Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8272

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:130716UV[X.]IZR296.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL

V[X.]I ZR 296/15

Verkündet am:

13. Juli 2016

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 314 Abs. 3, §§ 543, 569
§
314 Abs. 3 [X.] findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)
Mietverhältnisses nach §§
543, 569 [X.] keine Anwendung.

[X.], Versäumnisurteil vom 13. Juli 2016 -
V[X.]I ZR 296/15 -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der V[X.]I.
Zivilsenat des [X.]s hat auf die mündliche Verhandlung vom 13.
Juli 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterinnen Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie die Richter Dr.
Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
Dezember 2015
im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Räumungs-
und Herausgabeantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2015 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte mietete im Jahr 2006 von der Klägerin eine Wohnung
in [X.],
deren Miete zuletzt monatlich 619,50

uzüglich
Vorauszahlung auf die Nebenkosten betrug.
Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate [X.] und April 2013 nicht. Die Klägerin mahnte die Zahlung dieser Beträge
des-wegen mit Schreiben
vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom [X.] 2013 teilte die Beklagte mit, sie habe
diese Mieten leider nicht überwiesen und entschuldige sich dafür, beglich die
Mietrückstände aber in der Folgezeit 1
-
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-
nicht. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15.
November 2013 die
fristlose Kündigung.
Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zah-lung
einer Betriebskostennachforderung
für das [X.] in Höhe von 1.577,50

-
bis auf einen Betrag von 515,21

nebst Zinsen
-
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehen-den Berufung teilweise abgeändert, indem
es die Klage auf Räumung und Her-ausgabe der Wohnung abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu [X.], da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ord-nungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Ur-teil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprü-fung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962

[X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung,
soweit für das Revisionsverfahren von Interesse,
im Wesentlichen ausgeführt:

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-
4
-
Die Klage auf Räumung sei unbegründet. Zwar habe sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit zwei Monatsmieten im
Ver-zug befunden. Dabei könne dahinstehen, ob die
Miete
wegen der von der [X.] behaupteten Mängel der Mietsache gemäß §
536 [X.]
gemindert ge-wesen sei, weil es jedenfalls am Zugang
einer Mängelanzeige gefehlt habe. Die Beklagte sei daher gemäß §
536c Abs.
2 Satz
2 Nr.
1 [X.] mit der Geltendma-chung ihrer Rechte ausgeschlossen.
Die Kündigungserklärung vom 15.
November 2013 sei aber gemäß §
314 Abs.
3 [X.] unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von dem Kündigungsgrund erfolgt sei. Die [X.] finde im Wohnraummietverhältnis Anwendung. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn seit der Kenntniserlangung des Vermieters von dem Eintritt der [X.] längere Zeit vergangen sei und der Mieter aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, dass der [X.] von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.
Für die Anwendung des §
314 Abs.
3 [X.] spreche, dass es sich um ei-ne außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund handele. Die Interessenabwägung gehe in den Fällen des §
543 Abs.
2 Satz 1 Nr.
3 [X.] zu Lasten des Mieters aus, weil der Vermieter erhebliche fi-nanzielle Einbußen durch Mietrückstände erleide. Es sei aber nicht ersichtlich, warum der Vermieter noch weiter geschützt werden solle, indem er das ihm zustehende Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben könne. Vielmehr sei
einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der [X.] nicht innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung des Mietver-hältnisses zuzumuten. In diesen Fällen sei der Mieter schutzwürdiger, der auf-6
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grund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.
Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass eine fristlose Kündi-gung wegen der Mietrückstände aus Februar und April 2013 mehr als sieben Monate später
im November 2013 nicht mehr erfolgen werde.
Es seien bis zum Zeitpunkt der Kündigung keine weiteren Umstände hinzugetreten, die das Zu-warten der Klägerin und die im [X.] erfolgte Kündigung nachvollziehbar machten, wie etwa die Entstehung weiterer Mietrückstände. Der Umstand, dass die Klägerin die Beklagte zuvor gemahnt habe, stehe einem
schutzwürdigen Vertrauen
auf Seiten der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin zwar darauf bestehe, dass die offenen Mie-ten noch gezahlt werden, dies jedoch nicht zum Anlass nehmen werde, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
In diesem Zusammenhang gewinne auch der Umstand an besonderer Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handele, der die Beklagte zudem früher als Küsterin auch beruflich verbunden gewesen sei. Es habe daher für die Beklagte durchaus nahegelegen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht aus [X.] oder auch ethischen Erwägungen kei-nen Gebrauch machen werde.
[X.].
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 15.
November 2013 und die Begründetheit des hierauf
gestütz-ten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung
(§§
546, 985 [X.])
nicht verneint werden. Denn
der Zeitablauf von sieben [X.] zwischen der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit
wegen Zahlungsver-9
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zugs
(5. April 2013)
und der Erklärung der Kündigung am 15. November 2013 steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.
1.
Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin (§§
546, 985) verneint, weil die mit Schreiben vom 15. November 2015 erklärte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht beendet ha-be. Dabei hat das Berufungsgericht -
insoweit rechtsfehlerfrei -
einen Zahlungs-verzug in Höhe von zwei Monatsmieten bejaht, der den Vermieter grundsätzlich zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b [X.] berechtigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei gleichwohl unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und deshalb nicht in einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 [X.]) erklärt worden sei, ist indes mit [X.] behaftet.
Entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des §
314 Abs. 3 [X.]

auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§
543, 569 [X.] schon nicht anwendbar. Davon abgesehen wäre die
vom Be-rufungsgericht innerhalb der von ihm bejahten Anwendung des § 314
Abs. 3 [X.] vorgenommene Beurteilung
aber auch nach den Maßstäben dieser Be-stimmung rechtsfehlerhaft. Denn die Annahme, die Kündigung sei nicht in an-gemessener Frist ausgesprochen worden, ist angesichts des vom
Berufungsge-richt nicht berücksichtigten Umstands, dass die Zahlungsrückstände trotz Mah-nung fortbestanden
und die
Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung Rücksicht auf die Belange der Beklagten genommen hat
(vgl. § 543 Abs. 2 Satz
2 [X.]),
nicht berechtigt.
Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe [X.] hinaus, dass ein für die Mieter gerade günstiges
Zuwarten unterbliebe und der Vermieter gehalten wäre, zur Vermeidung eigener Nachteile, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.
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-
a)
§ 314 Abs. 3 [X.] findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohn-
raum-)Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 [X.] keine
Anwendung.
Allerdings hat der Senat diese Frage bisher offen gelassen
(vgl. Senats-urteile vom 15. April 2015 -
V[X.]I ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 29; vom 11.
März 2009 -
V[X.]I [X.], [X.], 231 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 13.
April 2010 -
[X.], [X.], 32 Rn. 5; vgl. in diesem Zusam-menhang ferner
zur Gewerberaummiete [X.], Urteil vom 21. März 2007

[X.], NJW-RR 2007, 886 Rn. 21: dort wurde eine illoyale Verspätung so-wohl im Rahmen der Verwirkung als auch im Rahmen des § 314 Abs. 3 [X.] verneint, ohne dass dessen Anwendbarkeit näher erörtert wurde), weil sie nicht entscheidungserheblich war. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass
es
(bei Anlegung eines zutreffenden Maßstabes)
im Falle einer
nach § 314 Abs. 3 [X.] durchgreifenden
illoyalen Verspätung
typischerweise ebenso
an einer
Unzu-mutbarkeit nach § 543 Abs. 1 [X.]
fehlen wird
oder die Voraussetzungen des
Einwandes
von Treu und Glauben, insbesondere
der Verwirkung,
erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13.
April 2010

