Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.04.2014, Az. VII R 48/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 6087

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 15.01.2014 VII R 22/13 - Erhebung eines Zusatzzolls bei der Einreihung im vereinfachten Verfahren - Tarifierung als "Leggings" bezeichneter Waren)


Leitsatz

1. NV: An die zugelassene vereinfachte Einreichung nach den Regeln des Art. 81 ZK ist der Zollschuldner gebunden, wenn er es unterlassen hat, die Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 ZK i.V.m. Art. 251 ZKDVO zu beantragen und neue Zollanmeldungen abzugeben .

2. NV: Die Vereinfachungsvorschrift des Art. 81 ZK betrifft die Einfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 1. Anstrich ZK "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren". Darunter fällt auch der Zusatzzoll aus der VO Nr. 673/2005 .

3. NV: Als "Leggings" bezeichnete Beinkleider aus synthetischen Chemiefasern, die die Beine und den Unterkörper bekleiden, sind Hosen der Unterpos. 6104 63 00 KN. Sie sind nicht als "Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon" der Pos. 6406 KN gemäß Anmerkung 1 Buchst. n zu Abschnitt XI aus diesem Abschnitt ausgewiesen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in den Jahren 2010 und 2011  96 Sendungen [X.] mit Ursprung in den [X.] in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Zugleich beantragte sie die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 des Zollkodex ([X.]) und meldete die Waren unter der [X.]. 6109 10 10 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) für T-Shirts an. Die Zollstelle nahm die Anträge an und fertigte die Waren antragsgemäß ab. Bei stichprobenhaften Beschaffenheitsbeschauen, die u.a. auch die hier zu beurteilenden Sendungen erfassten, hatte das Zollamt keine anderen Waren als T-Shirts festgestellt.

2

Eine Zollprüfung des Prüfungsdienstes des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) im Jahr 2012 bei der Klägerin ergab, dass die Sendungen als "Nylon Tricot Legging", "Nylon Tricot High-Waist Legging", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" bezeichnete Waren enthielten.

3

Bei diesen Waren handelte es sich um Bekleidungsstücke, die zu 100 % aus synthetischen Chemiefasern gewirkt waren. Die in Größen für Erwachsene konfektionierten Bekleidungsstücke waren hosenähnlich und wiesen knöchellange Beine ohne Fußteile auf. Sie hatten einen die Taille abschließenden elastischen Bund in unterschiedlicher Breite (2,5 bis 12,7 cm). An den Kleidungsstücken waren vorn weder eine Öffnung noch ein Verschluss, aber Nähte an den Innenseiten der Beine vorhanden. Merkmale, die auf einen bestimmten Trägerkreis hinwiesen, waren nicht feststellbar. Die Bekleidungsstücke konnten ohne Weiteres als eine lange, den Unterkörper bedeckende Hose getragen werden.

4

Der Prüfungsdienst reihte diese Waren in die [X.]. 6104 63 00 [X.] ein und stellte fest, dass sich daraus neben dem Zollsatz von 12 % ein [X.] von weiteren 15 % ergebe. Das [X.] folgte den Feststellungen und erhob von der Klägerin Einfuhrabgaben nach, in welchen --neben hier unstreitigen, auf fehlerhaften Zollwerten beruhenden, zu- und abgerechneten [X.] ein [X.] enthalten war.

