Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.05.2013, Az. V ZR 220/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5541

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:

24. Mai 2013

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.] § 21 Abs. 4, § 22 Abs. 1
Der Eingangsbereich einer Wohnungseigentumsanlage kann mit einer [X.] überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der [X.] das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von [X.], deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwa-chung unter Berücksichtigung von §
6b [X.] inhaltlich und formell dem [X.] ausreichend Rechnung trägt.
[X.], Urteil vom 24. Mai 2013 -
V [X.] -
LG Berlin

[X.]

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2013
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.] Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. [X.] und die Richterin Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 13. April 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich einer Stilllegung der Videoüberwachungsanlage (Beschlussanfechtung und Be-schlussersetzung) zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2010 teil-weise abgeändert.

Der Beschluss der Wohnungseigentümer auf der Versammlung vom 28. Mai 2010 wird insoweit für ungültig erklärt, als auch eine Stilllegung der Anlage abgelehnt worden ist.

Die Videoüberwachungsanlage im Eingangsbereich der [X.] wird stillgelegt.

Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagten zu 20 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen
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Tatbestand:

Die Parteien sind Mitglieder einer
Wohnungseigentümergemeinschaft. Am 16. März
2008 wurde der frisch renovierte Eingangsbereich des Gebäudes durch einen Farbanschlag verunreinigt. Die Eigentümer beschlossen auf einer Wohnungseigentümerversammlung am 24. Mai 2008 mehrheitlich unter Zu-stimmung der Klägerin, in dem Eingangsbereich eine Videoüberwachungsanla-ge zu installieren. In dem Beschluss ist bestimmt, dass die Videodaten durch ein und denselben Vorgang mit Schadensfolge oder mit kriminellen Handlungen bei der Verwaltung oder direkt bei einem zugelassenen Unternehmen gemeldet e-halten, die Videoüberwachungsanlage als temporäre Lösung anzusehen. Der Beschluss wurde nicht angefochten. Mit Hilfe der Videoaufzeichnungen der [X.], die in einem abgeschlossenen
Raum untergebracht ist, konnte ein Fahr-raddiebstahl am 20. Juli 2010 aufgeklärt werden. Zur Aufklärung eines weiteren Fahrraddiebstahls im September 2010 wurden der Polizei Aufzeichnungen übergeben. Auf der Wohnungseigentümerversammlung am 28. Mai 2010 wurde der Antrag der Klägerin, die Anlage abzubauen, mehrheitlich abgelehnt. Dabei wurde nach dem Protokoll der Versammlung ein Vorteil der Anlage
darin gese-Mit der Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage ficht die Klägerin, soweit hier noch von Interesse, diesen Beschluss an und verlangt von den Beklagten, der Entfernung der Anlage zuzustimmen. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Anlie-gen weiter. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

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Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin auf Entfer-nung der Überwachungsanlage. Die Eigentümer hätten bei der Entscheidung über den möglichen Abbau der Anlage ein Ermessen, das sie pflichtgemäß ausgeübt hätten. Der Beschluss über den Einbau der Anlage entspreche den Vorgaben des § 6b [X.] und sei nicht zu beanstanden. Die Vorgaben für das Auslesen der Videodaten seien
hinreichend bestimmt und ausreichend. Das gelte auch dann, wenn diese Vorgaben in der Vergangenheit nicht immer [X.] worden seien. Dass der Einbau der Anlage als vorübergehende Maß-nahme angesehen worden sei, ändere daran nichts. Der Beschluss enthalte entsprechende Einschränkungen nicht. Die Eigentümermehrheit sehe die Gründe auch nicht als entfallen an, weil es darum gehe, eine zweckwidrige Nut-zung der Wohnungen zu erfassen und zu verhindern. Diese Gründe rechtfertig-ten den Fortbestand der Anlage.

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung in einem entschei-denden Punkt nicht stand.

1. Im Ergebnis zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Videoüberwachungsanlage im Eingangsbereich der Wohnanlage der Parteien.

