Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2016, Az. 4 StR 563/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 12146

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:280416U4STR563.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
4
StR
563/15

vom
28. April 2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28.
April
2016, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten S.

,

der Angeklagte S.

in Person,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,

Rechtsanwältin

in der Verhandlung

als Verteidigerin
des Angeklagten [X.]

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 5.
Juni 2015 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben
a)
soweit die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verurteilt worden sind (Fall
II.3 der Urteilsgründe);
b)
in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten S.

und [X.]

und
c)
im [X.] gegen den Angeklagten [X.]

.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
3.
Die
Revisionen der Angeklagten [X.]

und
[X.]

werden verworfen.
4.
Die Angeklagten [X.]

und [X.]

tragen
die durch ihre Revisionen entstandenen notwendigen [X.] der Nebenklägerin, der Angeklagte [X.]

dar-
über
hinaus die Kosten seines Rechtsmittels. Hinsichtlich
-
4
-
des Angeklagten [X.]

wird von einer Auf-
erlegung von Kosten und Auslagen im Übrigen abgese-hen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des versuchten Mordes durch Unterlassen, der Brandstiftung und der Sachbeschädigung schuldig ge-sprochen und den Angeklagten [X.]

zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
acht Jahren, den Angeklagten [X.]

unter Einbeziehung eines
früheren Urteils zu der Jugendstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten
S.

zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es
zur Bewährung ausgesetzt hat.
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbun-desanwalt nur teilweise vertretenen Revisionen wendet sich die [X.] jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit
mit gefähr-licher Körperverletzung im Fall
II.3 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit [X.] auch wegen jeweils tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und versuchten Mordes durch [X.]. Des Weiteren bean-standet die
Beschwerdeführerin die Höhe der gegen den Angeklagten S.

1
2
-
5
-
verhängten Jugendstrafe und den [X.] gegen den Ange-klagten [X.]

. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Sachbeschädi-
gung und Brandstiftung werden von der Staatsanwaltschaft ausweislich der
[X.] nicht angegriffen. Die Revisionen der Angeklagten [X.]

und [X.]

richten sich jeweils mit der Sachbeschwerde
gegen ihre Verurteilungen. Während sich die Rechtsmittel der Angeklagten als unbegründet erweisen, haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen verbrachten die Angeklagten ab Oktober 2014 gemeinsam viel [X.] in der vom Angeklagten [X.]

angemieteten
Wohnung. Da [X.]

mit der Zahlung der Miete und der Kaution für
die Wohnung in Rückstand war, weshalb die Kündigung des Mietverhältnisses drohte, überlegten die Angeklagten, was sie tun könnten, um die Schulden des [X.]

zu tilgen. Diese Überlegungen führten zu
der Idee, einen
[X.]fahrer zu überfallen. Die Angeklagten besprachen, wie ein solcher Überfall ablaufen könnte und wem welche Aufgabe zukommen solle. Sie überlegten, den [X.]fahrer abzulenken, wobei die Fahrertür aufgemacht und in der Verwir-rung die Geldbörse vom Angeklagten [X.]

an sich genommen
werden sollte. Für den Fall, dass dies nicht möglich wäre, sollte gedroht oder Gewalt angewendet werden. Im Zuge dieser Diskussionen suchten die Ange-klagten nach geeigneten Tatwerkzeugen. Nachdem der Angeklagte S.

ein
HDMI-Kabel in der Wohnung entdeckt, es dem Bruder des Angeklagten [X.]

aus Spaß zu Demonstrationszwecken um den Hals gelegt und et-
was zugezogen hatte, wodurch dieser in Luftnot geraten war, entschieden die Angeklagten, das Kabel einzusetzen, um den [X.]fahrer bewegungsunfähig zu machen. Für den Fall, dass es nicht gelänge, den Fahrer abzulenken, sollte ein 3
-
6
-
Schlagstock mit rechtwinklig aufgesetztem Griffstück, den
der Angeklagte
[X.]