5

Einspruch und Klage, mit welchen die Klägerin die Einreihung der [X.] in die [X.]. 6406 90 90 [X.], hilfsweise in die [X.]. 6115 21 [X.] beanspruchte und geltend machte, der auf der Verordnung ([X.]) Nr. 673/2005 ([X.]) des Rates vom 25. April 2005 zur Einführung zusätzlicher Zölle auf die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in den [X.] ([X.] --[X.]-- Nr. L 110/1) beruhende [X.] sei auf die zutreffende Tarifposition nicht anwendbar, im Übrigen sei bei einer Einreihung auf Antrag nach Art. 81 [X.] nur die Anwendung des in der [X.] vorgesehenen höchsten Zollsatzes gestattet, blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, der für die Nacherhebung der Zollschuld nach Art. 220 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgebliche Zollsatz ergebe sich nach Art. 20 Abs. 1 [X.] aus dem [X.], im Streitfall aus der [X.] in der Fassung der Verordnung ([X.]) Nr. 317/2009 ([X.] 317/2009) der [X.] vom 17. April 2009 ([X.] Nr. L 100/6), einer sonstigen Gemeinschaftsregelung i.S. des Art. 20 Abs. 3 Buchst. g [X.], die für Waren der [X.]. 6104 63 00 [X.] einen [X.] von 15 % des Wertes der eingeführten Waren vorsehe. Bei den streitgegenständlichen [X.] handele es sich um lange Hosen, aus Gewirken und Gestricken, für Frauen und Mädchen, die in die [X.]. 6104 [X.] und innerhalb dieser [X.]ition aufgrund der synthetischen Spinnstoffe, aus denen sie bestehen, in die [X.]. 6104 63 00 [X.] einzureihen seien.

6

Sie seien nicht als Waren der [X.]. 6406 [X.] oder der [X.]. 6115 [X.] einzureihen. Unter die [X.]. 6406 [X.] fielen --u.a.-- Gamaschen und ähnliche Waren, aber keine hosenähnlichen Waren. Das ergebe sich auch aus den für die Auslegung maßgeblichen [X.] und [X.] Fassungen. Nach den Warenbezeichnungen in [X.] handelt es sich bei "[X.]" um Gamaschen und Halbgamaschen, und bei "[X.]" um Beinschienen, Beinschützer, Beinschutz, Gamaschen, sog. Legwarmer und Stulpen. In der [X.] Fassung fänden sich neben "gaiters", das sind Stulpen oder Gamaschen, zwar "[X.] and similar articles". Auch diese Bezeichnungen ließen aber nicht erkennen, dass die darunter fallenden Waren hosenähnlich sein dürften, nämlich ein zwei miteinander verbundenes, beide Beine und den Unterkörper bedeckendes Kleidungsstück sein könnten. Der Begriff "[X.]" habe im [X.] zwei Bedeutungen: Zum einen bezeichne er gamaschenähnliche Kleidungsstücke, zum anderen sehr eng geschnittene Hosen für Frauen und Kinder. Letztere würden aber nicht von der [X.]. 6406 [X.] erfasst. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit den übrigen, von der [X.]ition erfassten Waren. Auch die Entwicklung der [X.]. 6406 [X.] bestätige diese Auslegung. Vor dem Beitritt [X.] sei die heutige [X.]. 6406 in den Tarifnummern 64.05 für [X.] und 64.06 für Gamaschen, Schienbeinschützer und ähnliche Waren sowie Teile davon (Verordnung ([X.]) Nr. 950/68 --[X.] 950/68-- des Rates vom 28. Juni 1968 über den gemeinsamen [X.], [X.] --ABl[X.]-- Nr. L 172/1) erfasst gewesen; auf [X.] "Guêtres, [X.], [X.], [X.] et articles similaires et leurs parties". Die inhaltlich unveränderten Tarifnummern seien dann in der [X.] Fassung des Gemeinsamen [X.]s (VO ([X.]) Nr. 1/73 des Rates vom 19. Dezember 1972, ABl[X.] Nr. L 1/1) als "Gaiters, spats, [X.], [X.], [X.], shin-guards and similar articles, and parts thereof" übersetzt worden. Eine inhaltliche Änderung der Tarifnummer mit dem Ziel der Einbeziehung von Damenhosen sei damit nicht verbunden gewesen, unter [X.] seien nur Kleidungsstücke zu verstehen, die ein Bein ganz oder teilweise bedeckten, aber nicht miteinander verbunden seien.

