Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2010, Az. 1 StR 217/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3766

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Gegenstand

Gewerbsmäßiger Schmuggel: Strafbarkeit des Komplementärs einer Import-KG wegen der Hinterziehung von Antidumpingzöllen


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat zur Strafbarkeit wegen Hinterziehung von [X.]:

Der Umstand, dass die von dem Angeklagten hinterzogenen [X.] nicht mehr erhoben werden, steht entgegen der Auffassung der Revision nicht gemäß § 2 Abs. 3 StGB einer Bestrafung des Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Schmuggels entgegen. Bei der im Rahmen der Strafnorm des § [X.] anzuwendenden [X.], auf der die Erhebung der [X.] beruht, handelt es sich um ein Zeitgesetz i. S. v. § 2 Abs. 4 StGB, das für den Zeitraum seiner Gültigkeit auch nach seinem Außerkrafttreten weiterhin anwendbar bleibt.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.] kaufte die [X.], bei der der Angeklagte einer der Komplemen-täre war, im Zeitraum von Februar bis November 2002 von einer Firma mit Sitz in der [X.] mehr als 1,4 Millionen dort hergestellter integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (Energiesparlampen). Da die Einfuhr dieser Lampen [X.] Ursprungs mit [X.] in Höhe von 59,5% des [X.] belegt war, wurden die Energiesparlampen bei der Einfuhr in die [X.] über die Häfen [X.] und [X.] mit Wissen und Wollen des Angeklagten und weiterer Verantwortlicher der [X.] bei den Zollbehörden unter Angabe einer falschen Warennummer und unter der unzutreffenden Angabe von [X.] als Ursprungsland zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet.

2. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 StGB steht einer Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen; denn bei der der Verurteilung des Angeklagten zugrunde liegenden Verordnung ([X.]) Nr. 1470/2001 des Rates vom 16. Juli 2001 zur Einführung eines endgültigen [X.] und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen [X.] auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen ([X.]) mit Ursprung in der [X.] ([X.]. [X.] 2001 Nr. L 195 S. 8) handelt es sich um ein Zeitgesetz i.S.v. § 2 Abs. 4 StGB, das auch nach seiner Aufhebung für den Tatzeitraum weiter anwendbar bleibt. Diese [X.] ist schon deshalb ein Zeitgesetz, weil ihre Geltungsdauer gemäß Art. 11 Abs. 2 der zugrunde liegenden Verordnung ([X.]) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur [X.] gehörenden Ländern ([X.]. [X.] 1996 Nr. L 56 S. 1, im Folgenden: [X.]) eine von vornherein definierte, kalendermäßig eindeutig bestimmbare Befristung erfuhr. Wenn nicht aufgrund einer Überprüfung in einem besonders geregelten Verfahren eine neue Regelung getroffen wird, treten nach dieser [X.] endgültige [X.] fünf Jahre nach ihrer Einführung außer [X.].

Der Umstand, dass die vorliegende [X.], die auch nach ihrer Zielrichtung nur für die Dauer einer Ausnahmesituation geschaffen wurde, eine zeitliche Verlängerungsmöglichkeit (in einem festgelegten Verfahren) enthielt, ändert an ihrer Befristung ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die Geltung der [X.] vorliegend durch Verordnung ([X.]) [X.]/2007 des Rates vom 15. Oktober 2007 ([X.]. [X.] 2007 Nr. L 272 S. 1) mit Blick auf das bevorstehende Außerkrafttreten der Maßnahme für ein weiteres Jahr, nämlich bis zum 18. Oktober 2008 auch tatsächlich verlängert wurde. Würde man § 2 Abs. 3 StGB auf eine solche Regelung anwenden, würde diese gegen Ende ihrer Geltungsdauer nach und nach die erforderliche Achtung verlieren. Je näher der Zeitpunkt käme, zu dem sie außer [X.] tritt, umso begründeter wäre die Erwartung, dass eine Strafe für eine Übertretung der Vorschrift nicht mehr während seiner Geltungsdauer ausgesprochen werden könnte. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 2 Abs. 4 StGB vermeiden (vgl. [X.], Beschluss vom 9. März 1954 - 3 StR 12/54, [X.]St 6, 30, 38). Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift bleibt daher auch nach ihrem Außerkrafttreten erhalten.

