Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. VIII ZR 69/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16740

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:030216UVIIIZR69.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VIII ZR 69/15
Verkündet am:

3. Februar 2016

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 558a Abs. 2 Nr. 3
Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des [X.] zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestat-tet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurtei-lende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (Bestätigung der Senatsurteile vom 12.
Dezember 2007 -
VIII
ZR 11/07, [X.], 573 Rn.
12; vom 19.
Mai 2010 -
VIII
ZR 122/09, [X.], 576 Rn.
10). Etwaige kleinere
Mängel des Gutachtens führen nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Grün-den.

[X.], Urteil vom 3. Februar 2016 -
VIII ZR 69/15 -
LG Gießen

AG Friedberg ([X.])

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3.
Februar 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
Hessel sowie die Richter Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und Dr.
Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 18. Februar 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten
auf Zustimmung zu einer Mieterhö-ihm bewohnte Wohnung in B.

N.

in Anspruch. Die 75,98 qm große Dreizimmerwoh-nung gehört zu einer aus vier mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern beste-henden Wohnanlage, die Mitte der 70er
Jahre des vorigen Jahrhunderts errich-tet wurde.

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Das Mieterhöhungsbegehren vom 24. Oktober 2013 nimmt zur [X.] auf ein beigefügtes Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W.

vom 14. Oktober 2013 Bezug, das in der Art eines "[X.]s" Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die dortigen Zwei-, Drei-
und Vierzimmerwohnungen enthält.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg
geblieben. Mit der vom Be-rufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Das Mieterhöhungsverlangen sei unzulässig, weil es auf ein unzu-reichendes Gutachten gestützt sei. Zwar seien an ein Gutachten, das zur [X.] beigefügt werde, keine übertriebe-nen Anforderungen zu stellen. Insoweit sei in dem Gutachten auf Seite 7 zwar ausgeführt, dass für den Wert der ortsüblichen Vergleichsmiete sowohl der Markt bei Neu-
und Wiedervermietung als auch die Mietpreise der länger be-stehenden Mietverhältnisse zu berücksichtigen seien. Auch habe die Sachver-ständige in ihrem [X.] die Wohnungen der Wohnanlage nach [X.] und Ausstattung typisiert und die ortsübliche Vergleichsmiete für jeden Wohnungstyp gesondert ermittelt und die jeweils besichtigte Musterwohnung so 2
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genau beschrieben, dass der Mieter erkennen könne, ob sie der Ausstattung der eigenen Wohnung entspreche. Für den Beklagten
sei es anhand der ermit-telten Vergleichsmiete unschwer festzustellen, welchem Wohnungstyp die Klä-gerin die Wohnung des Beklagten zugeordnet habe.
Das Gutachten sei aber deshalb unzureichend, weil es keine Ausführun-gen dazu enthalte, wie sich die Mieten in den letzten vier Jahren entwickelt [X.]. Dies sei indes erforderlich, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe. Zudem lasse das Gutachten nicht erkennen, für welchen Zeitpunkt die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt worden sei.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung (§ 558 BGB) nicht ver-neint werden. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die (hohen) [X.], die an ein im Prozess zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten als Beweismittel zu stellen sind, nicht bereits für die (formelle) Begründung des [X.] durch Beifügung eines Sachverständigengutachtens gemäß §
558a Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten.
1. Das unter Bezugnahme auf das Gutachten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen W.

erfolgte Mieterhöhungsverlangen vom 24. Oktober 2013 entspricht den Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB.