7

Auch in den Erläuterungen zum Harmonisierten System ([X.]) zu [X.]. 6406 [X.] Rz 14.0 würden die in [X.] als [X.] bezeichneten Waren als Beinlinge, also nicht als Hosen oder hosenähnliche Kleidungsstücke beschrieben.

8

Bei den als [X.] bezeichneten Waren handele es sich auch nicht um Strumpfhosen der [X.]. 6115 [X.]. Eine Strumpfhose sei eine aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte Unterleibsbekleidung. Dazu gehörten die streitgegenständlichen Waren jedoch nicht.

9

Das [X.] sei auch berechtigt gewesen, in dem der Klägerin auf ihren Antrag bewilligten Verfahren nach Art. 81 [X.] die Zollbelastung für alle Sendungen nach der höchsten Einfuhrabgabenbelastung, also mit dem [X.] nach der [X.] zu ermitteln. Die Klägerin hätte die in ihrem eigenen Warenwirtschaftssystem zutreffend unter der [X.]. 6104 63 00 [X.] erfassten [X.] gesondert anmelden können.

Von der Nacherhebung könne auch nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 [X.] abgesehen werden. Es habe keine Warenbeschau gegeben, auf Grund derer die Klägerin davon habe ausgehen können, für die [X.] falle kein [X.] an.

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor: Die [X.] seien als "ähnliche Waren" wie Gamaschen in die [X.]. 6406 90 90 [X.], hilfsweise als "Strumpfhosen" in die [X.]. 6115 21 [X.] einzureihen.

Für die Einreihung in die [X.]. 6406 [X.] spreche die Verwendung des Begriffs "legging" in der [X.] Sprachfassung und auch für das [X.] Wort "[X.]" werde in Wörterbüchern als Synonym der Begriff "[X.]" angegeben. Angesichts dieser eindeutigen Wortlaute habe das [X.] seine Auslegung nicht auf einen systematischen Vergleich der Ware mit den übrigen von der [X.]ition erfassten Waren stützen dürfen. Auf die Entwicklung des Gemeinsamen [X.]s der [X.] dürfe zur Auslegung der [X.] nicht zurückgegriffen werden, da die [X.] nicht auf der [X.] 950/68, sondern auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren beruhe und sich im Übrigen --wie der gegenüber der Tarifnummer 64.06 ("gaiters, spats, [X.], [X.], [X.], shin-guards and similar articles, and parts thereof") verkürzte Wortlaut der [X.]. 6406 [X.] ("gaiters, [X.] and similar articles, and parts thereof") zeige-- die zolltarifliche Rechtslage gegenüber dem Gemeinsamen [X.] geändert habe.

Den Klammerzusatz "[X.]" zum Begriff Beinlinge in den [X.] zu [X.]. 6406 Rz 14.0 interpretiere das [X.] falsch, er sei als Ausweitung des Begriffs "Beinlinge" auf hosenähnliche Beinkleider zu verstehen.

Hilfsweise seien die [X.] als Strumpfhosen in die [X.]. 6115 21 [X.] einzureihen.

Die Klägerin hält im Übrigen die Anwendung des [X.]s der [X.] gemäß Art. 81 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Buchst. g [X.] auf sämtliche Waren der jeweiligen Sendung nicht für gerechtfertigt. Das [X.] verkenne, dass sich die [X.] und Art. 81 [X.] widersprächen. Gemäß Art. 2 [X.] finde der [X.] ausschließlich auf die in Anhang I genannten Waren Anwendung. Nur so sei gewährleistet, dass die zusätzlichen Zölle 72 % der jährlichen Auszahlungen der [X.] aus vereinnahmten [X.] und [X.] an die geschädigten [X.] Unternehmen nicht übersteigen, was nach der Entscheidung des Schiedsgerichts der [X.] ([X.]) vom 31. August 2004 ([X.]/[X.]/ARB/[X.]) Bedingung für die Erhebung der zusätzlichen Zölle sei. Die bei Anwendung des Art. 81 [X.] sich ergebende Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der [X.] gelistete Waren, führe zu einer Überschreitung des zulässigen Kompensationsbetrags. Bei der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung von Unionsrecht müsse der [X.] bei der Ermittlung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung der Waren einer Sendung nach Art. 81 [X.] außer Betracht bleiben.

