Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2014, Az. AnwZ (Brfg) 68/13

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 1727

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 68/13

Verkündet am:

3. November 2014

Boppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Nichtaufnahme eines Antrags zur Tagesordnung
einer Kammerversammlung
-

2

-

Der Bundesgerichtshof, [X.], hat auf die mündliche [X.] vom
3. November 2014
durch [X.] Dr.
Kayser, die Richterin [X.], den Richter
Seiters
sowie
den
Rechts-anwalt Dr. Braeuer und die Rechtsanwältin Schäfer

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des 4. Senats des Bayerischen [X.]s
vom 15.
Juli 2013 (BayAGH I
19/12) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird
festgestellt, dass die Weigerung der [X.] zu
2, den Antrag des [X.] vom 15.
März 2012 ("Die [X.]

soll ihre Mitglieder in den nächsten Kammermitteilungen darüber in-formieren, dass die [X.] bei der [X.] zwischen den Jahren 2005 und 2010 um 30,2
% gekürzt wurden.") in die Tagesordnung zur ordentlichen Kammerversammlung 2012 aufzunehmen und die Kammermitglieder mit der Einladung zur Kammerversammlung über diesen Tagesordnungspunkt zu infor-mieren, rechtswidrig gewesen ist.

Die Klage gegen den [X.] zu
1 wird abgewiesen.

Die Kosten erster Instanz werden wie folgt verteilt:
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des [X.] zu
1. Die Beklagte zu
2 trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kos-ten und die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des [X.]. Im Übrigen trägt der Kläger seine außergerichtlichen Kosten selbst. -

3

-

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu 2 je zur Hälfte.

Die Kosten zweiter Instanz werden wie folgt verteilt:
Der Kläger
trägt die außergerichtlichen Kosten des [X.] zu
1. Die Beklagte zu
2 trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kos-ten und 5/7 der außergerichtlichen Kosten des [X.]. Im Übri-gen trägt der Kläger seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1/6 und die Beklagte zu
2 zu 5/6.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000

festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage [X.], ob eine Verpflichtung des [X.] zu
1 in seiner Funktion als Präsident der [X.] zu
2 bestand, einen Antrag des [X.] auf die Tagesordnung der ordentlichen Kammerversammlung vom 20.
April 2012 zu setzen.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Mitglied der [X.] zu
2. Deren
Ge-schäftsordnung (GO) enthält in §
5 zur Einberufung der Kammerversammlung u.a. folgende Regelungen:

1
2
-

4

-

"1.
Ort und Zeit einer ordentlichen Kammerversammlung sind [X.] acht Wochen vorher bekannt zu geben mit der Aufforderung, Anträge zur Tagesordnung spätestens fünf Wochen vor der Kam-merversammlung schriftlich an den Kammervorstand zu richten.

3.
Die Tagesordnung wird vom Präsidenten festgesetzt. Ein [X.] ist auf die Tagesordnung zu setzen, wenn es von mindestens 25 Kammermitgliedern schriftlich beantragt wird.

4.
Mit der Einladung zur Kammerversammlung erhalten die Mitglieder
die Tagesordnung, "

Die ordentliche Kammerversammlung 2012 war für den 20.
April 2012 anberaumt. Mit Schreiben vom 15.
März 2012 bat der Kläger darum, zwei An-träge in die Tagesordnung aufzunehmen. Ersterer lautete wie folgt:

"Die [X.]

soll ihre Mitglieder in den nächsten Kammermittei-lungen darüber informieren, dass die [X.] bei der [X.] zwischen den Jahren 2005 und 2010 um 30,2
% gekürzt wurden."

Das Schreiben vom 15.
März 2012 hatten neben dem Kläger weitere 25 Kammermitglieder unterzeichnet.

Der Beklagte zu
1 teilte dem Kläger mit Schreiben vom 3.
April 2012 mit, dass der zweite Antrag bei der Einladung zur Kammerversammlung berücksich-tigt, dagegen der erste Antrag mit Zustimmung des [X.] nicht in die Tagesordnung aufgenommen werde. Es bestünden insoweit Bedenken, da für diese Thematik nicht die Zuständigkeit der Kammer, sondern des Versor-gungswerks gegeben sei und der Antrag auch den Grundsätzen sachlicher In-formation widerspreche. Mit Schreiben vom 3. und 4.
April 2012 wiederholte der Kläger seine Bitte um Aufnahme dieses
Tagesordnungspunkts. Der Beklagte 3
4
5
-

5

-

zu
1 lehnte den Antrag des [X.] mit Schreiben vom 10.
April 2012 endgültig ab, da dieser nicht den Aufgabenbereich der Kammer betreffe und ihm auch im Falle des §
5 Nr.
3 GO
ein materielles Prüfungsrecht zustehe.

Die hiergegen erhobene Feststellungsklage hat der [X.] abgewiesen. Auf Antrag des [X.] hat der Senat mit Beschluss vom 17.
De-zember 2013 (NJW-RR 2014, 750) -
unter Zurückweisung des weitergehenden (den [X.] zu
1 betreffenden) Rechtsmittels
-
die Berufung gegen das Ur-teil des [X.]es zugelassen, soweit
die Klage gegen die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des [X.] ist zulässig und
begründet. Dem Präsidenten der [X.] steht bei Anträgen zur Tagesordnung, die gemäß §
5 Nr.
3 GO von
mindestens 25 Mitgliedern der [X.] unterstützt werden, kein materiel-les Prüfungsrecht zu.

