Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2008, Az. VIII ZR 166/07

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1017

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 5. November 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 242 [X.], 323, 434, 437 a) Zur Frage, unter welchen Umständen das Eindringen von Feuchtigkeit in den In-nenraum eines verkauften Gebrauchtwagens als ein den Rücktritt des Käufers ausschließender geringfügiger Mangel ("unerhebliche Pflichtverletzung") i.S. des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB eingestuft werden kann. b) Für die Beurteilung, ob ein Mangel als geringfügig i.S. des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des [X.]. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel wird nicht dadurch uner-heblich, dass es im Verlauf der sich anschließenden Auseinandersetzung einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelingt, den Mangel zumindest proviso-risch zu beseitigen. - 2 - c) [X.] an dem wirksam erklärten Rücktritt ist nur dann treu-widrig, wenn der Mangel nachträglich mit seiner Zustimmung beseitigt wird. [X.], Urteil vom 5. November 2008 - [X.]/07 - [X.]

[X.] - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2008 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] [X.] sowie die Richterinnen [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2007 in der Fassung des [X.] vom 4. Juni 2007 aufgehoben. Die Berufung der [X.] gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 16. Oktober 2006 wird [X.]. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger verlangt von der [X.] die Rückabwicklung eines [X.] über einen Gebrauchtwagen. 1 Der Kläger erwarb von der [X.] mit Vertrag von Ende Juni/Anfang Juli 2004 einen gebrauchten [X.], Erstzulassung April 1996, mit einem Kilometerstand von 101.500 km zu einem Kaufpreis von 12.150 •. Schon bald nach der am 2. Juli 2004 erfolgten Auslieferung reklamierte der Kläger bei der [X.], dass Wasser in das Innere des Fahrzeugs eintrete. In Absprache mit 2 - 4 - der [X.] wurde in der Folgezeit mehrfach versucht, das Fahrzeug [X.]. Mit Schreiben vom 7. Mai 2005 informierte der Kläger die Beklagte dar-über, dass wieder [X.] im Bereich des vorderen rechten Fuß-raums und im Bereich des rechten Rücksitzes vorhanden sei. Er forderte die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf und kündigte für den Fall des [X.] die Rückgabe des Fahrzeugs an. Mit Schreiben vom 1. Juni 2005 erklärte der Kläger unter Hinweis auf er-neut eingetretenes Wasser den Rücktritt vom Kaufvertrag. 3 Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 11.500 • nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu verurteilen. Das Land-gericht hat zu den behaupteten Mängeln ein schriftliches Sachverständigengut-achten eingeholt und darauf gestützt der Klage in Höhe von 11.376,61 • [X.]. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt: 6 Der Kläger sei entgegen der Ansicht des [X.] nicht berechtigt, vom Kauf zurückzutreten. 7 - 5 - Zwar sei das Fahrzeug bei Übergabe gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft gewesen, da an mehreren Stellen und infolge unterschiedli-cher Ursachen Feuchtigkeit eingedrungen sei. Die festgestellten Feuchtigkeits-erscheinungen und deren Ursachen gäben dem Kläger jedoch - auch in ihrer Gesamtheit betrachtet - keinen Grund, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Rücktritt sei nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vor-schrift könne der Gläubiger im Fall vertragswidriger Leistung vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich sei. So lägen die Dinge hier. 8 Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung sei nach objektiven Gesichtspunk-ten, insbesondere nach dem objektiven Ausmaß der Qualitätsabweichung und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigung des [X.] des Käufers zu bestimmen. Dabei seien - wenn auch nicht ausschließlich - die Krite-rien der Wertminderung und der Gebrauchsbeeinträchtigung heranzuziehen. Die Schwelle der unerheblichen Pflichtverletzung sei nicht mit der des geringfü-gigen Mangels im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF identisch; sie müsse deutlich höher angesetzt werden. 