Außerdem sei die Zulassung der vereinfachten Einreihung nach Art. 81 [X.] rechtswidrig gewesen, weil Aufwand und Kosten der Einzelanmeldungen angesichts der hohen Zollsätze für Textilien nicht außer Verhältnis zur Höhe der Einfuhrabgaben stünden. Auch deshalb sei die Anwendung der höchsten Einfuhrabgabenbelastung rechtswidrig.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 16. November 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2013 aufzuheben.

Das [X.] schließt sich der Rechtsauffassung des [X.] an und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das Urteil des [X.] entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O).

Für die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten in 96 Sendungen zusammengefassten Warensortimente ist, da die Abfertigung zum höchsten Zollsatz nach Art. 81 ZK antragsgemäß bewilligt war, eine Zollschuld entstanden, die wegen der in den Sendungen enthaltenen Leggings zu einem Zollsatz von 12 % und gemäß Art. 2 [X.] [X.]. [X.]. 6104 63 00 [X.] zu einem [X.] von 15 % führt. Da der entsprechende Abgabenbetrag für die streitigen Einfuhren seinerzeit nicht buchmäßig erfasst wurde, ist er gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

1. Die Voraussetzungen einer vereinfachten Einfuhrabgabenerhebung gemäß Art. 81 ZK liegen vor. Die Klägerin hat die in den [X.]en enthaltenen Waren einheitlich als solche angemeldet, auf die der jeweils höchste Abgabensatz entfällt, und diese Zollanmeldungen sind angenommen worden. Daran muss sie sich festhalten lassen. Die Voraussetzungen für eine Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gemäß Art. 66 Abs. 2 ZK [X.]. Art. 251 der [X.] sind schon hinsichtlich der dort vorgesehenen Antragsfristen nicht erfüllt.

2. Bei der Ermittlung der auf die Waren des jeweiligen Sortiments entfallenden höchsten Einfuhrabgabenbelastung war auch der [X.] aus der [X.] zu berücksichtigen, sofern eine der Waren von einer im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Tarifbezeichnungen erfasst war. Die Vereinfachungsvorschrift des Art. 81 ZK betrifft (nur) die Einfuhrabgaben i.S. des Art. 4 Nr. 10 ZK (vgl. [X.] in [X.], Zollrecht, Art. 81 ZK Rz 38), also nach dem hier maßgeblichen Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK "Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren". Darunter fällt auch der [X.] gemäß der [X.]. Denn der [X.] umfasst nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK die sonstigen zolltariflichen Maßnahmen der [X.], also auch die sog. Retorsionszölle, die im Fall von Handelsstreitigkeiten festgelegt werden, wie es mit der [X.] geschehen ist (so auch [X.] [X.], Zollrecht, Art. 20 ZK Rz 33).

Mit ihrem Einwand, die Anwendung der unter Einbeziehung des [X.]s ermittelten höchsten Abgabenbelastung auf alle Waren einer Sendung führe zu einer Erstreckung der Zusatzzölle auf andere als in der [X.] gelistete Waren und damit zu einer von der Genehmigung der Zusatzzölle durch das Schiedsgericht der [X.] nicht mehr gedeckten Überschreitung des zulässigen [X.], macht die Klägerin keine Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts geltend, auf welches allein sie die Anfechtung der Nacherhebung stützen kann. Da Art. 81 ZK den Begriff Einfuhrabgabenbelastung verwendet und damit nach den Definitionen der Art. 4 Nr. 10 und Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK sonstige zolltarifliche Maßnahmen der Gemeinschaft bzw. Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle einbezieht, sind Zusatzzölle wie solche des Streitfalls bei der Ermittlung der "höchsten Einfuhrabgabenbelastung" i.S. des Art. 81 ZK nicht ausgenommen. Anderenfalls ließen sich mithilfe dieses für Sammelsendungen unterschiedlicher Waren vorgesehenen vereinfachten Einreihungsverfahrens Zusatzzölle für bestimmte in solchen Sendungen enthaltene Einfuhren umgehen.