in seiner Wohnung hatte, zum Einsatz kommen, um damit
zu drohen oder durch einen Schlag zu bewirken, dass der Fahrer die Gesichter der Angeklagten vergisst. Den Angeklagten war bewusst, dass sie ihrem Opfer Schmerzen und Angst zufügen würden; dass jemand zu Tode kommen
könnte, bedachten sie nicht.
Der Versuch der Angeklagten, ihr Vorhaben noch in derselben Nacht umzusetzen und einen [X.]fahrer zu überfallen, scheiterte, weil kein [X.] an-hielt. Anschließend kehrten die Angeklagten zunächst in die Wohnung des
[X.]

zurück, die sie in den frühen Morgenstunden wieder verlie-
ßen, weil sie aus Frustration entschieden hatten, dass in dieser Nacht noch et-was passieren müsse. Im Folgenden fassten sie den Entschluss, den Pavillon und die Weihnachtsdekoration vor einem Café in Brand zu setzen. Zu diesem Zweck gab der Angeklagte S.

dem Angeklagten [X.]

sein Sturm-
feuerzeug. Während [X.]

, der ein eigenes Feuerzeug hatte, ein
Loch in die Außenhaut des Pavillons brannte, besprühte der Angeklagte
[X.]

die Dekoration mit einem mitgebrachten Deodorant und zündete sie
an (II.1 der Urteilsgründe). Sodann begaben sich die Angeklagten in den Hof des in der Nähe gelegenen Pfarrzentrums, wo der Angeklagte [X.]

, ohne
mit den anderen darüber gesprochen zu haben, eine etwa zur Hälfte mit Papier gefüllte Papiermülltonne vor eine unmittelbar vor dem Gebäude stehende Holz-hütte schob. [X.]

öffnete den Deckel der Tonne und zündete das darin
entsorgte Papier an. Mit dieser Aktion wollte er
erreichen, dass das Feuer auf die Hütte übergreift. Zu diesem Zweck hatte er sich wieder das Sturmfeuerzeug vom Angeklagten S.

geben lassen, der das Vorgehen des [X.]

billig-
te. Der Angeklagte [X.]

, der selbst versucht hatte, mit seinem
Feuerzeug Feuer zu legen, war mit der Vorgehensweise ebenfalls [X.]
-
7
-
den. Als das Papier in der Tonne brannte, entfernten sich die Angeklagten. Durch das Feuer, das von der durch einen Passanten alarmierten Feuerwehr gelöscht werden konnte, wurde die Hütte zerstört (II.2 der Urteilsgründe).
Am folgenden Abend begaben sich die Angeklagten in die Stadt, um
ihren Plan, einen [X.]fahrer zu überfallen, ins Werk zu setzen, wobei der Ange-klagte S.

das HDMI-Kabel und der Angeklagte [X.]

den Schlagstock
mit sich führte. Nachdem sie am Bahnhof kein [X.] bekommen hatten, suchten die Angeklagten [X.]

und [X.]

eine Spielhalle auf und lie-
ßen sich von der Aufsicht telefonisch ein [X.] bestellen, das 30
Minuten später eintreffen sollte. Die bis dahin verbleibende [X.] warteten die Angeklagten ge-meinsam vor der Spielhalle.
Als die Nebenklägerin
gegen 23.45
Uhr
mit dem von ihr gesteuerten [X.] vorfuhr, setzten sich

entsprechend des zuvor abgesprochenen [X.]s

der Angeklagte S.

auf die Rücksitzbank links hinter die
Nebenklägerin, der
Angeklagte [X.]

mit dem in der Kleidung verborgenen Schlagstock rechts
neben S.

und der Angeklagte [X.]

auf den Beifahrersitz.
[X.]

gab als Fahrtziel die Ortschaft [X.]

, Richtung Sportplatz an. Wäh-
rend der Fahrt sprachen die Angeklagten untereinander über Belanglosigkeiten, um Normalität vorzutäuschen. Der Angeklagte [X.]

, der sich zeitweise mit
der Nebenklägerin unterhielt, fragte diese auch nach dem Fahrpreis. Um die Nebenklägerin in Sicherheit zu wiegen, gab er sodann dem Plan entsprechend dem Angeklagten [X.]

