Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2013, Az. VII ZR 88/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2443

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 88/12

vom

25. September 2013

in dem Rechtsstreit

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Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
25.
September 2013
durch [X.], die Richterin [X.] und die
Richter
Dr.
[X.], Kosziol
und
Dr.
Kartzke
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Der Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 27.
Februar
2012 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 100.000

Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Feuerversicherung, klagt
aus übergegangenem Recht die Beklagte ein. Diese hatte auf der Lagerhalle des Versicherungsnehmers der Klägerin drei Photovoltaikanlagen installiert und hierzu unter anderem meh-rere
Wechselrichter auf dem Dach über [X.] 3 der Lagerhalle montiert.
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In der Nacht des 28.
Januar
2008 brannte die Lagerhalle einschließlich sämtlicher dort eingelagerter Gegenstände und Fahrzeuge sowie der montier-ten Photovoltaikanlagen nieder. Die Klägerin
hat den Schaden mit insgesamt ca. 4
Mio.

Die Klägerin behauptet, der Brand sei am südlichen Ende der Lagerhalle im Dachbereich ausgebrochen, sichtbar zwischen 23:30 und 23:45
Uhr. Im Be-reich des [X.] hätten sich eine größere Anzahl von Wechselrichtern für die dort installierte Photovoltaikanlage und die dazugehörigen elektrischen Leitungen befunden. Die Montage der Wechselrichter sei mangelhaft gewesen, eine Einzelabsicherung gegen Kurzschluss habe nicht stattgefunden, weil die Fehlerstromschutzschalter in Gruppen montiert
gewesen seien. Diese Fehlmon-tage sei brandursächlich gewesen. Andere Brandursachen seien auszuschlie-ßen.
Das [X.] hat die Klage nach Beweisaufnahme
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin nach vorangegangenem [X.] durch Beschluss nach §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen. [X.] die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt.

II.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist der Beschluss des
Berufungsgerichts aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO. Das Berufungsgericht hat in entscheidungser-heblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, Art.
103 Abs.
1 GG.
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1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf den
vorangegange-nen Hinweisbeschluss im Wesentlichen ausgeführt, der beweisbelasteten Klä-gerin sei der Beweis dafür, dass eine fehlerhafte Montage der [X.], insbesondere der Wechselrichter, durch die Beklagte brandursächlich ge-wesen sei, nicht gelungen.
Eine Beweislastumkehr habe das Erstgericht zu Recht verneint. Ein gro-ber Verstoß gegen die Berufspflichten sei von der Klägerin erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung dadurch behauptet worden, dass die Beklagte die Herstellervorschriften zur Einzelabsicherung der Wechselrichter nicht [X.] habe. Dieser Sachvortrag nebst dem dafür angebotenen [X.] sei jedoch gemäß §
529 Abs. 1
Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO verspätet und daher zurückzuweisen, weil die Verspätung auf grober Nachläs-sigkeit beruhe. Die fehlende Einzelabsicherung der Wechselrichter sei bereits Gegenstand des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen [X.] gewesen.
Der Klägerin sei der Nachweis der Kausalität zwischen
einem
Fehlver-halten der Beklagten und dem Schadenseintritt auch nicht deshalb gelungen, weil ein schadensursächliches Fehlverhalten des Versicherungsnehmers der Klägerin ausgeschlossen werden könne und sämtliche sonst noch in Betracht kommenden Schadensursachen in den Verantwortungsbereich der Beklagten fielen. Es kämen vielmehr noch andere Ursachen wie die elektrisch betriebenen
Sektionaltore, das [X.] und fehlende Wartungsarbeiten des Versi-cherungsnehmers in Betracht, die nicht sicher ausgeschlossen werden könnten.
Auch habe das Erstgericht zu Recht von der Vernehmung des privaten Sachverständigen Dr.
T. abgesehen, ohne dadurch gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu verstoßen. Dieser habe sein Gutachten nur auf der Grundlage der Akten erstellt; das Erstgericht habe dage-6
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gen die sachnäheren Zeugen vernommen. Zudem habe das Erstgericht den Sachverständigen [X.] mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. T. konfron-tiert. Der gerichtliche Sachverständige habe aber die Wechselrichter als Brand-ursache ausgeschlossen. Auch durch die Einvernahme des sachverständigen Zeugen Dr.
T. habe daher der Beweis der Brandursächlichkeit der [X.] nicht geführt werden können.
Auch sei das rechtliche Gehör der Klägerin nicht dadurch verletzt [X.], dass das [X.] den Antrag auf Gewährung einer Schriftsatzfrist nach Vernehmung des Sachverständigen [X.] abgelehnt habe. Dieser habe zwar bei seiner Vernehmung die Frage der Einzelabsicherung der Wechselrichter
nicht beantworten können und auf eine notwendige Nachfrage beim Hersteller verwiesen. Gleichwohl habe auf entsprechenden Beweisantrag der Klägerin diese Frage nicht vertieft werden müssen, da die fehlerhafte Montage der Wechselrichter als Brandursache nicht festgestanden habe. Die fehlende Ein-zelabsicherung für sich genommen scheide als Schadensursache aus.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin
führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur [X.] an das Berufungsgericht.
a) Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass der Klägerin der Beweis dafür obliegt, dass die fehlerhafte Montage der Photo-voltaikanlage durch die Beklagte brandursächlich gewesen ist. Das Berufungs-gericht hat bei seiner Beurteilung, der Klägerin sei dieser Nachweis nicht gelun-gen, allerdings erhebliches Vorbringen und Beweisangebote der Klägerin nicht berücksichtigt und damit gegen das Verfahrensgrundrecht des Art.
103 Abs.
1
GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (vgl. [X.], Beschlüs-10
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se vom 27.
Januar
2011 -
VII
ZR
175/09, [X.], 876 Rn. 11; vom 24. No-vember 2011 -
VII ZR 65/11, [X.] 2012, 228 Rn. 7).
b) Das Berufungsgericht erkennt noch richtig, dass der gerichtlich [X.] Sachverständige [X.] im Termin zur mündlichen Verhandlung am [X.] 2011 erstmals bestätigt
hat, dass schon die
Montage der Wechselrichter unter dem Dach mangelhaft war und sich hierdurch die Brandgefahr erhöht [X.].
Es sieht weiter, dass der Sachverständige [X.] bestätigt
hat, dass die
Anord-nung der Absicherung als Gruppenabsicherung statt als Einzelabsicherung nicht den Herstellerrichtlinien entsprach. Über die konkreten Folgen dieses Feh-lers konnte er sich jedoch ohne Rücksprache mit dem Hersteller nicht abschlie-ßend äußern.
c) Das Berufungsgericht ist allerdings der Meinung, dass diese [X.] keinen Nachweis dafür darstelle, dass die fehlerhafte Montage der Wechselrichter tatsächlich Brandursache gewesen sei.
Es kämen noch von dem Versicherungsnehmer der Klägerin zu vertretende weitere Brandursachen in Betracht wie die drei elektrisch betriebenen Sektionaltore, das Warmluftge-bläse und fehlerhafte Wartungsarbeiten. Ein schadensursächliches Fehlverhal-ten des Versicherungsnehmers könne als mögliche Schadensursache nicht ausgeschlossen werden.
Bei dieser Beurteilung übersieht das Berufungsgericht, dass das von der Klägerin beantragte Eliminationsverfahren, wonach alle anderen denkbaren Schadensursachen als die Photovoltaikanlage ausgeschlossen
werden, nicht durchgeführt worden ist. Der gerichtliche Sachverständige ist nicht damit be-fasst worden, alle möglichen Schadensursachen zu überprüfen und gegebe-nenfalls auszuschließen. Sein Gutachtensauftrag erstreckte sich lediglich auf die Montage der Photovoltaikanlage als alleinige Brandursache. Mit den ande-13
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ren denkbaren Brandursachen hat er sich daher auch nicht auseinandergesetzt. Damit ist der beweisbewehrte Sachvortrag der Klägerin, wonach alle anderen denkbaren Brandursachen ausgeschlossen werden könnten, von den [X.] nicht ausgeschöpft
worden und die beantragte Beweiserhebung un-terblieben. Wenn das Berufungsgericht gleichwohl andere Ursachen für den Brand meint nicht ausschließen zu können, so maßt es sich ein Fachwissen an, das es nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss nicht hat oder jedenfalls nicht offengelegt hat.

