Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2013, Az. II ZR 216/11

2. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2574

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Gegenstand

GmbH: Einziehung eines Geschäftsanteils wegen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter


Leitsatz

Zur Einziehung des Geschäftsanteils eines GmbH-Gesellschafters wegen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 29. September 2011 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 8. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

I. Der Kläger war mit drei weiteren [X.]ern Gründer der beklagten GmbH, die ein Kino betreibt. Alle [X.]er waren mit jeweils 25% an der [X.] beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Jeder [X.]er hatte bestimmte Leistungen als Beitrag zur Förderung des [X.]szwecks zu erbringen. Zum Aufgabenbereich des [X.] gehörte die Betreuung der Auszubildenden und die Übernahme einzelner Wochenenddienste. Nachdem die persönliche Beziehung des [X.] mit der Mitgesellschafterin [X.]    gescheitert war, kam es zu Spannungen zwischen den [X.]ern. Dem Kläger wurde die Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer und [X.]er vorgeworfen.

2

Der Kläger wurde im November und Dezember 2005 dreimal wegen der Vernachlässigung seiner Geschäftsführerpflichten anwaltlich abgemahnt. In einer [X.]erversammlung am 16. Dezember 2005 einigten sich die [X.]er darauf, dass der Kläger bis auf weiteres bezahlten Urlaub nehmen dürfe und sich während dieser [X.] jedweder Geschäftsführertätigkeit enthalten solle. Hieran hielt sich der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. In der [X.]erversammlung vom 22. Februar 2006 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen.

3

In der Versammlung vom 16. März 2006 beschlossen die [X.]er der [X.] in Abwesenheit des [X.] einstimmig, dessen Geschäftsanteile aus wichtigem Grund einzuziehen und den Kläger auszuschließen, weil sein weiteres Verbleiben in der [X.] aufgrund seines Verhaltens für die übrigen [X.]er untragbar sei.

4

§ 15 des [X.]svertrags der [X.] regelt die Einziehung von Geschäftsanteilen und lautet auszugsweise:

1. Die [X.]er können die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen [X.]ers jederzeit beschließen.

2. Der Zustimmung des betroffenen [X.]ers bedarf es [X.]

wenn in seiner Person ein anderer wichtiger Grund, der seine Ausschließung aus der [X.] rechtfertigt, gegeben ist. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn ein weiteres Verbleiben des betroffenen [X.]ers in der [X.] für diese untragbar ist, insbesondere, …

In allen diesen Fällen erfolgt die Beschlußfassung der [X.]erversammlung mit einer Mehrheit von 75 v.H. der abgegebenen Stimmen; der betroffene [X.]er hat kein Stimmrecht mehr.

5

Der Kläger hat beantragt, die Beschlüsse vom 16. März 2006 für nichtig zu erklären. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der [X.].

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

7

I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

8

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss des [X.] und die Einziehung seiner Geschäftsanteile liege nicht vor.

9

Der Kläger habe mehrmals gegen seine Pflichten verstoßen, unter anderem indem er seit dem 27. Oktober 2005 nicht mehr im Betrieb mitgearbeitet habe, an keinen Teamsitzungen mehr teilgenommen habe, außer an derjenigen am 9. November 2005, am 20. November 2005 sowie am 3. Dezember 2005 jeweils seinen Wochenenddienst mit halbstündiger Verspätung angetreten habe und seine Aufgabe, die Auszubildenden zu betreuen, nicht mehr erfüllt habe. Der Kläger habe am 18. November 2005 und am 19. November 2005 Kundenreservierungen für eine Kinovorstellung storniert, um so für sich selbst Plätze zur Verfügung zu haben. Der Kläger habe gegen die Satzung verstoßen, indem er am 28. November 2005 mit einem Bahnbetreiber eine Kooperationsvereinbarung mit einem Geschäftsvolumen von 5.000 € getroffen habe, ohne dies mit den [X.] abzusprechen oder sie nachträglich zu informieren. Am 2. Januar 2006 und am 6. Januar 2006 habe der Kläger die Büroräume des Kinos betreten, Schränke und Schubladen durchsucht, Anweisungen erteilt und Gespräche mit Filmverleihern geführt, obwohl mit den weiteren [X.]ern vereinbart gewesen sei, sich jeglicher Geschäftsführertätigkeit zu enthalten.