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a) Mit der nach § 558a BGB erforderlichen Begründung des Mieterhö-hungsverlangens sollen dem Mieter im Interesse einer außergerichtlichen Eini-gung die Tatsachen mitgeteilt werden, die er zur Prüfung einer vom Vermieter nach § 558 BGB begehrten Mieterhöhung benötigt (Senatsurteile vom 19. Mai 2010 -
VIII ZR 122/09, [X.], 576 Rn. 10; vom 11. März 2009 -
VIII ZR 74/08, [X.], 1667 Rn. 8; vom 10. Oktober 2007 -
VIII ZR 331/06, [X.], 124 Rn. 18; vom 19. Juli 2006 -
VIII ZR 212/05, NJW-RR 2006, 1305 Rn.
17). Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der [X.] grundsätzlich Genüge
getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der
es dem
Mieter gestattet,
der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können (Senatsurteile
vom 12. Dezember 2007 -
VIII ZR 11/07, [X.], 573 Rn. 12; vom 19. Mai 2010 -
VIII ZR 122/09, aaO). Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu
beurteilende Wohnung in das örtliche Preis-gefüge einordnen ([X.], [X.], 239; NJW 1987, 313
f.; Senatsurteil vom 19. Mai 2010 -
VIII ZR 122/09, aaO).
b) Den vorbeschriebenen Anforderungen wird das hier beigefügte [X.] gerecht, denn es enthält, wie die Revision zutreffend unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Berufungsgerichts geltend macht, die insoweit erfor-derlichen Angaben. Das Gutachten ist auch, wie sich aus den vom Berufungs-gericht wiedergegebenen Ausführungen auf Seite 7 des Gutachtens ergibt, von einem zutreffenden Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgegangen. [X.] als das Berufungsgericht offenbar meint, muss ein Gutachten, das gemäß § 558a BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt wird, keine Darstellung
über die Entwicklung der Mieten in den letzten vier Jahren enthalten. Zu Recht verweist die Revision darauf, dass auch bei den weiteren 10
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Begründungsmitteln, die § 558a BGB gleichberechtigt nebeneinander stellt, derartige Anforderungen nicht bestehen. Besonders deutlich wird das durch die Regelung des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wonach die Benennung von drei [X.] ausreicht. Die Begründung des Mieterhöhungsverlangens dient nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu füh-ren
oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen. Vielmehr soll das Begründungserfordernis den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der [X.] nachzugehen und dieses zumindest an-satzweise nachzuvollziehen (Senatsbeschluss vom 8. April 2014 -
VIII ZR 216/13, [X.], 747 Rn. 1 mwN; vgl. Senatsurteil vom 28. März 2012
-
VIII
ZR 79/11, [X.], 415 Rn.
14). Diesen Anforderungen wird das [X.], wie ausgeführt, gerecht.
Dass das am 14. Oktober 2013 erstellte [X.] keinen aus-drücklichen Zeitpunkt bezeichnet, für den die ortsübliche Vergleichsmiete ermit-telt wurde, ist ebenfalls unschädlich. Denn es liegt auf der Hand, dass es sich um eine aktuelle Ermittlung handelt.
2.
Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
a) Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung, dass die Sachverständige nicht nur -
wie vom Berufungsgericht beanstandet -
versäumt habe, die Ent-wicklung der Mieten in den letzten vier Jahren darzustellen, sondern dass sie -
was das Berufungsgericht verkannt habe -
überhaupt nur Neuvertragsmieten berücksichtigt habe. Zum einen ergibt sich die von der Revisionserwiderung gezogene Schlussfolgerung nicht aus dem
von ihr herangezogenen Umstand, dass die Sachverständige eine Recherche von Wohnungsangeboten im [X.] erwähnt und in ihrem Gutachten -
unter anderem -
ausführt, es sei auch die im 12
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oberen Bereich zu erzielende Miete zu berücksichtigen, die die Klägerin
bei [X.] Neuvermietung von Wohnungen aus den 70er Jahren erziele. Denn dane-ben hat die Sachverständige beispielsweise Nachfragen bei [X.] erwähnt, in deren Bestand vergleichbare Wohnungen vorhanden seien und zudem auf Seite 7 ihres Gutachtens explizit ausgeführt, dass auch die Mietpreise länger bestehender Mietverhältnisse zu berücksichtigen seien. Davon abgesehen wäre ein etwaiger Mangel des Gutachtens, nicht oder nicht im angemessenen Umfang auch Bestandsmieten berücksichtigt zu haben, nicht so gravierend, dass dies seiner Verwendung als Begründungsmittel des § 558a BGB entgegenstünde oder zur Unwirksamkeit eines hierauf gestützten Mieter-höhungsverlangens
führte.
b) Entgegen der weiteren Gegenrüge der Revisionserwiderung ist das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht deshalb unwirksam, weil das zur Begründung beigefügte Sachverständigengutachten weder die besichtigte [X.] gleichen Typs noch die für das Gutachten herangezogenen [X.] in der Weise identifizierbar angegeben hat, dass der Mieter diese Wohnungen
besichtigen und die Angaben der
Sachverständigen im Detail hätte überprüfen können. Wie bereits ausgeführt, genügt es bei einer [X.] des Mieterhöhungsverlangens nach §
558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, dass ein öffentlich bestellter Sachverständiger in einem mit Gründen versehenen [X.] Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete macht und die streitige Woh-nung in das örtliche Preisgefüge einordnet. Derartige konkrete
Angaben ermög-lichen es dem Mieter, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise zu überprüfen und so die Entscheidung zu treffen, ob er der begehrten Mieterhöhung zustimmen oder den Vermieter auf einen Prozess verweisen will.

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III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 05.09.2014 -
2 C 345/14 (24) -

LG Gießen, Entscheidung vom 18.02.2015 -
1 [X.]/14 -

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Meta

VIII ZR 69/15

03.02.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2016, Az. VIII ZR 69/15 (REWIS RS 2016, 16740)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16740

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VIII ZR 69/15

VIII ZR 122/09

VIII ZR 216/13

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