Dieser Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Ge-währung rechtlichen Gehörs, Art.
103 Abs.
1 GG, führt zur Aufhebung des [X.] vom 27.
Februar
2012 und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
3. In der neuen mündlichen Verhandlung wird sich das Berufungsgericht zudem mit den übrigen in der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen [X.] befassen müssen.
a) Das Berufungsgericht wird sich die
Frage
erneut stellen müssen, ob der
von der Klägerin benannte sachverständige
Zeuge Dr.
T., der bereits am 30.
Januar
2008 die Brandstelle besichtigt und begutachtet hat, als sachver-ständiger Zeuge zu vernehmen ist. Insoweit ist
die Feststellung des Berufungs-gerichts im Beschluss vom 27.
Februar
2012, der als sachverständiger Zeuge benannte Dr.
T. habe seine Erkenntnisse nur aus den Akten gewonnen, die vom Erstgericht vernommenen Zeugen seien sachnäher gewesen, zumindest ungenau und unvollständig. Auch hat das Erstgericht ausweislich der Akten entgegen der Behauptung des Berufungsgerichts im Zurückweisungsbeschluss den Sachverständigen [X.] nicht mit den Ergebnissen des Sachverständigen Dr.
T. konfrontiert. Dieser hat das Gutachten Dr.
T. lediglich im Vorspann seines 16
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Gutachtens erwähnt. Die Ausführungen
des Berufungsgerichts im angefochte-nen Beschluss, durch die
Einvernahme
des sachverständigen Zeugen Dr.
T. könne kein Beweis für die Brandursache geführt werden, stellen danach eine vorweggenommene unzulässige Beweiswürdigung dar.
b) Das Eliminationsverfahren ist durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu allen denkbaren und möglichen Brandursa-chen und deren Ausschluss unter Einbeziehung der Gutachten der Sachver-ständigen Dr.
T., Wie.
und Win.
durchzuführen.

[X.]
[X.]
[X.]

Kosziol

Kartzke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.11.2011 -
43 O 3075/09 -

OLG München, Entscheidung vom 27.02.2012 -
13 U 4899/11 -

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Meta

VII ZR 88/12

25.09.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2013, Az. VII ZR 88/12 (REWIS RS 2013, 2443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2443

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 88/12

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