Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2009, Az. IX ZR 24/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 477

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 24/09 Verkündet am: 19. November 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 10 Abs. 1 Nr. 3 Ist eine Abgabenforderung als Grundstückslast vorrangig zu befriedigen, gilt dies auch für einen darauf entfallenden Säumniszuschlag. [X.], Urteil vom 19. November 2009 - [X.] [X.]
AG Wittenberg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2009 durch [X.] Ganter, [X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Grupp für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 9. Januar 2009 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger, ein Abwasserzweckverband, meldete im [X.] über im Eigentum der Eheleute B. stehende Grundstücke als nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vorrangig zu befriedigende Forderungen einen Kostenerstattungsanspruch wegen des Anschlusses an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 1.162,52 • sowie einen Schmutzwas-serbeitrag in Höhe von 1.264 • an. Wegen dieser Forderungen machte der Klä-ger außerdem in der [X.] des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu befriedigende Säumniszuschläge über zuletzt noch 755,50 • geltend. 1 - 3 - Nach Erteilung des Zuschlags und Entrichtung des Versteigerungserlö-ses erkannte das Vollstreckungsgericht die Säumniszuschläge im [X.] vom 12. März 2008 nicht als vorrangig zu befriedigende öffent-liche Lasten an. Auf den Widerspruch des [X.] behielt das Vollstreckungs-gericht den Betrag von 755,50 •, den es an die Beklagte als Grundpfandrechts-gläubigerin auszukehren beabsichtigt, auf einem Verwahrkonto ein. Mit seiner fristgerecht erhobenen Widerspruchsklage (§ 878 ZPO) begehrt der Kläger die Änderung des [X.] dahin, dass er mit seiner Forderung von 755,50 • vor der Forderung der Beklagten zu befriedigen ist. Amtsgericht und Landge-richt haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Kläger verfolgten Hauptbeitragsforderungen seien nach § 6 Abs. 9 [X.] als öffentliche Las-ten ausgestaltet, die auch eine dingliche Haftung des Grundstücks begründe-ten. Die Säumniszuschläge für die als öffentliche Lasten ausgestalteten Bei-tragsforderungen nähmen an dieser Qualifizierung nicht teil. Als öffentliche Last sei nur die Abgabe selbst, nicht dagegen - mangels einer ausdrücklichen ge-setzlichen Regelung - eine abgabenrechtliche Nebenleistung anzusehen. Der 4 - 4 - Säumniszuschlag als Druckmittel eigener Art lege eine ausschließlich persönli-che Haftung des Abgabenpflichtigen nahe. I[X.] Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Die von dem Kläger geltend gemachten Säumniszuschläge sind innerhalb der dort geregelten zeitlichen Grenze von zwei Jahren der [X.] des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zuzuordnen; deshalb ist der Kläger im [X.] zu der Beklagten aus dem von dem Vollstreckungsgericht verwahrten Betrag grundsätzlich vorrangig zu befriedigen. 5 [X.] nicht zu beanstanden ist die Würdigung des [X.], dass die den hier verfolgten Zuschlägen zugrunde liegenden Hauptforderungen in die [X.] des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gehören. 6 a) Nach dieser Vorschrift sind Ansprüche auf die Entrichtung der öffentli-chen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückstän-digen Beträge vorrangig zu befriedigen. Da § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] den Begriff der öffentlichen Grundstückslast nicht näher definiert, ist für die Beurteilung, ob einer Abgabenverpflichtung diese Eigenschaft innewohnt, auf ihre Rechtsgrund-lage abzustellen ([X.], Urt. v. 30. Juni 1988 - [X.] ZR 141/87, NJW 1989, 107, 108). Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit muss aus der gesetzli-chen Regelung eindeutig hervorgehen, dass die Abgabenverpflichtung auf dem Grundstück lastet und dass mithin nicht nur eine persönliche Haftung des [X.], sondern auch eine dingliche Haftung des Grundstücks be-7 - 5 - steht ([X.], Urt. v. 22. Mai 1981 - [X.], [X.], 910, 911; Urt. v. 30. Juni 1988, aaO). b) Zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erwei-terung, Verbesserung und Erneuerung öffentlicher leitungsgebundener Einrich-tungen können nach § 6 Abs. 1 [X.] Beiträge erhoben werden. Die von der Klägerin verfolgten Beitragsforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in die-ser Regelung. Gemäß § 6 Abs. 9 [X.] ruht der Beitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die [X.] entsprechend dem Inhalt dieser Bestimmung als öffentliche [X.] ausgeformt sind. Diese naheliegende rechtliche Würdigung ist nach dem hier gemäß Art. 111 [X.] noch anzuwendenden § 545 Abs. 1 ZPO a.F. als Auslegung einer landesrechtlichen, sich nicht über den Be-zirk eines [X.] hinaus erstreckenden Regelung der revisions-rechtlichen Nachprüfung entzogen ([X.], Urt. v. 30. Juni 1988, aaO). 8 2. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] genießen neben der Hauptforderung auch wiederkehrende Leistungen, insbesondere Grundsteuern, Zinsen, [X.] oder Rentenleistungen, dieses Vorrecht für die laufenden Beträge und für die Rückstände aus den letzten zwei Jahren. In Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sind die den Gegenstand der Klage bildenden (Säumnis-)[X.] entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vorrangig zu befriedi-gen. 9 a) In seiner ursprünglichen Fassung vom 20. Mai 1898 sah § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ([X.] I 713) einen Vorrang für Ansprüche auf Entrichtung der öf-fentlichen Lasten des Grundstücks wegen der laufenden und der aus den letz-ten zwei Jahren rückständigen Beträge vor. Die Verordnung über die [X.] - 6 - lung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbeweg-liche Vermögen vom 31. März 1936 ([X.] I S. 363) erstreckte den Vorrang auf wiederkehrende Leistungen, die zur allmählichen Tilgung der Hauptschuld als Zuschlag zu den Zinsen zu entrichten sind. Das Gesetz über die Zahlung und Sicherung von Anliegerbeiträgen vom 30. September 1936 ([X.] I S. 854) stellte durch § 2 Rentenleistungen in der Zwangsversteigerung wiederkehren-den Leistungen gleich. Die Verordnung über das Rangverhältnis der öffentli-chen Grundstückslasten bei der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken vom 4. April 1938 ([X.] I S. 364) gewährte öffentlichen Grundstückslasten, gleichviel ob sie auf [X.] oder Landesrecht beruhen, den gleichen Rang. b) Diese Bestimmungen wurden dem § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] im Zuge des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953 ([X.] I S. 952, 959) als [X.] eingegliedert (BT-Drucks. 3/3668 S. 13 f). Über die zitierten [X.] hinaus statuiert der im Rahmen dieses [X.] weitergehend geänderte § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] auch ein Vorrecht für wiederkehrende Leistungen wie Zinsen und Zuschläge. Infolge der Einbeziehung von Zuschlägen entspricht § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] inhaltlich § 5 des [X.]es vom 24. Dezember 1934 ([X.] I S. 1271), der das einem Steuerbetrag in der Zwangsvollstre-ckung zukommende Vorrecht auf einen Säumniszuschlag ausdehnte. Diese Regelung wurde erst im Zuge des [X.] vom 13. Juli 1961 außer [X.] gesetzt ([X.] I S. 981, 993 f). 11 c) Zwar bildet der Säumniszuschlag als Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll ([X.], 318, 321), für sich genommen keine Grundstückslast. Daraus kann jedoch entgegen einer 12 - 7 - verbreiteten Auffassung (vgl. etwa [X.] Rpfleger 1984, 340, 341; [X.] [X.] 1989, 224, 229 f; [X.] Rpfleger 2006, 522, 523; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 10 Rn. 44) nicht gefolgert werden, dass Zuschläge von dem Vorrang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ausgenommen wären. Denn die Vorschrift stattet nach ihrem Wortlaut in Anlehnung an das [X.] vom 24. Dezember 1934 neben der auf dem Grundstück lastenden Hauptforderung ausdrücklich auch Nebenleistungen in Gestalt eines Zuschlags mit dem Vorrang aus ([X.] Rpfleger 1999, 141; [X.], [X.] 19. Aufl., § 10 Rn. 6 [X.]. 6.16; [X.] [X.] 4. Aufl. § 10 Rn. 37; [X.] in [X.]/Wolf, Zwangsvollstreckung, Zwangsversteigerung und [X.] Rn. 11.99; [X.]/[X.], [X.] 9. Aufl. § 10 Rn. 90). Der Ge-setzgeber kann Nebenleistungen in der Zwangsversteigerung denselben Rang wie die Hauptleistung zuweisen (vgl. [X.], aaO [X.]). Von dieser Befugnis hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] hinsicht-lich von Zuschlägen, die er in generalisierender Weise gleich der Hauptforde-rung als vorrangig behandelt, Gebrauch gemacht. Im Unterschied zu der [X.], das Konkursvorrecht allein auf die Abgabenforderung selbst beschränken-den Regelung des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO (vgl. [X.], [X.], 840, 841) er-streckt § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] den Vorrang nach seinem Wortlaut neben der Hauptforderung auf Zuschläge aller Art. Deshalb konnte der Gesetzgeber da-von absehen, in den jeweils einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen Ne-benleistungen wie Zuschläge ausdrücklich als öffentliche Last zu qualifizieren ([X.], aaO). In Einklang mit diesem Verständnis hat der [X.] bereits in der Vergangenheit Säumniszuschläge der [X.] des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zugewiesen ([X.], [X.]. v. 24. Januar 2008 - [X.] 118/07, [X.], 1445, 1446 Rn. 9). - 8 - II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist auf die Revision des [X.] aufzu-heben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ausweislich der nicht näher aufgeschlüsselten Angaben des [X.] betreffen die rückstän-digen Zuschläge einen Zeitraum von 32 bzw. 31 Monaten. Zuschläge genießen den Vorrang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] jedoch nur für die laufenden Beträge und die Rückstände aus den letzten zwei Jahren (vgl. § 13 Abs. 1 [X.]; [X.], 13 - 9 - [X.]-Handbuch, 8. Aufl. Rn. 88). Darum bedarf auf der Grundlage einer ergän-zenden, zeitabschnittsweisen Berechnung des [X.] tatrichterlicher Feststel-lungen, in welchem Umfang die Zuschläge an dem Vorrang teilnehmen. Ganter Gehrlein [X.]

Fischer Grupp Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.09.2008 - 8 C 251/08 - [X.], Entscheidung vom [X.]/08 -

Meta

IX ZR 24/09

19.11.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2009, Az. IX ZR 24/09 (REWIS RS 2009, 477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 477

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 175/09 (Bundesgerichtshof)

Zwangsversteigerung: Vorrangige Befriedigung von Säumniszuschlägen auf Beitragsrückstände der Gemeinde


V ZB 175/09 (Bundesgerichtshof)


V ZB 194/11 (Bundesgerichtshof)

Zwangsversteigerungsverfahren für eine Eigentumswohnung: Berücksichtigung der von dem Schuldner gezahlten Hausgelder bei der Berechnung des …


V ZB 194/11 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 120/10 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentümergemeinschaft: Geltendmachung von Hausgeldansprüchen bei Insolvenz eines Wohnungseigentümers


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.