Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2013, Az. VIII ZR 305/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8791

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 305/11
Verkündet am:

23. Januar 2013

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2 -
Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterinnen Dr.
Milger, Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie [X.] Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.]
wird
das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 30. September 2011
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Be-g-ten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der
Kläger verlangt
von der [X.], einem regionalen Gasversor-gungsunternehmen,
welches den
Kläger leitungsgebunden mit Erdgas versorg-te,
die Rückzahlung

auf-grund unwirksamer Gaspreisanpassungen im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2008.

Die Parteien schlossen
mit Wirkung
zum 4. April 1992
einen
vorformulier-ten [X.] (Sondervertrag). Als Arbeitspreis waren 4,25
Pf/kWh
1
2

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3 -
(2,17 ct/kWh)
netto
vereinbart. Der Vertrag enthält eine
Preisanpassungsklau-sel, aufgrund derer
die Beklagte wiederholt ihre Preise änderte. Der Kläger [X.] mit Schreiben vom 28. Januar 2005
den Preisanpassungen und [X.] an, künftige Zahlungen nur unter Vorbehalt zu leisten.
Nachdem das [X.] in einem Parallelver-fahren (Urteil vom 5. Mai 2009 -
11 [X.]) die Unwirksamkeit der Preisan-passungsklausel festgestellt hat, verlangt der Kläger
die gezahlten Erhöhungs-beträge
zurück. Er
hat, ausgehend von dem
ursprünglich vereinbarten [X.],
den Rückforderungsanspruch mit 1.867,51

beziffert.

Die Beklagte hat diesen Anspruch in Höhe eines Teilbetrags von 658,57

.
Das Amtsgericht hat der
Klage
auch im Übrigen
stattgege-ben. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung der
[X.] zu-rückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren
in Höhe eines Betrages von 605,98

weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Dem
Kläger
stehe ein
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §
812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.]
auch über den anerkannten Betrag von

zu. Der
Kläger habe
im Zeitraum von Januar 2006 bis
Dezem-3
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-
4 -
ber 2008

ohne Rechtsgrund geleistet.
Sei-nem Rückforderungsanspruch könne der Kläger den ursprünglich vereinbarten Arbeitspreis zugrunde legen.
Das vertragliche Preisänderungsrecht im Sondervertrag sei -
was die Beklagte nicht in Abrede stelle -
wegen eines Verstoßes gegen das Transpa-renzgebot
unwirksam.
Ein einseitiges [X.] der [X.] er-gebe sich nicht aus einem Rückgriff auf die [X.], denn die vertragliche [X.] enthalte eine ausdrückliche und abschließende [X.] über die Preisanpassung.
Ein Anspruch der [X.] auf das erhöhte Entgelt folge
auch nicht aus einer stillschweigenden Vereinbarung des erhöhten Preises. Denn der
vorbe-haltslosen
Zahlung des auf der Grundlage einer unwirksamen Preisanpas-sungsklausel erhöhten Preises komme nicht der Erklärungswert einer [X.] Zustimmung zu dem erhöhten Preis zu.
Ein Recht der [X.] zur einseitigen Preisänderung lasse sich nicht aus einer ergänzenden
Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 [X.]
herleiten. Eine solche komme nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer un-wirksamen [X.] entstehende Lücke nicht durch [X.] Gesetzesrecht füllen lasse und dies zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interes-sen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das [X.] völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebe. Dies sei hier nicht der Fall. Dabei könne dahinstehen, ob die
Beklagte nach dem Widerspruch des [X.] das Vertragsverhältnis habe beenden können. Denn die Voraussetzun-gen einer ergänzenden Vertragsauslegung lägen bei einer Gesamtabwägung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht vor. Insoweit sei insbesondere
zu berücksichtigen, dass [X.] wegen Verjährungseintritts 8
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5 -
nur für einen überschaubaren Zeitraum
geltend gemacht werden könnten, so dass die Beklagte
für die Zeit davor
so gestellt werde, als wären
die [X.] wirksam gewesen. Zudem trage die Beklagte als Verwenderin das Risiko der Unwirksamkeit ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. [X.] ist zwar die Annahme des Berufungs-gerichts, dass dem
Kläger dem Grunde nach ein Anspruch aus §
812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] auf Rückzahlung der aufgrund der unwirksamen [X.] für den Zeitraum
von Januar 2006 bis
Dezember 2008
gezahlten [X.] zusteht. Das Berufungsgericht hat aber der Berechnung des Rückforderungsanspruchs rechtsfehlerhaft den im Jahre 1992
vereinbarten [X.] von 4,25 Pf/kWh (2,17 ct/kWh) netto zugrunde gelegt.

1. Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen
(Norm-)Sonderkundenvertrag
han-delt und die
in diesem Vertrag enthaltene
[X.]
unwirksam ist.
2. Mit Recht -
und von der Revision ebenfalls unbeanstandet -
hat das Berufungsgericht auch
angenommen, dass weder in der Zahlung der abge-rechneten Beträge noch in dem Weiterbezug von Gas nach Ankündigung der Preiserhöhungen eine konkludente Zustimmung des [X.] zur Erhöhung
der Gaspreise liegt ([X.]surteile vom 14. März 2012 -
VIII [X.],
NJW 2012, 1865 Rn. 16
ff.,
zur Veröffentlichung in [X.]Z
192, 372
bestimmt,
und [X.], [X.], 265
Rn. 22 f.; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 295/09, NJW 11
12
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-
6 -
2011, 1342
Rn. 40 ff.;
vom 14. Juli 2010 -
VIII ZR 246/08, [X.], 180 Rn.
57 ff.).
3. Da die Preisänderungsklausel unwirksam ist, hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch aus §
812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] auf Rückzah-lung der aufgrund der unwirksamen Gaspreiserhöhungen für den Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2008 gezahlten [X.].
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Anspruchs jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zu-grunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 [X.]) des [X.], deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Klä-ger nicht darauf berufen kann, dass es für alle in dem klagegegenständlichen Zeitraum über den ursprünglich vereinbarten Anfangspreis hinausgehenden Zahlungen an einem Rechtsgrund fehlt.
a) Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der [X.] ([X.] nur zu Beginn des [X.] gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde -
und nicht das Versorgungsunternehmen -
Preis-änderungen
tragen soll, die etwa auf Veränderungen der [X.] oder der Lohn-
und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwar-ten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in ange-messener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preis-14
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7 -
änderungsklausel der Inhaltskontrolle nach §
307 [X.] (Art.
229 § 5 Satz 2 EG[X.]) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. [X.]surteile vom 14. März 2012 -
VIII [X.], [X.]O
Rn. 20, und [X.], [X.]O Rn.
25;
jeweils mwN).
Wie der [X.] -
nach Erlass des Berufungsurteils -
entschieden hat, ist diese Lücke im [X.] einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 [X.] in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht in-nerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresab-rechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, bean-standet hat (vgl. [X.]surteile vom 14. März 2012 -
VIII [X.], [X.]O
Rn.
21
ff., und [X.], [X.]O
Rn. 26 ff.; jeweils
mwN).
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht dieser Lösung nicht das -
nach den vorgenannten [X.]sentscheidungen ergangene -
Urteil des Gerichtshofs der [X.] (fortan: Gerichtshof) vom 14. Juni 2012 ([X.]. [X.]/10, NJW 2012, 2257 -
Banco Español de [X.]rédito) entgegen.
[X.]) Nach dem Urteil des Gerichtshofs ist mit Art. 6 Abs. 1 der [X.][X.] eine mitgliedst[X.]tliche Regelung unvereinbar, die es dem nationa-len Gericht gestattet, "wenn es eine missbräuchliche [X.] in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher entdeckt, den In-halt dieser [X.] abzuändern, anstatt schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen"
([X.], [X.]O Rn. 71). Eine Regelung dieses Inhalts kennt das innerst[X.]tliche [X.] Recht nicht. Nach § 306 Abs. 1, 2 [X.] bleibt der Vertrag vielmehr unter Wegfall der unwirksamen [X.] im Üb-rigen bestehen, wobei an die Stelle der unwirksamen [X.] die dispositiven 17
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gesetzlichen Bestimmungen treten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist dem nationalen Gericht die inhaltliche Abänderung einer wegen unangemessener Benachteiligung unwirksamen [X.], die dazu führen würde, der [X.] mit einem (noch) zulässigen Inhalt Geltung zu [X.] (geltungserhaltende Reduktion), verboten (vgl. grundlegend [X.], Ur-teile vom 17. Mai 1982 -
VII ZR 316/81, [X.]Z 84, 109, 116 f.; vom 19. Sep-tember 1983 -
VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48 unter [X.]).
Von der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener [X.]n zu unterscheiden ist die ergänzende Vertragsauslegung. Bei ihr geht es nicht da-rum, einer unangemessenen [X.] im Wege der Auslegung einen anderen, noch angemessenen Inhalt beizulegen, sondern um die Ausfüllung einer Lücke im Vertragsgefüge, die durch den Wegfall der unwirksamen [X.] entsteht.
bb) Wie der [X.] bereits entschieden hat ([X.], Urteil vom 12. Oktober 2005 -
IV ZR 162/03, [X.]Z 164, 297, 318), bestehen gegen eine ergänzende Vertragsauslegung -
wie sie auch in verschiedenen anderen euro-päischen Rechtsordnungen vorgesehen ist (vgl. [X.]/Hilf/[X.], Das Recht
der [X.], Stand Mai 1999, [X.], [X.] Rn. 8) -
keine europa-rechtlichen Bedenken, da in der [X.][X.] nicht geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen der Vertrag ohne die unwirksame [X.] fortgilt. Dem ist auch die Literatur einhellig gefolgt ([X.]/Hilf/[X.], [X.]O; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 306 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.]/
[X.], AGB-Recht, 11. Aufl., § 306 [X.] Rn. 4c; [X.][X.]/
[X.], AGB-Recht, 5. Aufl., Art. 6 [X.] Rn. 7; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., § 306 Rn. 3). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der genannten Entscheidung des Gerichtshofs. Denn nach dieser Entscheidung ist mit Art.
6 der [X.][X.] nur eine geltungserhaltende Reduktion unvereinbar, nicht aber eine ergänzende Vertragsauslegung.
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9 -
Nach dem Urteil des Gerichtshofs ist es den Gerichten verboten, "durch Abänderung des Inhalts"
der missbräuchlichen [X.] den Vertrag anzupassen ([X.], [X.]O Rn. 65, 69, 71, 73). Eine solche Abänderung des Inhalts der [X.] entspricht im [X.]n Recht einer geltungserhaltenden Reduktion.
Zudem betont der Gerichtshof, dass ohne eine strikte Nichtanwendung der unwirksamen [X.] Gewerbetreibende versucht sein könnten, diese [X.]n gleichwohl zu verwenden, wenn sie wüssten, dass der Vertrag durch die Gerichte im erforderlichen Umfang angepasst werde. Hierdurch würde das Ziel der Richtlinie, der Verwendung missbräuchlicher [X.]n "ein Ende zu setzen", unterlaufen ([X.], [X.]O Rn. 68 f.). Dies ist auch die Begründung für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im [X.]n Recht (vgl. [X.], Urteile vom 17. Mai 1982 -
VII ZR 316/81, [X.]O; vom 19. September 1983 -
VIII ZR 84/82, [X.]O).
cc) Um eine solche verbotene [X.]anpassung im Wege der geltungs-erhaltenden Reduktion handelt es sich bei der vom [X.] vorgenommenen er-gänzenden Vertragsauslegung indes nicht. Während die [X.]anpassung die Preisänderungsregelung als solche -
nur mit einem veränderten, gesetzeskon-formen Inhalt -
aufrechterhalten will, setzt die ergänzende Vertragsauslegung die unabänderliche Unwirksamkeit der den Verbraucher benachteiligenden [X.] voraus. Denn nur dann besteht eine dem Regelungsplan der Parteien widersprechende Lücke im Vertrag, die durch Auslegung geschlossen werden kann.