Trotz der seitens der [X.] mit Schreiben vom 27. September 2013, auf das sich die Revision beruft, geäußerten Rechtsmeinung hält der [X.] in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Art. 81 ZK sowie des Art. 4 Nr. 10 Anstrich 1 ZK die Auslegung jener Vorschrift auch im Hinblick auf die mit der [X.] verfolgten Ziele für zweifelsfrei und sieht keinen Grund, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] ([X.]) einzuholen.

Ist das vereinfachte Einreihungsverfahren gemäß Art. 81 ZK beantragt und bewilligt, tritt die gesetzliche Folge ein, dass der für bestimmte in der Sendung enthaltene Waren vorgesehene höchste Einfuhrabgabensatz --und damit ebenso der für solche Waren zu erhebende [X.] auch auf Waren anzuwenden ist, für die eigentlich kein Strafzoll, sondern ein geringerer Abgabensatz gilt. Hätte der [X.]sgesetzgeber diese Rechtsfolge für von der [X.] nicht erfasste Waren vermeiden wollen, hätte es nahe gelegen, in dieser Verordnung die Anwendung des Art. 81 ZK auszuschließen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat der [X.]sgesetzgeber mit Art. 3 [X.] eine andere Regelung zur Einhaltung des vorgesehenen [X.] vorgesehen. Es kommt daher nicht in Betracht, für von der [X.] nicht erfasste Waren die Rechtsfolge des Art. 81 ZK trotz Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht eintreten zu lassen mit der Folge, dass die Erhebung des [X.]s auch für in der [X.] enthaltene Waren der [X.] unterbleibt.

3. Dem Einwand der Klägerin, es sei unverhältnismäßig, die gesamte Warenmenge mit dem [X.] zu belegen, ist nicht zu folgen (vgl. [X.]surteil vom 26. September 1989 VII R 10/87, [X.], 200, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1990, 48, zu § 79 Abs. 2 des [X.] 1961). Der Anmelder kann [X.] mit besonders hoher Abgabenbelastung ausschließen, indem er diese Waren getrennt anmeldet, oder er kann für eine Warengruppe angeben, dass bestimmte Waren in dieser nicht enthalten sind (vgl. [X.] in [X.], a.a.O., Art. 81 ZK Rz 37).

4. Auf die streitgegenständlichen Waren ("Leggings") entfällt der [X.] nach Art. 2 [X.] (für die Einfuhren des Jahres 2009 i.d.F. der [X.] 317/2009) [X.]. deren Anhang I auf Waren der [X.]. 6104 63 00 [X.].

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. [X.]-Urteil vom 15. November 2012 [X.]/11, [X.], 41, Rz 29, m.w.N.) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der [X.] und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der [X.] 1 und 6).

a) Von der [X.]. 6104 63 00 [X.] werden u.a. lange Hosen aus Gewirken und Gestricken aus synthetischen Chemiefasern für Frauen oder Mädchen erfasst.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] handelte es sich bei den in Warensendungen enthaltenen Leggings um Kleidungsstücke aus zwei miteinander verbundenen [X.], die beide Beine und den Unterkörper bedecken, mit Nähten an den Innenseiten der [X.], einem breiten Bund und ohne Fußteile, und die ohne Weiteres als lange, den Unterkörper bedeckende Hosen getragen werden können. Diese tatrichterliche Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, sie erscheint vielmehr durchaus nachvollziehbar. Die Klägerin setzt ihr auch lediglich ihre eigene --abweichende-- Wertung entgegen, die Leggings seien als Oberbekleidung nicht geeignet.

bb) Die Leggings fallen auch nicht unter die Anmerkung 1 Buchst. n zu Abschn. XI, wonach Gamaschen und ähnliche Waren des Kapitels 64 aus diesem Abschnitt ausgewiesen sind.

