Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2017, Az. IV R 7/14

4. Senat | REWIS RS 2017, 6958

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Gegenstand

(Inhaltsadressat eines Bescheids zur Feststellung verrechenbarer Verluste im Rahmen des § 2a Abs. 3 EStG a.F.)


Leitsatz

NV: Inhaltsadressat eines Bescheids, mit dem im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.F. verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellt werden, kann nur der Gesellschafter sein, dem die betreffenden Verluste zuzurechnen sind .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2011  1 K 4383/09 F und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 6. November 2009, soweit sie die Feststellung verrechenbarer Verluste betreffen, sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes für 1995 bis 1997 und 1999 vom 20. Dezember 2005 sowie für 1999 vom 1. September 2009 aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens [X.] sowie die Kosten des Klageverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

[X.]

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH & Co. KG, an deren Vermögen in den Streitjahren (1995 bis 1997 und 1999) der alleinige Kommanditist [X.] zu 100 % beteiligt war. Ihrerseits war die Klägerin in den Streitjahren als Kommanditistin mit 60 % der Vermögensanteile an der in der [X.] ([X.]) ansässigen [X.] beteiligt. Die übrigen Anteile hielt ein in der [X.]undesrepublik Deutschland nicht steuerpflichtiger Kommanditist. In den Streitjahren erzielte die [X.], die das eingezahlte [X.] überschritten. Jeweils vor dem Abschlussstichtag wurde jedoch eine entsprechende Kapitalerhöhung beschlossen und im Firmenbuch des zuständigen Landesgerichts in [X.] eingetragen. Einzahlungen auf diese Kapitalerhöhungen wurden nicht geleistet.

2

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ für die Streitjahre unter dem 20. Dezember 2005 jeweils zwei [X.]escheide über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen. In einem [X.]escheid wurden Verluste als "Anteil an den nach D[X.]A steuerfreien gewerblichen Einkünften aus [X.]etriebsstätten in [X.], die bei Anwendung nach § 2 a Absatz 3 EStG zu berücksichtigen sind, oder alternativ laufende Einkünfte, für die statt § 2 a Absatz 3 EStG der Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG in [X.]etracht kommt" festgestellt. Der [X.]escheid für das [X.] enthielt außerdem die Feststellung, dass die [X.] zwei [X.]etriebsstätten "im Wirtschaftsjahr 1998/1999 entgeltlich übertragen hat (§ 2 a Abs. 4 Nr. 2 EStG)". Der jeweils zweite [X.]escheid betraf [X.] Verluste als "[X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15 a Absatz 4 EStG". Festgestellt wurden insoweit auf das Ende des jeweils am 28./29. Februar endenden [X.] [X.] Verluste von ... DM für 1995, ... DM für 1996, ... DM für 1997 und ... DM für 1999, die jeweils als "Anteil an den nach D[X.]A steuerfreien gewerblichen Einkünften aus [X.]etriebsstätten in [X.], die bei Anwendung nach § 2 a Absatz 3 EStG zu berücksichtigen sind, oder alternativ laufende Einkünfte, für die statt § 2 a Absatz 3 EStG der Progressionsvorbehalt nach § 32 b EStG in [X.]etracht kommt" gekennzeichnet wurden. Der [X.]erechnung lagen die im ersten [X.]escheid festgestellten Anteile an den steuerfreien gewerblichen Einkünften aus [X.]etriebsstätten in [X.] zugrunde. Als ausgleichsfähig behandelte das [X.] nur Verluste in Höhe des eingezahlten Kapitals, weil der erweiterte Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf inländische Personengesellschaften beschränkt sei. Die [X.]escheide waren an die Klägerin als Gesellschafterin der [X.] gerichtet. Gegen alle [X.]escheide erhob die Klägerin Einspruch.

3

Nach einer Außenprüfung ergingen für 1999 unter dem 1. September 2009 geänderte [X.]escheide, wobei mit dem [X.]escheid über die Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG zum 28. Februar 1999 ein [X.]r Verlust von ... DM festgestellt wurde. Auch gegen diese [X.]escheide erhob die Klägerin Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2009 wurden sämtliche Einsprüche zurückgewiesen.

4

Die dagegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) insoweit als unzulässig ab, als sie sich gegen die Feststellung der Anteile an den nach Doppelbesteuerungsabkommen (D[X.]A) steuerfreien gewerblichen Einkünften aus [X.]etriebsstätten in [X.] für die Jahre 1995 bis 1997 richtete, weil die Klägerin insoweit keine Rechtsverletzung geltend mache. In [X.]ezug auf die übrigen Streitgegenstände hielt das [X.] die Klage für zulässig, aber unbegründet ([X.] Düsseldorf, Urteil vom 22. Juli 2011  1 K 4383/09 F).

5

Die vom [X.] zugelassene Revision führte zum Urteil des [X.] Senats des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 24. Juli 2013 I R 57/11 ([X.]FHE 243, 102, [X.]St[X.]l II 2016, 633). Der [X.] Senat legte die Revision dahin aus, dass sie nur die gesonderte Feststellung der Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG in dessen damaliger Fassung (EStG a.F.) im [X.] sowie die gesonderten Feststellungen [X.]r Verluste betreffe. Das Verfahren betreffend die Feststellungen [X.]r Verluste trennte der [X.] Senat ab und verwies es zuständigkeitshalber an den [X.]. Dem Antrag auf Aufhebung der Feststellung zur Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG a.F. gab der [X.] Senat statt, weil der [X.]escheid fehlerhaft an die Klägerin selbst und nicht an deren Gesellschafter gerichtet gewesen sei.

