Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2010, Az. II R 5/08

2. Senat | REWIS RS 2010, 9319

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zweitwohnungsteuer für Studentenwohnung in Berlin - Zweitwohnungsbegriff i.S.d. Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes


Leitsatz

1. Nach dem Berliner Zweitwohnungsteuergesetz gilt sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung der melderechtliche Wohnungsbegriff. Die Zweitwohnungsteuerpflicht ist nicht auf Inhaber einer Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis beschränkt .

2. Der Einbeziehung von Wohnungen in die Zweitwohnungsteuer, die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden, steht der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG nicht entgegen .

Tatbestand

1

I. Der [X.]läger und Revisionskläger ([X.]läger) bewohnte in den Jahren 2001 bis 2003 studienbedingt [X.] in einem Studentenwohnheim in [X.] und war dort mit dem Nebenwohnsitz gemeldet. Mit dem Hauptwohnsitz war der [X.]läger in der elterlichen Wohnung in [X.] gemeldet, wo ihm sein ehemaliges [X.]inderzimmer zur Verfügung stand.

2

Mit Bescheid vom 25. Februar 2002 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) gegen den [X.]läger auf der Grundlage des [X.]er [X.] vom 19. Dezember 1997 --[X.]-- (Gesetz- und Verordnungsblatt für [X.] --GVBl Bln-- 1997, 686) Zweitwohnungsteuer für 2001 in Höhe von 44,99 € und für 2002 und 2003 in Höhe von jeweils 45,43 € fest. Dabei legte das [X.] seiner Steuerberechnung eine vom [X.]läger zu zahlende jährliche [X.]altmiete von 1.777,32 DM zugrunde. Der Einspruch, den der [X.]läger mit dem fehlenden Innehaben einer Erstwohnung im Wohnhaus seiner Eltern begründete, hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Zweitwohnungsteuer aufgrund einer Neuberechnung der vom [X.]läger zu zahlenden Nettokaltmiete unter Änderung des [X.] vom 25. Februar 2002 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 für das [X.] auf 42,71 € und für 2002 auf 44,85 € festgesetzt; im Übrigen hat es die [X.]lage abgewiesen. Der [X.]läger habe in [X.] eine Zweitwohnung innegehabt. Das [X.] knüpfe allein an das Innehaben einer Zweitwohnung und nicht an das Innehaben zweier Wohnungen an. Der Zweitwohnungsteuer unterlägen daher auch Inhaber von Zweitwohnungen, die ihre überwiegend genutzte Hauptwohnung mangels Verfügungsbefugnis nicht inne hätten. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2008, 578 veröffentlicht.

4

Mit seiner Revision macht der [X.]läger Verletzung des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) sowie von §§ 1 und 2 [X.] geltend. Der Steuertatbestand des § 1 [X.] sei nur bei einem Innehaben sowohl einer Erst- als auch einer Zweitwohnung erfüllt; in den sog. "[X.]inderzimmerfällen" fehle es jedoch typischerweise am Innehaben der Hauptwohnung. Das im Haus seiner Eltern genutzte [X.]inderzimmer erfülle mangels Vorhandenseins einer [X.]üche oder [X.]ochnische nicht die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3 [X.] und habe für ihn keinen abgeschlossenen Lebensbereich dargestellt.

5

Der [X.]läger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den [X.] vom 25. Februar 2002 und die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt sinngemäß, die Revision betreffend die Zweitwohnungsteuer für 2001 zurückzuweisen und die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € herabzusetzen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst insoweit, als die Zweitwohnungsteuer für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € herabgesetzt wird. Hinsichtlich der Zweitwohnungsteuer für 2001 ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

8

Das [X.] ist revisibles Recht (§ 118 Abs. 1 Satz 2 [X.]O), dessen Auslegung durch das [X.] durch den Senat im Revisionsverfahren unterliegt (s. § 1 Nr. 4 des [X.] über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung vom 21. Juni 1977, GVBl Bln 1977, 1394).

9

1. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass für den Kläger aufgrund der von ihm in [X.] genutzten Zweitwohnung die Voraussetzungen der [X.] gemäß §§ 1 und 2 [X.] erfüllt sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger am Wohnort seiner Eltern lediglich sein früheres [X.] bewohnte und nicht verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung war.

a) Der Kläger war aufgrund des für die [X.] maßgebenden melderechtlichen [X.]s wegen des von ihm in [X.] angemieteten und zum Wohnen oder Schlafen benutzten Raums Inhaber einer Zweitwohnung.

aa) Gegenstand der Zweitwohnungsteuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung in [X.] (§ 1 [X.]). Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] jede Wohnung i.S. des § 2 Abs. 3 und 4 [X.], die dem Hauptmieter als Nebenwohnung i.S. des [X.] über das Meldewesen vom 26. Februar 1985 --[X.]-- (GVBl Bln 1985, 507) dient. Nach § 16 Satz 1 [X.] ist Wohnung jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Auf diese Bestimmung verweist auch der in § 2 Abs. 5 [X.] definierte Begriff der Nebenwohnung. Diese liegt vor, wenn sie --wie im Fall des [X.] einer mit Nebenwohnung gemeldeten Person i.S. des § 16 [X.] zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs dient.

