Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2004, Az. V ZR 290/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2514

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 290/03 Verkündet am: 2. Juli 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das [X.]eil des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 7. Oktober 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als wegen der ab dem 20. Oktober 2001 verlangten [X.] zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Der Kläger und seine Ehefrau, die Eltern des [X.]n, übereigneten dem [X.]n 1977 ihr Hausgrundstück. Im Gegenzug verpflichtete sich der [X.] in dem notariellen Überlassungsvertrag, die "Veräußerer bis ans - 3 - Lebensende des [X.] im Bedarfsfall, d.h. in gebrechlichen und kranken Tagen, zu beköstigen, zu verpflegen und zu versorgen". 1982 verstarb die Mutter des [X.]n. 1985 stellte der [X.] sei-ne Pflegeleistungen gegenüber dem Kläger ein. Daraufhin verlangte der Klä-ger Schadensersatz wegen Nichterfüllung. In dem aus diesem Grund zwi-schen den [X.]en geführten Vorprozeß wurde der [X.] mit [X.]eil des [X.] vom 17. August 1990 unter anderem verurteilt, an den Kläger ab September 1987 monatlich im Vorhinein 430 DM zu zahlen.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger eine Aufstockung der Zahlungen des [X.]n, weil sich sein Gesundheitszustand seit dem [X.] erheblich verschlechtert habe und die Kosten für Pflegeleistungen wesentlich gestiegen seien.

Mit der am 20. Oktober 2001 zugestellten Klage hat der Kläger [X.], den [X.]n ab Oktober 2001 zur Zahlung weiterer 920 DM monatlich sowie für den Zeitraum Juli bis September 2001 zur Zahlung rückständiger 2.760 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen. Das [X.] hat den [X.] zur Zahlung monatlich weiterer 240,31 • (470 DM) ab Oktober 2001 und von einmalig 720,92 • (1.410 DM) zuzüglich der verlangten Zinsen verurteilt. Hiergegen hat der [X.] Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhand-lung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger seinen Antrag dahin ergänzt, daß das in dem Vorprozeß ergangene [X.]eil im Umfang der Verurteilung des [X.]n durch das [X.] abgeändert werden solle. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der von dem [X.] 4 - desgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils.
- 5 - Entscheidungsgründe:
[X.]

Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig. Es meint, der Klä-ger könne sein Begehren nur im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend machen. Eine solche Klage sei nicht erhoben. Die erhobene Klage sei vielmehr eine Nachforderungsklage, der die Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen [X.]eils entgegenstehe. Zwar bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, eine Nachforderungsklage in eine Abänderungsklage umzu-deuten. Die Voraussetzungen einer solchen Umdeutung seien jedoch nicht erfüllt, da ein entsprechender Wille des [X.] nicht genügend deutlich er-kennbar sei.

Auch die Ergänzung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht führe nicht zur Zulässigkeit der Klage. Die Ergän-zung stelle eine Klageänderung dar, die ein zulässiges Rechtsmittel des [X.] voraussetze. Daran fehle es. Auch durch eine Anschließung an das Rechtsmittel des [X.]n habe der Kläger die Klage nämlich nicht mehr ändern können, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die in § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmte Frist verstrichen gewesen sei.

I[X.]

