Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.09.2010, Az. V R 55/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 3660

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versagung des Vorsteuerabzugs bei unzutreffender Angabe der Steuernummer - Rückwirkung der Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung


Leitsatz

Enthält die Rechnung entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nur eine Zahlenkombination und Buchstabenkombination, bei der es sich nicht um die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer handelt, ist der Leistungsempfänger nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG --vorbehaltlich einer Rechnungsberichtigung-- nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog Reinigungsleistungen von der Firma [X.] erteilte über ihre Leistungen Rechnungen mit gesondertem [X.]teuerausweis, obwohl sie nicht über eine [X.]teuernummer verfügte. Als [X.]teuernummer enthielten die Rechnungen die Angabe "75/180 [X.]", eine Kennzeichnung, die das Finanzamt [X.] unter der Angabe "[X.]teuerNr./Aktenzeichen" im [X.]chriftverkehr mit [X.] zur Erteilung einer [X.]teuernummer verwendet hatte. Die Rechnungen der [X.] enthielten weiter den Zusatz "Finanzamt [X.]".

2

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --([X.]--) erkannte den von der Klägerin aus den Rechnungen der [X.] geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht an und setzte die Umsatzsteuer für das [X.]treitjahr 2006 entsprechend höher fest. Das [X.] wies den Einspruch zurück, weil die Rechnungen keine [X.]teuernummer enthielten und auch nach Vertrauensschutzgrundsätzen der Vorsteuerabzug nicht zu gewähren sei.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt. Zwar setze der Vorsteuerabzug eine ordnungsgemäße Rechnung voraus, wofür die [X.]teuernummer des Leistenden anzugeben sei. [X.]elbst wenn die Kennzeichnung "75/180 [X.]" keine "[X.]teuernummer" sei, stehe der Klägerin im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der [X.] zu, da dies für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei und das Finanzamt [X.] selbst diese Kennzeichnung im [X.]chriftverkehr mit der Leistenden, [X.], verwendet habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, Auskünfte bei der Finanzverwaltung einzuholen.

4

Das Urteil des [X.] ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (E[X.]) 2009, 798 veröffentlicht.

5

Mit seiner Revision rügt das [X.] Verletzung materiellen Rechts. Die [X.]teuernummer sei zwingend in der Rechnung anzugeben. Das [X.] habe eine ihm nicht zustehende [X.]illigkeitsentscheidung getroffen.

6

Das [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

[X.]ei der Zeichenfolge "75/180 [X.]" handele es sich um eine [X.]teuernummer, da sie geeignet und dazu bestimmt sei, den [X.]teuerpflichtigen zu identifizieren. Das [X.] habe durch die Verwendung dieser Zeichenfolge einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Das [X.] könne sich auf das Fehlen einer [X.]teuernummer zumindest nicht berufen, da ein widersprüchliches Verhalten vorliege. Da das Finanzamt [X.] dem leistenden Unternehmer keine andere [X.]teuernummer erteilt habe, könne sich die Finanzverwaltung gegenüber ihr, der Leistungsempfängerin, nicht darauf berufen, dass es sich bei der Zeichenfolge nicht um eine [X.]teuernummer handele. Es sei ihr, der Klägerin, nicht zuzumuten, sich mit Detailfragen des Aufbaus von [X.]teuernummern beschäftigen zu müssen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Rechnungen der [X.] berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug, da sie nicht die [X.]teuernummer des Leistenden enthalten.

1. Nach § 15 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 [X.]atz 2 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (U[X.]tG) setzt der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a U[X.]tG ausgestellte Rechnung besitzt. Dies erfordert, dass die dem Unternehmer erteilte Rechnung den Anforderungen des § 14 Abs. 4 U[X.]tG entspricht. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 18 Abs. 1 [X.]uchst. a und Art. 22 Abs. 3 [X.]uchst. b der [X.]echsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] (Richtlinie 77/388/[X.]). Nach Art. 18 Abs. 1 [X.]uchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] muss der [X.]teuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine nach Art. 22 Abs. 3 dieser Richtlinie ausgestellte Rechnung besitzen. Nach Art. 22 Abs. 3 [X.]uchst. b dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/[X.] hat die Rechnung die [X.] zu enthalten, unter der der [X.]teuerpflichtige die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen bewirkt hat. Nach Art. 22 Abs. 9 [X.]uchst. e der Richtlinie 77/388/[X.] kann in der Rechnung statt der [X.] auch eine [X.]teuerregisternummer angegeben werden.

2. Der Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG die Ordnungsmäßigkeit der Rechnung voraus und verlangt daher u.a., dass die Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 2 U[X.]tG entweder eine dem leistenden Unternehmer erteilte [X.]teuernummer oder dessen [X.] enthält (Urteil des [X.] --[X.]FH-- vom 23. [X.]eptember 2009 II R 66/07, [X.], 212, [X.][X.]t[X.]l II 2010, 712, unter [X.]).

3. Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 U[X.]tG erforderlichen [X.]n oder sind sie unzutreffend, besteht nach [X.]atz 2 dieser Vorschrift für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- vom 15. Juli 2010 [X.], [X.], Deutsches [X.]teuerrecht --D[X.]tR-- 2010, 1475 [X.]. 43 sowie [X.]FH-Urteile vom 27. Juli 2000 [X.]/99, [X.], 156, [X.][X.]t[X.]l II 2001, 426; vom 8. Oktober 2008 [X.], [X.], 189, [X.][X.]t[X.]l II 2009, 218; vom 17. Dezember 2008 [X.], [X.], 535, [X.][X.]t[X.]l II 2009, 432; vom 30. April 2009 [X.], [X.], 254, [X.][X.]t[X.]l II 2009, 744; in [X.], 212, [X.][X.]t[X.]l II 2010, 712, unter [X.]). Etwas anderes gilt nur für den --hier nicht vorliegenden Fall-- der lediglich betragsmäßig unzutreffenden Rechnung ([X.]FH-Urteil vom 19. November 2009 [X.]/08, [X.], 521, [X.]FH/NV 2010, 562, Leitsatz 1).

4. Das Urteil des [X.] entspricht nicht den vorstehenden Grundsätzen und war daher aufzuheben. Die [X.]ache ist spruchreif und die Klage abzuweisen.

[X.]teuernummer ist die dem [X.]teuerpflichtigen zur verwaltungstechnischen Erfassung und der Durchführung des [X.]esteuerungsverfahrens erteilte und mitgeteilte Nummer (vgl. § 8 der [X.]uchungsordnung der Finanzämter, [X.][X.]t[X.]l I 1993, 562). [X.]ei der [X.] "75/180 [X.]" handelte es sich weder um eine der Firma [X.] erteilte [X.]teuernummer noch um eine diesem Unternehmer erteilte [X.], sondern um ein aus einer Zahlen- und [X.]uchstabenkombination bestehendes Aktenzeichen, welches das Finanzamt [X.] im [X.]chriftverkehr über die Erteilung einer [X.]teuernummer gegenüber [X.] verwendet hatte. Die Klägerin war daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ([X.]FH-Urteil in [X.], 212, [X.][X.]t[X.]l II 2010, 712, unter [X.]).

5. Im [X.]treitfall kann offen bleiben, ob der [X.]erichtigung einer fehlerhaften Rechnung Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zukommt (EuGH-Urteil [X.] in D[X.]tR 2010, 1475 [X.]. 44 f.). Denn aufgrund der für den [X.]enat bindenden Feststellung des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) ist davon auszugehen, dass zumindest bis zum [X.]chluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] keine nachträgliche [X.]erichtigung der fehlerhaften [X.] erfolgt ist.

6. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, ihr sei der Vorsteuerabzug unter [X.]erücksichtigung der Grundsätze des Vertrauensschutzes zu gewähren. Hierüber ist nicht im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des [X.]teuerbescheides zu entscheiden.

Liegen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender [X.]n nicht vor, kommt unter [X.]erücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im [X.]illigkeitsverfahren (§§ 163, 227 der Abgabenordnung --[X.]--) in [X.]etracht. Macht der [X.]teuerpflichtige im Festsetzungsverfahren geltend, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz [X.] der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren, ist allerdings die Entscheidung über die [X.]illigkeitsmaßnahme nach § 163 [X.]atz 3 [X.] regelmäßig mit der [X.]teuerfestsetzung zu verbinden ([X.]FH-Urteil vom 30. April 2009 [X.], [X.], 254, [X.][X.]t[X.]l II 2009, 744). Im vorliegenden Verfahren gegen die [X.]teuerfestsetzung kann der [X.]enat darüber jedoch nicht entscheiden. Im Übrigen ist die in den Rechnungen enthaltene Angabe "75/180 [X.]" ungeeignet, einen Vertrauenstatbestand in die Erteilung einer dem leistenden Unternehmer erteilten [X.]teuernummer zu begründen, da diese Zeichenfolge --durch Vergleich mit der eigenen [X.]teuernummer ohne weiteres erkennbar-- weder in ihrem Umfang noch nach ihrem Aufbau den in der [X.]undesrepublik Deutschland gebräuchlichen [X.]teuernummern ähnelt.

7. Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Vorsteuerabzug schließlich auch nicht darauf stützen, dass eine Versagung des Vorsteuerabzugs durch das [X.] zu einem widersprüchlichen Verhalten der Finanzverwaltung führen würde. Zwar benötigte [X.] zum Ausstellen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen eine [X.]teuernummer. Für die Auffassung der Klägerin, die Nichterteilung einer [X.]teuernummer für den leistenden Unternehmer begründe jedoch einen Anspruch auf Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers, fehlt ein rechtlicher Anknüpfungspunkt. Vielmehr kann und muss der leistende Unternehmer seinen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer [X.]teuernummer gegenüber dem [X.] ggf. gerichtlich durchsetzen (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.], 212, [X.][X.]t[X.]l II 2010, 712, Leitsatz).

Meta

V R 55/09

02.09.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Februar 2009, Az: 16 K 311/08, Urteil

§ 14 Abs 4 S 1 Nr 2 UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 S 2 UStG 2005, Art 17 EWGRL 388/77, Art 18 Abs 1 Buchst a EWGRL 388/77, § 8 BuchO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.09.2010, Az. V R 55/09 (REWIS RS 2010, 3660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3660

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 K 2565/16 (FG München)

Rückwirkende Berichtigung von Rechnungen ohne Angabe der Steuernummer und der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistenden


V R 18/17 (Bundesfinanzhof)

Rechnungsangaben beim Vorsteuerabzug


3 K 1448/14 (FG München)

Vorsteuerabzug aus einer berichtigten Rechnung


V R 48/17 (Bundesfinanzhof)

Keine Rechnung ohne Leistungsbeschreibung


V B 28/19 (Bundesfinanzhof)

Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.