Der [X.] hat ausdrücklich klargestellt, dass es nicht in Betracht kommt, an die Stelle der unwirksamen -
den Vertragspartner des [X.]verwenders im Sinne des § 307 [X.] unangemessen benachteiligenden -
Preisänderungsklau-sel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine (wirksame) Bestimmung 22
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10 -
gleichen Inhalts zu setzen. Dem entsprechend hat der [X.] in den bereits ent-schiedenen Fällen die wegen der Unwirksamkeit der [X.] lückenhaften Verträge nicht um eine Preisanpassungsregelung mit abweichen-dem -
angemessenem -
Inhalt ergänzt, sondern unter Zugrundelegung des voll-ständigen Wegfalls der unangemessenen [X.] darauf ab-gestellt, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten [X.] jedenfalls unsicher war ([X.]surteil vom 14. März 2012
-
VIII [X.], [X.]O Rn. 24). Das hierbei gewonnene Ergebnis der ergänzen-den Vertragsauslegung lässt den Inhalt der unangemessenen [X.] und deren Unwirksamkeit unberührt; es ergänzt den Vertragsin-halt vielmehr auf der Rechtsfolgenseite um eine Regelung, die gerade deswe-gen erforderlich ist, weil das unangemessen ausgestaltete einseitige Preisan-passungsrecht vollständig entfällt und dadurch im Vertragsgefüge eine Lücke entsteht, die zu einem nach dem ursprünglichen Regelungsplan der Parteien untragbaren Ergebnis führen würde.
dd) Im Übrigen entspricht die vom [X.] vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung der Zielsetzung der [X.][X.].
Ziel der Richtlinie ist es, die nach dem Vertrag bestehende formale Aus-gewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine [X.] Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen ([X.], [X.]O Rn. 63). Dabei sind die Interessen beider Vertragsparteien in den Blick zu nehmen, um die angestrebte Ausgewogenheit der Interessen der Ver-tragsparteien zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 15. März 2012 -
[X.]. [X.]/10, NJW 2012, 1781 Rn. 31 f. -

