Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 3 StR 259/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2945

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Gegenstand

Jugendstrafrecht: Vorrang des Erziehungsgedankens bei Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. April 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

2

Die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.

3

Nach den Feststellungen griffen der Angeklagte und zwei Mittäter aus Lust an einer Schlägerei mehrere junge Männer an. Sie schlugen mit ihren Fäusten auf den Geschädigten [X.]  ein, der auf den Boden stürzte. Einer der Angreifer schlug dem Geschädigten [X.]  mehrfach so wuchtig mit der Faust in das Gesicht, dass dessen Nasenbein brach. Anschließend traten der Angeklagte und ein Mittäter mit ihren Sportschuhen heftig gegen den Kopf und Körper des am Boden liegenden [X.]  . Sowohl die Schläge gegen den Kopf des [X.]  als auch die Tritte gegen den Kopf des [X.]  waren potentiell lebensgefährlich.

4

Das [X.] hat auf den zur Tatzeit 17 Jahre und vier Monate alten Angeklagten wegen Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe für erforderlich gehalten. Schädliche Neigungen hat es wegen seiner positiven Persönlichkeitsentwicklung seit Mitte 2009 nicht sicher feststellen können. Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat es zu Gunsten des Angeklagten u.a. gewertet, dass er noch nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist, durch vorangegangenen Alkoholkonsum enthemmt war, nach Vollstreckung eines Freizeitarrestes keine Straftaten mehr begangen hat und inzwischen seine schulische Ausbildung ernst nimmt. Zu seinen Lasten hat es vor allem berücksichtigt, dass er die Tat initiierte, die gefährliche Körperverletzung gegenüber zwei Menschen in drei Alternativen beging, äußerst brutal handelte und beide Opfer erheblich verletzt wurden. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat es unter Beachtung der begonnenen positiven Entwicklung eine Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten für angemessen gehalten.

5

Ohne Rechtsfehler ist die [X.] davon ausgegangen, dass wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. [X.] bestehen jedoch gegen die Erwägungen, mit denen sie die Höhe der verhängten Jugendstrafe begründet hat. Diese lassen besorgen, sie könnte nicht bedacht haben, dass sich auch bei einer wegen Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten bemisst ([X.], [X.], 14. Aufl., § 18 Rn. 20 ff.). Die Urteilsgründe stellen in erster Linie - wie bei der Strafzumessung nach Erwachsenenstrafrecht - auf das in der Tat zum Ausdruck gekommene Unrecht ab. Sie erwähnen den Erziehungsgedanken nur pauschal, ohne das Tatunrecht gegen die Folgen der Verbüßung der verhängten Jugendstrafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten abzuwägen. Insbesondere stellt die [X.] nicht dar, warum trotz der festgestellten positiven Entwicklung dem vorrangigen Erziehungsgedanken nur durch Verbüßung einer langdauernden Jugendstrafe, die noch dazu die begonnene schulische Ausbildung unterbrechen würde, Rechnung getragen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Juli 1987 - 2 [X.], [X.]R [X.] § 18 Abs. 2 Erziehung 2; [X.], Beschluss vom 18. August 1992 - 4 StR 313/92, [X.]R [X.] § 18 Abs. 2 Erziehung 8).

6

Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]                                        Pfister                                    von Lienen

                        [X.]

Meta

3 StR 259/11

27.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hildesheim, 11. April 2011, Az: 14 KLs 17 Js 797/10, Urteil

§ 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 3 StR 259/11 (REWIS RS 2011, 2945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2945

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 205/23

3 StR 259/11

5 StR 115/21

3 StR 481/20

3 StR 471/21

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