Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. VII ZR 43/04

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3195

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 9 Juni 2005 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 275 Abs. 1, 296 Abs. 1 Ein Vorbringen darf im frühen ersten Termin nicht als verspätet zurückgewiesen wer-den, wenn nach der Sach- und Rechtslage eine Streitbeendigung in diesem Termin von vornherein ausscheidet.

[X.], Urteil vom 9. Juni 2005 - [X.]/04 - OLG Frankfurt am Main

LG Wiesbaden

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2005 durch [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 14. Januar 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich eines Betrages von 38.625,50 • und Zinsen zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin verlangt von den Beklagten restlichen Werklohn aus einem Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses. Am 18. Dezember 2000 wurden die erbrachten Leistungen gemein-schaftlich unter Feststellung von im einzelnen bezeichneten Mängeln abge-nommen. Am 29. Dezember 2000 stellte die Klägerin Schlußrechnung über 152.267,60 DM. Die Beklagten zahlten darauf 70.000 DM. Am 12. April 2001 - 3 - erfolgte eine "Nachabnahme", in der die strittigen und unstrittigen Punkte zwi-schen den Parteien festgehalten wurden. Nachdem die Klägerin einen Teil der dort festgehaltenen Mängel besei-tigt hatte, verlangte sie klageweise die Zahlung eines Restbetrages von 43.329,07 •. In der Klagebegründung führte sie aus, ein Teil der Mängel sei weiterhin streitig, teilweise habe man sich auf Minderung geeinigt, die [X.] rügten zwar angebliche neue Mängel, die jedoch nicht vorlägen. Das [X.] hat am 10. Januar 2003 Termin zur "Güteverhandlung und frühen ersten Termin" auf 12. März 2003 bestimmt. Die Beklagten wurden unter Hinweis auf die Folgen der Fristversäumnis aufgefordert, für den Fall der Verteidigung gegen die Klage durch einen Rechtsanwalt innerhalb von drei [X.] nach Zustellung schriftlich zu erwidern. Die Beklagten beantragten durch ihren Prozeßbevollmächtigten am 17. Januar 2003, die Klage abzuweisen. Sie kündigten ferner an, daß die Klageerwiderung fristgerecht nachgereicht werde. Auf ihren Antrag wurde die [X.] bis 15. Februar 2003 verlän-gert und der Verhandlungstermin wegen ihrer Verhinderung auf den 4. Juni 2003 verlegt. In diesem Termin überreichten die Beklagten die Klageerwide-rung. Sie berufen sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht mindestens in Höhe der geltend gemachten Forderung. Es lägen weiterhin zahlreiche Mängel vor, die in der Klageerwiderung im einzelnen dargelegt werden. Vereinbarte [X.] seien zudem nicht berücksichtigt. Das [X.] hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im übri-gen zur Zahlung von 38.625,50 • verurteilt. Soweit der Klage stattgegeben [X.], hat das [X.] das Vorbringen der Beklagten gemäß § 296 ZPO aus-geschlossen, weil hierdurch eine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten wäre. Bei Beachtung der Frist, deren Überschreitung die Beklagten nicht [X.] - schuldigt hätten, hätten richterliche Hinweise zu den von den Beklagten nicht hinreichend substantiierten Mängeln erfolgen können. Im Termin vom 4. Juni 2003 hätte der gesamte Sach- und Streitstand aufbereitet und hierüber verhan-delt werden können. Wenn nunmehr das verspätete Vorbringen zugelassen würde, wären erst nach der mündlichen Verhandlung entsprechende Hinweise möglich. Hierauf müßte den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gege-ben werden, ebenfalls der Klägerin, so daß es erforderlich gewesen wäre, [X.] einen weiteren Termin abzuhalten, bei dem die konkrete Situation hätte verhandelt werden können. Hinsichtlich eines Betrages von 3.766,57 • sei die Klage abzuweisen, da nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten eine Minderung vereinbart worden sei. Nach beiderseitiger Berufung hat das Berufungsgericht die Beklagten zur Zahlung auch dieses Betrages verurteilt. Nachdem der Senat die Revision der Beklagten, soweit hinsichtlich des Betrages von 38.625,50 • zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, zugelassen hat, verfolgen diese ihren Anspruch auf Klageabweisung in diesem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Zulassung zur Aufhe-bung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. - 5 - [X.] Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das Vorbringen der Beklagten sei zu Recht überwiegend als verspätet zurückgewiesen worden. Die Zulassung hätte zu einer Verzögerung geführt und zwar sowohl, soweit das [X.] noch Hinweise an die Beklagten für nötig gehalten habe, als auch im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin. Da die Klägerin bereits vor dem Vorbringen der Beklagten das Vorhandensein weiterer Mängel bestritten habe, hätte nur [X.] der verspäteten Behauptungen über weitere Mängel, soweit sie [X.] substantiiert beschrieben und unter [X.] gestellt seien, weiterverhandelt und Beweis erhoben werden müssen, was jedenfalls zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Es habe daher nicht einmal eines Schriftsatznachlasses zugunsten der Klägerin bedurft. Hinsichtlich des Betrages von 3.766,57 • seien die Mängel nicht unstrei-tig. Das Urteil unterliege insofern der Änderung, weil die Beklagten über die [X.] zu Mängeln von insgesamt 3.766,57 • weder in erster noch in zweiter Instanz Beweis angetreten hätten. I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht geht zu Unrecht davon aus, daß die Beklagten mit ihrem Vorbringen in der Klageerwiderung vom 3. Juni 2003 gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen sind. Das [X.] hat diesen Vortrag rechtsfehlerhaft als verspätet behandelt. - 6 - 1. Eine Zurückweisung unentschuldigten verspäteten Vorbringens ist auch im frühen ersten Termin möglich ([X.], Urteil vom 2. Dezember 1982 - [X.] ZR 71/82, [X.] 86, 31). Das Vorbringen darf im frühen ersten Termin [X.] dann nicht zurückgewiesen werden, wenn nach der Sach- und Rechtslage eine Streitbeendigung in diesem Termin von vornherein ausscheidet ([X.], Ur-teil vom 21. Oktober 1986 - [X.], [X.] 98, 368), etwa weil es sich erkennbar um einen Durchlauftermin handelt ([X.], Urteil vom 2. Dezember 1982 - [X.] ZR 71/82, aaO.) oder es sich um einen offensichtlich schwierigen Prozeß handelt ([X.], Urteil vom 21. Oktober 1986 - [X.], aaO.). Die Zurückweisung von Vorbringen als verspätet verstößt gegen den Anspruch des Prozeßbeteiligten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 GG, wenn sich ohne wei-tere Erwägungen aufdrängt, daß die Verzögerung auch bei rechtzeitigem [X.] eingetreten wäre. Die Präklusionsvorschriften der Zivilprozeßordnung dürfen nicht dazu benutzt werden, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, daß die Pflichtwidrigkeit - die Verspä-tung allein - nicht kausal für die Verzögerung ist ([X.], Beschluß vom 27. Januar 1995 - I BvR 1430/94, NJW 1995, 1417 m.w.N.). 2. Nach diesen Grundsätzen durfte das [X.] das Vorbringen der Beklagten nicht als verspätet zurückweisen. Bereits aus der Klagebegründung ergab sich, daß es zwischen den [X.] auch nach der "Nachabnahme" vom 12. April 2001 noch eine Vielzahl von streitigen Positionen gab. Danach bestand zum einen Streit um noch zu erledi-gende Arbeiten, zum anderen um das Vorhandensein weiterer im Nachabnah-meprotokoll festgehaltener Mängel, sowie darum, ob und in welcher Höhe Ab-züge wegen vereinbarter Minderungen vorgenommen werden durften. Darüber hinaus wies die Klägerin in der Klagebegründung darauf hin, daß noch weitere, bei der Abnahme nicht angegebene neue Mängel gerügt worden seien sowie - 7 - daß alle weiteren Versuche einer gütlichen Einigung gescheitert seien. Bereits danach war klar, daß die Beklagten diese [X.] auch im Prozeß erheben wür-den, also eine Beweisaufnahme mit Zeugenvernehmung und Sachverständi-gengutachten erforderlich sein werde und deshalb die Streiterledigung im [X.] ersten Termin von vornherein ausschied. Das verspätete Vorbringen zu den erheblichen Streitpunkten ist mithin nicht ursächlich geworden, weil diese Beweiserhebung auch bei rechtzeitigem Vorbringen erforderlich gewesen wäre. Nicht gefolgt werden kann im übrigen der Ansicht des [X.]s, nach richterlichen Hinweisen zur fehlenden Substantiierung von Mängeln in der Kla-geerwiderung hätte im Termin vom 4. Juni 2003 der gesamte Sach- und Streit-stand aufbereitet werden können. Das [X.] äußert sich nicht dazu, zu welchen Mängeln nicht substantiiert vorgetragen sein soll. Diese sind im [X.] im Schriftsatz vom 3. Juni 2003 substantiiert vorgetragen. [X.] ist die Erwägung des Berufungsgerichts, von Bedeutung sei, daß die Klägerin das Vorhandensein der von den Beklagen behaupteten Mängel bereits in der [X.] als bestritten dargestellt habe. Dies belegt gerade, daß eine Streiterledigung im frühen ersten Termin von vornherein ausschied. [X.] Wiebel Haß

Kuffer

[X.]

Meta

VII ZR 43/04

09.06.2005

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2005, Az. VII ZR 43/04 (REWIS RS 2005, 3195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3195

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