Der Kläger habe mehrfach Mitgesellschafter persönlich angegriffen und beleidigt. Der [X.] sei zuzugestehen, dass die gebotene umfassende Interessenwürdigung der Lage den Schluss zulasse, dass ein sinnvolles Zusammenwirken der [X.]er nicht mehr zu erwarten sei. Insoweit fehle es an der für das Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH neben dem wirtschaftlichen Erfolg erforderlichen ersprießlichen Zusammenarbeit und an der Achtung vor dem anderen. Allerdings seien die weiteren vom [X.] aufgestellten Voraussetzungen, die den Ausschluss des [X.] unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen könnten, nämlich dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden sei und in der Person des oder der [X.] nicht ebenfalls ein Ausschließungsgrund vorliege, nicht sämtlich gegeben. Zwar sei nicht ersichtlich, dass den [X.] ihrerseits ein ihren eigenen Ausschluss rechtfertigendes Verhalten vorzuwerfen wäre. Es sei aber auch nicht dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der [X.] zumindest überwiegend von dem Kläger verursacht worden sei.

Es sei anzunehmen, dass in erster Linie die Zerrüttung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Mitgesellschafterin [X.]  das Verhältnis der Mitgesellschafter der [X.] belastet und damit die wesentliche Ursache für die Zerrüttung des [X.]sverhältnisses gesetzt habe. Wer wiederum das Scheitern der Lebensgemeinschaft zu vertreten habe, könne der [X.] nicht beurteilen. Die darüber hinaus von dem Kläger in Fortsetzung dieser in die [X.] hineingetragenen Auseinandersetzung begangenen Pflichtverletzungen stünden außer Frage. Die Verfehlungen seien aber nicht schwerwiegend genug, um die Überzeugung des [X.]s davon zu begründen, dass die tiefgreifende Krise zumindest überwiegend dem Kläger anzulasten sei. Dabei werde nicht verkannt, dass durch die in Rede stehenden Verhaltensweisen und verbalen Entgleisungen des [X.] die Zerrüttung zumindest vertieft worden sei. Nicht erwiesen sei jedoch, dass nicht die durch die persönliche Trennung der Mitgesellschafter entstandenen Spannungen und Umgangsformen ein weiteres Miteinander der [X.]er bereits untragbar gemacht hätten und demgegenüber den weiteren Ursachenbeiträgen des [X.] ein vergleichsweise geringes Gewicht beizumessen sei.

II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten tiefgreifenden Zerwürfnis der [X.]er, das auf dem Boden der Feststellungen des Berufungsgericht überwiegend vom Kläger verursacht worden ist, waren die Mitgesellschafter des [X.] berechtigt, dessen Geschäftsanteil auf der Grundlage von § 15 Nr. 2 der Satzung der [X.] einzuziehen, weil ein wichtiger Grund in der Person des [X.] vorliegt, der seine Ausschließung aus der [X.] rechtfertigt. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen zu beanstanden.

1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist nach § 34 Abs. 2 GmbHG ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im [X.]svertrag festgesetzt waren. § 15 Nr. 2 der Satzung der [X.] knüpft die [X.] in zulässiger Weise an das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des [X.]ers, der seine Ausschließung aus der [X.] rechtfertigt (vgl. [X.], Urteil vom 19. September 1977 - [X.], [X.], 1276, 1277).

2. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s in erster Linie Aufgabe des Tatrichters zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein wichtiger Grund vorliegt; er hat die dafür maßgebenden Umstände festzustellen, zu würdigen und abzuwägen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich allein darauf, ob das [X.] den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat ([X.], Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362; Urteil vom 24. Februar 2003 - [X.], [X.], 759, 760 mwN). Gemessen an diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Einziehung eines Geschäftsanteils ebenso wie die Ausschließung eines [X.]ers einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen [X.]er bedarf ([X.], Urteil vom 23. Februar 1981 - [X.], [X.]Z 80, 346, 350; Urteil vom 13. Februar 1995 - [X.], [X.], 567, 569 mwN).

b) Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein sinnvolles Zusammenwirken der [X.]er nicht mehr zu erwarten ist, weil es an der für das Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH erforderlichen ersprießlichen Zusammenarbeit und der Achtung vor dem anderen fehle, ist gleichfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf dieser Tatsachengrundlage kann dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die weiteren Voraussetzungen, die den Ausschluss des [X.] unter diesem Gesichtspunkt und damit die Einziehung seines Geschäftsanteils rechtfertigen könnten, seien nicht sämtlich gegeben, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]s setzt ein wichtiger Grund zum Ausschluss eines [X.]ers im Falle eines - vom Berufungsgericht hier festgestellten - tiefgreifenden [X.] der [X.]er voraus, dass das Zerwürfnis von dem betroffenen [X.]er zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der die Ausschließung betreibenden [X.]er keine Umstände vorliegen, die deren Ausschließung oder die Auflösung der [X.] rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 1960 - [X.], [X.]Z 32, 17, 31; Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362, 363; Urteil vom 24. Februar 2003 - [X.], [X.], 759, 761).

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass den [X.] ihrerseits ein ihren eigenen Ausschluss rechtfertigendes Verhalten vorzuwerfen wäre. Das Berufungsgericht hat vielmehr allein Verhaltensweisen des [X.] festgestellt, die die Achtung vor seinen [X.] vermissen lassen und einer ersprießlichen Zusammenarbeit im Wege stehen. Weiter hat es angenommen, dass durch die Verhaltensweisen des [X.] die Zerrüttung zwischen den [X.]ern zumindest vertieft wurde. Damit ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber hinreichend dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der [X.] überwiegend vom Kläger verursacht worden ist.

Dass sich das Berufungsgericht nicht zu der Beurteilung in der Lage gesehen hat, wer das Scheitern der Lebensgemeinschaft des [X.] mit seiner Mitgesellschafterin [X.]  zu vertreten habe, und es nicht für erwiesen erachtet hat, dass nicht die durch die persönliche Trennung der Mitgesellschafter entstandenen Spannungen und Umgangsformen ein weiteres Miteinander der [X.]er bereits untragbar gemacht hätten, rechtfertigt keine andere Würdigung. Das Scheitern der Lebensgemeinschaft ist für die Beantwortung der Frage, wer das innergesellschaftliche Zerwürfnis überwiegend verursacht hat, nur dann und soweit von Bedeutung, wie der daraus resultierende persönliche Konflikt von den Beteiligten in die [X.] hineingetragen wurde. Das Berufungsgericht hat aber nur in Bezug auf den Kläger festgestellt, dass seine Pflichtverletzungen in Fortsetzung seiner in die [X.] hineingetragenen persönlichen Auseinandersetzung mit der Mitgesellschafterin [X.]begangen wurden. Dass die Mitgesellschafter in vergleichbarer Weise die persönliche Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der [X.]erin [X.] in die [X.] hineingetragen oder in anderer Weise zum Zerwürfnis der [X.]er beigetragen haben, hat das Berufungsgericht dagegen nicht festgestellt und hat der Kläger, dessen - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts für das Zerwürfnis der [X.]er (zumindest mit)ursächliche - Pflichtverletzungen rechtsfehlerfrei festgestellt sind, nach der insoweit rechtlich unbedenklichen Würdigung des Berufungsgerichts auch nicht substantiiert vorgetragen.

III. Der [X.] hat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten.

Bergmann                  Strohn                        Reichart

                  Born                      Sunder

Meta

II ZR 216/11

24.09.2013

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 29. September 2011, Az: 6 U 1415/10

§ 34 Abs 2 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.09.2013, Az. II ZR 216/11 (REWIS RS 2013, 2574)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2574

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Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters vor vollständig erbrachter Einlage und ohne Beschluss über Verwertung seines Geschäftsanteils


Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 216/11

II ZB 5/12

II ZB 5/12

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