Nach §
85 Abs.
2 [X.] muss der Präsident die Versammlung der Kammer einberufen, wenn ein Zehntel der Mitglieder es schriftlich beantragt und hierbei den Gegenstand angibt, der in der Versammlung behandelt werden soll. Dies gilt entsprechend (argumentum a maiore ad minus) für die Anmeldung einzelner Anträge zur Tagesordnung einer vom Präsidenten bereits [X.] Kammerversammlung. Von letzterem ist der [X.] zu Recht als selbstverständlich ausgegangen und dies wird mit der [X.] auch nicht in Frage gestellt.

6
7
8
-

6

-

Es entspricht einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. nur [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches
Berufsrecht,
2.
Aufl.,
§
85 [X.] Rn.
5, §
87 Rn.
2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., §
85 Rn.
4; [X.] in Henssler/Prütting, [X.], 4.
Aufl., §
85 Rn.
3, §
87 Rn.
2; Kleine-Cosack, [X.], 6.
Aufl., §
87 Rn.
2; [X.], NJW 1985, 1084, 1087; siehe auch "Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung"
der Bundesre-gierung vom 8. Januar 1958, BT-Drucks. [X.], [X.] zu § 98), dass dem Prä-sidenten -
anders als bei Anträgen einzelner Kammermitglieder
-
insoweit kein Prüfungsrecht zusteht. Er muss deshalb einen solchen qualifizierten Antrag (Mindestquorum) auch dann auf die Tagesordnung setzen, wenn er die Be-handlung des Themas auf der Kammerversammlung -
z.[X.] weil der Antrag ei-nen Gegenstand betrifft, der seiner Meinung nach nicht in den Funktionsbereich der Kammer fällt -
für unzulässig hält. Es ist dann Aufgabe der Kammerver-sammlung, selbst darüber zu beschließen,
ob und
wie sie einen solchen Ge-genstand behandeln will. Dem Präsidenten bleibt es hierbei unbenommen,
be-reits
im Zuge der Übermittlung der
Tagesordnung seine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags deutlich zu machen.

Die Beklagte hat -
ersichtlich vor dem Hintergrund, dass bei der großen Anzahl ihrer Mitglieder ein Quorum von 10
% praktisch kaum jemals zu [X.] ist -
in ihrer nach §
89 Abs.
3 [X.] erlassenen Geschäftsordnung ein geringeres Quorum -
zwar nicht für die Einberufung einer Kammerversamm-lung, aber für die Tagesordnung einer vom Präsidenten einberufenen Kam-merversammlung -
festgelegt. Ist dieses Quorum erreicht, "ist"
der Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Dass -
abweichend von §
85 Abs.
2 [X.]
-
in diesem Rahmen trotz des eindeutigen Wortlauts dem Präsidenten ein materiel-les Prüfungsrecht zustehen soll, ist nicht ersichtlich. Insoweit rügt der Kläger auch zu Recht, dass das angefochtene Urteil widersprüchlich ist. Zu Ziffer
II 2
a 9
10
-

7

-

begründet der [X.] zunächst zutreffend, dass dem Präsidenten keine Prüfungs-
und Verwerfungskompetenz zusteht. Wieso dann unter Ziffer
II 2
b eine Prüfungs-
und Verwerfungskompetenz doch wieder bejaht wird, er-schließt sich dem Senat nicht. Die dort in Bezug genommene Entscheidung des [X.] (aaO) differenziert an der zitierten Stelle gerade zwischen An-trägen, die ein einzelnes Mitglied stellt, und solchen, die von einer qualifizierten Mehrheit unterstützt werden. In diesen Fällen gibt es keine Prüfungs-
und Ver-werfungskompetenz des Präsidenten, sondern nur eine solche der Kammerver-sammlung als dem letztlich höchsten Organ der Rechtsanwaltskammer.

Insoweit spielt es auch keine Rolle, ob -
worauf die Beklagte in ihrer Be-rufungserwiderung unter anderem abstellt -
der Antrag des [X.] eine unwah-re Tatsachenbehauptung (Rentenkürzung von 31
%) enthalte und "offenkundig"
nicht in die Zuständigkeit der Kammer, sondern in
die des Versorgungswerks falle. Diese
von der [X.] geltend gemachten Umstände
des streitgegen-ständlichen Antrags sind von der Kammerversammlung zu prüfen, nicht aber vom Präsidenten. Die Kammerversammlung der [X.] hat das Erfordernis von 25 Unterschriften vormals als ausreichenden Schutz gegen eine miss-bräuchliche Ausnutzung des Antragsrechts angesehen. Sie könnte im
Rahmen des §
85 Abs.
2 [X.] das in §
5 Nr. 3 GO festgesetzte Quorum
heraufsetzen
oder für die Fälle, die nicht von der Bundesrechtsanwaltsordnung, aber von der Geschäftsordnung
erfasst werden, dem Präsidenten zur Entlastung der Ver-sammlung ein Prüfungsrecht einräumen. Solange dies aber nicht geschieht, verbleibt es dabei, dass dem Präsidenten kein Prüfungsrecht zusteht, wenn mit der erforderlichen Anzahl von Stimmen die Aufnahme eines Tagesordnungs-punktes zur Kammerversammlung beantragt wird.

11
-

8

-

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
1, §
155 Abs. 1
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
1
[X.], §
52 Abs. 2 GKG.

Kayser
[X.]

Seiters

Braeuer
Schäfer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 15.07.2013 -
BayAGH I -
19/12 -

12

Meta

AnwZ (Brfg) 68/13

03.11.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2014, Az. AnwZ (Brfg) 68/13 (REWIS RS 2014, 1727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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