h-26
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11 -
me auf den Schlussantrag der Generalanwältin vom 29. November 2011 -
[X.]/10, BeckRS 2011, 81770 Rn. 63).
(1) Die von Art. 6 Abs. 1 der [X.][X.] geforderte materielle Ausgewogenheit kann in der vorliegenden Konstellation nicht alleine durch den Wegfall der unwirksamen Bestimmung über das [X.] auch für die Vergangenheit wiederhergestellt werden. Denn da die Parteien durch die Vereinbarung der [X.] nicht von einer dispositiven Norm abgewichen sind, steht [X.] Gesetzesrecht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen eines [X.]s nicht zur Verfügung. Zu den gemäß § 306 Abs. 2 [X.] im Falle einer unwirksamen Vertragsbestimmung den Inhalt des Vertrages regelnden "gesetzlichen Vorschriften"
des insoweit maßgeblichen nationalen [X.]n Rechts (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2012 -
[X.]. [X.]/10, [X.]O Rn. 72; ferner [X.], Urteil vom 1. April 2004 -
[X.]. [X.]/02, NJW 2004, 1647 Rn. 21 -
Freiburger Kommunalbauten) gehört aber auch die ergänzende Vertragsauslegung ([X.]surteil vom 1. Februar 1984
-
VIII ZR 54/83, [X.]Z 90, 69, 75), die ebenfalls eine materielle Ausgewogen-heit der Vertragsbeziehungen sicherstellt und es zugleich ermöglicht, grund-sätzlich die Wirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2012 -
[X.]. [X.]/10, [X.]O Rn. 31). Denn die ergänzende Vertragsauslegung orientiert sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von [X.] und Glauben und führt zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen-den Regelung ([X.]surteil vom 14. März 2012 -
VIII [X.], [X.]O mwN).
(2) Nach der vom [X.] gebilligten Rechtsprechung des [X.]s (vgl. [X.], NJW 2011, 1339, 1341) findet die ergänzende Ver-tragsauslegung nicht in jedem Fall einer unwirksamen [X.] in einem [X.], sondern nur in eng umgrenzten Ausnahme-28
29