9 Zu fragen sei vorrangig, ob und in welchem Maße die Verwendung der Kaufsache gestört und/oder ihr Wert gemindert sei. Im Vordergrund stehe die Gebrauchstauglichkeit. Dabei sei im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass es sich um ein Gebrauchtfahrzeug handele, das bereits rund acht Jahre alt und über 100.000 km gelaufen sei. Hinzu komme, dass es sich nicht um eine nor-male Limousine, sondern um einen Geländewagen handele. Der verständige Durchschnittskäufer werde bei einem Geländewagen eher als bei einem norma-len Pkw dazu bereit sein, Abstriche zu machen, was die Abdichtung gegen das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere angehe. 10 - 6 - Für Erheblichkeit spreche, dass zwei Kfz-Betriebe nicht in der Lage ge-wesen seien, das Eindringen von Feuchtigkeit nachhaltig und dauerhaft zu ver-hindern. Dabei sei auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel könne nicht dadurch unerheblich werden, dass es - wie hier - einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelungen sei, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen. 11 Auf der anderen Seite stehe das [X.] und damit die Klage-forderung, wie jedes andere Recht, unter dem Vorbehalt des § 242 BGB. Inso-weit könne es im Einzelfall durchaus treuwidrig sein, wenn ein Käufer an einem - wirksam erklärten - Rücktritt festhalte, nachdem der ursprünglich vorhandene Mangel in seiner Ursache und/oder seiner Auswirkung ganz oder teilweise be-seitigt worden sei. Zwar dürfe eine eigenmächtige Mängelbehebung nach er-klärtem Rücktritt dem Verkäufer nicht zugute kommen. Anders sei es jedoch, wenn der Käufer die Beseitigung des Mangels selbst veranlasst oder jedenfalls darin eingewilligt habe. Im Streitfall sei der gerichtlich bestellte Sachverständige quasi als Monteur tätig geworden. Dass dies gegen den Willen des [X.] ge-schehen sei, könne nicht festgestellt werden. 12 Die verbliebenen Feuchtigkeitserscheinungen insbesondere im [X.] hätten nicht genügend Gewicht, um der [X.] stattgeben zu können. Um dieses Problem zu beheben, sei nach Ansicht des Sachver-ständigen kein großer Aufwand erforderlich, weder in zeitlicher noch in [X.] Hinsicht. Die Abdichtung im Bereich des rechten [X.] nicht mehr als 200 • kosten. 13 - 7 - II. 14 Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 15 Das Berufungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 437 Nr. 2, §§ 323, 440, § 346 Abs. 1, § 348 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises - abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile - in Höhe von 11.376,61 • Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeugs zu. 1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug bei Gefahrübergang gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil an mehreren Stellen Feuchtigkeit in das Fahrzeuginnere eindrang. Dies lässt kei-nen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision, da ihr günstig, auch nicht angegriffen. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, das [X.] habe die [X.]igkeit des Fahrzeugs nicht festgestellt, son-dern sie lediglich zugunsten des [X.] unterstellt, verkennt sie, dass die [X.] sich lediglich auf die von dem gerichtlichen Sachverständigen nicht aufgeklärte Ursache des Wassereintritts im Fußraum des Beifahrersitzes [X.]. [X.] war das Fahrzeug auch insoweit aber schon deswegen, weil - aus welchen Gründen auch immer - Wasser in den Fußraum eindrang. Dass dies der Fall war, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachver-ständigengutachtens ausdrücklich - und rechtsfehlerfrei - festgestellt. 16 2. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des [X.], auf den [X.] auch das Berufungsgericht abstellt, waren die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB erfüllt. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es gemäß § 440 Satz 1 BGB nicht, weil die Nachbesserungsversuche der [X.] selbst und eines von ihr eingeschalteten weiteren Kfz-Betriebs nach den [X.] und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen [X.] - stellungen des Berufungsgerichts erfolglos geblieben waren, die Nacherfüllung somit fehlgeschlagen war (§ 440 Satz 2 BGB). 18 3. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Rücktritt sei gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausge-schlossen, weil die in der [X.]igkeit des Fahrzeugs bestehende Pflicht-verletzung der [X.] unerheblich sei. a) Auch für die Beurteilung dieser Frage ist, wie das Berufungsgericht [X.] erkennt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Zu die-sem Zeitpunkt war die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs dadurch einge-schränkt, dass aus bis dahin ungeklärter Ursache an mehreren Stellen Feuch-tigkeit in das Wageninnere eindrang und zwei Fachbetriebe nicht in der Lage waren, Abhilfe zu schaffen. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass ein solcher Befund grundsätzlich als erheblicher Mangel einzustufen ist, weil er - so die Begründung des Berufungsgerichts - "für viele, wenn nicht gar für die [X.] Interessenten ein Grund sein (wird), vom Kauf Abstand zu nehmen." 19 b) [X.] ist auch der weiteren Erwägung des Berufungsgerichts, dass ein im Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht dadurch unerheb-lich werden kann, dass es - wie hier - im Verlauf der sich anschließenden [X.] einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelingt, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen. 20 c) Mit Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Mängel seien deswegen als unerheblich einzustufen, weil es sich bei dem verkauften Fahrzeug um einen acht Jahre alten Ge-brauchtwagen mit einer Laufleistung von mehr als 100.000 km handelte und weil das Fahrzeug zur Kategorie der Geländewagen gehört. Das [X.] zeigt nicht auf, welche Umstände oder Erfahrungssätze seine Auffassung 21 - 9 - stützen sollen, der verständige Durchschnittskäufer eines derartigen Fahrzeugs werde eher als der Käufer eines normalen Pkw bereit sein, Abstriche zu ma-chen, was das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere angehe. [X.] weist die Revision zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Fahrzeug vom Typ [X.] nicht um ein üblicherweise im Gelände eingesetztes Ar-beitsfahrzeug, sondern um ein luxuriöses Fahrzeug handelt, das mit den [X.] - heute SUV genannten - Geländewagen der Hersteller [X.], [X.] und [X.] vergleichbar ist. Es ist kein Grund zu erkennen, der den verständigen Durchschnittskäufer eines - auch älteren - Gebrauchtwagens die-ser Kategorie veranlassen könnte, das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wa-geninnere eher hinzunehmen als der Käufer einer [X.]. 4. Schließlich hält auch die Erwägung des Berufungsgerichts, das Fest-halten des [X.] an dem erklärten Rücktritt sei treuwidrig, den Angriffen der Revision nicht stand. 22 Wie der [X.] zum Kaufgewährleistungsrecht in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung entschieden hat, bleibt das Wandelungsrecht des Käufers jedenfalls dann unberührt, wenn der Mangel durch eine - vertraglich nicht vereinbarte - Nachbesserung bis zum Vollzug der Wandelung zwar erfolg-reich, aber ohne Zustimmung des Käufers, also eigenmächtig beseitigt worden ist; hat hingegen eine im Einverständnis des Käufers durchgeführte Nachbesse-rung zur vollständigen Behebung des Mangels geführt, so ist damit der Wande-lung der Boden entzogen ([X.]surteil vom 19. Juni 1996 - [X.] ZR 252/95, [X.], 1915 = NJW 1996, 2647, unter [X.]). Ob diese Rechtsprechung sich in Anbetracht der dazu angestellten Erwägungen des [X.]s (aaO) ohne weiteres auf den an die Stelle der Wandelung getretenen Rücktritt des [X.] lässt, bedarf hier keiner vertiefenden Betrachtung. Sowohl nach der Recht-sprechung des [X.]s zur Wandelung als auch unter dem Gesichtpunkt [X.] - 10 - widrigen Verhaltens (§ 242 BGB) wäre der Kläger nur dann gehindert, an der durch den wirksam erklärten Rücktritt erlangten Rechtsposition festzuhalten, wenn die (provisorische) Mängelbeseitigung im Bereich des [X.] durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen mit seiner Zustimmung er-folgt wäre. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Eine Zustimmung des [X.] hat es indessen nicht festgestellt, sondern sich statt dessen auf die Bemerkung beschränkt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Mängelbe-seitigung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen gegen den Willen des [X.] geschehen sei. Dass der Kläger den Reparaturmaßnahmen des Sachverständigen lediglich nicht entgegengetreten ist, wozu er nach erklärtem Rücktritt auch keine Veranlassung hatte, hindert ihn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, an seinem Rücktritt festzuhalten. [X.] Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage 24 - 11 - begründet ist, ist die Berufung der [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.10.2006 - 3 O 308/05 - [X.], Entscheidung vom 30.04.2007 - [X.]/06 -

Meta

VIII ZR 166/07

05.11.2008

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2008, Az. VIII ZR 166/07 (REWIS RS 2008, 1017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1017

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