Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 5 StR 443/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2024, 762

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2023 wird

a) das Verfahren im Fall II.2 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt;

b) der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin geändert, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung sowie der versuchten Nötigung schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und mit schwerer räuberischer Erpressung sowie der versuchten Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung schuldig gesprochen, deswegen auf eine Jugendstrafe von vier Jahren erkannt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der [X.] hat den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe dahin berichtigt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung schuldig ist, weil er – wie das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hat – die räuberische Erpressung unter Einsatz eines Messers und damit eines Tatmittels im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB beging (vgl. zur nach ständiger Rechtsprechung zutreffenden Tenorierung in diesen Fällen etwa [X.], Beschluss vom 3. September 2009 – 3 [X.], [X.], 101 mwN).

3

2. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat der [X.] das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des [X.] auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt.

4

a) Der vom [X.] insoweit ausgesprochenen Verurteilung wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung lag zugrunde, dass der Angeklagte durch einen gesondert Verfolgten einem Zeugen einer von ihm und einem Mittäter begangenen gefährlichen Körperverletzung (in Tateinheit mit Bedrohung und besonders schwerer räuberischer Erpressung) eine von dem gesondert Verfolgten auf dessen Mobiltelefon gespeicherte Nachricht zeigen ließ, in der der Angeklagte den Zeugen aufforderte, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen, andernfalls es ihm jedenfalls im Hinblick auf die erlittene gefährliche Körperverletzung so ergehen werde, wie dem Opfer. Der Zeuge ließ sich davon indes nicht beeindrucken.

5

b) Der [X.] hatte hierzu in seiner Antragsschrift beantragt, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung entfalle, weil die Annahme einer tateinheitlichen Bedrohung neben der versuchten Nötigung der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] zum strafrechtlichen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Delikte widerstreite.

6

c) Infolge der mit Zustimmung des [X.] durchgeführten Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der versuchten Nötigung braucht der [X.] nicht mehr zu entscheiden, ob an der zu § 241 StGB in der bis zum 2. April 2021 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung festzuhalten ist, nach der die Bedrohung auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktrat, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. November 2005 – 1 [X.], [X.], 342; vom 11. März 2014 – 5 StR 20/14 Rn. 4; vom 12. Januar 2022 – 4 StR 389/21 Rn. 7). Er neigt indes – wie zuletzt der 4. Strafsenat (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juli 2022 – 4 StR 220/22, NStZ-RR 2022, 341) – zur Annahme von Tateinheit (vgl. auch [X.], Beschluss vom 28. Dezember 2023 – 5 StR 400/23). Das ergibt sich aus Folgendem:

7

Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 – [X.], [X.]St 39, 100, 108; vom 27. November 2018 – 2 StR 481/17, [X.]St 63, 253, 258 f. zur Konkurrenz von versuchtem Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung; Urteil vom 24. September 1998 – 4 StR 272/98, [X.]St 44, 196, 198 zur Konkurrenz von versuchtem Tötungsdelikt und vorsätzlicher Körperverletzung). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, erscheint dem [X.] aus folgenden Gründen zweifelhaft: Zum einen ist durch das [X.] und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 ([X.]) für die Bedrohung mit einem Verbrechen gemäß § 241 Abs. 2 StGB die Strafrahmenobergrenze auf zwei Jahre erhöht worden. Zum anderen werden von den Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 1991 – 1 StR 3/90, [X.]St 37, 350, 353; [X.], Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83, [X.]E 73, 206, 237; so schon [X.], 113, 115) und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits (BT-Drucks. 19/17741 S. 37; [X.], Beschluss vom 15. Januar 2015 – 4 [X.], [X.], 394, 395; vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 1994 – 2 BvR 1146/94, NJW 1995, 2776, 2777; vgl. auch LK/Schluckebier, StGB, 13. Aufl., § 241 Rn. 1: seit der Erweiterung des Tatbestandes sei seit dem 3. April 2021 mittelbar auch der offene Diskurs in der [X.] und die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement geschützt).

8

Einer Änderung der Rechtsprechung hätte aber möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2022 – 3 [X.] Rn. 4) entgegengestanden. Der [X.] hat deshalb aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung eines aufwändigen Anfrageverfahrens die Verfahrensbeschränkung angeregt.

9

d) Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der [X.] schließt aus, dass die [X.] bei einer Verurteilung im Fall II.2 nur wegen versuchter Nötigung auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte, zumal diese auch für Fall II.1 (besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung) einheitlich verhängt wurde, ihre Höhe ohnehin primär am Erziehungsgedanken ausgerichtet ist und der Angeklagte den Tatbestand der Bedrohung tatsächlich verwirklichte.

3. Die weitergehende Revision erweist sich als unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung hat auch mit Blick auf die [X.] – insoweit aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen – keinen (weiteren) Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[X.]     

      

[X.]     

      

Resch

      

von Häfen     

      

Werner     

      

Meta

5 StR 443/23

13.02.2024

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Zwickau, 6. Juni 2023, Az: 5 KLs 243 Js 11180/23 jug

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 5 StR 443/23 (REWIS RS 2024, 762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 762

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4 StR 220/22

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