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12 -
fällen Anwendung. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen [X.] entstehende Lücke nicht durch [X.] Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beidersei-tigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt ([X.]surteil vom 14. Juli 2010 -
VIII ZR 246/08, [X.], 180 Rn. 50 mwN). Diese Vor-aussetzungen hat der [X.] in einer Reihe von Fällen verneint, die dadurch gekennzeichnet waren, dass das Energieversorgungsunternehmen es selbst in der Hand hatte, einer nach Widerspruch oder Vorbehaltszahlung des Kunden zukünftig drohenden unbefriedigenden Erlössituation durch Ausübung des ihm vertraglich eingeräumten Kündigungsrechts in zumutbarer Weise zu begegnen (vgl. [X.]surteil vom 14. März 2012 -
VIII [X.], [X.]O Rn. 22 mwN).
Der [X.] nimmt jedoch -
unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.], [X.]O) -
eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann an, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungs-verhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht wider-sprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (vgl. [X.]surteil vom 14.
März 2012 -
VIII [X.], [X.]O Rn. 23). In diesen Fällen vermag die ver-traglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen ([X.]surteil vom 14.
März 2012 -
VIII [X.], [X.]O), so dass nur die ergänzende Vertragsauslegung zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führt und das von der Richtlinie verfolgte Ziel gewährleistet, Ausgewogenheit zwischen den Parteien herzustellen und dabei grundsätzlich die Wirksamkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten (vgl. [X.], Urteile vom 30

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13 -
15. März 2012 -
[X.]. [X.]/10, [X.]O Rn. 28, 31; vom 14. Juni 2012 -
[X.]. [X.]/10, [X.]O Rn. 40; jeweils mwN).
(3) Ohne die vom [X.] vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in derartig gelagerten Fällen könnte sich der Energieversorger -
auch in [X.] seiner verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (vgl. [X.], [X.]O) -
darauf berufen, dass die Versorgung des Kunden zu dem [X.] für ihn eine unzumutbare Härte darstelle, wenn der bei dem [X.] vereinbarte Preis seit vielen Jahren nicht mehr kos-tendeckend ist. Dies hätte gemäß § 306 Abs. 3 [X.] die Unwirksamkeit des Liefervertrages zur Folge, so dass das Vertragsverhältnis für die Vergangenheit nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln wäre. Hierbei wäre die materielle Ausgewogenheit der beiderseitigen Leistungen indes nicht in dem gleichen Ma-ße sichergestellt wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung.
c) In Anwendung vorstehender Grundsätze ergibt sich für den Streitfall Folgendes:
Der Kläger kann der Berechnung des Rückforderungsanspruchs nicht den im Jahre 1992
vereinbarten [X.] zugrunde legen und somit auch nicht die Unwirksamkeit sämtlicher Preiserhöhungen seit Vertragsbeginn gel-tend machen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger den Preiserhöhungen zunächst nicht widersprochen, sondern die Preiserhö-hungen und Jahresabrechnungen bis in das [X.] ohne Beanstandungen hingenommen
und damit der [X.] keine Veranlassung gegeben, eine Be-endigung des (Norm-)Sonderkundenverhältnisses -
etwa mit dem Ziel eines Übergangs in das [X.] (vgl. dazu [X.]surteile vom 14.
März 2012 -
VIII [X.], [X.]O
Rn. 37, und [X.], [X.]O
Rn.
32; vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 295/09, [X.]O
Rn. 39; [X.]sbeschluss vom 31
32
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14 -
7.
Juni 2011 -
VIII ZR 333/10, juris, Rn. 8; jeweils mwN)
-
in Erwägung zu zie-hen.
Die Beklagte kann somit nicht an dem
bei Vertragsschluss vereinbarten Preis festgehalten werden.
Welchen Arbeitspreis der Kläger seinem Rückforderungsanspruch zu-grunde legen kann, hängt daher davon ab, wann ihm
die einzelnen Jahresab-rechnungen der [X.] zugegangen sind und gegen welche der darin ent-haltenen Preiserhöhungen der Widerspruch des [X.] noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren erfolgt ist. Hierzu hat das Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig -
keine Feststellungen getroffen.

III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil, soweit es mit der Revision angegriffen worden ist,
keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuhe-ben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endent-scheidung reif ist, im Umfang der Aufhebung an das
Berufungsgericht zurück-

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36

-
15 -
zuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zum Zugang der [X.] getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Milger
Dr. Hessel

Dr. Fetzer
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
52 [X.] 1348/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.09.2011 -
2 S 16/11 -

Meta

VIII ZR 305/11

23.01.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2013, Az. VIII ZR 305/11 (REWIS RS 2013, 8791)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8791

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VIII ZR 113/11

VIII ZR 93/11

VIII ZR 295/09

VIII ZR 246/08

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