Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2012, Az. 9 AZR 136/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 523

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Gegenstand

Tarifliche Regelung der Altersteilzeit - Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] - Kammern [X.] - vom 16. September 2010 - 11 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Abschluss eines [X.].

2

Die Klägerin wurde am 28. Juli 1953 geboren. Die beklagte Kirchengemeinde betreibt einen Kindergarten, in dem die Klägerin seit dem 1. Januar 1973 als Kindergärtnerin beschäftigt ist. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.879,94 Euro. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 9. Juni 1973 heißt es ua.:

        

„§ 2 Rechtliche Natur der Anstellung

        

Der [X.]es-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und der Vergütungstarifvertrag in der für den [X.] und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung sowie die jeweiligen Änderungen hierzu sind Bestandteil dieses Vertrags, soweit nachstehend keine Abweichungen hiervon vereinbart sind und sich aus dem Wesen des kirchlichen Anstellungsverhältnisses nichts anderes ergibt (siehe § 8 Abs. 1 dieses Vertrags).

                 
        

...     

                 
        

§ 8 Pflichten und Rechte

        

Der [X.] hat den ihm anvertrauten Dienst in Treue zu leisten. Sein Gesamtverhalten in und außer Dienst muss der Verantwortung entsprechen, die er als Mitarbeiter im Dienst der Kirchengemeinde übernommen hat. Es wird vorausgesetzt, dass er den [X.] Grundsätzen bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten Rechnung trägt. …

                 
        

…       

                 
        

§ 11 Sonstiges

        

...     

        

Bei Anstellung von Bediensteten in Kindertagesstätten:

        

Die Dienstordnung für die Bediensteten in Kindertagesstätten (Kindergärten und Tagheimen) der Diözese Rottenburg in ihrer jeweils gültigen Fassung ist Bestandteil dieses Vertrags ...

        

Bei Anstellung von Kindergärtnerinnen in Kindertagesstätten:

        

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass die Kindergärtnerin durch ihre Ausbildung die ‚Kirchliche Sendung’ für den Kindergarten besitzt und dadurch auch zu religiöser Tätigkeit entsprechend den Weisungen des Arbeitgebers verpflichtet ist.

        

Weitere Nebenabreden: - keine -“

3

Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) enthält ua. folgende Regelung:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer (Angestellte, Arbeiter und Arbeiterinnen), die unter den Geltungsbereich des

        

a)    

[X.]es-Angestelltentarifvertrages ([X.]),

        

...     

        
        

fallen.“

4

Mit Schreiben vom 20. Juni 2009 beantragte die Klägerin erfolglos den Abschluss eines [X.] mit einer Gesamtlaufzeit von sechs Jahren und acht Monaten für den [X.]raum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Juli 2016. Die Altersteilzeit sollte im Blockmodell durchgeführt werden mit einer Arbeitsphase bis zum 31. März 2013 und einer sich anschließenden Freistellungsphase.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der [X.] finde aufgrund der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Sie habe daher einen Anspruch auf Vereinbarung eines [X.], weil dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstünden. Jedenfalls sei die Ablehnung des Abschlusses eines [X.] durch die Beklagte ermessensfehlerhaft.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot zum Abschluss eines [X.] nach den Bestimmungen des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit für [X.], Länder und Gemeinden vom 5. Mai 1998 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 für den [X.]raum vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. Juli 2016 im Blockmodell anzunehmen, wobei die Beschäftigungsphase die [X.] vom 1. Dezember 2009 bis zum 31. März 2013 und die Freistellungsphase die [X.] vom 1. April 2013 bis zum 31. Juli 2016 umfasst.

7

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, im [X.]punkt der Entscheidung über den Abschluss des [X.] sei nicht absehbar gewesen, ob und zu welchen Bedingungen eine Ersatzeinstellung möglich sein werde. Die von der Klägerin beantragte Vertragslaufzeit gehe über den durch die [X.] förderfähigen [X.]raum hinaus. Nach einer Entscheidung der [X.]-Stuttgart sollten keine Altersteilzeitarbeitsverhältnisse vereinbart werden, deren Dauer den [X.]raum von sechs Jahren übersteige.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses aus dem [X.].

I. Entgegen der Ansicht der Klägerin finden die Regelungen des [X.] nicht aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags Anwendung.

1. Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. [X.] 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 24 mwN, [X.]E 132, 261; 19. März 2009 - 6 [X.] - Rn. 21, [X.] § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17). Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrags durch das [X.] kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. [X.] 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 128, 165).