6

In [X.]ezug auf die Feststellungen [X.]r Verluste trägt die Klägerin vor, die [X.]n Verluste seien zwar auf der Grundlage des § 15a EStG zutreffend ermittelt worden. § 15a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 EStG verletzten aber ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 des Vertrags über die Gründung der [X.] Gemeinschaft.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung auch insoweit aufzuheben, als sie die Feststellung [X.]r Verluste betreffen, sowie die [X.]escheide über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG für 1995 bis 1997 und 1999 vom 20. Dezember 2005 sowie für 1999 vom 1. September 2009 aufzuheben.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Es liege zwar ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vor. Dieser sei aber durch die Erfordernisse der Steueraufsicht und der Missbrauchsbekämpfung gerechtfertigt.

Die [X.]escheide über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG seien ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Sie seien nicht mit einer gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) verbunden gewesen und hätten sich deshalb inhaltlich allein an die Klägerin als Kommanditistin der [X.] gerichtet.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die Revision ist auch in [X.]ezug auf den noch anhängigen Streitgegenstand begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Aufhebung der angefochtenen [X.]escheide über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die [X.]escheide über die gesonderte Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen nach § 15a Abs. 4 EStG für 1995 bis 1997 und 1999 sind wegen [X.]ekanntgabe an den falschen [X.]en unwirksam.

a) Wie der [X.] des [X.] in seinem die [X.]eteiligten bindenden Urteil in [X.]E 243, 102, [X.], 633 entschieden hat, waren Feststellungen zu den steuerfreien Auslandseinkünften sowie zu den damit zusammenhängenden [X.]esteuerungsgrundlagen nicht in einem zweistufigen Verfahren, sondern gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. a i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 [X.] in einem einstufigen Verfahren auf [X.] der Klägerin gegenüber deren Gesellschaftern als Feststellungsbeteiligten durchzuführen. Die Feststellung der nach § 2a Abs. 3 EStG a.[X.] bzw. im Rahmen des [X.] nach § 32b EStG a.[X.] zu berücksichtigenden steuerbefreiten Einkünfte hätte danach gesondert und einheitlich für die Gesellschafter der Klägerin durchgeführt werden müssen. Die stattdessen an die Klägerin selbst gerichteten [X.]escheide über die gesonderte Feststellung der betreffenden Einkünfte waren deshalb unwirksam.

b) Die [X.]escheide über die Feststellung der verrechenbaren Verluste i.S. des § 15a Abs. 4 EStG unterliegen denselben Mängeln wie die [X.]. Diese betreffen inhaltlich einen Ausschnitt aus den Feststellungen über die nach § 2a Abs. 3 EStG a.[X.] bzw. im Rahmen des negativen [X.] nach § 32b EStG a.[X.] zu berücksichtigenden Verluste. Nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG a.[X.] konnte ein Verlust, der aus einer nach einem [X.] zu steuerbefreiten Einkünften führenden ausländischen [X.]etriebsstätte stammte, auf Antrag nur insoweit bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden, als er vom Steuerpflichtigen hätte ausgeglichen oder abgezogen werden können, wenn die Einkünfte nicht steuerbefreit gewesen wären. In gleicher Weise wurden in den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG a.[X.] negative steuerbefreite Einkünfte nur insoweit einbezogen, als diese nach § 15a EStG ausgleichsfähig waren ([X.]/ [X.], EStG, 17. Aufl., § 32b Rz 22; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 15a EStG Rz 44, zur heutigen Rechtslage).

Es bedurfte deshalb im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.[X.] bzw. der in den negativen Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Einkünfte einer Ermittlung des ausgleichsfähigen Verlusts. Dieser hängt seinerseits mit dem verrechenbaren Verlust zusammen, weshalb die gesonderte und einheitliche Feststellung der inländischen Einkünfte und die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG wechselseitig in einem Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid stehen ([X.]-Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 31, 32/05, [X.]E 214, 239, [X.], 687).

Es kann dahinstehen, ob im Rahmen der Feststellung der zum Verlustausgleich heranziehbaren Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.[X.] bzw. der in den negativen Progressionsvorbehalt einzubeziehenden Einkünfte auch ein eigenständiger [X.]escheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG erforderlich war. Jedenfalls kann [X.] eines solchen [X.]escheids nur der Gesellschafter sein, dem im erstgenannten Fall die Einkünfte i.S. des § 2a Abs. 3 EStG a.[X.], im zweiten Fall die verrechenbaren Verluste zuzurechnen sind. Dies waren im Streitfall nach dem Urteil des [X.]s in [X.]E 243, 102, [X.], 633 alle bzw. die beschränkt haftenden Gesellschafter der Klägerin. Selbst wenn der Verweis des § 180 Abs. 5 [X.] dahin zu verstehen sein sollte --was der [X.] erwogen, aber für unzutreffend erachtet [X.], dass nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. [X.]. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] eine gesonderte Feststellung nur gegenüber dem alleinigen Kommanditisten [X.] zu treffen wäre, müsste dieser [X.] des [X.]escheids sein. Die angefochtenen [X.]escheide sind jedoch sämtlich an die Klägerin selbst als [X.]in gerichtet.

c) Die Unwirksamkeit der [X.]escheide infolge fehlerhafter [X.]ekanntgabe ist auch im Rahmen einer Anfechtungsklage zu beachten. Zur [X.]eseitigung ihres Rechtsscheins sind die [X.]escheide aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Meta

IV R 7/14

03.08.2017

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. Juli 2011, Az: 1 K 4383/09 F, Urteil

§ 2a Abs 3 EStG 1997, § 15a Abs 4 EStG 1997, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 180 Abs 3 S 1 Nr 1 AO, § 180 Abs 5 Nr 1 AO, § 2a Abs 3 EStG 1990, § 2a Abs 3 EStG 1997 vom 22.12.1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2017, Az. IV R 7/14 (REWIS RS 2017, 6958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6958

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