Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. III B 109/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 5409

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Außenprüfung bei Überschusseinkünften


Leitsatz

1. NV: Zum Umfang der Begründungspflicht des FG-Urteils, wenn über eine Prüfungsanordnung wegen umfangreicher und vielgestaltiger Einkünfte sowie schwankender Kapitaleinkünfte und privater Veräußerungsgeschäfte gestritten wird .

2. NV: Bei der Bestimmung des Prüfungsortes handelt es sich auch dann um einen eigenständigen Verwaltungsakt, wenn sie mit der Prüfungsanordnung verbunden wird; sie muss daher auch angefochten werden .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2016  11 K 300/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte als Gesellschafter einer Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und war an zahlreichen Gesellschaften und Grundstücksgemeinschaften beteiligt, deren Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Der Kläger erzielte darüber hinaus Einkünfte aus Kapitalvermögen, die sich nach der Einkommensteuererklärung für 2008 auf mehr als 700.000 € beliefen. Er erklärte zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und zwar für das [X.] aus drei Objekten, von denen eines in eine KG eingelegt und deren Anteile verschenkt wurden, sowie in den Jahren 2009 und 2010 aus fünf Objekten.

2

Der Kläger gab die Einkommensteuererklärung für 2008 im Mai 2013 und die Erklärungen für 2009 und 2010 im Februar 2013 ab, woraufhin nach vorherigen Schätzungen geänderte Einkommensteuerbescheide ergingen, die weiterhin unter Nachprüfungsvorbehalt standen.

3

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) erließ im Mai 2014 eine Prüfungsanordnung betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010, gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] (§ 10d des Einkommensteuergesetzes --EStG--), sowie die Feststellung des verbleibenden Zuwendungsvortrags nach § 10b Abs. 1 EStG zum 31. Dezember 2010. Zur Begründung führte es aus, für die Besteuerung erhebliche Verhältnisse bedürften der Aufklärung, da umfangreiche und vielgestaltige Einkünfte in Form verschiedener Beteiligungen, im Prüfungszeitraum schwankende Kapitaleinkünfte sowie private Veräußerungsgeschäfte vorlägen. Eine Prüfung an Amtsstelle im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erscheine nicht zweckmäßig, da eine größere Zahl von Lebensvorgängen (Konten, [X.], Verträge usw.) mit einem größeren Zeitaufwand zu prüfen seien. Die Prüfung solle voraussichtlich am 7. Juli 2014 beginnen und an Amtsstelle erfolgen.

4

Der Einspruch des [X.] hatte keinen Erfolg. Das [X.] legte in der Einspruchsentscheidung dar, es gehe von einer Reduzierung des 2008 angelegten Kapitals in drei Jahren um über 20 Mio. € aus, ohne dass hinreichende Anhaltspunkte für dessen Verbleib oder eine Verlagerung in den nicht einkünfterelevanten Bereich erkennbar seien.

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

6

Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und erfordere eine Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

9

a) Die Frage, ob ein [X.] sich der Behauptung des [X.], eine Außenprüfung sei erforderlich, anschließen kann, ohne seine Auffassung umfänglich und eigenständig zu begründen, ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht grundsätzlich bedeutsam.

Der Sache nach rügt der Kläger mit seinem Vorbringen, das [X.] habe eine Außenprüfung "ins Blaue hinein" ohne eigene Überprüfung gebilligt, einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), nämlich den absoluten Revisionsgrund, dass das [X.]-Urteil "nicht mit Gründen versehen ist" (§ 119 Nr. 6 [X.]O). Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen [X.] von § 119 Nr. 6 [X.]O liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen ([X.]-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 41/01, [X.]/NV 2003, 604).

Das trifft indessen nicht zu, denn das [X.] hat keine Prüfungspunkte übergangen (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 28. August 2014 X B 182/13, [X.]/NV 2014, 1899, betreffend nicht gewürdigte Zeugenaussage; vom 9. Februar 2017 X B 49/16, [X.]/NV 2017, 721, betreffend fehlende Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte), sondern die umfangreichen Überlegungen der Einspruchsentscheidung referiert und sich ihnen trotz "Einlassung des [X.] in der mündlichen Verhandlung" angeschlossen.

Das [X.] hätte insoweit sogar anstelle einer Darstellung der Entscheidungsgründe mit einem Satz auf die --im Streitfall umfangreiche-- Einspruchsentscheidung verweisen können (§ 105 Abs. 5 [X.]O). Weiterer Darlegungen bedurfte es jedenfalls nicht, denn die Prüfungswürdigkeit (§ 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung --[X.]--) liegt auf der Hand, ohne dass es auf "Anhaltspunkte für 'Steuererklärungsdefizite'" oder Zweifel an der Steuerehrlichkeit des [X.] ankäme. Angesichts des großen und vielfältigen Vermögens des [X.] sowie der hohen Komplexität des [X.] Einkommensteuerrechts und insbesondere auch der gesetzlichen Änderungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im [X.] könnten sich z.B. wegen anschaffungsnahem Aufwand (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG), der Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) oder einer unzutreffenden Beurteilung von Betriebs- als Privatvermögen trotz redlicher Erklärung erhebliche Mehrsteuern ergeben.

b) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache folgt auch nicht daraus, dass das [X.] --wie der Kläger meint-- Kapitalerträge überprüfen wolle, die der sog. Abgeltungssteuer (§ 32d Abs. 1 EStG) unterlegen hätten, obwohl derartige Kapitalerträge in die Ermittlung der Überschusseinkünfte [X.] des § 147a [X.] nicht einzubeziehen seien und Aufzeichnungen sowie Unterlagen dazu nicht nach § 147a [X.] aufbewahrt werden müssten. Denn die vom Kläger zu § 147a [X.] bezeichneten Fragen könnten in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Die erstmals für den Veranlagungszeitraum 2010 anzuwendende Vorschrift des § 147a [X.] (Drüen in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 147a [X.] Rz 4) ist weder vom [X.] noch vom [X.] herangezogen worden und wäre in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil nur über die Prüfungsanordnung, nicht aber über die Aufbewahrungspflichten des [X.] gestritten wird.

2. Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) zuzulassen, damit geklärt wird, ob "in einfachen Inlandsfällen ... in denen das [X.] das [X.] nicht überzeugt hat, dass [X.] von § 200 Abs. 2 Satz 1 [X.] ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, eine die Prüfung an Amtsstelle vorsehende Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unzulässig ist", weil das [X.] sonst aus "Holschulden der Finanzverwaltung" "[X.] des Steuerpflichtigen" machen könne, was das Recht des Steuerpflichtigen auf informelle Selbstbestimmung verletzen und ihn zum "Kopier- und Heranschaffensbüttel der Finanzverwaltung" degradieren würde.

a) Der Steuerpflichtige hat die zu prüfenden Unterlagen (§ 200 Abs. 1 Satz 2 [X.]) gemäß § 200 Abs. 2 Satz 1 [X.] "in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen". Die Bestimmung des [X.] ist danach ein eigenständiger, allerdings regelmäßig --wie hier-- mit der Prüfungsanordnung verbundener Verwaltungsakt, der selbständig angefochten werden kann ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 200 [X.] Rz 90). Bei einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 [X.] muss die Wahl des [X.] begründet werden; dabei sind die angestellten Ermessenserwägungen anzugeben ([X.] in [X.], § 200 [X.] Rz 90). Eine Prüfung in der verfassungsrechtlich geschützten (Art. 13 des Grundgesetzes) Wohnung des Steuerpflichtigen ist dabei jedoch --anders als vom Kläger geltend gemacht-- regelmäßig weniger belastend als eine Prüfung an Amtsstelle.

b) Der Prüfungsort war jedoch nicht Gegenstand des [X.]-Verfahrens; die Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Ermessensentscheidung des [X.] könnte mithin in einem Revisionsverfahren nicht überprüft werden.

aa) Der Kläger hatte in der [X.] sowie in der mündlichen Verhandlung nur beantragt, die Prüfungsanordnung aufzuheben. Das [X.]-Urteil hat demgemäß auch nur über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung entschieden und sich mit der Bestimmung des [X.] nicht befasst. Dazu hatte der Kläger auch keine Veranlassung gegeben, denn er hat weder --z.B. in Form eines Hilfsantrages für den Fall, dass das [X.] die Prüfungsanordnung als rechtmäßig beurteilen sollte-- die Aufhebung der Prüfungsortbestimmung noch die Durchführung der Prüfung in seinem Wohnhaus oder einem anderen Gebäude als dem Dienstsitz des [X.] begehrt.

bb) Der Vortrag des [X.] gab auch sonst keine Veranlassung, die Rechtmäßigkeit oder die ermessensfehlerfreie Bestimmung der Prüfungsdurchführung an Amtsstelle statt z.B. in der Wohnung des [X.] zu prüfen. Der Klägervortrag zum Prüfungsort ging letztlich nur dahin, dass die verlangte Vorlage von Unterlagen an Amtsstelle der Behauptung des [X.] widerspreche, eine Prüfung an Amtsstelle sei nicht zweckmäßig, und diene dazu, "die Voraussetzungen einer Außenprüfung ... rein sprachlich behaupten zu können". Das trifft indessen nicht zu, da eine in den Räumen des [X.] durchgeführte Außenprüfung gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 2 [X.] von einer Prüfung an Amtsstelle durch Maßnahmen der Einzelermittlung [X.] der §§ 88 ff. [X.] im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu unterscheiden ist ([X.]-Urteil vom 26. Juli 2007 VI R 68/04, [X.]E 218, 35, [X.], 338).

cc) Da das [X.]-Urteil nicht über den Prüfungsort entschieden hat, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob bei der vom [X.] zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen war, ob der Kläger durch eine Prüfung an Amtsstelle besonders belastet wird, weil er aufgrund seiner Vorlagepflicht die zu prüfenden Unterlagen zum Dienstgebäude transportieren muss.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 109/16

13.09.2017

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 31. Mai 2016, Az: 11 K 300/15, Urteil

§ 193 Abs 2 Nr 2 AO, § 200 Abs 2 AO, § 119 Nr 6 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.09.2017, Az. III B 109/16 (REWIS RS 2017, 5409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5409

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII B 67/17 (Bundesfinanzhof)

(Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO - Berechnung des Schwellenwertes …


VIII R 52/12 (Bundesfinanzhof)

Grenzen der Speicherung digitalisierter Steuerdaten aufgrund einer Außenprüfung - Anschlussprüfung bei Freiberuflern


III B 8/14 (Bundesfinanzhof)

Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung bei einem freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen


III R 8/15 (Bundesfinanzhof)

Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung bei einem Mittelbetrieb - Anforderungen an die Begründung der Prüfungsanordnung - …


IX R 16/19 (Bundesfinanzhof)

Bekanntgabe der Prüfungsanordnung - vermögensverwaltende Personengesellschaft - Hemmung der Feststellungsfrist


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.