bb) Für die Rechtsansicht des [X.], eine [X.] bestehe nur für Inhaber einer Erstwohnung mit eigener Verfügungsbefugnis, ist kein Raum. Auch für die Erst- oder Hauptwohnung gilt der melderechtliche [X.] des § 16 [X.]. Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf §§ 16 und 17 [X.]. § 17 Abs. 1 [X.] bestimmt für den Fall, dass ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland hat, dass eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung und jede weitere Wohnung seine Nebenwohnung ist. Damit gilt sowohl für die Erst- oder Hauptwohnung als auch für die Zweit- oder Nebenwohnung derselbe [X.] des § 16 [X.] (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 1. Oktober 2008 [X.], [X.], 53). Den in § 2 Abs. 3 und 4 [X.] getroffenen Regelungen kann auch nicht entnommen werden, dass hinsichtlich der Erstwohnung über den melderechtlichen [X.] hinausgehende Anforderungen zu stellen sind. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 5 und 6 [X.], die ebenfalls auf den [X.] des § 16 [X.] ausgerichtet sind. Demgemäß genügt das vom Kläger im Hause seiner Eltern zum Schlafen oder Wohnen "benutzte" [X.] den an das Innehaben einer Hauptwohnung zu stellenden Anforderungen.

Das Vorbringen des [X.], das von ihm im Hause seiner Eltern benutzte [X.] erfülle mangels vorhandener Küche oder Kochnische nicht die an eine Wohnung zu stellenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 2 Abs. 3 [X.], geht fehl. § 2 Abs. 3 [X.] betrifft ausschließlich die an eine Zweitwohnung zu stellenden Anforderungen und lässt den für die Erstwohnung geltenden melderechtlichen [X.] unberührt.

b) Dieser Rechtslage steht Bundesrecht nicht entgegen. Die Zweitwohnungsteuer ist als Aufwandsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (Beschluss des [X.] vom 6. Dezember 1983  2 BvR 1275/79, [X.] 65, 325, 346). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Erstwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (BFH-Urteile vom 5. März 1997 II R 28/95, [X.], 243, [X.] 1997, 469; vom 27. August 2003 II R 53/01, [X.] 2004, 546).

Für den Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist es unerheblich, ob der Inhaber einer Zweitwohnung auch verfügungsberechtigter Inhaber der Erstwohnung ist. Entscheidend ist allein, dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird (vgl. z.B. Urteile des [X.] vom 17. September 2008  9 C 14/07, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2009, 532; vom 13. Mai 2009  9 C 7/08, [X.], 1437).

Die Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer verlangt auch nicht, dass das Innehaben der Zweitwohnung der Befriedigung eines gehobenen Bedarfs dient. Die Zweitwohnungsteuer ist nicht mit einer Luxussteuer gleichzusetzen (BFH-Entscheidungen vom 1. August 2001 II R 71/99, [X.] 2002, 232, und in [X.], 53). Daher können auch solche Zweitwohnungen in die Besteuerung einbezogen werden, die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden ([X.] in [X.], 53).

2. Für das [X.] hat das [X.] die Zweitwohnungsteuer zutreffend auf 42,71 € festgesetzt; insoweit ist die Revision unbegründet. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen findet erstmals für das Jahr des Beginns der Steuerpflicht und sodann für jedes dritte folgende Kalenderjahr statt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] die auf Grund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete. In Anwendung dieser Vorschriften beträgt die Zweitwohnungsteuer, ausgehend von einer Nettokaltmiete von 870,21 [X.] und einem Steuersatz von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, 42,71 €.

Hinsichtlich der für die Jahre 2002 und 2003 festgesetzten Zweitwohnungsteuer hat das [X.] nicht beachtet, dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch für diese Jahre die vom Kläger im [X.] geschuldete Kaltmiete als Bemessungsgrundlage anzusetzen war. Insoweit war die Vorentscheidung aufzuheben und die Zweitwohnungsteuer auch für 2002 und 2003 auf jeweils 42,71 € festzusetzen.

Meta

II R 5/08

17.02.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 27. November 2007, Az: 14 K 10476/02 B, Urteil

Art 105 Abs 2a GG, § 1 ZwWoStG BE, § 2 ZwWoStG BE, § 4 Abs 2 ZwWoStG BE, § 16 MeldeG BE, § 17 MeldeG BE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.02.2010, Az. II R 5/08 (REWIS RS 2010, 9319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9319

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 529/09 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Kommunale Zweitwohnungssteuer bei "Kinderzimmerfällen" - Zulässigkeit als örtliche Aufwandsteuer - Keine Verletzung von Art …


1 BvR 2664/09 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zweitwohnungssteuer und Residenzpflicht eines Beamten - Keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG …


II R 67/08 (Bundesfinanzhof)

Regelungsinhalt und Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG


II R 13/14 (Bundesfinanzhof)

Keine Hamburger Zweitwohnungsteuer für eine aus beruflichen Gründen gehaltene Nebenwohnung eines Verheirateten


1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 (Bundesverfassungsgericht)

Verfassungswidrigkeit der Erhebung der Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung von Erwerbszweitwohnungen durch verheiratete wegen Verstoßes gegen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.