Ein Entfallen der Zollpflicht für zurückliegende Zeiträume mit dem Außerkrafttreten der [X.], mithin ein Erlöschen einer bereits entstandenen Zollschuld, wurde mit den genannten [X.]en nicht bestimmt und war erkennbar auch nicht gewollt. Der [X.] hat mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Regelung, mit der - anders als etwa für mit Gleichstrom betriebene Lampen mit Ursprung in der [X.] (vgl. Verordnung [[X.]] Nr. 1322/2006 des Rates vom 1. September 2006, [X.]. [X.] 2006 Nr. L 244 S. 1) - Waren rückwirkend aus dem Anwendungsbereich des [X.] herausgenommen wurden, für die verfahrensgegenständlichen Energiesparlampen gerade nicht getroffen worden ist.

Der Umstand, dass die unrichtigen Anmeldungen gegenüber den Zollbehörden in den zeitlich begrenzten Anwendungsbereich der Bestimmungen über die [X.] fielen, war dem Angeklagten auch bekannt.

3. Der von der Revision beantragten Durchführung eines [X.] beim [X.] ([X.]) nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V bedarf es nicht. Die Strafbarkeit wegen Hinterziehung von [X.] vorstößt nicht gegen Unionsrecht.

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Verbot der Bestrafung der Hinterziehung von [X.] auch weder aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ([X.] 1994) noch aus dem zur Durchführung des [X.] des [X.] 1994 geschlossenen [X.] vom 22. Dezember 1994 ([X.]. [X.] 1994 Nr. L 336 [X.]). Das mit der Strafnorm des gewerbsmäßigen Schmuggels (§ [X.]) unter Strafe gestellte Verhalten ist allein die Verkürzung von Einfuhrabgaben, zu denen auch die [X.] gehören (vgl. auch [X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - [X.], [X.]E 217, 351). Bestraft wird nicht etwa die Beteiligung des Importeurs an der Mitwirkung am Dumping des [X.] Lieferanten. Die Strafbarkeit knüpft auch nicht an der Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen an, sondern an die unrichtige Anmeldung der eingeführten Waren mit falschen Angaben, um eine Erhebung der anfallenden Einfuhrabgaben zu vermeiden. Die [X.] haben nicht dadurch ihre Qualität als Einfuhrabgaben verloren, dass mit ihnen von der [X.] - zeitlich befristet - das Ziel der Bekämpfung des von Lieferanten aus der [X.] betriebenen Preisdumpings und damit wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt worden sind (vgl. [X.] aaO sowie § 3 Abs. 1 letzter Halbsatz, Abs. 3 AO).

Mit der Strafandrohung für die Hinterziehung von Zöllen auf gedumpte Einfuhren werden für diese Gegenstände auch keine unzulässigen [X.]se aufgestellt. Denn die Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen wird hierdurch nicht erschwert. Das [X.] liegt allein in der Erhebung von [X.], die nach Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ([X.] 1994) aber gerade zulässig sind. Ein Verbot der Bestrafung der Hinterziehung von Einfuhrabgaben im Allgemeinen und von [X.] im Besonderen ist diesem Abkommen nicht zu entnehmen. Im Gegenteil wird dadurch gerade die Wirksamkeit der auch nach dem [X.] 1994 ([X.]. [X.] 1994 Nr. L 336 [X.]) ausdrücklich für zulässig erklärten [X.] strafrechtlich abgesichert und damit noch erhöht. Die Einfuhr von Waren zu Dumpingpreisen, bei der die anfallenden [X.] abgeführt werden, wird dadurch weder erschwert noch unter Strafe gestellt (aA, aber nicht überzeugend [X.] [in: [X.] (Hrsg.), Finanzstrafrecht 2004, 2005 S. 67, 106 f.], der zu Unrecht annimmt, [X.] würden vom Rechtsgut des § 370 AO nicht erfasst).

Nack                                     Wahl                                  Hebenstreit

                      Jäger                                   [X.]

Meta

1 StR 217/10

27.08.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 10. Dezember 2009, Az: 20 KLs 140 Js 48855/03, Urteil

§ 370 AO, § 373 AO, § 2 Abs 3 StGB, § 2 Abs 4 StGB, EGV 1410/2001, Art 6 GATTAbk, GATTAbkArtVIDVÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2010, Az. 1 StR 217/10 (REWIS RS 2010, 3766)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3766

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 217/10

1 StR 389/21

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