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a) Die Entfernung der Anlage kann die Klägerin nach §
15 Abs. 3 [X.], nach § 21 Abs. 4 [X.] oder nach beiden Normen (vgl. dazu Klein in Bärmann, [X.], 12. Aufl., § 15 Rn. 48 [X.]) nur verlangen, wenn sich das an sich beste-hende Ermessen der [X.] hierauf reduziert, mithin nur diese Maß-nahme ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht ([X.], Urteil vom 9. März 2012 -
V ZR
161/11, [X.], 1724 Rn. 5 [X.]). Die Entfernung der Überwa-chungsanlage ist nur dann die einzige Möglichkeit, das [X.]seigentum ordnungsmäßig zu verwalten, wenn eine solche Videoüberwachungsanlage in einer Eigentumswohnungsanlage überhaupt nicht installiert werden dürfte oder wenn die Voraussetzungen für ihren ordnungsmäßigen Betrieb in der [X.] der Parteien nicht hergestellt werden könnten. Beides ist nicht der Fall.

b) Der Einbau einer Videoanlage zur Überwachung von Teilen des [X.] ist, anders als die Klägerin meint, nicht generell unzuläs-sig, sondern grundsätzlich zulässig, wenn die Überwachung durch die [X.] erfolgt und die Voraussetzungen des § 6b [X.] eingehalten sind.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] kann die Herstel-lung von Filmaufzeichnungen
einer Person mit einer Videokamera, auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht. Ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist, ergeben eine Würdigung aller Umstän-de des Einzelfalls und eine die (verfassungs-)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigende Güter-
und Interessenabwägung ([X.], Urteil
vom 25. April 1995 -
VI [X.], NJW 1995, 1955, 1957). Da der Einzelne grundsätzlich selbst entscheiden
darf, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden
und wann und unter welchen 5
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Voraussetzungen seine persönlichen
Daten preisgegeben und verwendet wer-den sollen, muss bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffent-liche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zu-gang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persön-lichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der [X.] im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann
([X.],
Urteil vom 16. März 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1533, 1534 Rn. 11).

bb) Diese Rechtsprechung hat der [X.] auf das Verhältnis der [X.] untereinander übertragen (Urteile vom 8. April 2011 -
V [X.], NJW-RR 2011, 949, 950 Rn.
7 f. und vom 21. Oktober 2011 -
V [X.], NJW-RR
2012, 140 f. Rn. 8 f.). Danach darf der Wohnungseigentümer sein Sondereigentum überwachen, wenn sich die Überwachung hierauf be-schränkt und benachbartes Sondereigentum oder öffentliche Flächen nicht er-fasst (Urteil vom 21. Oktober 2011 -
V [X.], aaO Rn. 10-12). Der [X.]
hat dem einzelnen Wohnungseigentümer
das Recht zuerkannt, in das [X.] der Parteien eine Videoanlage einzubauen, die es ihm
erlaubt, mit einer kurzen Bildübertragung in seine Wohnung zu prüfen, wer die Klingel betätigt
hat (Urteil vom 8. April 2011 -
V [X.], aaO Rn. 10 f.). Er hat mangels entsprechender Feststellungen offen gelassen, ob der einzelne Wohnungseigentümer auch zur dauerhaften Bildaufzeichnung
berechtigt wäre (Urteil vom 8.
April 2011 -
V [X.], aaO Rn. 11). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird eine Befugnis
des einzelnen Wohnungseigentümers zur Überwachung von Teilen des [X.]seigentums
mit der Möglichkeit einer Speicherung der Bildaufzeichnungen verneint (KG, [X.] 2002, 409, 412
und
OLG Köln, [X.], 646 [beide Hauseingangsbereich]; [X.], NJW 2007, 780, 781 [eigener
KfZ-Stellplatz im Innenhof der Anlage]). Bisher 8
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hatte der [X.] nicht zu entscheiden, was für eine Anlage
gilt, die unter der Re-gie und Aufsicht der [X.] Teile des [X.]seigentums über-wacht und das Geschehen aufzeichnet.

cc) Eine solche Videoüberwachung ist zulässig, wenn das Überwa-chungsinteresse der [X.] das Interesse des einzelnen [X.]s und von [X.], deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung inhaltlich und formell dem [X.] ausreichend Rechnung trägt.

