Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.01.2013, Az. 4 B 23/12

4. Senat | REWIS RS 2013, 9208

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Gegenstand

Bindungswirkung von Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 9. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kläger - als Gesamtschuldner - tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob die (bisherige) Rechtsprechung des [X.] zur Zurechnung von [X.] zu einer Anlage auch nach der Neufassung der [X.] im Jahre 1998 anzuwenden oder mit deren Inkrafttreten obsolet geworden ist,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist nicht klärungsbedürftig.

4

Die [X.]eschwerde möchte mit der Frage geklärt wissen, "ob zur [X.]eurteilung des von einer Anlage ausgehenden Verkehrslärms auf die rein formalen Vorgaben der [X.] 1998, also auf die Differenzierung zwischen [X.]etriebsgrundstück und öffentlichem Verkehrsraum abzustellen ist, oder ob - ergänzend - nach wie vor die in der Rechtsprechung des [X.] (etwa Urteil vom 27. August 1998 - [X.]VerwG 4 [X.] 5.98 - [X.] 406.11 § 34 [X.]auG[X.] Nr. 190) entwickelten Grundsätze gelten, dass einem Vorhaben auch derjenige Zu- und Abgangsverkehr zuzurechnen ist, der sich noch innerhalb eines räumlich überschaubaren [X.]ereichs der Anlage bewegt". Die Frage lässt sich im Sinne des [X.]erufungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

5

Im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] (vgl. z.[X.]. Urteil vom 29. August 2007 - [X.]VerwG 4 [X.] 2.07 - [X.]VerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.) hat das [X.]erufungsgericht der [X.], soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 [X.]ImSchG konkretisiert, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende [X.]indungswirkung zuerkannt. Die Konkretisierung der gesetzlichen Maßstäbe ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und [X.]eurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Ausgehend hiervon ist das [X.]erufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass eine Zurechnung des durch sog. [X.] verursachten Lärms auf öffentlichen Verkehrsflächen nach der Systematik der [X.].4 der [X.] 1998 ausscheidet. Nach deren Absatz 1 sind nur Fahrzeuggeräusche auf dem [X.]etriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die in Zusammenhang mit dem [X.]etrieb der Anlage stehen, der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen, während Absatz 2 für Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem [X.]etriebsgrundstück unter weiteren Voraussetzungen eine Verpflichtung zur Lärmminderung "durch Maßnahmen organisatorischer Art" vorsieht ([X.]). Mit dieser Regelung, die in der [X.] 1968 keine Entsprechung hatte, hat die [X.]undesregierung die Rechtsprechung zur [X.]erücksichtigung betriebsbezogener Fahrzeuggeräusche konkretisiert (vgl. z.[X.]. [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, [X.], Stand April 2012, 3.1 [X.] [X.] Rn. 50; [X.]/[X.], [X.], Stand August 2012, [X.] 3.6 [X.] [X.] Rn. 35; vgl. auch [X.]eschluss vom 12. März 2008 - [X.]VerwG 4 [X.] 9.08 - [X.]RS 73 Nr. 169 m.w.N.). [X.] werden Verkehrsgeräusche des An- und [X.] auf öffentlichen Verkehrsflächen nach der Sonderregelung in [X.].4 Abs. 2 der [X.] indes nur mehr in eingeschränkter Form (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.] Rn. 43; [X.], in: a.a.[X.] Rn. 55 ff.). Damit wurde für die [X.]erücksichtigung von Verkehrslärm eine klare, nicht auf Ergänzung angelegte Regelung geschaffen, die die Gerichte bindet und eine in der Rechtsprechung vor Erlass der [X.] 1998 vorgenommene weitergehende Zurechnung ausschließt.

6

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.

7

Die [X.]eschwerde rügt, das [X.]erufungsgericht habe sich bei seiner Feststellung, dass eine an der Ausfahrt aus dem [X.]etriebsgrundstück angebrachte [X.] generell verkehrsberuhigend wirke und Autofahrer davon abhalte, bei der Ausfahrt übermäßig zu beschleunigen, mit der [X.]egründung, dies entspreche allgemeiner Lebenserfahrung und bedürfe keiner Sachverständigenbegutachtung, eine Sachkunde zugeschrieben, die es nicht haben könne und auch nicht habe, und insoweit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Ein Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruht, ist damit nicht dargetan. Das gilt bereits deshalb, weil die Kläger ihren mit Schriftsatz vom 8. März 2012 angekündigten [X.]eweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens in der mündlichen Verhandlung - ausweislich der Niederschrift vom 9. März 2012 - nicht gestellt haben; die Aufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, [X.]eweisanträge zu ersetzen, die ein [X.]eteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat ([X.]eschluss vom 5. August 1997 - [X.]VerwG 1 [X.] 144.97 - NJW-RR 1998, 784). Warum sich dem [X.]erufungsgericht die [X.]eweisermittlung auch ohne ausdrücklich gestellten [X.]eweisantrag hätte aufdrängen müssen, legt die [X.]eschwerde nicht dar. Sie räumt selbst ein, dass das [X.]erufungsgericht den diesbezüglichen Sachvortrag der Kläger ohne entsprechende [X.]egründung als "unfundiert und rein spekulativ" bezeichnet habe, ohne dem mit substantiiertem [X.]eschwerdevortrag entgegenzutreten. Der Vorwurf der vorweggenommenen [X.]eweiswürdigung geht damit ins Leere.

8

Gleiches gilt, soweit sich die [X.]eschwerde gegen die Feststellung des [X.]erufungsgerichts wendet, die [X.] sei so angelegt, dass das [X.]etriebsgrundstück nur in einer engen Kurve verlassen werden könne, was [X.] eher entgegenwirke, als sie zu fördern. Auch insoweit ist nicht substantiiert vorgetragen, warum sich dem [X.]erufungsgericht eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.

9

Soweit die [X.]eschwerde schließlich rügt, es sei nicht verständlich, inwieweit es das [X.]erufungsgericht "ersichtlich auszuschließen" vermocht habe, dass die Voraussetzungen einer Lärmminderungspflicht nach [X.].4 Abs. 2 und 3 der [X.] erfüllt seien, ist ihre Verfahrensrüge bereits unschlüssig. Das [X.]erufungsgericht hat im Hinblick auf das durch das streitige Vorhaben ausgelöste Verkehrsaufkommen - unbeschadet der Frage einer Vermischung mit dem übrigen Verkehr - greifbare Anhaltspunkte weder dafür gesehen, dass der [X.]eurteilungspegel der Verkehrsgeräusche zur Nachtzeit durch den vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr um mindestens 3 d[X.](A) erhöht werde, noch dafür, dass zugleich die Grenzwerte der 16. [X.]ImSchV überschritten würden. Die [X.]eschwerde meint, dass sich entsprechende Feststellungen ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens "schlechterdings" nicht treffen ließen, und dass durch die von ihr für erforderlich gehaltene [X.]eweisaufnahme die Unverträglichkeit der Anlage mit der benachbarten Wohnbebauung nach der 16. [X.]ImSchV festgestellt worden wäre. Angaben dazu, inwieweit die [X.]erufungsentscheidung auch hinsichtlich des 3 d[X.]([X.] auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann, enthält der [X.]eschwerdevortrag indessen nicht.

Meta

4 B 23/12

08.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. März 2012, Az: 2 A 1626/10, Urteil

Nr 7.4 Abs 2 TA Lärm

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.01.2013, Az. 4 B 23/12 (REWIS RS 2013, 9208)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9208

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