]sgericht die erforderlichen Feststellungen unter Beachtung der vom [X.]
zum Ausscheiden eines von mehreren
Mietern entwickelten Grundsätze
(Se-natsurteile
vom 16. März
2005
-
VIII
ZR 14/04, aaO; vom 3. März 2004 -
VIII
ZR 124/03, [X.], 419 unter [X.]; [X.]sbeschluss vom 14. September 2010
-
VIII
ZR 83/10, [X.], 815; jeweils mwN; vgl. auch [X.], Mietrecht, 10. Aufl., § 542 BGB Rn. 27 ff.)
treffen kann.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die
auf künftige Leistung gerichtete
Zahlungsklage
zulässig.
Gemäß §
259 ZPO kann Klage auf zukünftige Leistung erhoben werden, wenn die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Die Besorgnis der nicht
rechtzeitigen Leistung der Beklagten besteht im Streitfall bereits deshalb, weil auf Grund
der von den [X.] mit der Berufung nicht angegriffenen Verurteilung zur Zahlung von 3.147,05

durch das Amtsgericht rechtskräftig feststeht, dass die Beklagten den Klägern diesen Betrag schulden.
Wenn aber die Beklagten einen Rückstand an Miete und Mietnebenkosten in einer
die [X.] von mehrfach übersteigenden [X.]öhe haben auflaufen lassen, ist zu besorgen, dass die Beklagten künftige Nutzungsentgeltforderungen
der Kläger -
unabhängig davon, ob sie Miete oder Nutzungsentschädigung zum Gegen-stand haben
-
nicht
rechtzeitig erfüllen werden. Aus dem [X.]sbeschluss vom 20.
November 2002 ([X.], NJW 2003, 1395) ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts anderes.

14
15
-
9
-
III.
Das Berufungsurteil kann nach allem keinen Bestand haben; es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist hinsichtlich der Klage auf Räumung und [X.]erausgabe der Mietwohnung gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zu neuer [X.] und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur Wirksamkeit der Kündigung getroffen wer-den können.
Bezüglich der -
zulässigen
-
Klage auf künftige Zahlung von Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung ist der Rechtsstreit zur Endentschei-dung reif, so dass der [X.] in der Sache selbst zu entscheiden hat (§
563 Abs.
3 ZPO). Da die Beklagten den von den Klägern geforderten Betrag von [X.] in gleicher [X.]öhe als Nutzungsentschädigung (§
546a Abs.
1 BGB) schul-den, ist insoweit die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückzuweisen.
[X.]
Dr. Milger
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
AG [X.]annover, Entscheidung vom 12.08.2009 -
564 C 1083/09 -

LG [X.]annover, Entscheidung vom 07.05.2010 -
13 S 59/09 -

16

Meta

VIII ZR 146/10

04.05.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 146/10 (REWIS RS 2011, 7081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7081

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 146/10

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