10
Euro sichtbar nach vorne. In [X.]

angekommen fuhr die Nebenklägerin
durch den Ort hindurch und an dem letz-ten Haus des Dorfes vorbei, ehe der Angeklagte [X.]

meinte, sie könne
jetzt anhalten. Die Nebenklägerin fuhr anschließend noch eine kleine Steigung in Richtung Sportplatz hoch, um dort das Auto zu wenden. Zu diesem Zweck 5
6
-
8
-
setzte sie das [X.] auf einem kleinen Schotterstück etwas zurück. In diesem Moment, als sie gerade vorwärts fahren und anhalten wollte, ging alles ganz schnell. Der Angeklagte S.

, der schon mindestens zehn Minuten das Ka-
bel auf seinem Schoß liegen hatte und nervös auf das Zeichen, dass es losge-hen solle, wartete, wertete einen Blick des Angeklagten [X.]

als Startzei-
chen, obwohl das [X.] erst im Anhaltevorgang war. Das zuvor verabredete Zei-chen, ein Anstoßen von [X.]

, wartete er nicht mehr ab. Er legte der Ne-
benklägerin das HDMI-Kabel für sie nicht vorhersehbar um den Hals und zog schnell und fest zu. Die Nebenklägerin, die von dem Angriff völlig überrascht war, versuchte ihre Hände unter das Kabel zu bringen, was ihr auch gelang. Nachdem einer der Angeklagten, die mit der Gegenwehr der Nebenklägerin so nicht gerechnet hatten[X.]

mit der kurzen Seite des [X.] mindestens zweimal kräftig in
Richtung des Hinterkopfes der Nebenklägerin. Während der erste Stoß gegen die Kopfstütze ging, traf der zweite Stoß die Nebenklägerin rechts am [X.] in Höhe des [X.], die daraufhin sofort bewusstlos wurde. In der aufge-wühlten Atmosphäre und der Ungewissheit, ob der Widerstand der Nebenkläge-rin schon ganz gebrochen war, forderte [X.]

den Angeklagten [X.]

auf, wie geplant ebenfalls zu schlagen. [X.]

, der vom
Beifahrersitz aus die Reaktionen der Nebenklägerin anders als die anderen ge-nau wahrnahm und erkannte, dass
es keines Einwirkens mehr bedurfte, um den Raub zu beenden, zögerte zunächst, kam dann aber der wiederholten Aufforde-rung nach und schlug der bewusstlosen Nebenklägerin mindestens zweimal mit der Faust gegen die rechte Wange. Der Angeklagte S.

zog das Kabel wei-
terhin fest zu, wobei durch die Strangulation weder eine tiefe Strangfurche noch Stauungsblutungen hervorgerufen wurden. Die Strangulation und der Treffer mit dem Schlagstock waren konkret nicht lebensbedrohlich. Die Nebenklägerin -
9
-
blieb bewusstlos; die Angeklagten hörten laute Atemgeräusche, die ihnen zeig-ten, dass sie atmete.
Da die Angeklagten nunmehr erkannten, dass die Lage gesichert war, wies [X.]

den Angeklagten S.

an, das Fahrzeug zu verlassen.
S.

ließ zu diesem Zweck zunächst ein Ende des Kabels los, das [X.]

ergriff. Entsprechend machten sie es mit dem zweiten Kabelende. So sicherten sie die Spannung des Kabels, um bei einem Erwachen der Nebenklägerin [X.] zu können. Sie fürchteten, dass die Nebenklägerin wieder zu Bewusst-sein kommt, bevor sie flüchten könnten. Während [X.]

, der auf der Rück-
sitzbank verharrte, das Kabel festhielt und nicht locker ließ, den Druck auf den Hals der Nebenklägerin
aber nicht verstärkte, begab sich der zwischenzeitlich [X.] Angeklagte [X.]

zur Fahrertür des [X.]s, wo er
die Geldbörse der Nebenklägerin
mit knapp 300
Euro Bargeld an sich nahm und einsteckte. Den Angeklagten wurden
nach der Hektik ihrer Handlungen die Not der Nebenklägerin und ihr Ringen nach Luft bewusst. Dass sie jemanden verletzen würden, hatten sie bewusst in Kauf genommen, wie aber eine be-wusstlose und leidende Person aussieht, hatten sie nicht bedacht.
Dem Drängen des Angeklagten [X.]

