Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2014, Az. KRB 48/13

Kartellsenat | REWIS RS 2014, 8412

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Gegenstand

Kartellbußgeldverfahren: Durchsuchungsbeschluss gegen Nebenbetroffenen zur Sanktionsbemessung


Tenor

Die Beschwerde der [X.]n gegen den Durchsuchungsbeschluss des 4. Kartellsenats des [X.] vom 12. April 2013 wird aus den Gründen des [X.] vom 10. Juli 2013 als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Ergänzend bemerkt der [X.]:

1. Entgegen der Auffassung der Verteidigung ergibt sich für die hier zu beurteilende Rechtmäßigkeit des [X.] aus der mit der 8. [X.] neu eingefügten Bestimmung des § 81a [X.] nichts anderes. Sie verpflichtet juristische Personen zur Auskunft und Herausgabe von Unterlagen, die für die Rechtsfolgenbemessung von Bedeutung sind. Die Vorschrift, die allerdings zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] noch nicht in [X.] war, dient der Klarstellung, dass juristische Personen insoweit nicht unter Berufung auf den Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss, im Bußgeldverfahren ihnen nachteilige Auskünfte verweigern dürfen (vgl. BT-Drucks. 17/9852, S. 34 f.). Dies wird insbesondere durch die Regelung des Absatzes 3 verdeutlicht, wonach für den Betroffenen als natürliche Person weiterhin ein  entsprechendes Auskunftsverweigerungsrecht gilt, über das er auch zu belehren ist.

Hiervon zu trennen ist die Frage, wann sich die Verfolgungsbehörde mit einem Auskunfts- und Herausgabeverlangen begnügen muss und wann sie eine Durchsuchungsanordnung ergreifen darf. Dies ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend ist dabei, inwieweit die [X.] sich auf die Vollständigkeit, Verlässlichkeit und Wahrhaftigkeit der Auskünfte und der hinzu überlassenen Unterlagen verlassen können. Dies hängt von der bisher gezeigten Kooperation und davon ab, ob und inwieweit die benötigten Unterlagen konkretisierbar sind oder lediglich abstrakt bezeichnet werden können. Steht - was insbesondere bei Informationen nach § 81a Abs. 1 Nr. 2 [X.] häufig der Fall sein wird - nicht von vornherein fest, welche Unterlagen vorhanden sind und benötigt werden, werden bloße Auskunfts- und Herausgabeverlangen häufig nicht ausreichen, weil die [X.] nicht einmal deren Vollständigkeit überprüfen können. Damit stünde die Entscheidung, was den [X.] zur Verfügung gestellt werden soll, in weitem Umfang im Belieben der [X.]n (vgl. [X.], Beschluss vom 28. September 2008 - 2 BvR 1800/07 Rn. 26).

Im vorliegenden Fall konnte das [X.] ersichtlich die für die Ermittlung des kartellbedingten [X.] nicht näher konkretisieren. Hinzu kommt, dass die [X.] bislang nicht kooperiert hat. Sie ist nicht geständig und hat auch das Entstehen eines Mehrerlöses bestritten. Obwohl ihr aus dem Parallelverfahren bekannt war, dass von den [X.]n dort die notwendigen Unterlagen freiwillig vorgelegt worden waren, hatte sie keine entsprechende Bereitschaft bekundet. Bei einer solchen Sachlage musste sich das [X.] nicht auf ein Herausgabeverlangen beschränken.

2. Es wurde keine Durchsuchung bei nicht tatverdächtigen [X.] (§ 103 [X.]) angeordnet. [X.] ist nämlich die [X.], die durch ihre Organe oder durch die von diesen Beauftragten handelt. Aus der eigenständigen Ahndungsmöglichkeit gemäß § 30 OWiG ergibt sich zugleich, dass die juristische Person wie ein Täter zu behandeln ist und damit auch Träger eines Tatverdachts sein kann ([X.]/[X.] in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., Vor § 81 Rn. 222; a.[X.] in Satzger/Schluckebier/[X.], [X.], § 102 Rn. 7). Insoweit sind diejenigen Personen, die in Funktionen in dem Unternehmen tätig sind, die im Zusammenhang mit der Kartellordnungswidrigkeit stehen können, keine nicht tatverdächtigen [X.] im Sinne des § 103 [X.]. Der [X.] muss hier nicht entscheiden, wie weit der Kreis der für die juristische Person handelnden Mitarbeitern gezogen werden darf, auf die sich entsprechende Durchsuchungsmaßnahmen erstrecken dürfen. Die im Durchsuchungsbeschluss vorgenommene Eingrenzung auf den Personenkreis, der für "Aufsicht, Einkauf, Disposition, Kalkulation, Preisfestsetzung, Vertrieb und Controlling verantwortlich ist", begegnet jedenfalls keinen Bedenken. Die Durchsuchung darf diese nach ihrer Funktion bestimmten [X.] einbeziehen, weil bei diesen aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann, ohne dass bereits eine Beschuldigten- (bzw. Betroffenen-) Stellung in ihrer Person gegeben sein muss (vgl. [X.], [X.], 56. Aufl., § 102 Rn. 3; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 102 Rn. 1).

Der hinreichende Verdachtsgrund liegt in dem Tatverdacht gegen die juristische Person, aus dem sich eine bestimmte Auffindewahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass sich bei den für sie handelnden natürlichen Personen entsprechende Beweismittel finden lassen (vgl. [X.], NJW 2003, 2669, 2670). Diese Voraussetzung beachtet die angefochtene Entscheidung. Die Erstreckung des [X.] auf die "dort befindlichen Privaträume" der Mitarbeiter ist offensichtlich so zu verstehen, dass der Durchsuchung auch ein privater Bereich der mittelbar Verdächtigen in den Geschäftsräumen des Unternehmens unterliegt. Dies begegnet wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Tätigkeit dieses Personenkreises gleichfalls keinen Bedenken.

[X.]                           Raum                      Strohn

Meta

KRB 48/13

23.01.2014

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 12. April 2013, Az: VI-4 Kart 7/10 (OWi)

§ 81a Abs 1 GWB, § 81a Abs 2 GWB, § 30 OWiG, § 102 StPO, § 103 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2014, Az. KRB 48/13 (REWIS RS 2014, 8412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8412

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