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im wesentlichen nicht stand. - 6 - 1. Die Klage ist für den Zeitraum ab dem 20. Oktober 2001 zulässig. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], daß bei einer Verurteilung zu Schadensersatzrenten eine wesentliche Verän-derung der Verhältnisse, auf denen die Verurteilung beruht, nur im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend gemacht werden kann (st. Rechtspr., vgl. [X.], 110, 113 ff; 93, 330, 336; 94, 145, 146 f). Entgegen der Auffassung des [X.] trägt die Klage diesem Gebot jedoch Rechnung. Sie erfüllt die Voraussetzungen einer Abänderungsklage im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO. Dies gilt nicht nur für den in der mündlichen Verhand-lung vor dem Berufungsgericht gestellten Antrag, sondern auch für die [X.] in seiner ursprünglichen Gestalt. Eine Klageänderung liegt daher nicht vor. Zwar fehlt dem Klageantrag in der vor dem [X.] gestellten Form ein ausdrückliches Verlangen, das im Vorprozeß ergangene [X.]eil zu ändern. Die gebotene Auslegung der Klage ergibt jedoch, daß die Klage von Anfang an auf die Abänderung des [X.]eils vom 17. August 1990 gerichtet war. Diese Auslegung ist die Auslegung einer Prozeßerklärung und daher nicht dem Berufungsgericht vorbehalten. Sie kann vielmehr vom Senat selbst vorgenommen werden ([X.], [X.]. v. 18. Juni 1996, [X.], NJW-RR 1996, 1210, 1211 m.w.N; Senat, [X.]. v. 30. April 2003, [X.], NJW 2003, 2388).

a) Bei der Auslegung von Prozeßhandlungen ist davon auszugehen, daß die Vorschriften des Verfahrensrechts nicht Selbstzweck sind. Das [X.] dient der Wahrung der materiellen Rechte der Prozeßbeteilig-ten. Es soll eine einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern (GemS-OGB [X.]Z 75, 340, 348; [X.], [X.]. v. 1. Juni 1983, [X.], NJW 1983, - 7 - 2200, 2201; [X.]. v. 6. November 1991, [X.], NJW 1992, 438, 439; [X.]. v. 17. Mai 2000, [X.], [X.], 3216, 3217). Auch bei der Auslegung von Prozeßerklärungen ist zunächst auf deren Wortlaut abzustel-len. Eine [X.] darf jedoch nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl [X.] werden. Vielmehr ist stets davon auszugehen, daß sie mit ihrer Prozeßhandlung das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechts-ordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.]Z 115, 286, 290; [X.], [X.]. v. 9. Februar 1993, [X.], NJW 1993, 1925; [X.]. v. 22. Mai 1995, [X.], NJW-RR 1995, 1183 f.; [X.]. v. 18. Juni 1996, [X.], NJW-RR 1996, 1210, 1211; [X.]. v. 24. November 1999, [X.], [X.], 1446; [X.]. v. 17. Mai 2000, [X.], [X.], 3216, 3217; Senat, [X.]. v. 30. April 2003, [X.], NJW 2003, 2388).
Bei Anwendung dieses Grundsatzes ist die Klage auch in ihrer ur-sprünglichen Fassung als Abänderungsklage zu qualifizieren. Allein die Er-hebung einer Abänderungsklage entsprach dem Gebot prozessualer [X.], da einer Nachforderungsklage - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - die Rechtskraft seines früheren [X.]eils entgegen stand. Daß der Wille des [X.] auf die Erhebung einer unzulässigen Klage gerichtet ge-wesen wäre, kann nicht unterstellt werden ([X.], [X.]. v. 9. Februar 1993, [X.], NJW 1993, 1925).

b) Darüber hinaus enthält die Klageschrift hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Erhebung einer Abänderungsklage gewollt war. - 8 - Hierfür spricht schon die Begründung der geltend gemachten [X.]. Die Klagebegründung geht von dem früheren, der Klage als Anlage [X.] [X.]eil des [X.] aus und schildert im Anschluß daran, in welcher Weise sich die für die damalige Verurteilung ausschlaggebenden Verhältnisse zwischenzeitlich verändert haben. In Inhalt und Darstellung ent-spricht die Klagebegründung damit den Anforderungen von § 323 ZPO.