(1) (a) Die Videoüberwachung von Teilen des [X.]seigentums ist in erster Linie eine Maßnahme zur Verwaltung des [X.]seigen-tums, nämlich zum Schutz der Wohnanlage und ihrer Bewohner.
Sie muss [X.] nach § 21 Abs. 4 [X.] den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung sind aber nicht der einzige Maßstab, dem eine Videoüberwachung genügen muss. Sie setzt näm-lich den Einbau entsprechender technischer
Anlagen voraus. Dieser muss
als bauliche Maßnahme die
für solche Maßnahmen geltenden Anforderungen
des §
22 Abs. 1 [X.] erfüllen.
Er wäre danach nur zulässig, wenn alle Wohnungs-eigentümer zustimmen, die von dieser baulichen Maßnahme über das in §
14 Nr. 1 [X.] bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Bei der Prüfung, ob eine solche
Beeinträchtigung
vorliegt, ist einerseits zu berücksichtigen, dass die technischen Anlagen zur Videoüberwachung keinem eigenständigen baulichen oder ästhetischen Zweck dienen, sondern allein der Überwachung. Eine
über das in § 14 Nr. 1 [X.] bestimmte Maß hinausgehende
Beeinträchtigung
liegt
deshalb vor, wenn die Überwachung selbst dem Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung und in diesem Rahmen den Vorgaben
des § 6b [X.] nicht ent-9
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spricht
([X.],
Urteil vom 8. April 2011 -
V [X.], NJW-RR 2011, 949, 950 Rn. 10).

(b) Daraus folgt aber
nicht, dass eine
solche
Beeinträchtigung
stets fehlt, wenn die Überwachung an sich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und mehrheitlich beschlossen werden könnte. Denn der Einbau der für die Videoüberwachung vorgesehenen technischen Anlagen kann -
unab-hängig von der mit ihm ermöglichten Videoüberwachung -
als bauliche Maß-nahme Nachteile
haben, die über das in §
14 Nr. 1 [X.] bestimmte Maß hin-ausgehen
und dazu führen, dass ihm alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen. Diese
können
auch in einer erheblichen optischen Veränderung des Gebäudes bestehen (dazu: [X.], Urteil vom 14. Dezember 2012 -
V [X.], [X.], 1439 Rn. 5 f.). Dann scheiterte eine an sich zulässige
Videoüberwachung an den optisch-baulichen Wirkungen der vorgesehenen Ge-räte, wenn nicht alle Wohnungseigentümer zustimmen.
Dass die hier eingebau-ten Anlagen optische oder andere bauliche Nachteile hätten, die eine Zustim-mung aller Wohnungseigentümer erforderlich machten, macht die Klägerin nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Es kommt deshalb hier allein darauf an, ob die mit den Anlagen angestrebte Überwachung selbst den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann.

(2) Das ist
allerdings nicht schon deshalb der Fall,
weil eine Videoüber-wachung
die Verwaltung und den Schutz des [X.]seigentums erleich-tern kann. Ordnungsmäßig
kann eine Verwaltung des [X.]seigentums nur sein, wenn sie die für eine Überwachung bestehenden gesetzlichen Vorga-ben einhält und wenn sie nicht nur dem Interesse der Mehrheit an der Effizienz der Verwaltung entspricht, sondern auch dem mit § 14 Nr. 1 [X.] einfachrecht-lich und durch Art. 2 GG auch verfassungsrechtlich geschützten Interesse des 11
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einzelnen Wohnungseigentümers und betroffener Dritter (zu diesem Aspekt [X.], [X.], 296, 298
f.) an dem Schutz ihrer Privatsphäre Rechnung trägt. Das gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümer die [X.] einstimmig beschließen. Denn von einem solchen Beschluss werden nicht nur die gegenwärtigen Wohnungseigentümer, sondern nach § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] auch ihre Rechtsnachfolger und an der Beschlussfassung nicht beteiligte Personen betroffen, die sich als Besucher, Lieferanten usw. in der Anlage aufhalten. Außerdem hätte auch ein
einstimmiger Beschluss den ge-setzlichen Vorgaben zu genügen.