Von der Pos. 6406 [X.] sind in der [X.] Sprachfassung erfasst "[X.]; [X.], Fersenstücke und ähnliche herausnehmbare Waren; Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon". Leggings sind nicht genannt. Zwar taucht dieser Begriff in den [X.] zu Pos. 6406 unter "II) Gamaschen und ähnliche Waren sowie Teile davon" in Rz 14.0 als Synonym für Beinlinge ("Leggings") auf, die den sog. Beinschützern ähnlichen Waren --wie Wadengamaschen (einschließlich Wickelgamaschen), Stutzen, Trachtenstrümpfe usw., ohne Fußteil und mit oder ohne Steg-- zugeordnet werden. Es ist allerdings offensichtlich und bedarf keiner näheren Begründung, dass die von der Klägerin eingeführten Leggings keine diesen Kleidungsstücken ähnliche Waren sind. Aus der [X.] Sprachfassung der Pos. 6406 [X.] folgt nichts anderes.

b) Bei den als Leggings bezeichneten Waren handelt es sich auch nicht um [X.] der Pos. 6115 [X.].

Weder aus dem Wortlaut der Positionen der [X.] noch aus den Anmerkungen ergeben sich Definitionen oder klare Abgrenzungskriterien für [X.] und lange Hosen.

Gleichwohl tragen diese Waren ihre Definition in sich. Sie ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.

[X.] sind eng an Fuß, Bein und Unterleib anliegende, gewirkte oder gestrickte Hosen (besonders für Frauen und Kinder), die wie ein Strumpf angezogen werden. Dementsprechend hat das [X.] zutreffend herausgearbeitet, dass [X.] aus zwei sich überlagernden Strümpfen gefertigte, typischerweise --wie [X.] rundgewebte Unterleibsbekleidungen sind. [X.] weisen eine besondere, machartbedingte Passform auf, sie passen sich eng anliegend der Körperform an.

Dieser Definition entsprechen die streitigen Kleidungsstücke schon nicht, weil sie keinen Strumpf, d.h. keinen den Fuß umhüllenden Teil aufweisen. Auf die übrigen vom [X.] zur Unterscheidung von Hosen und [X.] herangezogenen Merkmale --wie Längsnähte an den Innenseiten oder fehlende Angaben zur Feinheit der verwendeten [X.] braucht daher nicht eingegangen zu werden.

5. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. [X.] sind nicht erfüllt. Insoweit wird auf die Ausführungen im [X.]-Urteil Bezug genommen.

6. Ist das Urteil nach alledem revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen.

Meta

VII R 48/13

28.04.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 4. September 2013, Az: 4 K 2503/13 Z, Urteil

Art 4 Nr 10 ZK, Art 20 Abs 3 Buchst g ZK, Art 81 ZK, Pos 6104 KN, Pos 6115 KN, Pos 6406 KN, EGV 673/2005, EGV 317/2009, Art 4 Nr 10 EWGV 2913/92, Art 81 EWGV 2913/92, Art 20 Abs 3 Buchst g EWGV 2913/92, Art 66 ZK, Art 66 EWGV 2913/92, Art 251 EWGV 2454/93, Art 251 ZKDV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.04.2014, Az. VII R 48/13 (REWIS RS 2014, 6087)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6087

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Wird zitiert von

4 K 130/15

4 K 162/16

4 K 163/16

4 K 118/15

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