Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2017, Az. 3 StR 401/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 4420

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Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafverfahren: Unglaubwürdigkeit eines Zeugnisverweigerungsberechtigten aufgrund seines früheren Schweigens im Ermittlungsverfahren


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung von früher gegen die Angeklagten verhängten Strafen zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und vier Monaten (H.  ) sowie drei Jahren und acht Monaten ([X.] ) verurteilt. Die dagegen gerichteten, auf Verfahrensbeanstandungen sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachbeschwerde Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Die Verurteilung der Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist.

3

a) Die Angeklagten haben zu dem [X.], am 9. Januar 2016 zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]an einem Überfall auf einen Kiosk in B.    beteiligt gewesen zu sein, bei dem [X.]die in dem Kiosk beschäftigte Verkäuferin dem gemeinsamen [X.] entsprechend mit einem Schreckschussrevolver bedrohte und dadurch zur Herausgabe von Bargeld in Höhe von 260 Euro veranlasste, keine Angaben gemacht. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung der Angeklagten im Wesentlichen auf die entsprechenden Angaben von [X.]gestützt. Der Zeugenaussage des Vaters des Angeklagten [X.], wonach dieser ihn zur Tatzeit in einer Therapieeinrichtung in   E.    besuchte, hat die [X.] nicht geglaubt. Sie hat dies insbesondere mit folgenden Erwägungen begründet:

4

Der Vater des Angeklagten [X.] habe "nicht annähernd plausibel erklären" können, "warum er erst jetzt entsprechende Angaben gemacht habe", obwohl er, wie er selbst eingeräumt habe, bereits kurze [X.] nach der Tat erfahren haben wolle, dass sein [X.] an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. Dies sei umso weniger verständlich, als er eingeräumt habe, zunächst selbst geglaubt zu haben, dass sein [X.] an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Er habe seinen [X.] dann aber - mindestens etliche Monate vor der Hauptverhandlung - darauf angesprochen, dass dieser ihn am Tattage doch besucht habe. Die Frage, warum er seinen [X.] dann "nicht bereits vorher durch Mitteilung des mutmaßlichen Alibis bei der Polizei" entlastet habe, habe der Zeuge "nicht plausibel erklären" können.

5

b) Diese Würdigung der Aussage des Vaters des Angeklagten [X.] verstößt gegen den vom [X.] in ständiger Rechtsprechung hervorgehobenen Grundsatz, dass die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen nicht daraus hergeleitet werden darf, dieser habe im Ermittlungsverfahren geschwiegen und erst in der Hauptverhandlung seine entlastenden Angaben gemacht; denn selbst die Verweigerung des Zeugnisses hätte nicht zum Nachteil des Angeklagten [X.]gewertet werden dürfen. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus (zunächst) nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später nachteilige Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen würden ([X.], Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 46/87, [X.]R StPO § 52 Abs. 1 Verweigerung 1; Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 [X.], [X.], 101, 102; vom 8. Dezember 2015 - 3 StR 298/15, [X.], 301).

6

c) Auf diesem Rechtsfehler beruht der Schuldspruch in Bezug auf beide Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass die [X.] bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung auch im Hinblick auf den Angeklagten [X.]zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre.

7

2. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

8

Das [X.] hat die gegen den Angeklagten [X.] verhängte Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung einer durch Urteil vom 13. Juli 2016 wegen einer am 30. September 2014 begangenen Tat verhängten und noch nicht erledigten Freiheitsstrafe gebildet. Das stößt im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB insoweit auf rechtliche Bedenken, als [X.]zwischenzeitlich am 3. Februar 2015 sowohl vom [X.] als auch vom [X.] zu Geldstrafen verurteilt wurde und sich den Urteilsgründen der diesbezügliche Vollstreckungsstand nicht entnehmen lässt.

Schäfer     

       

Gericke     

       

Spaniol

       

Tiemann     

       

Hoch     

       

Meta

3 StR 401/17

05.10.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 31. März 2017, Az: 5 KLs 56/16

§ 52 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2017, Az. 3 StR 401/17 (REWIS RS 2017, 4420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4420

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 401/17

3 StR 38/21

Zitiert

3 StR 298/15

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