(3) Für den Betrieb einer Videoüberwachung müssen deshalb das [X.] an der Überwachung mit den
Interessen
des einzelnen Wohnungseigentümers und mitbetroffener Dritter gegeneinander abgewogen werden. Die dabei zu beachtenden Vorgaben sind durch § 6b [X.] gesetzlich festgelegt, wenn öffentlich zugängliche Teile des [X.]seigentums überwacht werden sollen. Dazu kann zum Beispiel der Eingangsbereich einer
Wohnanlage gehören ([X.], Urteil vom 8. April 2011 -
V [X.], NJW-RR 2011, 949, 950 Rn. 10; [X.]/Schomerus, [X.], 11. Aufl., § 6b Rn. 8; [X.]/
[X.], [X.], 5. Auflage, § 6b Rn. 34, 41). Die Wertungen dieser Vorschrift sind aber auch dann zu beachten, wenn sie nicht
unmittelbar einschlägig ist. Auf sie
hat der [X.] schon für die Bestimmung des im Zusammenhang mit der bauli-chen Veränderung des [X.]seigentums festzustellenden Nachteils
des einzelnen Wohnungseigentümers zurückgegriffen (Urteil vom 8. April 2011
-
V [X.], NJW-RR 2011, 949, 950 Rn. 10). Für die Interessenabwägung bei dem Beschluss über die Einführung und den Betrieb einer [X.] gilt nichts anderes. Denn §
6b [X.] befasst sich,
wenn auch aus öffent-lich-rechtlicher Perspektive,
mit einem Interessenkonflikt, der dem hier [X.] ganz ähnlich ist. Der einzelne Wohnungseigentümer, der mit einer 13
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Überwachung nicht einverstanden ist, müsste sich, wenn die [X.] mehrheitlich beschlossen werden kann, der Mehrheit beugen. Das
kann ihm -
bei dem hier in Rede stehenden Eingriff in seine Privatsphäre -
nur zuge-mutet werden, wenn seine Interessen angemessen
berücksichtigt werden. Die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte beschreibt § 6b [X.] in einer auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft sachgerechten Weise.

(4) In Anlehnung an § 6b [X.] ist die Videoüberwachung in einer [X.] unter [X.] und Aufsicht der [X.] mit [X.] Aufzeichnung des
Geschehens zulässig, wenn ein berechtigtes
-
konkret und verbindlich festzulegendes -
[X.]sinteresse das Interesse des Einzelnen überwiegt. Das kann
etwa der Fall
sein, wenn die [X.] Straftaten gegen das [X.]seigentum und gegen die Bewohner der Anlage abwehren möchte. Nicht zulässig wäre dagegen eine [X.], die
allein dazu
diente, die Durchsetzung
von Ansprüchen gegen einzel-ne
Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 3 [X.] wegen einer von § 14 Nr. 1 [X.] nicht gedeckten Nutzung ihrer Wohnungen zu erleichtern.

(5) Auch wenn die [X.] einen Zweck verfolgt, der eine Video-überwachung an sich rechtfertigt, berechtigt sie dieser Zweck nicht dazu, die Videoüberwachung in beliebigem Umfang und zu beliebigen Bedingungen durchzuführen. Vielmehr muss auch dann der Umfang auf das Notwendige be-schränkt werden. So kann eine Überwachung des Eingangsbereichs zur [X.] von Straftaten zulässig sein, eine Überwachung des gesamten Trep-penhauses einschließlich der Wohnungstüren aber nicht (vgl. [X.], [X.] 2012, 233, 234). Entsprechende Beschränkungen gelten für den Umfang der Aufzeichnungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung und den Zugriff hierauf. So kann in dem erwähnten Beispiel einer
Überwachung des Eingangsbereichs eine 14
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Aufzeichnung mit Zugriff nur für Strafverfolgungsbehörden zulässig sein, eine Überwachung mit Zugriff auch der
einzelnen Wohnungseigentümer auf die [X.] dagegen nicht. Schließlich müssen die Regeln für den Betrieb der Überwachung durch Beschluss der Wohnungseigentümer verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind.
Ob diese
Vorgaben
eingehalten worden sind, lässt sich nur anhand einer umfassenden, dem Tatrichter vorbe-haltenen
Würdigung der Umstände des Einzelfalls
beantworten.

c) Die Entfernung der Anlage kann die Klägerin auch nicht deshalb ver-langen, weil sich ein Bedürfnis für eine Videoüberwachung in der Eigentums-wohnungsanlage der Parteien unter keinem denkbaren Gesichtspunkt darstel-len oder ein Betrieb zu für den einzelnen Wohnungseigentümer zumutbaren Bedingungen nicht regeln ließe.

aa) [X.] des frisch renovierten Eingangsbereichs, die den Anlass für den Beschluss über den Einbau der Anlage gab, mag nicht schwerwiegend gewesen sein. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass es sich um einen unzulässigen Übergriff auf das [X.]seigentum han-delte. Es mag auch sein, dass für einzelne
Überwachungszwecke mildere Maßnahmen zur Verfügung stehen. Das schließt aber nicht aus, dass die
Videoüberwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage der Parteien zur Wahrung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festzulegende
Zwecke
im Sinne von § 6b Abs. 1 Nr. 2 und 3 [X.], etwa zur Abwehr von Straftaten oder von vergleichbar gewichtigen anderen Be-einträchtigungen des [X.]seigentums,
erforderlich sein kann
und schutzwürdige Belange von Betroffenen nicht überwiegen.