Des weiteren ergibt sich aus der Unterteilung des Antrags in laufende Leistungen einerseits und einen Nachforderungsbetrag andererseits in [X.] mit den hierzu erfolgten Ausführungen zur Begründung der Klage, daß der Klagewille auf die Erhebung einer Abänderungsklage gerichtet war. Soweit der Kläger neben seinem in die Zukunft gerichteten Antrag die Verur-teilung des [X.]n zu rückständigen Leistungen verlangt hat, orientiert sich die Antragsfassung unverkennbar an § 323 Abs. 3 ZPO. Entsprechend dieser Vorschrift und der in ihr enthaltenen Verweisung auf § 1613 Abs. 1 BGB hat der Kläger rückständige Leistungen ab dem Zeitpunkt des Verzugs des [X.]n verlangt und die Voraussetzungen und den Zeitpunkt des Ein-tritts des Verzugs des [X.]n in der Klagebegründung dargestellt.

c) Entgegen der Auffassung des [X.] steht der Feststel-lung des Willens, eine Abänderungsklage zu erheben, nicht entgegen, daß der [X.] durch die Fassung des [X.] an einer Abänderungswi-derklage gehindert werden sollte. Die Erhebung einer Abänderungswiderkla-ge ist nämlich - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht von der Erhe-bung einer Abänderungsklage abhängig, sondern genauso im Fall einer (un-zulässigen) Nachforderungsklage möglich, aber auch jederzeit als selbstän-dige Abänderungsklage zulässig. - 9 -

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht das Verlangen des [X.] nach Erhöhung der Zahlungsverpflichtung des [X.]n für den Zeitraum vor dem 20. Oktober 2001 als unzulässig zurückgewiesen. In diesem Umfang steht der Zulässigkeit der Klage § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO entgegen ([X.], [X.]. v. 26. Januar 1983, [X.], [X.], 353, 355; [X.]. v. 19.12.1989, [X.], NJW 1990, 709, 710). Nach dem [X.]eil im Vorprozeß schuldet der [X.] dem Kläger monatlich 430 DM/219,86 •. Soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit weiterge-hende Zahlungen verlangt, überschreitet seine Forderung die durch das Ur-teil vom 17. August 1990 bestimmte Begrenzung der Zahlungsverpflichtung des [X.]n und setzt damit die Änderung des im Vorprozeß ergangenen [X.]eils voraus. Das ist nach § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO für einen Zeitraum vor der Zustellung der Abänderungsklage grundsätzlich nicht zulässig. Einer der in § 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO genannten Ausnahmefälle liegt nicht vor. Der Kläger verlangt mit der Klage nicht die Änderung einer Verurteilung des [X.] zur Zahlung von Unterhalt, sondern leitet aus der Behauptung, sein Schaden, der ihm dadurch entstehe, daß der [X.] die Erfüllung seiner als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks vereinbarten [X.] verweigert habe, habe sich wesentlich erhöht, die Verpflichtung des [X.] zu weiterem Ersatz ab. Das hat mit den in § 323 Abs. 3 Satz 2 ZPO geregelten Fällen nichts zu tun. Der durch das [X.]eil im Vorprozeß titulierte Schadensersatzanspruch des [X.] ist der Abänderung nur für den Zeit-raum seit Rechtshängigkeit der erhobenen Abänderungsklage zugänglich. - 10 - Ohne Bedeutung ist insoweit lediglich, daß der [X.] nach dem Ur-teil vom 17. August 1990 seine laufende Zahlungspflicht monatlich im [X.] zu erfüllen hat. Das führt nicht zu einer Verschiebung des Zeitpunkts, von dem an der Kläger zulässig eine Erhöhung der laufenden Zahlungspflicht des [X.]n verlangen kann, auf den Ablauf des Monats, in dem die Klage zugestellt worden ist (MünchKomm-ZPO/[X.], 2. Aufl., § 323 Rdn. 95; Musielak, ZPO, 3. Aufl. § 323 Rdn. 42; [X.], ZPO, 21. Aufl. § 323 Rdn. 37).

II[X.] Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist dem Senat nicht möglich, weil es hierzu Feststellungen zu den von dem [X.]n ge-gen seine Verurteilung durch das [X.] vorgebrachten Einwendungen bedarf. [X.]

[X.] Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Meta

V ZR 290/03

02.07.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2004, Az. V ZR 290/03 (REWIS RS 2004, 2514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2514

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