, nun endlich zu flüch-
ten, folgend,
stieg der Angeklagte [X.]

ebenfalls aus dem Fahrzeug aus.
Gemeinsam rannten die Angeklagten davon, nicht weil sie glaubten, schon von einem Dritten entdeckt zu werden, sondern weil sie damit rechneten, dass die Nebenklägerin aufwacht,
oder aber fürchteten, dass sie stirbt. [X.]

, der
hinter den anderen Angeklagten lief, rief den beiden zu, dass sie einen Ret-tungswagen rufen müssen. Der Gedanke, dass die Nebenklägerin ohne ihre Hilfe und ohne weiteres Zutun versterben könnte, reifte
bei den Angeklagten zur konkreten Möglichkeit. Während sie darüber diskutierten, einen Notarzt zu ru-7
8
-
10
-
fen, schauten sie zurück in Richtung des [X.]s. Im Gespräch wurde ihnen klar, dass die Nebenklägerin noch nicht wieder losgefahren war. Der Angeklagte [X.]

kam nun auf den Gedanken, dass die Nebenklägerin sich an ihrem
Speichel oder an sonstigen Flüssigkeiten, die sie hochwürgen könnte, verschlu-cken und ersticken könnte. Da [X.]

und S.

fürchteten, durch
einen Notruf identifiziert
und überführt werden zu können, entschieden sie ge-meinsam, die Nebenklägerin sich selbst zu überlassen und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Mobiltelefon keinen Notruf abzusetzen. Sie liefen weiter in den Wald hinein und nahmen den Tod der Nebenklägerin billigend in Kauf. Der Angeklagte [X.]

trug die Entscheidung bewusst mit, auch er wollte

Papiere der Nebenklägerin sowie das Kabel und den Schlagstock warfen sie weg.
Die Nebenklägerin erwachte nach ca. sieben Minuten aus der Bewusst-losigkeit. Ihr Hals schmerzte; sie hatte eingenässt, konnte nicht richtig schlu-cken und glaubte, innerlich verbrennen zu müssen, weshalb sie ausstieg und sich auf den Teer legen wollte, um
sich zu kühlen. Als sie realisierte, was ihr geschehen war, setzte sie sich panisch zurück ins Fahrzeug und fuhr in die Ort-schaft, von wo aus sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei rief (II.3 der Urteils-gründe).
Das [X.] hat die Angeklagten im Fall
II.3 der [X.] des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperver-letzung und des versuchten [X.] durch Unterlassen schuldig gesprochen. Eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen [X.] räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach §
316a Abs.
1 StGB
hat es
verneint, weil ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs, 9
10
-
11
-
die an diesem abgelegenen Ort ohnehin zweifelhaft erschienen, von den Ange-klagten weder geplant noch gewollt gewesen sei.
III.
Die Revisionen
der Staatsanwaltschaft sind in vollem Umfang begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass das [X.] eine Ver-urteilung der Angeklagten
jeweils
auch wegen tateinheitlich begangenen räu-berischen Angriffs auf Kraftfahrer mit rechtlich unzutreffenden Erwägungen
verneint hat. Dies führt zur Aufhebung der Verurteilungen im Fall
II.3 der
Urteilsgründe, der Strafaussprüche bei den Angeklagten S.

und [X.]

sowie des gegen den Angeklagten [X.]

ergangenen Gesamt-
strafenausspruchs.
1.
Die Strafvorschrift des §
316a Abs.
1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs ver-übten
Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingun-gen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im [X.]punkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum An-griffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 28.
Juni 2005

4
StR
299/04, [X.]St 50, 169, 172; vom 25.
September 2007

4
StR
338/07, [X.]St 52, 44, 46). Befindet sich das Fahrzeug beim [X.] des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen 11
12
-
12
-
den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeug-bedienung erschwert ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
August 2012

4
StR 244/12, [X.], 43; Urteil vom 23.
April 2015

4
StR
607/14, [X.], 653, 654
m. krit. [X.]. [X.], [X.], 292, 294). Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter

entsprechend dem [X.] bei der Heimtücke nach §
211 Abs.
2 StGB

in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehr-möglichkeiten des [X.] einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine sol-che Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28.
Juni 2005

4
StR
299/04 aaO; vom 25.
September 2007

4
StR
338/07 aaO).
2.
An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das [X.] ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des [X.] verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S.