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bb) Es ist auch nicht erkennbar, dass in der Wohnanlage der Parteien den Vorgaben von § 6b [X.] entsprechende Festlegungen für einen ord-nungsmäßigen Betrieb der Anlage nicht getroffen werden könnten. Zwar müss-ten dazu zunächst die Überwachungsziele bestimmt und konkretisiert
werden, die Überwachung auf den wirklichen Bedarf begrenzt und durch einen Be-schluss der Wohnungseigentümer mit Regelungen unterlegt werden, die die Einhaltung der Vorgaben von § 6b [X.] sicherstellen und den schützenswer-ten Belangen der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen Rechnung tra-gen. Anhaltspunkte
dafür, dass und weshalb
dies unter keinem Gesichtspunkt
möglich ist, sind dem Vortrag der Klägerin indessen nicht zu entnehmen.

2. Die Beklagten sind aber nach § 21 Abs. 4 [X.] verpflichtet, die
Videoüberwachungsanlage sofort stillzulegen. Diese Stilllegung ist nach § 21 Abs. 8 [X.] anzuordnen.

a) Die Stilllegung der Anlage hat die Klägerin zwar nicht förmlich [X.]. Die Auslegung ihres Antrags ergibt aber, dass es ihr mit der Entfernung der Videoüberwachungsanlage nicht bloß um das Rückgängigmachen einer baulichen Veränderung der Wohnanlage geht. Sie will damit vielmehr erreichen, dass die Videoüberwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage auf Dauer beendet wird. Dieses weitergehende Klageziel umfasst als weniger weitgehen-des Teilziel (sog. Minus) die sofortige Stilllegung der Anlage. Diese kann die Klägerin von den Beklagten verlangen.

b) Dem Stilllegungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass der Beschluss über den Einbau der Anlage nicht angefochten worden und damit bestandskräftig geworden ist.

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aa) Ein Wohnungseigentümer kann zwar grundsätzlich nicht verlangen, dass ein bestandskräftiger Beschluss nicht oder nicht mehr ausgeführt wird. Der einzelne Wohnungseigentümer kann aber jedenfalls die
Änderung eines [X.] Beschlusses verlangen, wenn schwerwiegende Gründe -
etwa eine erheb-liche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse -
das Festhalten an dem Be-schluss als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2012 -
V [X.], [X.]Z 195, 22 = [X.], 3719, 3721 Rn. 17 für Fest-halten an einer Darlehensaufnahme). Eine solche Veränderung von Umständen liegt hier vor. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Klägerin dem Einbau seinerzeit zugestimmt hat.

bb) Die Wohnungseigentümer haben den Einbau der Überwachungsan-lage seinerzeit zwar ohne förmliche zeitliche Begrenzung beschlossen. Bei die-ser Feststellung
durfte das Berufungsgericht aber nicht stehen bleiben. Es musste vielmehr die in dem Protokoll festgehaltenen Umstände und Vorstellun-gen der Eigentümer und auch den Beschlussinhalt berücksichtigen. Seinerzeit sollte schnell auf die Aufregung über die -
knapp zwei Monate zurückliegende -
Verunreinigung des frisch renovierten Eingangsbereichs reagiert werden. Die Eigentümer haben die Videoüberwachung nach dem Inhalt des Versammlungs-protokolls als temporäre Maßnahme angesehen und sich vielleicht auch [X.] mit einer unzureichenden Regelung über die Aufzeichnung der Abläufe im Eingangsbereich und die Aufbewahrung und Verwendung der Videodaten [X.]. Wie die in dem Protokoll über die Versammlung vom 28. Mai 2010 wie-dergegebenen Erwägungen der Eigentümer zeigen, sehen sie die Videoüber-wachung inzwischen nicht mehr als temporäre, sondern als Dauerlösung an und verfolgen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht mehr
nur den Zweck, Schadensfälle und kriminelle Handlungenn-richtungsbeschluss heißt,
aufzuklären, sondern auch den Zweck, den Besu-22
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cherverkehr im Hinblick auf die Ausübung von Prostitution oder einen
bordell-artigen Betrieb

zu überwachen. Die veränderte Haltung der Mehrheit der [X.] stellt eine ganz erhebliche Veränderung der Umstände dar. Sie belegt nämlich, dass die schutzwürdigen Interessen der Klägerin an der Wahrung ihrer Privatsphäre nicht nur nicht förmlich abgesichert,
sondern auch tatsächlich durch eine schleichende Erweiterung der Überwachungszwecke gefährdet sind. Das muss die Klägerin nicht hinnehmen.