2. Die erkennbar von der Beklagten vorformulierte Vertragsklausel in § 2 des Arbeitsvertrags erklärt nur den [X.] und den [X.] sowie die jeweiligen Änderungen zum Bestandteil des Vertrags. Von dem Wortlaut der Klausel wird der [X.] mithin nicht erfasst. Darauf hat bereits das [X.] zutreffend hingewiesen. Der [X.] hat den [X.] nicht geändert. Es handelt sich vielmehr nach § 1 Buchst. a [X.] um einen den [X.] ergänzenden Tarifvertrag (vgl. Rittweger/[X.]/Schweikert Altersteilzeit 2. Aufl. § 1 [X.] Rn. 1).

a) Gegen ein über den Wortlaut hinausgehendes, auch Ergänzungen einschließendes Verständnis der Bezugnahmeklausel spricht zunächst die Abweichung von üblichen Formulierungen. Die typische zeitdynamische Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes war die Vertragsbestimmung: „Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des [X.] und der diesen ändernden, ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung“ ([X.]/B/M/S/[X.] [X.] Stand 1. Oktober 2012 [X.]. § 1 Exkurs: Tarifbindung und Tarifgeltung Rn. 17). Die streitgegenständliche Klausel beschränkt sich demgegenüber auf die ändernden Tarifverträge. Außerdem zählt die Klausel die in Bezug genommenen Tarifverträge ausdrücklich auf, indem auf den [X.] und den [X.] Bezug genommen wird.

b) Auch im Hinblick auf die fehlende Einschränkung möglicher Regelungsgegenstände kann die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag nicht so verstanden werden, dass von ihr jeder den [X.] ergänzende Tarifvertrag erfasst wird. Wie das Beispiel der Altersteilzeit zeigt, können durch ergänzende Tarifverträge für Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Belastungen begründet werden, die bei Abschluss des Arbeitsvertrags nicht absehbar waren. Die Möglichkeit der Altersteilzeit wurde erst durch das Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996, mithin 23 Jahre nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags, geschaffen. Dabei sah das Gesetz selbst noch keinen Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vor. Diesen hat für den Bereich des öffentlichen Dienstes erst der [X.] begründet.

c) Bei § 2 des Arbeitsvertrags handelt es sich auch nicht um eine sogenannte Gleistellungsabrede, mit der ein tarifgebundener Arbeitgeber tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer hinsichtlich der Tarifgeltung gleichstellen will (vgl. [X.] 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 132, 261; 18. März 2009 - 4 [X.] - Rn. 28, [X.]E 130, 43). Es ist weder festgestellt noch von der Klägerin behauptet, dass die beklagte Kirchengemeinde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezüglich der Tarifverträge der [X.] im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.] tarifgebunden war.

d) Die Parteien haben § 2 des Arbeitsvertrags auch nicht übereinstimmend so verstanden, dass dadurch auch der [X.] in Bezug genommen sein sollte. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit im Rahmen der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ein vom Vertragswortlaut abweichender übereinstimmender Parteiwille Berücksichtigung finden kann (vgl. dazu Hoefs in Clemenz/Kreft/[X.] AGB-Arbeitsrecht § 305c Rn. 46; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. § 305c Rn. 30). Die Beklagte ging zwar ausweislich ihres außergerichtlichen Schreibens vom 20. Oktober 2009 von einer Anwendbarkeit der Beschlüsse der [X.] für das Arbeitsverhältnis aus, die ihrerseits eine Bezugnahme auf den [X.] enthalten sollten. Tatsachen, aus denen sich die Verbindlichkeit der Arbeitsvertragsordnung der [X.] für ihr Arbeitsverhältnis ergeben könnte, haben die Parteien jedoch nicht vorgetragen. Entsprechenden Vortrags hätte es jedoch bedurft. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entfalten nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] keine normative Wirkung, sondern können als vom jeweiligen Arbeitgeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden ([X.] 24. Februar 2011 - 6 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.] § 611 Kirchendienst Nr. 57 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18). Eine solche Bezugnahme auf die Arbeitsvertragsordnung der [X.] hat die Klägerin nicht dargetan. In § 11 des in Kopie zur Akte gereichten Arbeitsvertrags ist lediglich die Dienstordnung für die Bediensteten in Kindertagesstätten (Kindergärten und Tagheimen) der Diözese in ihrer jeweils gültigen Fassung in Bezug genommen worden.

3. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin folgt aus § 1 Buchst. a [X.] nicht, dass der Tarifvertrag auch auf die Arbeitsverhältnisse nicht iSd. § 3 Abs. 1 [X.] tarifgebundener Arbeitnehmer Anwendung findet, in deren Arbeitsverträgen lediglich der [X.] in Bezug genommen wurde. Unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien des [X.] nicht die Regelungsmacht besäßen, die Geltung des Tarifvertrags für die Arbeitsverhältnisse nicht Tarifgebundener anzuordnen, beschreibt § 1 [X.] nur den Geltungsbereich des Tarifvertrags. Durch die Festlegung des Geltungsbereichs können die Tarifvertragsparteien auch zwischen beiderseits [X.] die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrags durch räumliche, fachliche und persönliche Kriterien einschränken (vgl. [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 204 Rn. 2 f.). Die Beschreibung des Geltungsbereichs dient hingegen nicht dazu, die Wirkung des Tarifvertrags auf nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien zu erstrecken.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Spiekermann    

                 

Meta

9 AZR 136/11

11.12.2012

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Freiburg (Breisgau), 24. März 2010, Az: 2 Ca 358/09, Urteil

§ 1 AltTZTV, § 3 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2012, Az. 9 AZR 136/11 (REWIS RS 2012, 523)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 523

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