[X.], aaO
Rn. 5 mwN),
wohingegen
es bei Einhaltung einer angemessenen Frist nach § 314 Abs. 3 [X.] ohnehin bei der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach § 543 [X.] verbliebe.
b) Nunmehr gibt die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision Anlass, die Frage zu klären, ob §
314 Abs. 3 [X.] auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses
gemäß §§ 543, 569 [X.]
überhaupt Anwendung findet oder ob es sich
bei diesen Bestimmungen um
abschließende Sonderregelungen handelt.
aa)
Schon der Wortlaut dieser Vorschriften spricht gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Senatsbeschluss 14
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-
vom 13.
April 2010

[X.],
aaO). § 543 [X.], der

sei es als General-klausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2)

die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regelt, bestimmt in seinen weite-ren Absätzen im Einzelnen die Modalitäten der Kündigung. Eine zeitliche Be-schränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibt diese Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig enthält sie
einen
Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.]. Auch §
569 [X.], der für [X.] die Vorschrift des § 543 [X.] um wei-tere Tatbestände und Kündigungsmodalitäten ergänzt, sieht weder eine Zeit-spanne, innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen ist, noch einen
Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.]
vor.
bb)
Dies wird bestätigt durch die in
den Gesetzesmaterialien zum Aus-druck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers. Aus den [X.] zu §§ 543, 569 [X.] und zu § 314 [X.] ergibt sich eindeutig, dass die [X.]en über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließen-de spezielle Regelung konzipiert sind und von der Einfügung einer Bestim-mung, wonach die Kündigung in "angemessener Frist"
zu erfolgen habe, [X.] abgesehen wurde.
(1) Die Neufassung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 ([X.] I S. 1149) sollte die bisherigen [X.] ablösen und das zuvor aus allgemeinen
Rechtsgrundsätzen hergeleitete fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziel-len Kündigungsgründe
ablösen
(BT-Drucks. 14/4553, S.
43). Mit Ausnahme der
Verlängerung der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 [X.]) sollte damit eine [X.] Änderung nicht verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Die Regelung des §
314 [X.] oder eine vergleichbare allgemeine Vorschrift gab es zum da-18
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-
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-
maligen Zeitpunkt nicht. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts nicht entwickelt worden.
Es war allerdings seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich zieht, etwa in der Weise, dass es
bei Kündigungstatbeständen, die auf eine Unzumutbarkeit der [X.] abstellen, angesichts einer längeren Kündigungsverzögerung an einer solchen Unzumutbarkeit und somit an einem durchgreifenden Kündigungsgrund fehlen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. September 1987

[X.], NJW-RR 1988, 77, unter [X.] 2
a
mwN
[zu §
554a [X.] aF]). Ebenso stand und steht außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund beson-derer Umstände treuwidrig, insbesondere
verwirkt sein kann (vgl. [X.], Urteile
vom 29. April 2009

V[X.]I ZR 142/08, [X.], 2297 Rn. 17; vom 18. Oktober 2006

X[X.] ZR 33/04, [X.], 147 Rn. 11; vgl. ferner die frühere Rechtspre-chung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Mieters ge-mäß § 542 [X.] aF bei [X.] Weiterzahlung der Miete für eine gewisse Zeit, dazu [X.], Urteil vom 31. Mai 2000