c) Der Stilllegung steht eine fehlende Vorbefassung der Wohnungseigen-tümer (dazu [X.], Urteil vom 15.
Januar 2010 -
V [X.], [X.]Z 184, 88, 93 Rn. 15) nicht entgegen. Die Klägerin hat den Abbau der Anlage und damit als weniger weit gehende Maßnahme auch die Stilllegung beantragt. Die [X.] haben die Entfernung der Anlage abgelehnt, weil sie die Überwachung weiterbetreiben wollen.

d) Nur die Stilllegung der Anlage entspricht ordnungsmäßiger [X.].

aa) Die Ausgestaltung des Betriebs der Überwachungsanlage wird den oben unter [X.]) cc) dargestellten Anforderungen in keiner Hinsicht gerecht.

(1) Es fehlt schon an einer hinreichend eindeutigen Festlegung der [X.] der Überwachung. Dem
Beschluss über die Einrichtung der Überwa-chungsanlage lässt sich entnehmen, dass die Überwachung Schadensfälle und

verhindern
soll.
Ob sich der Zweck der Überwa-chung darin erschöpft, ist aber nicht gesichert. Die Mehrheit der [X.] und immerhin auch das Berufungsgericht gehen nämlich davon aus, dass die Aufzeichnungen auch zu anderen Zwecken
eingesetzt werden können, 24
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etwa dazu festzustellen, ob in einzelnen Wohnungen Prostitution ausgeübt oder ein bordellartiger Betrieb geführt wird. Die Zwecke müssen aber, wie ausge-führt,
vorher und verbindlich festgelegt werden.

(2) Unzureichend ist auch die in dem Beschluss getroffene Regelung über den Zugriff auf die Aufzeichnungen. Anlass des Auslesens der Daten [X.] ein Schadensfall oder eine Straftat mit mindesten drei geschädigten [X.]n sein. Wem genau und mit welchen Verwendungsbefugnis-sen die Daten zur Verfügung
gestellt werden sollen, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen. Nicht festgelegt ist ferner, wie die Einhaltung von [X.] und [X.] effektiv kontrolliert werden soll. Nach dem Beschluss können sich die geschädigten Wohnungseigentümer auch selbst an ein Ausleseunternehmen wenden. Dass dieses den Zugang zu dem verschlossenen Raum mit dem Aufzeichnungsgerät nur von der [X.] erhalten wird, ist nicht festgestellt, stellte aber auch eine Kontrolle der [X.] nicht, wie aber geboten,
sicher.

(3) Auch die übrigen oben dargestellten für einen ordnungsmäßigen Be-trieb der Anlage erforderlichen Festlegungen lässt der Beschluss vermissen. Das sind Festlegungen zu einem möglichst begrenzten Umfang der angestreb-ten Überwachung sowie dazu, für welche Zwecke die Aufzeichnungen von wem verwendet werden dürfen, dass sie in einer festzulegenden kurzen Frist zu lö-schen sind und wie die Einhaltung dieser Vorgaben sichergestellt werden soll.

bb) Ohne solche Regelungen lässt sich eine Beeinträchtigung des ge-schützten
Interesses des einzelnen Wohnungseigentümers an der Wahrung seiner Privatsphäre nicht verhindern. Der Betrieb einer Überwachungsanlage ist unter diesen Umständen mit den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwal-28
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tung nicht zu vereinbaren. Er muss eingestellt werden und darf erst wieder auf-genommen werden, wenn
die erforderlichen Betriebsregelungen durch Be-schluss der Wohnungseigentümer festgelegt sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92
Abs.
1 Satz
1 ZPO.

Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Ri[X.] Dr. [X.] ist infolge

Urlaubs an der Unterschrift

gehindert.

[X.], den 12. Juni 2013

Die Vorsitzende

Stresemann
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.12.2010 -
773 [X.] 3/10 [X.] -

LG Berlin, Entscheidung vom 13.04.2012 -
85 [X.]/11 [X.] -

31

Meta

V ZR 220/12

24.05.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.05.2013, Az. V ZR 220/12 (REWIS RS 2013, 5541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5541

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 176/09

V ZR 210/10

V ZR 265/10

V ZR 224/11

V ZR 251/11

V ZR 114/09

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