auf die Nebenklägerin zu einem [X.]punkt statt, als das
[X.] noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen

entgegen der Bedenken des Land-gerichts

objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen [X.] des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die [X.] in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Ange-klagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurtei-lungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein 13
14
-
13
-
früherer [X.], sondern die konkrete subjektive Vorstellung
der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die [X.] nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs [X.] tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.
3.
Der Umstand, dass der Angeklagte S.

mit seinem noch vor dem
Anhalten des [X.]s verübten Angriff auf die Nebenklägerin von dem gemein-samen [X.] abwich, schließt nicht aus, sein Vorgehen den Angeklagten [X.]

und [X.]

im Wege der (sukzessiven) Mittäterschaft
zuzurechnen.
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden. Dabei ist [X.] zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstel-lung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen des anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den [X.] gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters um-fasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von
ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm [X.] gleichgültig war (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 5.
August 2010

3
StR
210/10; vom 26.
April 2012

4
StR
51/12, [X.], 563; vom 19.
März 2013

5
StR
575/12, [X.], 400). Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Ge-15
16
-
14
-
schehenen

selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen [X.] in wesent-lichen Punkten

in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18.
Dezember 2007

1
StR
301/07, [X.], 280, 281; vom 14.
Februar 2012

3
StR
446/11, [X.], 379, 380; vom 22.
Mai 2013

2
StR
14/13, NStZ-RR 2014, 73; Urteil vom 14.
Januar 2016

4
StR
72/15, [X.], 211, 214
Rn.
20). Angesichts dessen, dass der Angeklagte S.

mit seinem geringfügig zeitlich vorgezogenen Angriff auf das Tatopfer nur un-wesentlich von der gemeinsamen [X.]ung abwich und die Angeklagten im Folgenden den Überfall wie verabredet arbeitsteilig durchführten, liegt es [X.] nicht fern, dass der Angriff auf die noch mit der Bedienung des in Bewe-gung befindlichen [X.]s befasste
Nebenklägerin auch vom Wollen der Ange-klagten [X.]

und [X.]

umfasst war oder sich
jedenfalls de-
ren Vorsatz sukzessiv auf dieses Vorgehen erstreckte.
4.
Die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung haben damit keinen Bestand. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist indes auch auf die Verurteilungen jeweils wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Mordes durch Unterlassen zu erstre-cken, weil die strafrechtliche Würdigung des
Unterlassens von [X.] seitens der Angeklagten im [X.] an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des [X.] selbst erfolgen kann. Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zur Feststellung eines mit Tötungsvorsatz begangenen Überfalls der Angeklag-ten auf die Nebenklägerin gelangen, wäre für eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten [X.] durch Unterlassen kein Raum. Dabei 17
-
15
-
kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Er-folgsabwendung besteht (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Oktober 1995

1
StR 465/95, [X.], 131) oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungs-
zum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt (vgl. Fischer, StGB, 63.
Aufl., §
13 Rn.
57 mwN; Kudlich in Satzger/
Schluckebier/[X.], StGB, 2.
Aufl., §
13 Rn.
22 mwN).
Jedenfalls fehlte es an der Verdeckung einer anderen Tat (vgl. [X.], Urteile vom 12.
Dezember 2002

4
StR
297/02, [X.], 312, 313; vom 14.
Dezember 2006

4
StR 419/06, [X.], 111; Beschluss vom 21.
April 2009

1
StR
73/09, [X.], 239).
IV.
Die Revisionen der Angeklagten [X.]

und [X.]

blei-
ben ohne Erfolg.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisions-rechtfertigungen hat aus den in den [X.] des [X.] vom 16.
Dezember 2015 genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
V.
Für die neue Hauptverhandlung weist
der Senat darauf hin, dass auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht die Erwägungen zur Strafzumessung
18
19
20
-
16
-
nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermischt werden dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
März 2008

2
StR
85/08, [X.], 693;
[X.] in [X.], 2.
Aufl., §
21 JGG Rn.
3 mwN).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Mutzbauer
Bender

Meta

4 StR 563/15

28.04.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2016, Az. 4 StR 563/15 (REWIS RS 2016, 12146)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12146

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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