X[X.] ZR 41/98, [X.], 2663 unter [X.] 3).
(2) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bei der Mietrechtsre-form vom 19. Juni 2001 bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die [X.] innerhalb einer "angemessenen Zeit"
ab Kenntnis vom Kündigungs-grund zu erfolgen
hat (BT-Drucks. 14/4553, [X.]) Die Gesetzesbegründung verweist darauf,
dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für eine solche Festlegung nicht bestehe. Zusätzlich wird darauf abgestellt, dass eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse nicht fest-gelegt werden könne
und eine "offenere"
Bestimmung eine Auslegung durch die Rechtsprechung erfordere und somit kaum etwas zur Vereinfachung des 20
21
-
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-
Mietrechts beitragen könne. Wörtlich heißt es hierzu in den [X.] (BT-Drucks. 14/4553, [X.]):
"Es wird davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung in-nerhalb einer angemessenen Zeit seit der Kenntnis vom Kündi-gungsgrund zu erfolgen hat. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann schon jetzt nach ständiger Rechtsprechung verwirkt an §
626 Abs.
2 [X.] sowie §§
6, 24 und 70 [X.] erscheint wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäfts-offenere Bestimmung wäre durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig. Die mögliche Regelung könnte damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen."
(3) Hieran hat die Einführung des § 314 [X.] durch das [X.] vom 26. November 2001 ([X.] I S. 3138) nichts
geän-dert. Es erschien dem Gesetzgeber zwar geboten, bei einer allgemeinen Über-arbeitung des [X.] die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Dafür sprach sowohl die erhebliche praktische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu seinem [X.] (BT-Drucks. 14/6040, [X.]). Schon der Gesetzgeber sah jedoch, dass §
314 [X.] damit als lex generalis in einem Konkurrenzverhältnis zu zahlrei-chen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze
steht, in denen die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhält-nissen
besonders geregelt ist. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung hierzu:
"Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geän-dert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor §
314
RE haben."
(BT-Drucks. 14/6040, S.
177).
22
-
11
-
Dementsprechend hat der Gesetzgeber des [X.] zwar an manchen Stellen im Mietrecht Anpassungen vorge-nommen, so auch bei § 543 Abs. 4 Satz 1 [X.] (vgl. die Übersicht zu den Än-derungen bei [X.]/[X.],
[X.], 75.
Aufl.,
Einf v
§ 535 Rn.
77a), jedoch davon abgesehen, in §§ 543, 569 [X.] einen Verweis auf § 314 Abs. 3 [X.] aufzunehmen.

Die fristlose
Kündigung eines Mietverhältnisses ist also
in §§ 543, 569 [X.] abschließend geregelt und eine Anwendung des
§ 314 Abs. 3 [X.] somit ausgeschlossen
(ebenso MünchKomm[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
314 Rn.
9; [X.], aaO, §
314 Rn 5; [X.]/[X.],
aaO,
§
314 Rn.
4; [X.]/[X.], aaO, §
543 Rn.
44
f.). Die von Teilen der Literatur (vgl. Häublein, [X.], 1 f; [X.]/V.
Emmerich, [X.]. 2014, § 543 [X.] Rn. 2, 90; [X.]/Lützenkirchen, [X.], 14. Aufl., § 543 Rn. 12 ff., 49)
vertretene ge-genteilige Auffassung verkennt die
aus den Materialien ersichtliche eindeutige Zielsetzung des Gesetzgebers.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO). Zwar finden

wie bereits oben unter [X.] 1 a ausgeführt -
bei einer auf § 543 Abs. 2
[X.]
gestützten Kündigungserklä-rung die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, An-wendung. Die vom Berufungsgericht beanstandete "Verzögerung"
der Kündi-gung erfüllt jedoch die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es -
offensichtlich -
an einem Umstandsmoment
(vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Juli 2013

V[X.]I ZR 162/09, [X.]Z 198, 111 Rn. 66) fehlt. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen der Beklagten, die Klägerin
werde
von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst 23
24
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-
12
-
nicht ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die Beklagte früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist.
[X.]I.
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben, soweit be-züglich der Räumung zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO).
Der
Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Fest-stellungen mehr bedarf
und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§
563
Abs.
3 ZPO).
Dies
führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und somit zur vollständigen Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Räumungs-
und Herausgabeklage ist begründet (§§
546, 985
[X.]), weil die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. November 2013 das Mietverhältnis beendet hat. Denn die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Kündigung mit den Mieten für die Monate Februar und April 2013 in Verzug, so dass die [X.] gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Buchst. b [X.] berechtigt
war.
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-
13
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsan-walt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnis-urteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer [X.] einzulegen.

Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Fetzer

Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 06.05.2015 -
23 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 16.12.2015 -
5 S 40/15 -

Meta

VIII ZR 296/15

13.07.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15 (REWIS RS 2016, 8272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8272

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 296/15

VIII ZR 281/13

VIII ZR 206/09

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